ersatzweise Ergänzungspflegschaft?

  • In dem vorliegenden Fall wurde die eSo für das Mündel nach dem Tod der allein sorgeberechtigten Mutter auf den leiblichen Vater übertragen, mit Ausnahme des Wirkungskreises "Verwaltung des Erwerbs von Todes wegen". Die Mutter hat im notariellen Testament gemäß § 1638 BGB dem leiblichen Vater das Recht entzogen, den Erwerb von Todes wegen zu verwalten.
    In dem Testament wurde weiter verfügt: "Als Ergänzungspfleger werden benannt, meine Mutter (...), ersatzweise mein Vater (...), wiederum ersatzweise mein Bruder".

    Die zuständige Richterin hat im dem Beschluss über die eSo zugleich die Ergänzungspflegschaft angeordnet und als Ergänzungspflegerin die Mutter, ersatzweise den Vater, wiederum ersatzweise den Bruder als Ergänzungspfleger benannt.

    Da ich der Meinung bin, dass es eine sog. "Ersatzergänzungspflegschaft" nicht gibt (anders als in Betreuung), habe ich mit der Richterin Rücksprache gehalten. Diese hat auf das Testament verwiesen und dass sie hieran gebunden ist, somit nicht nur eine Pflegerin hätte bestellen können. Die ersatzweisen Ergänzungspfleger sollen jedoch nur handeln können, wenn der erste bzw. zweite Pfleger verhindert ist (entsprechend der Ersatzbetreuung).

    Nun stelle ich mir die Frage des weiteren Vorgehens. Ersatzergänzungspflegschaft ist meines Erachtens nicht möglich, zumindest habe ich keine rechtliche Grundlage im Gesetz gefunden. :gruebel:

  • Die Ansicht der Richterin finde ich auch merkwürdig. Ich hätte das Testament so gelesen, dass für den Fall, dass die Mutter die Pflegschaft nicht übernehmen kann, der Vater bestellt werden soll.
    Wenn die Richterin es jetzt aber so angeordnet hat, kannst du m.E. die "Ersatzergänzungspfleger" nicht einfach entlassen. Also würde ich wie beim Ersatzbetreuer verfahren, also Bestallungen mit Beschränkung ausgeben.

  • So damit wir nicht so "rumdümpeln":

    "Stehen mehrere geeignete Personen zur Verfügung, so hat das Gericht auch bei der Pflegschaft die in § 1779 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BGB genannten Auswahlkriterien zu berücksichtigen. Insbesondere sind das durch Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG auch verfassungsrechtlich unterfangene Vorzugsrecht von Familienangehörigen - auch als Verwandtenprivileg bezeichnet - und der Elternwille zu beachten, wenn auch den Eltern im Falle einer Ergänzungspflegschaft kein aus der elterlichen Sorge herzuleitendes bindendes Bestimmungsrecht zusteht."
    (Locher in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1915 BGB, Rn. 16)

    "Die Bestellung mehrerer Pfleger (Mitpfleger) für ein Mündel bedarf der besonderen Rechtfertigung (§ 1775 Satz 2 BGB). Im Falle der vorübergehenden Verhinderung des in erster Linie bestellten Pflegers - etwa aufgrund § 1795 BGB - ist aber die Bestellung eines weiteren Pflegers möglich, der dann als „Unterpfleger“ bezeichnet wird. Das Verhältnis der beiden Pfleger zueinander bestimmt sich nach § 1794 BGB."
    (Locher in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1915 BGB, Rn. 20)

    Ich würde demnach die Anordnung des Gerichts zur Ergänzungspflegschaft dahingehend auslegen, dass die Mutter zur Ergänzungspflegerin ausgewählt wurde, weil ein besonderer Grund für einen Mitpfleger nach dem Sachvortrag im Testament nicht erkennbar ist. Soweit eine Verhinderung zur Ausübung der Pflegschaft tatsächlich oder rechtlich vorliegt, sollen die sog. "Unterpfleger" in der entsprechenden Reihenfolge zum Zuge kommen, die auch dann erst nach Feststellung der Verhinderung als "Unterpfleger" verpflichtet werden müssen. Einen sog. "Ersatzergänzungspfleger" gibts tatsächlich nicht.

    Ergebnis: Vermerk in Akte und Verpflichtung der Mutter.

  • Im Ergebnis stimme ich Sersch zu. Hinsichtlich der Möglichkeit, "Mitpfleger" oder "Mitvormünder" nach § 1795 BGB zu bestellen, rate ich jedoch im Rahmen der Einzelfallprüfung zu Zurückhaltung. Gerade im Bereich der Vereinsvormundschaften sehe ich da momentan eine Entwicklung, dass zunächst aus Abrechnungsgründen konkrete Mitarbeiter bestellt werden und für den Fall der Vertretung noch ein bis zwei weitere Vormünder - ein Riesenaufwand an (vermeidbarer) Bürokratie. In der Praxis lässt sich dann auch nicht mehr genau abgrenzen, wann ein Vertretungsfall vorliegt oder nicht. Das Mündel oder der Pflegling hat dann also im Endeffekt keine alleinige Bezugsperson mehr, sondern eben auch die zusätzlichen Pfleger oder Vormünder. Dann kann es eigentlich gleich beim Amtsvormund oder bei Vereinsvormundschaft bleiben...

    Vorliegend kann man eine besondere Dringlichkeit bei einer Verwaltung nach § 1638 BGB regelmäßig ausschließen. Die testamentarisch erfolgten Ersatzbenennungen sind wohl wirklich nur für den Fall gedacht, dass der "Hauptpfleger" aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen (länger) ausfällt. Dies ist ja erst mal nicht anzunehmen. Also daher Verpflichtung des "Hauptpflegers" und hoffen, dass sie bis zur Volljährigkeit durchhält.

  • Ich bin anderer Ansicht.

    Das Pflegschaftsrecht sieht eine "Ersatzpflegschaft" nicht vor, sondern es kann allenfalls ein weiterer Ergänzungspfleger (als Unterpfleger) bestellt werden, sobald (sic!) sich ein Tatbestand mit Vertretungsausschluss für den bestellten (einzigen) Pfleger ergibt. Eine "Vorratspflegschaft" gibt es nicht und daher geht der Beschluss der Richterin insoweit materiell ins Leere, weil nicht wirksam angeordnet werden kann, was es im Rechtssinne nicht gibt.

    Es gibt also nur einen einzigen Pfleger, daher ist auch nur dieser zu verpflichten und das war es dann. Darauf, ob die Richterin ihren Beschluss ändern oder teilaufheben will, kommt es nicht an. Er hat im beschriebenen Umfang einfach keinerlei rechtliche Wirkungen.

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