§ 195 II ZPO und ZwaHyp

  • Ich soll eine ZwaHyp eintragen aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs. Titel, Klausel, Zustellung - alles da. Aber: Die Zustellung des Vergleichs erfolgte von RA zu RA gem. § 195 Abs. 2 ZPO. Ordnungsgemäßes -schriftliches- EB des empfangenden RA liegt vor. Problem: Muss der ZU-Nachweis in der Form des § 29 GBO geführt werden?
    Tendiere dazu, das nicht zu verlangen, sondern das vollstreckungsrechtlich ordnungsgemäße schriftliche EB ausreichen zu lassen. Habe dazu aber nichts richtiges gefunden bis auf LG Karlsruhe in NJW 1967, 2412. Dort wurde entschieden, dass zum Nachweis des Zugangs einer Bürgschaftsurkunde (als Sicherheitsleistung) ein schriftliches EB des Schuldneranwaltes ausreichend sein und dieses nicht in der Form des § 29 GBO nachzuweisen ist. Alles andere fände ich auch bedenklich, denn der Gesetzgeber lässt zur Erfüllung der Vollstreckungsvoraussetzung "Zustellung" nun einmal diese formlose Zustellungart und deren formlosen, d.h. schriftlichen, Nachweis in § 195 II ZPO ausdrücklich ausreichen. Damit ist die Zustellung, die ja eine vollstreckungsrechtliche Voraussetzung der ZwaHyp ist, vollstreckungsrechtlich ordnungsgemäß nachgewiesen. Das müsste m.E. zur Eintragung der ZwaHyp -wie zu jeder sonstigen Vollstreckungsmaßnahme auch- ausreichen. Oder:gruebel:?

  • LG Karlsruhe in NJW 1967, 2412

    Schöner/Stöber besteht in Rn 2176 auf die Form des § 29 GBO.

    Nach BeckOK/Wilsch GBO Zwangssicherungshypothek Rn 65 ist das Empfangsbekenntnis ausreichend.

    Hab`s aber auch schon gelten lassen. Auch wenn dieser Zustellnachweis nur eine private und keine öffentliche Urkunde ist.

  • Grds. sind die Nachweise aber formbedürfig.

    z.B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.05.2014 – 14 Wx 80/13:

    "Die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen müssen in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden (Demharter a. a. O. § 44 Anh. Rn. 68). Dies umfasst den Nachweis der Zustellung des Vollstreckungstitels und hier nach § 750 Abs. 2 ZPO auch der Zustellung der gemäß § 727 ZPO erteilten Rechtsnachfolgeklausel nebst der zugrunde liegenden Abtretung."

  • Die übliche Zustellungsurkunde ist öffentliche Urkunde im Sinne von § 29 Abs. 1 S. 2 GBO i.v.m. § 415 ZPO. Das Empfangsbekenntnis ist eine Privaturkunde nach § 416 ZPO. Eigentlich;).

    Ob das Empfangsbekenntnis private Urkunde i. S. des § 416 ZPO (so die Nachweise bei Stöber in Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 174 RN 20) oder öffentliche Urkunde i. S. des § 418 ZPO ist (so z. B. OVG Münster, Beschluss vom 20. 1. 2009, 5 A 1162/07) ist streitig. Es gilt jedoch die Besonderheit, dass es den Beweis für die Entgegennahme des bezeichneten Schriftstücks als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme erbringt (Zöller/Stöber, § 195 ZPO RN 14 unter Hinweis auf die Kommentierung zu § 174 ZPO RN 20) und damit als Zustellungsnachweis ausreicht (s. Schlatmann in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 10. Auflage 2014, § 5 VwZG RN 27 mwN).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • .
    Eine Gegenmeinung macht die Sache nicht streitig...

    Von wegen „eine Gegenmeinung“. S. dazu die Nachweise in Fußnote 4 bei Ahrens, „Der Beweis im Zivilprozess“, 1. Auflage 2015, Kapitel 25: Arten und Errichtung der Urkunden, RN 109 und die dortige Aussage zu Fußnote 10

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    Eine Gegenmeinung macht die Sache nicht streitig...

    Von wegen „eine Gegenmeinung“. S. dazu die Nachweise in Fußnote 4 bei Ahrens, „Der Beweis im Zivilprozess“, 1. Auflage 2015, Kapitel 25: Arten und Errichtung der Urkunden, RN 109 und die dortige Aussage zu Fußnote 10

    Den ich natürlich auch habe? :) Es geht im Augenblick aber schon noch um die Sache? Die Kommentare, die ich zur Verfügung habe, schreiben ausnahmslos: "Das Empfangsbekenntnis ist eine Privaturkunde (BGH NJW 90, 2125, ...)".

  • Warum sollte es nicht um die Sache gehen ? Nur weil Du keinen entsprechenden Kommentar hast ?:)
    Zu den gegenteiligen Ansichten siehe z. B. BGH, 2. ZS, Urteil vom 25.05.1987, II ZR 297/86 Rz. 8: „Das von einem Rechtsanwalt gemäß § 212a ZPO unterzeichnete Empfangsbekenntnis begründet als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis des darin bescheinigten Zeitpunktes der Zustellung..“ oder BSG 3. Senat, Beschluss vom 08.07.2002, B 3 P 3/02 R, Rz. 3: „Das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis ist eine öffentliche Urkunde iS von § 418 Zivilprozessordnung (ZPO) und erbringt nach § 212a ZPO grundsätzlich den vollen Beweis dafür, dass der genannte Zustellungszeitpunkt den Tatsachen entspricht“

    Ahrens führt an der angegebenen Stelle aus: „Der mit Wirkung zum 1.8.2002 geschaffene9) § 174 Abs. 4 S. 1 stellt das Empfangsbekenntnis in seiner Beweiswirkung einer öffentlichen Zustellungsurkunde gleich, für die nach § 182 Abs. 1 S. 2 der § 418 gilt.

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  • Warum sollte es nicht um die Sache gehen ? Nur weil Du keinen entsprechenden Kommentar hast ?

    Eben weil ich entsprechende Kommentare habe: BeckOK/Dörndorfer ZPO § 174 Rn 6; MüKo/Häublein ZPO § 174 Rn 13; Zöller/Stöber ZPO § 17 Rn 18; OLG Jena, Beschl. v. 28.4.2015 – 1 WF 184/15; alle unter Hinweis auf BGH NJW 1990, 2125. Das Urteil des BGH von 1987 ist damit - und wie du weißt - insoweit überholt. Wenn es eine akutelle höchstrichterliche Entscheidung gibt, die das Empfangsbekenntnis als Privaturkunde qualifiziert, ist die Sache auch nicht streitig. Deswegen habe ich mich gefragt, worum es in Wirklichkeit noch geht.

  • ..... Wenn es eine akutelle höchstrichterliche Entscheidung gibt, die das Empfangsbekenntnis als Privaturkunde qualifiziert, ist die Sache auch nicht streitig. ..

    Und ? Das Bundessozialgericht erlässt keine höchstrichterlichen Entscheidungen ?

    Rechtsanwälte werden bei Erstellung eines Empfangsbekenntnisses nach §§ 174, 195 ZPO als mit öffentlichem Glauben versehene Urkundspersonen angesehen (s. Krafka im Beck'schen Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.12.2016, § 415 ZPO RN 14 mwN). Deshalb bedarf es nicht -wie von Dir oben in #2 und #5 propagiert, des Nachweises der Zustellung in der Form des § 29 GBO. Und die Antwort darauf, wie denn der Rechtsanwalt verfahren soll, wenn es sich um eine Privaturkunde handelt, bei der es noch des Nachweises der Zustellung in der Form des § 29 GBO bedarf (#8), finde ich auch nirgends.

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  • Krafka im Beck'schen Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.12.2016, § 415 ZPO RN 14 mwN

    Der weitere Nachweis ist dann mal wieder BGH NJW 1990, 2125. Und dort findet sich die Abgrenzung des Anwalts von der amtlichen Urkundsperson und das Ergebnis, dass das Empfangsbekenntnis eine Privaturkunde ist. Und dass für Vollstreckungsnachweise (eigentlich) der § 29 GBO gilt, muß wohl nicht weiter ausgeführt werden.

  • Mit „Privaturkunde“ und „eigentlich“ kann ich nichts anfangen. Das BVerfG 2. Senat 3. Kammer, führt im stattgebenden Kammerbeschluss vom 27.03.2001, 2 BvR 2211/97, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH in Rz. 19 aus: „Nach ständiger und verfassungsrechtlich unbedenklicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erbringt das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis aber als öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO) Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch dafür, dass der darin genannte Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht …“

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  • Mit „Privaturkunde“ und „eigentlich“ kann ich nichts anfangen.

    Aha. Eine öffentliche Urkunde (§§ 415, 418 ZPO) ist entweder von einer Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenden Urkundsperson ausgestellt, die Privaturkunde (§ 416 ZPO) von jemandem, der nicht darunter fällt. Die Post fällt z.B. auch nach der Privatisierung darunter (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2000, 2831). Warum sollte aber ein normaler Anwalt Urkundsperson i.S.v. § 415, 418 ZPO sein?

    -> "Ein derartiges Empfangsbekenntnis erbringt als Privaturkunde i. S. von § 416 ZPO ..." (BGH NJW 2012, 2117).

    Und "eigentlich" bedeutet, dass mich das Problem bislang nicht sehr belastet hat. Trotzdem ein schönes Wochenende.

  • Die Frage, ob das Empfangsbekenntnis private Urkunde i. S. des § 416 ZPO oder öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 ZPO ist, wird von den einzelnen Senaten des BGH unterschiedlich gesehen. Der VII. Senat des BGH führt z. B. im Beschluss vom 22.12.2011, VII ZB 35/11,
    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…667&pos=0&anz=1
    in Randziffer 5 aus: „Das Empfangsbekenntnis erbringt als öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO) Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung (BVerfG, NJW 2001, 1563 [1564] m. w. Nachw.; BGH, NJW 2001, 2722 m. w. Nachw.; NJW 2006, 1206; Beschl. v. 17. 4. 2007 – VIII ZB 100/05, BeckRS 2007, 07190).

    Daher sage ich ja, dass diese Frage streitig ist. Und dieser Umstand geht auch aus den von Dir zitierten Abhandlungen hervor. Häublein vermerkt im Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 174 RN 13 in Fußnote 85 (Hervorhebung durch mich) „s. aber auch „Wieczorek/Schütze/Rohe Rn. 55: nach Maßgabe des § 415 öffentliche Urkunde“. Ebenso Zöller/Stöber, § 174 RN 20: „ § Beweiskraft: § 416 (nicht § 418; so aber zB BGH NJW 87, 1335 u NJW 2007, 600 [601]; BSG NJW-RR 2002, 1652; BVerwG NJW 94, 535).

    Deshalb halte es schlicht für unangebracht, davon zu sprechen, dass es „nicht um die Sache gehe“.
    Ansonsten ebenfalls: ein schönes Rest-Wochenende.

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  • Die Frage, ob das Empfangsbekenntnis private Urkunde i. S. des § 416 ZPO oder öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 ZPO ist, wird von den einzelnen Senaten des BGH unterschiedlich gesehen.

    Möglich. Ich vermute inzwischen eher, dass alle dasselbe meinen, es nur unterschiedlich zum Ausdruck bringen. Die oben zitierte Entscheidung bringt es m.E. auf den Punkt:

    Das Empfangsbekenntnis eines Anwalts erbringt, obgleich es lediglich eine Privaturkunde (§ 416 ZPO) darstellt, wie eine [öffentliche] Zustellungsurkunde gem. § 418 ZPO Beweis für die Entgegennahme des bezeichneten Schriftstücks als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme (§ 174 Abs. 1, 174 IV 1 ZPO; vgl. BVerfG, NJW 2001, 1563, 1564; BGH, NJW 1996, 2514= VersR 1997, 86).

    Unterstellt, dass § 29 Abs. 1 S. 2 GBO den Schwerpunkt auf den „Nachweis“ und nicht auf die „öffentliche Urkunde“ legt, wird ein anwaltliches Empfangsbekenntnis auch im Grundbuchverfahren genügen. Zumindest in entsprechender Anwendung. Erübrigt hätte sich dann auch der Vorbehalt im Schöner/Stöber Rn 2176 („... dem kann wegen des Formerfordernisses (§ 29 GBO) nicht beigetreten werden.“).

    Und abermals ein schönes Wochenende.

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