Auswirkung einer Streitwertänderung bei Nr. 3104 i.V.m. 278 Abs. 6 ZPO

  • Vermutlich gibt es schon ein entsprechendes Thema, aber ich habe es wohl nicht gefunden.

    Folgender Sachverhalt:

    Einspruch gegen den Mahnbescheid (Forderung 2000€), der Richter terminiert und macht gleichzeitig deutlich, dass der Beklagte gut beraten wäre, die Forderung zu zahlen. Daraufhin zahlt der Beklagte 1600€. Insoweit erfolgt eine übereinstimmende Erledigungserklärung. Hinsichtlich des Rests wird noch eine Weile hin - und hergeschrieben. Schlussendlich erfolgt ein Vergleich nach 278 Abs. 6 ZPO (ohne vorherigen Termin). Richter setzt Streitwert auf 2000,00€ bis zur Erledigung, danach auf 400,00€ fest. Der Rechtsanwalt rechnet die Terminsgebühr aus 2000€ ab. Die Frage ist, welcher Zeitpunkt für die Wertermittlung maßgebend ist. Ich tendiere ja zu dem Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs (also 3104 aus 400,00€), bin aber nicht sicher.

    Außerdem würde ich mich fragen, wie der Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn nicht nach § 278 Abs. 6 ZPO verglichen worden, sondern das Verfahren nach § 128 ZPO im Einverständnis mit den Parteien schriftlich entschieden worden wäre.

  • Einspruch gegen den Mahnbescheid (Forderung 2000€), der Richter terminiert und macht gleichzeitig deutlich, dass der Beklagte gut beraten wäre, die Forderung zu zahlen. Daraufhin zahlt der Beklagte 1600€. Insoweit erfolgt eine übereinstimmende Erledigungserklärung. Hinsichtlich des Rests wird noch eine Weile hin - und hergeschrieben. Schlussendlich erfolgt ein Vergleich nach 278 Abs. 6 ZPO (ohne vorherigen Termin). Richter setzt Streitwert auf 2000,00€ bis zur Erledigung, danach auf 400,00€ fest. Der Rechtsanwalt rechnet die Terminsgebühr aus 2000€ ab. Die Frage ist, welcher Zeitpunkt für die Wertermittlung maßgebend ist. Ich tendiere ja zu dem Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs (also 3104 aus 400,00€), bin aber nicht sicher.

    Außerdem würde ich mich fragen, wie der Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn nicht nach § 278 Abs. 6 ZPO verglichen worden, sondern das Verfahren nach § 128 ZPO im Einverständnis mit den Parteien schriftlich entschieden worden wäre.


    Diese zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung ist bei den Richter/innen einfach nicht totzukriegen. Eine nachträgliche Reduzierung der Anträge ist für den Streitwert unerheblich, da eine einmal angefallene Gerichtsgebühr nachträglich nicht mehr - auch nicht teilweise - entfallen kann. Es wäre daher m. E. allein richtig gewesen, den Streitwert für die Gerichtskosten auf 2.000 € festzusetzen.

    Was die Frage nach der TG angeht: Wenn der Antragsteller meint, daß ihm eine TG aus 2.000 € zusteht, muß er (als Antragsteller) solches glaubhaft machen (denkbar, daß die TG aus 2.000 € nach Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG entstanden sein kann). Aus den Akten ist der Anfall der TG aus 2.000 € offenbar nicht ersichtlich, da wegen der 1.600 € eine Erledigung erfolgte und der Vergleich lediglich noch die verbliebenen 400 € betraf (vgl. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV und dort Var. 3). Wenn mit Einverständnis der Parteien (Var. 1) oder ggf. sogar nach § 495a ZPO (Var. 2) entschieden worden wäre, würde sich nichts ändern, da die TG auch in diesen Fall (hier: nach den restlichen 400 €) entstanden wäre (vgl. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV).

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  • ... Diese zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung ist bei den Richter/innen einfach nicht totzukriegen. Eine nachträgliche Reduzierung der Anträge ist für den Streitwert unerheblich, da eine einmal angefallene Gerichtsgebühr nachträglich nicht mehr - auch nicht teilweise - entfallen kann. Es wäre daher m. E. allein richtig gewesen, den Streitwert für die Gerichtskosten auf 2.000 Euro festzusetzen. ...

    Diese zeitlich gestaffelte Festsetzung ist deswegen bei den Richtern nicht totzukriegen, weil sie richtig ist. Mit der Festsetzung wird nämlich nicht nur der Wert für die Gerichtsgebühren bestimmt, sonden auch der Wert für die Anwaltsgebühren. Diese entstehen bekanntlich nicht alle gleichzeitig und daher nicht alle immer in gleicher Höhe.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • ... Diese zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung ist bei den Richter/innen einfach nicht totzukriegen. Eine nachträgliche Reduzierung der Anträge ist für den Streitwert unerheblich, da eine einmal angefallene Gerichtsgebühr nachträglich nicht mehr - auch nicht teilweise - entfallen kann. Es wäre daher m. E. allein richtig gewesen, den Streitwert für die Gerichtskosten auf 2.000 Euro festzusetzen. ...

    Diese zeitlich gestaffelte Festsetzung ist deswegen bei den Richtern nicht totzukriegen, weil sie richtig ist. Mit der Festsetzung wird nämlich nicht nur der Wert für die Gerichtsgebühren bestimmt, sonden auch der Wert für die Anwaltsgebühren. Diese entstehen bekanntlich nicht alle gleichzeitig und daher nicht alle immer in gleicher Höhe.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


    Ich versuche es, noch einmal mal anders darzustellen: Dem Gericht fehlt eine Rechtsgrundlage dafür, den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Gebühren von Amts wegen festzusetzen. Von Amts wegen erfolgt nur die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren, § 63 II GKG. Denn grundsätzlich bindet dieser Wert den RA in seinen Gebühren, § 32 I RVG. Anders ist es aber (wie z. B. in dem hiesigen Fall), wenn der Wert der anwaltlichen Tätigkeit sich nicht mit demjenigen des Gerichtes (2.000 €) deckt. Dann erfolgt eine Wertfestsetzung nur auf Antrag gem. § 33 I RVG. Das ist auch keine Förmelei, sondern hat auch verfahrensrechtliche Auswirkungen, weil das gesonderte Wertfestsetzungsverfahren ein eigenes Verfahren ist, das anderen Regeln (u. U. kostenpflichtige Beschwerde, Verbot der reformatio in peius, Beschwerdefrist lediglich 2 Wochen usw.) folgt (vgl. z. B. den Fall der gerichtlichen Streitwertfestsetzung, obgleich nur Festgebühren bei Gericht anfallen -> BayVGH, Beschl. v. 04.11.2016 - 9 C 16.1684 mit Anm. N. Schneider, AGS 2017, 139).

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  • Das Gericht hat von Amts wegen den Streitwert (für die Gerichtskosten) festzusetzen, § 63 GKG. Wenn bei dieser Gelegenheit die Aufgabe gleich richtig erledigt wird und der wechselnde Streitwert bestimmt wird, wüsste ich nicht, was damit falsch gemacht wird. Es erfolgt ja keine gesonderte Festsetzung des Streitwertes für die Anwaltsgebühren, es wird nur zutreffend der unterschiedliche gerichtliche Verfahrenswert angegeben. Dass dies in der Praxis oft nicht nötig ist, weil die verwirklichte Gebühr sich meist nach dem höchsten Wert bestimmt, steht dem nicht entgegen, denn ob dies im jeweiligen Fall so ist, obliegt der Prüfung durch den Rechtspfleger/Kostenbeamten. Der Richter leistet insoweit nur die Vorarbeit für die Tätigkeit des Rechtspflegers/Kostenbeamten.

    Wenn ich mich recht erinnere, gibt es im Übrigen auch Fälle, bei denen auch der Wert der Gerichtsgebühren sich ändert.
    Beispiel: Mahnverfahren über 100.000,- Euro. Nach Widerspruch wird gegenüber dem Mahngericht eine Teilrücknahme von 50.000,- Euro erklärt und in Höhe der verbleibenden 50.000,- Euro Abgabeantrag gestellt und nur dafür auch die weiteren Kosten einbezahlt. Wert des Mahnverfahrens bis zur Teilrücknahme also 100.000,- Euro (danach 50.000,-, aber darauf kommt es nicht mehr an), Wert des sich anschließenden Streitverfahrens 50.000,- Euro.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Sorry, daß ich jetzt erst dazu komme, Dir zu antworten, AndreasH.

    Ich denke, wir reden hier von verschiedenen Dingen. Mir geht es ausschließlich um die zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung, die ich für falsch halte. Es ist absolut richtig, daß dann, wenn mehrere Gerichtsgebühren anfallen, auch der maßgebende Wert der jeweiligen Gerichtsgebühr festzusetzen ist. Das kann z. B. in dem von Dir genannten Fall des sich ändernden Wertes vom Mahn- zum streitigen Verfahren passieren. Denkbar ist auch, wenn sich eine Gebühr nach unterschiedlichen Sätzen berechnet (z. B. im Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren, wenn sich die Verfahrensgebühren Nr. 1410 KV teilweise nach Nr. 1412 KV erhöht) oder z. B. die Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV beim Mehrvergleich erhoben wird. Dabei handelt es sich aber nicht um eine zeitliche gestaffelte Wertfestsetzung, sondern betrifft die Festsetzung der jeweils angefallene Gebühr. Der Kostenbeamte soll ja ohne Weiteres in der Lage sein, zu erkennen, nach welcher Wertstufe er die im Verfahren angefallenen Gebühren anzusetzen hat.

    Dagegen ist die zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung, also die Wertänderung der jeweiligen Gerichtsgebühr nach Zeitabschnitten, für die Abrechnung nicht nur unerheblich, sondern führt auch zu Unklarheiten gerade beim Kostenbeamten (NK-GK/N. Schneider, 2. Aufl., § 63 Rn. 64 ff.). Mal als Beispiel: "Der Streitwert wird bis zum XX.XX.XXX auf 4.000 € festgesetzt und ab dann auf 2.000 €." Nun soll der Kostenbeamte die einheitliche Gerichtsgebühr (Nr. 1210 KV) aus dieser gestaffelten Wertfestsetzung ermitteln. Das ist ihm aber nicht ohne Weiteres möglich. Denn es kommen drei Varianten in Betracht:

    1. Ursprüngliche Klage über 4.000 €. Später Rücknahme um 2.000 €. Streitwert des Verfahrens wäre also 4.000 € und daraus die Gerichtsgebühr zu erheben.


    2. Klageänderung. Anstelle der ursprünglichen 4.000 € ist ein völlig neuer Gegenstand mit den 2.000 € eingeführt worden. Dann wären die Werte nach § 39 I GKG zu addieren. Streitwert des Verfahrens wäre also 6.000 € und daraus die Gerichtsgebühr zu erheben.


    3. Teilweise Klagerücknahme und -erweiterung: Die Klage über 4.000 € ist wegen 3.000 € zurückgenommen und wegen 1.000 € erweitert worden. Hier wären die Werte nach § 39 I GKG wieder zu addieren. Streitwert des Verfahrens wäre also 5.000 € und daraus die Gerichtsgebühr zu erheben.

    Der Kostenbeamte müßte jetzt Rücksprache mit dem/der Richter/in nehmen oder die Akte durchforsten, um festzustellen, wie die einzelnen Werte sich zueinander verhalten: Sind sie zusammenrechnen? Sind sie identisch oder nur teilidentisch? Das ist aber zum einen nicht die Aufgabe des Kostenbeamten. Zum anderen dürfte er u. U. (rechtlich ggf. nicht unerheblich schwierige) Fragen, ob der Klageänderung derselbe oder ein anderer Streitgegenstand zugrundeliegt, nicht entscheiden, weil sie dem/der Richter/in vorbehalten sind. Deshalb hilft es z. B. bei Klage und Widerklage auch nicht, wenn nur die einzelnen Werte, aber nicht der Gesamtwert angegeben wird, weil dann nicht klar ist, ob sie zu addieren sind (§ 45 I S. 1 GKG) oder derselbe oder evtl. sogar nur teilweise derselbe Gegenstand vorliegt (§ 45 I S. 3 GKG).

    Gerade in dem Fall, daß lediglich eine einzige Gerichtsgebühr anfällt, gibt es keinerlei Grund, nicht einfach ihren Gesamtwert festzusetzen (unabhängig davon, daß zur näheren Begründung ggf. die Einzelwerte der Verfahrensgegenstände mit angegeben werden). Dem Kostenbeamten ist es aber für die Berechnung der Gebühr vollkommen schnuppe, ob und wie sich später der Wert der Gebühr geändert hat. Die Staffelung hilft niemandem.

    Aus diesen Gründen ist z. B. auch die zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung falsch, wenn es - wie oben erwähnt - ausnahmsweise zu mehreren Gebühren oder Gebührensätzen kommt. Mal als Beispiel: Nach vorherigem Mahnverfahren ergeht folgender Beschluß: "Der Streitwert wird bis zum XX.XX.XXXX (Akteneingang bei Gericht) auf 3.000 € festgesetzt und ab dann auf 2.000 €."

    Zwar ist unstreitig, daß die Mahngebühr Nr. 1100 KV aus 3.000 € zu erheben ist. War jetzt nur wegen 2.000 € Widerspruch eingelegt worden oder hatte der Antragsteller nur hinsichtlich dieses Teilbetrages die Abgabe beantragt, dann beliefe sich der Wert der Nr. 1210 KV aber bereits ab Abgabeantrag (und nicht erst Akteneingang) nur noch auf 2.000 €. Ist dagegen ohne Beschränkung die Abgabe erfolgt und wurde dann z. B. erst eingeschränkt begründet, bliebe der Wert bei 3.000 €, weil es für den Anfall der Nr. 1210 KV auf den Abgabeantrag ankommt (vgl. N. Schneider, aaO., Rn. 72; Hartmann, KostG, 46. Aufl., Nr. 1210 KV Rn. 23).

    Ich will damit nur zeigen, daß diese zeitliche Staffelung niemandem wirklich hilft im Gegensatz zur Wertfestsetzung für die jeweiligen Gerichtsgebühren (vgl. auch den Wortlaut des § 63 II S. 1 GKG: "...Wert für die zu erhebenden Gebühren festzusetzen.").

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