Ergänzungspflegschaft wenn Kind nicht unter elterlicher Sorge steht

  • Hallo zusammen,

    folgender Sachverhalt:
    Die elterliche Sorge für ein 10-jähriges Kind hatte zunächst die Mutter alleine inne. Dann wurde gemeinsam mit dem Kindsvater eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben, die allerdings laut Jugendamt nicht notariell beurkundet und somit formunwirksam war. Also hatte die Mutter weiterhin das alleinige Sorgerecht. Die Mutter heiratete dann noch ihren Lebensgefährten (nicht den Vater der Tochter, sondern einen Anderen Mann:)).

    Nun ist die Mutter verstorben und das Kind steht aktuell überhaupt nicht unter elterlicher Sorge. Der Vater hat beantragt, die elterliche Sorge auf ihn zu übertragen.

    Nun beantragt der Rechtsanwalt des Vaters aber zugleich auch, dass Ergänzungspflegschaft angordnet werden soll, weil das Kind nach der Mutter als Erbin zu 1/2 (neben dem "neuen" Ehemann der Mutter) berufen ist und jemand für das Kind prüfen müsse, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen werden soll und diese Erklärung dann auch für das Kind abgeben soll.

    Meiner Meinung nach kann hier kein Ergänzungspfleger bestellt werden, da eine Ergänzungspflegschaft nur notwendig und möglich ist, wenn ein Kind unter elterlicher Sorge oder Vormundschaft steht, jedoch Angelegenheiten geregelt werden müssen, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert bzw. ausgeschlossen sind (§1909 BGB). Dies trifft hier jedoch nicht zu, da das Kind momentan überhaupt nicht unter elterlicher Sorge steht.

    Es müsste eben entweder die elterliche Sorge auf den Vater übertragen werden oder Vormundschaft angeordnet werden, dann können Vater oder Vormund die Erbschaft annehmen oder ausschlagen, wobei natürlich eine familiengerichtliche Genehmigung notwendig ist (§ 1643 bzw. 1822 BGB). Einen Ausschlussgrund bei Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft für den Vater kann ich jedenfalls nicht erkennen, er würde ja nur für seine Tochter handeln und hat selber mit dem Nachlass überhaupt nichts zu tun.

    Auch sehe ich kein Problem bezüglich der Ausschlagungsfrist, denn diese kann ja wohl erst zu laufen beginnen, wenn überhaupt jemand das Kind vertreten kann, vorher kann diese Person ja auch keine Kenntnis über den Anfall der Erbschaft für das Kind haben.

    Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mir kurz sagen könntet, ob meine Einschätzung richtig ist, oder ob ich irgendwo einen dicken Denkknoten habe. Danke!

  • Der Anwalt stützt seinen (Zusatz-) Antrag möglicherweise auf § 1909 Abs. 3 BGB. Aus den von Dir bereits genannten Gründen scheint jedoch zumindest die Regelung der Nachlassangelegenheit nicht so eilig zu sein, dass eine solche Pflegschaft oder im Wege der einstweiligen Anordnung eine vorläufige Vormundschaft angeordnet werden müsste.

    Vor diesem Hintergrund würde ich zunächst die richterliche Entscheidung über den Antrag, dem leiblichen Vater das Sorgerecht zu übertragen, abwarten.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Von § 1909 Abs. 3 BGB habe ich schon hin und wieder Gebrauch gemacht, denn es kann doch nicht sein, dass das Kind über Wochen über keinen gesetzlichen Vertreter verfügt! Notfalls im Rahmen einer eAO das Jugendamt als Ergänzungspfleger (sogar für alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge) einsetzen, bis die Frage der elterlichen Sorge oder eine Vormundschaft geklärt ist.

  • Im vorliegenden Fall dürfte der Anwalt dem Kind nichts Gutes tun, denn wenn der Pfleger (mit entsprechendem Wirkungskreis) bestellt wird, läuft auch die Ausschlagungsfrist, und wenn der Pfleger - womit zu rechnen sein könnte - die erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist erhält, ist dieser Zustand nicht gerade eine Wohltat für das Kind.

    Der Schutz des Kindes ließe sich auch durch die Anordnung einer quotalen Nachlasspflegschaft erreichen, weil die Erbschaft insoweit noch nicht angenommen wurde.

  • Im vorliegenden Fall dürfte der Anwalt dem Kind nichts Gutes tun, denn wenn der Pfleger (mit entsprechendem Wirkungskreis) bestellt wird, läuft auch die Ausschlagungsfrist, und wenn der Pfleger - womit zu rechnen sein könnte - die erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist erhält, ist dieser Zustand nicht gerade eine Wohltat für das Kind.

    Wieviele Elternteile, Betreuer, Pleger etc. gibt es denn in der Praxis, die tatsächlich umfassen Auskünfte einholen? Meine Erfahrung, und sicher nicht nur meine, ist doch, dass diese Leute für die Kinder, Mündel, Betreuten im Zweifel, wenn sie etwa über den Erblasser nichts wissen, lieber die Erbschaft ausschlagen und dann das Betreuungs-/Familiengericht mal die Ermittlungen durchführen lassen. Ist Vermögen da, wird das Gericht schon die Ausschlagung ablehnen. Das ist ja unser tägliches Problem, wobei es sicher auf für manche nicht einfach ist, diese Einkünfte zu erlangen. Da haben wir als Gericht ja mehr Möglichkeiten, und selbst uns antwortet man nicht immer (Banken, Jobcenter etc.).

    Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das Kind einen gesetzlichen Vertreter braucht und auch ein Fürsorgebedürfnis besteht, sodass wir tätig werden müssen.

  • Auch für eine vorläufige VM ist der Ri. zuständig. Ein Bedürfnis zum Einschreiten sehe ich mangels Fristbeginn auch nicht.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Auch für eine vorläufige VM ist der Ri. zuständig. Ein Bedürfnis zum Einschreiten sehe ich mangels Fristbeginn auch nicht.


    Auch für eine vorläufige VM ist der Ri. zuständig.

    Aber doch nur im Fall des § 14 Abs. 1 Nr. 10 RPflG? :gruebel:

    Leute, das Kind verfügt derzeit über keinen gesetzlichen Vertreter! Es kann sein, dass morgen früh ein Arztbesuch notwendig ist! Das Familiengericht hat zu handeln, am besten wohl über § 1909 Abs. 3 BGB (Pfleger für Angelegenheit), für die Zeit bis zur Entscheidung der Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater oder bis zur endgültigen Bestellung eines Vormundes.
    Und war für eine (vorläufige oder endgültige) Anordnung eine Vormundschaft nun der Richter zuständig sein soll, erschließt sich mir auch nicht. Es war nicht die Rede davon, dass das Kind Angehöriger eine fremden Staates ist.

  • Im vorliegenden Fall dürfte der Anwalt dem Kind nichts Gutes tun, denn wenn der Pfleger (mit entsprechendem Wirkungskreis) bestellt wird, läuft auch die Ausschlagungsfrist, und wenn der Pfleger - womit zu rechnen sein könnte - die erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist erhält, ist dieser Zustand nicht gerade eine Wohltat für das Kind.

    Wieviele Elternteile, Betreuer, Pleger etc. gibt es denn in der Praxis, die tatsächlich umfassen Auskünfte einholen? Meine Erfahrung, und sicher nicht nur meine, ist doch, dass diese Leute für die Kinder, Mündel, Betreuten im Zweifel, wenn sie etwa über den Erblasser nichts wissen, lieber die Erbschaft ausschlagen und dann das Betreuungs-/Familiengericht mal die Ermittlungen durchführen lassen. Ist Vermögen da, wird das Gericht schon die Ausschlagung ablehnen. Das ist ja unser tägliches Problem, wobei es sicher auf für manche nicht einfach ist, diese Einkünfte zu erlangen. Da haben wir als Gericht ja mehr Möglichkeiten, und selbst uns antwortet man nicht immer (Banken, Jobcenter etc.).

    Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das Kind einen gesetzlichen Vertreter braucht und auch ein Fürsorgebedürfnis besteht, sodass wir tätig werden müssen.


    :daumenrau

  • Naja, ich habe mich damals schon zweifelnd gegen die genannte Entscheidung geäußert. Seit dem hatte ich einen solchen Fall noch nicht. Bei uns würde das sicher so ablaufen, dass die registrierende Geschäftsstelle zu mir käme und fragen würde, was sie denn für ein Verfahren anlegen soll (Richter, Rechtspfleger, welche Verfahrensart). Um auf sicher zu gehen, müsste ich ihr dann sagen, sie soll doch diesbezüglich mal die Richter fragen. Bislang war ich davon ausgegangen, dass 2 Verfahren anzulegen sind, eines für den Richter zur Prüfung, ob einem anderen Elternteil die elterliche Sorge zu übertragen ist (da kann u.U. lange dauern, von der Ermittlung des Vaters angefangen ...) und eines für mich, in dem zu prüfen ist, ob vorläufig ein Vormund oder Ergänzungspfleger zu bestellen ist. Natürlich muss ich mir dann regelmäßig den Verfahrensstand aus dem anderen Verfahren heranziehen. Wie gesagt, ein konkretes Regelungsbedürfnis kann morgen in der Schule und übermorgen beim Arzt bestehen u.a. Eine Entscheidung hinsichtlich einer medizinischen Behandlung kann auch am Wochenende notwendig sein, wenn gar kein Familiengericht so schnell einen Pfleger wirksam bestellen kann. Die in dem anderen Thread erwähnte OLG-Entscheidung halte sich somit wie bereits damals für "etwas" lebensfremd.

  • Ich verstehe nicht, was da lebensfremd sein könnte, der Ri. und nicht der Rpfl. ordnet die VM an, das wars.

    Es ist nicht nur sinnvoll, alles in einer Hand zu lassen, sondern gerade dieser Fall zeigt, wie vorgreiflich eine eAO durch den Rpfl. wäre, weil diese zu der endgültigen Entscheidung konträr sein könnte, sprich Vater wird vorläufig eingesetzt und letztlich erhält der Stiefvater die VM und zwischenzeitlich kommt es zum Kontaktabbruch etc.

    Wird nach der AO durch den Rpfl. irgendwann mal durch das OLG festgestellt, dass dies unwirksam war, sind sämtliche Rechtsgeschäfte, Zustimmungen zu Heilbehandlungen etc. nichtig. Kommt es dann noch zu einem Schaden, wird´s ganz eng. Insoweit wäre ich da ganz vorsichtig mich gg. das OLG zu stellen. Kann man aber halten wie die Dachdecker. :)

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover


  • Wird nach der AO durch den Rpfl. irgendwann mal durch das OLG festgestellt, dass dies unwirksam war, sind sämtliche Rechtsgeschäfte, Zustimmungen zu Heilbehandlungen etc. nichtig. Kommt es dann noch zu einem Schaden, wird´s ganz eng. Insoweit wäre ich da ganz vorsichtig mich gg. das OLG zu stellen. Kann man aber halten wie die Dachdecker. :)


    Wüsste nicht ,wie ein OLG zu solch einer Feststellung kommen sollte....
    Eine Begründung erspare ich mir mal an der Stelle.

  • Kann man aber halten wie die Dachdecker. :)

    So ist es wohl, vor allem sollte man das mit seinem Richter absprechen, und wie er meint, so wird es dann eben gemacht. Im Prinzip geht es ja bereits bei der Geschäftsstelle los, die gern wissen möchte, welche(s) Verfahren sie anlegen soll. Soll sie sich an den Richter wenden ... und wie dieser meint, wird es dann eben gemacht. :)

  • Ri.absprache mache ich bei solchen grundsätzlichen Sachen im allg. vorher und lege nicht nur vor. Allerdings habe ich das Glück, dass meine Ri. gleich neben mir sitzen und zugänglich für meine Argumente sind.

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    Savielly Tartakover

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