Kaufvertrag nichtig

  • Was für ein blöder Fall!

    Gestern früh ruft mich eine junge Frau vom Notariat an und fragt, ob ich den Endvollzug ihres privaten Kaufvertrages vorziehen könnte, sie käme heute noch vorbei.

    2 Stunden später steht der Verkäufer auf der Matte und behauptet, daß der Kaufvertrag angefochten und nichtig sei und daß ich auf gar keinen Fall die Auflassung eintragen darf.

    Die Käuferin (zur Erinnerung: beim Notariat beschäftigt) habe auf einem Kaufvertrag UND einem Sanierungsvertrag bestanden - um Steuern zu sparen. Im Kaufvertrag sei der Kaufpreis viel zu niedrig angegeben und weil der Sanierungsvertrag nicht beurkundet worden ist, ist das gesamte Vertragswerk samt Kaufvertrag nichtig.
    Im Falle einer Eintragung der Auflassung sei die Nichtigkeit des Kaufvertrags geheilt.

    Ein dementsprechendes Schreiben von seinem Rechtsanwalt habe ich nachmittags noch bekommen.
    Vor Einleitung eines Klageverfahrens hat die Käuferin Gelegenheit bis morgen (24.3.) bekommen, die Löschung der Auflassungsvormerkung zu erklären.

    Dann kam die Käuferin mit dem Endvollzug und fiel aus allen Wolken, weil ich sagte ich mache das heute ganz bestimmt nicht mehr. Ich brauche Zeit und Ruhe für eine Entscheidung.
    Die beiden Beteiligten haben sich dann vor meinem Büro angegiftet.

    Ich wurde bedrängt von der Käuferin und ihrer Mutter (bei einem anderen Notariat beschäftigt) die Sache heute noch einzutragen, es gehe um ihre Existenz. Sie hätten schon viel zu viel Geld gezahlt, während der Eigentümer behauptet, er habe nicht genug bekommen und kann seine Handwerker nicht ausbezahlen.
    Die Käuferin wolle ihn mit Gewalt in die Insolvenz treiben und hat sogar eine Grundschuld beim Notariat zurückgehalten um ihm zu schaden.

    Da ist guter Rat teuer.
    Wahrscheinlich ist die beste Lösung, das Ganze zurückzuweisen wegen bestehenden Zweifeln an der Wirksamkeit der Einigung und das OLG entscheiden zu lassen?
    Was meint ihr dazu?

  • Mit der Notarin habe ich noch nicht gesprochen, ich bin noch am Zusammentragen und Überlegen.
    Und den Rechtsanwalt des Verkäufers darf ich eigentlich auch nicht beraten hinsichtlich einer einstweiligen Verfügung.

    Allzu lange kann ich nicht zuwarten - durch eine Zurückweisung wäre aber Zeit gewonnen.
    Wenn ich Zweifel an der Wirksamkeit der Einigung habe kann ich doch auch ohne einstweilige Verfügung zurückweisen?

  • Du hast eine Auflasssung vorliegen, die offensichtlich wirksam erklärt wurde. Behauptet wird lediglich, dass der schuldrechtliche Kaufvertrag unwirksam sei. Aufgrund des Abstraktionsprinzips kann das m.E. aber dahinstehen. Denn selbst wenn dies so sein sollte, dürfte das lt. Sachverhalt nichts daran ändern, dass eine wirksame Auflassung gem. § 925 BGB vorliegen dürfte. Sofern daher alle weiteren Umschreibungsvoraussetzungen wie Bewilligung gem. § 19 GBO, UB, VKR-Bescheinigung... vorliegen, müsstest du m.E. eintragen. Der Verkäufer wäre dann ggf. auf Schadenersatzansprüche bzw. Ansprüche auf Rückübereignung wg. ungerechtfertigter Bereicherung zu verweisen!

  • Ich sehe das wie thorsten. Die Auflassung ist abstrakt (OLG München, Beschluss vom 20.9.2010,34 Wx 085/10
    http://www.dnoti.de/entscheidungen/
    Das OLG München führt aus. „Eintragungsvoraussetzung ist ferner, dass die Auflassung erklärt ist (§ 20 GBO). Das Grundbuchamt muss nicht prüfen, dass die Erklärung (noch) wirksam ist. Eine solche Feststellung könnte in dem durch die Beweismittelbeschränkung geprägten Eintragungsantragsverfahren auch gar nicht getroffen werden. Es genügt vielmehr, dass dem Grundbuchamt die Einigung in der grundbuchmäßigen Form des § 29 GBO so nachgewiesen ist, wie sie sachlich-rechtlich zur Herbeiführung der Rechtsänderung notwendig ist (vgl. hierzu und zum Folgenden Demharter § 20 Rn. 38; aus der Rechtsprechung z.B. BayObLG Rpfleger 2005, 247/248). Wenn diese Nachweise - was der Fall ist - erbracht sind, darf das Grundbuchamt die Eintragung nur ablehnen, wenn es aufgrund feststehender Tatsachen zu der Überzeugung gelangt, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde. Eine solche Überzeugung kann sich das Grundbuchamt aber aufgrund der Erklärung der Beteiligten und der vorgelegten Schreiben nicht bilden. Hiervon ging ersichtlich auch die Beteiligte selbst aus, wenn sie in ihrem Schreiben vom 5.5.2010 von einer klärungsbedürftigen unsicheren Situation spricht….Das Verfügungsgeschäft ist in seiner Wirksamkeit vom Bestehen des Rechtsgrunds unabhängig (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 69. Aufl. Überblick vor § 104 Rn. 22). Ein Rücktrittsrecht bestand nur für den schuldrechtlichen Vertrag und wäre für die Auflassung auch wegen § 925 Abs. 2 BGB gar nicht möglich. Zwar könnte die mit demselben Schreiben erklärte Anfechtung auch das dingliche Geschäft (Auflassung) umfassen. Ob die Anfechtung dann aber wirksam war, kann ohne eine dem Grundbuchamt nicht mögliche Beweisaufnahme nicht geklärt werden. Der weitere Schriftwechsel spricht im Übrigen dagegen

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)


  • ...
    Wahrscheinlich ist die beste Lösung, das Ganze zurückzuweisen wegen bestehenden Zweifeln an der Wirksamkeit der Einigung und das OLG entscheiden zu lassen?
    Was meint ihr dazu?

    Und woraus resultieren die Zweifel? Einer sagt a, der andere sagt b, vorgelegt wird nichts. Genügen Zweifel, um einen Antrag zurückzuweisen?

    Die Frage ist eher, ob du das vorziehst (bzw. überhaupt vorziehen musst, je nach aktueller Belastung) oder nicht wie jeden Antrag "normal" behandelst.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Gestern früh ruft mich eine junge Frau vom Notariat an und fragt, ob ich den Endvollzug ihres privaten Kaufvertrages vorziehen könnte, sie käme heute noch vorbei.

    Aus welchem Rechtsgrund will sie eine Vorzugsbehandlung?

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

  • Ich würde im Zweifel die Bearbeitung des Antrags an die Stelle "einsortieren", die ihm nach seinem Eingang zusteht. Dann verhältst du dich absolut neutral und der Verkäufer kann dir nicht vorhalten, du hättest den Antrag vorgezogen, um ihn zu beeinträchtigen. Gerade, da es sich bei der Käuferin um eine Notariatsmitarbeiterin handelt, sollte man den Eindruck von Klüngelei unbedingt vermeiden.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Wie thorsten und Prinz.

    Beschluss des OLG Jena vom 11.01.2012 – 9 W 526/11:

    "Derartige - unterstellte - Nichtigkeitsgründe beträfen allein das schuldrechtliche Grundgeschäft, also den Kaufvertrag, den das Grundbuchamt nach § 20 GBO nicht zu prüfen hat. Die eventuelle Nichtigkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts erfasst das dingliche Erfüllungsgeschäft nur, wenn für einen entsprechenden Parteiwillen konkrete Anhaltspunkte gegeben sind, die dem Grundbuchamt zudem in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sein müssen. Der praktisch immer gegebene wirtschaftliche Zusammenhang oder die Zusammenfassung in einer Urkunde genügen nicht (Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 139 Rn. 10, 11 m. w. N.). Solche Anhaltspunkte liegen hier nicht vor, so dass das Grundbuchamt davon auszugehen haben wird, dass etwaige Mängel des Grundgeschäfts das Erfüllungsgeschäft nicht berühren. Aus diesem Grund ist auch die erklärte Anfechtung des Kaufvertrags im grundbuchrechtlichen Eintragungsverfahren von vornherein ohne Belang."

  • In der Tat. Möge der RA des Verkäufers ins einstweilige Verfügungsverfahren einsteigen (und dann dort vortragen, sein Mandant habe mindestens mal Beihilfe zur Steuerverkürzung begangen :teufel:).

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Weil der Verkäufer von Insolvenz gesprochen hat, nehme ich an daß diese evtl. schon im Raum steht?
    Dann kommt es darauf an, wann die Käuferin Eigentümerin geworden ist.

    Aber ich warte jetzt erst mal die "normale" Zeit ab bis die Akte an der Reihe ist, das wird schon eine Woche dauern.

    Dann hat der Anwalt des Verkäufers die Chance noch irgendwas nachzureichen.
    Wenn allerdings bei der einstw. Verfügung ein Verhandlungstermin anberaumt wird, geht das nicht so schnell.

  • Wenn der Anspruch der Käuferin vormerkungsgesichert ist, kann sie das mit der Insolvenz eher gelassen sehen.

    Aber mal zur Form:
    Was gar nicht geht, ist dass Notariatsmitarbeiter am Notar vorbei das GBA "anhauen", um in eigener Sache auf bevorzugten Vollzug zu drängen. In allen Notariaten, in denen ich ausgebildet wurde und die ich geführt habe, waren die Mitarbeiter - wenn sie denn überhaupt in eigener Sache beurkundet wurden - niemals mit der Vorbereitung oder dem Vollzug der eigenen Sache befasst. Erst recht würde ich sehr, sehr hellhörig werden, wenn mir zu Ohren käme, ein(e) Mitarbeiter(in) stünde wegen privater Immobiliengeschäfte, die ich selbst beurkundet hatte, vor dem Ruin. Nicht ohne Grund steht in fast allen Richtlinien der Notarkammer der schöne Satz, das "[d]er Notar (...) die Beziehungen zu seinen Mitarbeitern so zu gestalten [hat], dass seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht gefährdet werden". Ein Anruf beim Notariat - immerhin dürfte der/die Notar/in in deinem Verfahren der Antragsteller sein - erscheint mir mehr als angebracht.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Es gibt keine "normale" Zeit, die bis zur Erledigung eines Antrags abzuwarten wäre ("bis er an die Reihe kommt"), sondern er ist bereits im Zeitpunkt seiner Einreichung vollzugsfähig oder er ist es eben nicht. Die Erwägung, dass etwas erst einmal "an die Reihe kommen" müsse, bewegt sich daher im außerrechtlichen Bereich und ist alleine dem justizinternen Problem geschuldet, dass vollzugsreife Anträge - aus welchen Gründen auch immer - nicht zeitnah vollzogen werden (können).

    Das schnelle Eintragen, um einen drohenden Eintragungshindernis vorzubeugen, ist daher genauso verkehrt wie das Liegenlassen, damit jemand Gelegenheit erhält, ein solches Eintragungshindernis zu schaffen.

  • :confused:

    Finde ich alles nicht i.O.

    Könnte grdsl. nach Unterverbriefung aussehen, muss aber nicht mal, evtl. ist der KV gar nicht nichtig sondern der KP für die unsanierte Bruchbude angemessen - was wissen wir da schon.
    Sollen sich doch mit Klagen überhäufen die beiden.

    Da kommt man um eine Eintragung nicht rum, wenn sonst nichts fehlt.

    Also vollziehen was vollzugsfähig ist und dem RA rausschreiben, dass das jetzt eben blöd gelaufen ist (natürlich muss das eleganter formuliert werden).


  • Ein dementsprechendes Schreiben von seinem Rechtsanwalt habe ich nachmittags noch bekommen.

    Dieses würde ich der Notarin zur (natürlich eher kurzfristigen) Stellungnahme schicken und die Akte verfristen.


    Das würde ich -gerade weil die Sache offenbar brenzlig ist bzw. werden kann- nicht tun. Der Antrag ist offensichtlich vollzugsreif, Eintragungshindernisse bestehen offensichtlich nicht. Wozu soll diese Anhörung dienen? Da könnte schnell der Vorwurf der ungerechtfertigten Verzögerung der Sache aufkommen.

  • :confused:

    Also vollziehen was vollzugsfähig ist und dem RA rausschreiben, dass das jetzt eben blöd gelaufen ist (natürlich muss das eleganter formuliert werden).


    Unabhängig von der These von Cromwell ( wo kämen wir eigentlich dahin , wenn man beim GBA tagfertig arbeiten könnte ) hat doch jedenfalls eine bevorzugte Vollziehung zu unterbleiben. Und wenn das zu wenig Personal geschuldet ist , dann ist das eben so.
    Von Bearbeitungszeiten des TO ( eine Woche ) kann man hier nur träumen.

  • Am wenigsten rechtlich angreifbar mache ich mich, wenn ich die Sache zurückweise.
    Ob das dann rechtlich richtig oder falsch war möge das OLG klären.
    Mir doch wurscht ob ich aufgehoben werde, ich bin raus aus der Nummer.

  • Am wenigsten rechtlich angreifbar mache ich mich, wenn ich die Sache zurückweise.
    Ob das dann rechtlich richtig oder falsch war möge das OLG klären.
    Mir doch wurscht ob ich aufgehoben werde, ich bin raus aus der Nummer.

    M. E. ist dies die Variante bei der du dich am ehesten in (haftungstechnische) Nesseln setzen kannst.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

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