Inhaltsänderung einer Grunddienstbarkeit?

  • Hallo zusammen,
    eingetragen ist ein ganz normales Wegerecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks. Der Eigentümer des herrschenden und des dienenden Grundstücks haben einen Zivilprozess geführt und einen Vergleich gem. § 278 VI ZPO mit folgendem Inhalt geschlossen:

    "Die Parteien bewilligen und beantragen wechselseitig eine Inhaltsänderung des eingetragenen Wegerechtes dergestalt, dass es auflösend bedingt erlöschen wird bei Tod des Beklagten, bei Eigentumsänderung des herrschenden Grundstücks oder bei ausdrücklicher schriftlicher Aufgabe des Wegerechtes durch den Beklagten. Die Eintragung der Inhaltsänderung im Grundbuch des dienenden Grundstückes soll ausdrücklich erfolgen unter Bezugnahme auf das das vorliegende Verfahren abschließenden gerichtlichen Vergleichsbeschluss gem. § 278 VI ZPO."

    Der Beklagte ist der derzeitige Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Die Grundbuchbezeichnungen gem. § 28 GBO sind gegeben. Der Rechtsanwalt des Klägers reicht eine Ausfertigung des Vergleichsbeschlusses mit dem Antrag auf Eintragung der Inhaltsänderung der Grunddienstbarkeit ein.

    Der Inhalt des Vergleiches stellt m. E. eine Umwandlung der Grunddienstbarkeit in eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dar und diese ist nach einhelliger Meinung in der Kommentierung zu § 877 BGB unzulässig. Oder wie soll man den Inhalt des Vergleiches verstehen? Der Charakter der Grunddienstbarkeit ist doch nicht mehr gegeben, wenn diese Bedingungen gelten. Daher müsste doch eine Aufhebung der Grunddienstbarkeit und eine Neubestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit erfolgen. Dieses wird wahrscheinlich nicht möglich sein, da die Parteien sich ja bereits streiten. Ferner sind nach dem Wegerecht noch weitere Rechte in Abt. II und Abt. III eingetragen, so dass sich ein Rangverlust nach Aufhebung und Neubestellung ergeben würde.
    Was meint Ihr? Lösungsvorschläge?

  • Weber verweist im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, in § 1018 RN 41 darauf, dass die Bestellung einer Grunddienstbarkeit unter der auflösenden Bedingung zulässig sei, dass sie erlischt, sobald das herrschende Grundstück in das Eigentum einer anderen Person als eines Abkömmlings des gegenwärtigen Eigentümers gelangt, weil dabei eine ausreichende Verknüpfung mit dem Eigentum am herrschenden Grundstück gegeben sei (Zitat BayObLG KGJ 44, 356, 357; NK-BGB/Otto Rn 113). Daher könne durch Zuhilfenahme von auflösenden und aufschiebenden Bedingungen eine Rechtslage geschaffen werden, die im Ergebnis einem subjektiv persönlichen Recht nahe komme (Staudinger/Weber RN 166 unter Zitat BayObLG KGJ 44, 356, 357).

    Wenn dem so ist (KGJ steht mir nicht zur Verfügung), dann müssten auch die von Dir wiedergegebenen auflösenden Bedingungen (Tod des derzeitigen Eigentümers des herrschenden Grundstücks/Eigentumsänderung/schriftliche Aufgabeerklärung) zulässig sein und im Wege der Inhaltsänderung eingetragen werden können, obgleich sie eigentlich keine Inhaltsänderung darstellen, sondern auf eine Änderung in der Person des Berechtigten abzielen.

    Die Regelungen bedingen allerdings das vorzeitige Erlöschen des Rechts, so dass jedenfalls dann, wenn ein Herrschvermerk eingetragen ist, die nach §§ 875, 876 Satz 2 BGB erforderliche Zustimmung der Grundpfand- und Reallastberechtigten am herrschenden Grundstück vorzulegen wäre (bei fehlendem Herrschvermerk siehe hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post937248)

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • An die zuvor genannten Fundstelle komme ich leider auch nicht ran und in den mir vorliegenden Kommentierungen kann ich leider nichts finden. Wenn das BayObLG in der obigen Entscheidung noch eine ausreichende Verknüpfung mit dem Eigentum am herrschenden Grundstück gesehen hat, was ich nachvollziehen kann, kann ich diese bei meinem Fall aber nicht sehen. Bei mir ändert sich durch die gewünschte Inhaltsänderung doch der Berechtigte. Es steht und fällt alles mit dem derzeitigen Berechtigten. Sobald dieser nicht mehr Eigentümer ist, aus welchen Gründen auch immer, soll die Grunddienstbarkeit erlöschen. Damit habe ich im Endeffekt eine bpD und keine Grunddienstbarkeit mehr. Die vorgenannte Fundstelle ist mir zu dürftig und überzeugt mich nicht richtig, aber leider kann ich nichts Passendes finden. Gibt es noch was zu beachten?
    Ein Herrschvermerk ist bei mir nicht eingetragen, so dass ich nach § 21 GBO keine Zustimmung der Berechtigten/Gläubiger des herrschenden Grundstücks brauche. Auch wenn es mat.rechtlich nach § 876 S. 2 BGB erforderlich wäre, kann ich doch im Wege der Zwischenverfügung keine Zustimmung erfordern, oder sehe ich das falsch?

  • Zu Letzterem:

    Der Leitsatz des Beschlusses des Landgerichts Freiburg vom 30.04.2004, 4 T 115/02, lautet:

    § 21 GBO durchbricht das materielle Zustimmungserfordernis des § 876 BGB nicht, sondern dient nur der formellen Erleichterung. Ist ein Herrschvermerk nicht eingetragen, so soll der formelle Grundbuchverkehr nicht dadurch erschwert werden, dass dem Grundbuchbeamten die Pflicht auferlegt wird, ohne konkrete Hinweise nach subjektiv-dinglichen Rechten am Grundstück zu suchen. Hat er aber positive Kenntnis von subjektiv-dinglichen Rechten am herrschenden Grundstück, ist er –ebenso wie im Falle eines Herrschvermerks- gehalten, die Bewilligung der Berechtigten einzuholen“

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  • Rein formal gesehen ändert sich eben nicht der Berechtigte sondern das Recht wird durch eine Anzahl Bedingungen/Befristungen zum Erlöschen gebracht, das ist schon was anderes als namentlich den Berechtigten auszutauschen oder als die formale Umwidmung eine Grunddienstbarkeit in eine persönliche.
    Das ist durchaus so in Ordnung manchmal ist der Unterschied eben so formal und marginal und im Ergebnis dasselbe aber das eine geht eben und das andere nicht.
    Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks hätte ja auch unbedingt die Löschung bewilligen können, dann wär's ja auch egal.

  • Im herrschenden Grundstück sind Wege- und Leitungsrechte sowie ein Nießbrauch und eine Grundschuld eingetragen. Also würdet Ihr die Inhaltsänderung tatsächlich eintragen, wenn die Berechtigten des herrschenden Grundstücks ihre Zustimmung zur Inhaltsänderung einreichen? Hier könnte doch aber nur der NBberechtigte und die Gläubgerin betroffen sein, die Wege- und Leitungsberechtigten "verlieren" ja nichts.
    Aber Entscheidungen oder anderen Fundstellen zur Inhaltsänderung sind nicht bekannt oder? Ich bin leider immer noch nicht ganz überzeugt, das gefällt mir leider nicht.

  • Was stört Dich denn noch?

    Geklärt ist,
    -) dass das Recht (zunächst) weiterhin existiert
    -) dass der Berechtigte des Rechts (= herrschendes Grundstück) nicht ausgetauscht wird
    -) dass der Verpflichtete (= verpflichtetes Grundstück) nicht ausgetauscht wird
    -) dass nur neue Bedingungen zum Erlöschen des Rechts geschaffen werden, die aber für sich sämtlich möglich und eintragungsfägig sind
    -) und die Leitungsrechte werden durch den Wegfall des Wegerechts kaum berührt, oder bestehen dort Abhängigkeiten, die Du bisher nicht berichtet hast?

    Grundschuld und Niesbrauch auf dem herrschenden Grundstück könnten theoretisch wohl berührt sein*. Wäre eine Frage des Rangs im Verhältnis zum Wegerecht - würde aber wohl nur bedeuten, dass deren Berechtigte eventuell auch zustimmen müssten, nicht aber, dass die Eintragung an sich unzulässig wäre.

    *es lassen sich wohl Fälle denken, bei denen durch den Wegfall des Wegerechts das Grundstück nahezu unerreichbar würde und daher natürlich im Wert erheblich sinkt, was sowohl auf Grundschuld als auch auf Niesbrauch Auswirkungen hätte

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Im herrschenden Grundstück sind Wege- und Leitungsrechte sowie ein Nießbrauch und eine Grundschuld eingetragen. Also würdet Ihr die Inhaltsänderung tatsächlich eintragen, wenn die Berechtigten des herrschenden Grundstücks ihre Zustimmung zur Inhaltsänderung einreichen? Hier könnte doch aber nur der NBberechtigte und die Gläubgerin betroffen sein, die Wege- und Leitungsberechtigten "verlieren" ja nichts.
    Aber Entscheidungen oder anderen Fundstellen zur Inhaltsänderung sind nicht bekannt oder? Ich bin leider immer noch nicht ganz überzeugt, das gefällt mir leider nicht.

    --> Eintragung vornehmen und Mitteilung an die vermutlich Zustimmungspflichtigen, sollen die doch tätig werden, wenn's ihnen nicht passt.

    Tz, tz, tz,...da kriegt man mal einen gerichtlichen Vergleich der im Grundbuch auch vollziehbar wär ....:D

    Kommentarstelle:

    Verlangt das Grundbuchamt in Verkennung des § 21 GBO dennoch die Mitbewilligungen, so ist dies zu Recht mit Beschwerde anzugreifen (s Bauer/v. Oefele/Kössinger GBO § 21 Rn 25)
    (BeckOK GBO/Wilsch GBO § 21 Rn. 10 - 11, beck-online)

  • ..

    --> Eintragung vornehmen und Mitteilung an die vermutlich Zustimmungspflichtigen, sollen die doch tätig werden, wenn's ihnen nicht passt.

    ...

    Kommentarstelle:

    Verlangt das Grundbuchamt in Verkennung des § 21 GBO dennoch die Mitbewilligungen, so ist dies zu Recht mit Beschwerde anzugreifen (s Bauer/v. Oefele/Kössinger GBO § 21 Rn 25)
    (BeckOK GBO/Wilsch GBO § 21 Rn. 10 - 11, beck-online)

    Verstehe ich jetzt nicht. Dein Zitat setzt doch geradezu voraus, dass das GBA zur Eintragung die Zustimmung verlangt hat. Das ist auch richtig so. Fraglich ist nur, ob denn außer den Gläubigern von Verwertungsrechten (Grundpfandrechte, Reallasten) auch andere Berechtigte betroffen sein können (s. dazu etwa Kohler im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 876 RNern 5, 6).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Da die Parteien eh zerstritten sind, würde ich ungern eine Zwischenverfügung erlassen und die Zustimmungserklärungen der Berechtigten des herrschenden Grundstücks verlangen, wenn dieses mit der Beschwerde angreifbar ist.

  • Losgelöst vom Fall:
    Als Rechtspfleger musst du ständig Entscheidungen treffen, mögen sie auch für den einen oder anderen unangenehm sein. Aber das ist kein Kriterium. Und wenn Du "Angst" vor einer Beschwerde hast, bist Du in diesem Beruf falsch! Dann dürfte kein Richter irgendein Urteil mehr fällen, weil die Gefahr eines Rechtsmittels immer besteht.

  • Ich dachte es ging darum, ob man die Zustimmung trotz fehlenden Herrschvermerks verlangen kann, was man eher nicht kann, auch wenn der zitierte Leitsatz da ein wenig irreführend klingt.
    Der NB bürfte schon betroffen sein, ansonsten muss man gucken, ist allerdings eher unwahrscheinlich.

    Nachdem die Parteien eh schon zerstritten sind und schon ein Vergleich, der grdsl. schon mal sach- und (oh Wunder!) grundbuchgerecht in der Welt ist würde ich hier jetzt nicht zwingend auf nicht zwingenden Erfordernissen bestehen.

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    Nachdem die Parteien eh schon zerstritten sind und schon ein Vergleich, der grdsl. schon mal sach- und (oh Wunder!) grundbuchgerecht in der Welt ist würde ich hier jetzt nicht zwingend auf nicht zwingenden Erfordernissen bestehen.


    Wie die Eintragungsgrundlage zustande gekommen ist, ist für die drittschützende Wirkung der §§ 875, 876 Satz 2 BGB ohne Belang. Ansonsten müsste in erstrittenen Angelegenheiten auch von den Zustimmungserfordernissen nach § 12 WEG oder § 5 ErbbauRG abgesehen werden. Maßgebend ist, dass die Inhaltsänderung letztlich dazu führt, dass aus einer Grunddienstbarkeit eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit wird. Da die Umwandlung von der einen in die andere Art nicht möglich ist, müsste eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an rangbereiter Stelle eingetragen werden und wäre im Zuge dessen die Grunddienstbarkeit zu löschen. Dazu bedürfte es jedoch der Zustimmung der dinglich Berechtigten.

    Akzeptiert man hingegen die Inhaltsänderung und erhält damit dem Berechtigten die bisherige Rangstelle, dann kann das Ergebnis nicht anders sein, weil die Inhaltsänderung bewirkt, dass ab dem Eintritt der auflösenden Bedingung die Bestandteilseigenschaft der Grunddienstbarkeit (§ 96 BGB) aufgehoben ist und damit der Gläubiger von Verwertungsrechten rechtlich betroffen ist. Dass es solche Gläubiger gibt, ist der Threadstarterin mittlerweile positiv bekannt. Daher kann auch nicht vom Erfordernis der Vorlage der Zustimmung abgesehen werden. § 21 GBO enthält keine materiell-rechtlich wirkende Ausnahme von der Vorschrift des § 876, wie dies in der älteren Literatur teilweise angenommen wurde (s. Gursky im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 876 RN 25 mwN).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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