Vergessener Erwerber? Ersitzung gem. § 900 BGB

  • Im Jahre 1954 wurde Grundbesitz von den Eltern auf ihre Kinder (zwei Söhne A und B) zu je 1/2 übertragen. Der Vertrag liegt in der Grundakte vor. Eingetragen wurde jedoch nur einer der Söhne als Alleineigentümer, A. Es ist nicht nachvollziehbar, ob dies einen Grund hatte oder es versehentlich passierte. In der Abt. I steht jedenfalls nur einer der Söhne (A) mit dem Vermerk der Auflassung von 1954.

    Jetzt meldete sich der Erbe des "übergangenen" Sohnes (B) und stellt fest, dass sein Vater nicht im Grundbuch eingetragen war bzw. ist. Zwischenzeitlich wurden Erbfolgen nach A im Grundbuch eingetragen. Auflassungen fanden hingegen nicht statt (also kein gutgläubiger Erwerb).

    Nach § 900 BGB hat der eingetragene Eigentümer nach 30 JAhren das Eigentum erworben.

    Fragen: Muss ich als GBA nunmehr einen Amtwiderspruch eintragen? M. E. ist das Grundbuch im Moment nicht mehr unrichtig, weshalb hierfür kein Raum ist.
    Was kann der Erbe tun? Muss der Buchberechtigte erst ein Aufgebotsverfahren anstreben oder ist er jetzt kraft Gesetzes Eigentümer?

    ???:gruebel:

  • Nach § 900 BGB hat der eingetragene Eigentümer nach 30 JAhren das Eigentum erworben.

    Eine weitere TB-Voraussetzung des § 900 BGB ist auch der Eigenbesitz :gruebel: Hierzu schweigt der Sachverhalt.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ob die Voraussetzungen des § 900 BGB vorliegen, kannst Du nicht beurteilen, weil du das zusätzliche Tatbestandsmerkmal des Eigenbesitzes nicht prüfen kannst. Da die Sache seit 1954 nicht aufgefallen ist, spricht einiges dafür, dass A (bzw. später seine Erben) den B die gesamte Zeit als Miteigentümer behandelt haben und B auch Mitbesitzer des Grundstücks war. Um was für ein Grundstück handelt es sich? Von wem wird es bewohnt oder genutzt? Wer kassiert Pacht oder Miete? Wenn A die gesamte Zeit nur an dem an ihn aufgelassenen Anteil den Besitz hatte und neben B nur Mitbesitzer war, hat er nicht das Alleineigetum erworben.

    Ich würde jedenfalls nicht ohne weiteres von einer Ersitzung sondern zunächst von einem unrichtigen Grundbuch ausgehen. Nach Anhörung der eingetragenen Erben des A kann dieses Grundbuch m.E. auch berichtigt werden, das die Unrichtigkeit durch die ursprüngliche Auflassungserklärung und den Akteninhalt gemäß § 22 GBO nachgewiesen ist. Die Eintragung eines Amtswiderspruchs könnte dann unterbleiben.

  • Wie schon erwähnt kannst du nicht sicher feststellen, ob A bzw. seine Erben ersessen haben, bzw. ob A das ganze Grundstück ersessen hat oder zB nur Mitbesitzer war, dann ersitzt er auch nur den entsprechenden Anteil. Es bleibt dabei, dass eine Auflassung von den Eltern an A und B, nicht aber an A allein vorliegt. Das logische Ergebnis müsste lauten: Eigentümer sind A zu 1/2, denn insoweit decken sich die Auflassung und Eintragung, die andere Hälfte verblieb mangels Einigung zum Erwerb des A bzw. mangels Eintragung des B zu 1/2 bei den Eltern. Tatsächlicher Eigentümer ist also (900 BGB mal beiseite gelassen) A zu 1/2 und (noch immer) die Eltern zusammen zur anderen Hälfte, bzw. jetzt deren Erben. Mithin ist das Grundbuch soweit du es feststellen kannst nicht im Einklang mit der tatsächlichen Rechtslage. Diese Unrichtigkeit basiert auf einem Fehler des GBA, und dass sich ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann dürfte auch klar sein.

    Logische Konsequenz: Amtswiderspruch eintragen. Dann die Erben des A anhören, da ja der Antrag von damals noch nicht vollständig vollzogen ist, evtl. lässt sich das so regeln.

  • Ursprünglich war das Grundbuch sicher unrichtig, aber nicht in der Weise, dass das Hälftemiteigentum des B nicht verlautbart wurde (die Auflassung wurde ja nicht vollzogen), sondern in der Weise, dass A entsprechend der an ihn erklärten Auflassung nur einen Hälfemiteigentumsanteil erworben hatte, während den Eltern als Übergeber weiterhin der andere Hälftemiteigentumsanteil zustand. Waren die Eltern vor der Überlassung hälftige Bruchteilseigentümer, wären sie somit Miteigentümer zu je 1/4 geblieben.

    Alles Weitere hängt dann davon ab, von wem die Eltern beerbt wurden. Hatte der überlebende Elternteil den erstversterbenden Elternteil als Alleinerbe beerbt und wurde der überlebende Elternteil sodann von A alleine beerbt (natürlich derzeit reine Spekulation), ist das Grundbuch nachträglich richtig geworden. Gleichzeitig würde die von den Eltern an B erklärte "Hälfteauflassung" kraft Erbfolge(n) auch gegen A und damit nunmehr auch gegen dessen Erben und Erbeserben gelten, so dass die Hälfteauflassung an B auch heute noch (zugunsten des Alleinerben von B) vollzogen werden könnte.

    Aber wie gesagt: Das ist reine Spekulation. Zunächst muss man feststellen, von wem die beiden Elternteile beerbt wurden.

    Die Voraussetzungen für einen Amtswiderspruch würden (mangels Nachweisbarkeit der Voraussetzungen der Ersitzung in der Form des § 29 GBO) vorliegen. Die Gesetzesverletzung des Grundbuchamts steht fest, die Grundbuchunrichtigkeit muss nur glaubhaft sein und ein gutgläubiger Erwerb kann sich auch anschließen.

  • OK. Herzlichen Dank! Hilft mir weiter. Nachdem ich die Beiträge gelesen habe, bin ich ebenfalls der Meinung, dass ich das Problem mit der Ersitzung außer Acht lassen kann, da ich nicht prüfen kann, ob die Voraussetzungen hierzu überhaupt vorliegen. ... und mich als GBA auch zunächst nicht interessieren.
    Ich werde auf jeden Fall einen Amtswiderspruch eintragen und den Buchberechtigten den Sachverhalt schildern. Was dann kommt... müssen ja dann die Beteiligten unter sich klären.
    Also: Dankeschön noch mal!

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!