Fahrtkosten für Partei ohne Wohnsitz + Entschädigung Zeitversäumnis nach Freispruch

  • Hallo zusammen,

    habe gerade einen KFA nach Freispruch vor mir, in welchem der Verteidiger Reisekosten seiner Partei geltend macht. Der ehemalige Angeklagte ist wohl Mitglied einer Landfahrerfamilie, d.h. er ist ständig mit dem Wohnwagen in halb Europa unterwegs...

    Inwieweit würdet Ihr die Reisekosten in diesem Fall für erstattungsfähig halten? Der Verteidiger macht eine Informationsreise (> 400 Kilometer), die dazugehörige Zeitversäumnis, die Reise zum Hauptverhandlungstermin (> 700 Kilometer) wiederum zzgl. Zeitversäumnis (20 Stunden!) und Übernachtungskosten geltend... einen Wohnsitz gibt es lt. Aussage des Verteidigers nicht. Ladung und weitere Schriftsätze gingen u.a. an dessen Vater als Zustellungsbevollmächtigten. Der Verteidiger ist der Meinung, dass Reisekosten in diesem Fall von dort zu berechnen seien, wo sich die Partei zum Zeitpunkt des jeweiligen Verfahrensstands aufgehalten hat...

    Sieht hier jemand vllt. besondere Umstände i.S.d. § 5 Abs. 3 bzw. 5 JVEG, sodass die Fahrtkosten etc. in diesem Rahmen festzusetzen wären?

    Gruß

    dimoe

  • Diesen Fall sehe ich als unproblematisch an. Ist es ja h. M., daß pro Instanz i. d. R. eine Informationsreise für die Partei zu ihrem RA im Rahmen des JVEG erstattungsfähig ist. Auch die Reise von einem anderen Ort, als in der Ladung angegeben, halte ich hier für unproblematisch. Sinn und Zweck dieser Regelung in § 5 Abs. 5 JVEG ist ja, daß das Gericht bei entsprechender Anzeige ggf. davon Abstand nimmt, den Zeugen zu verhören. Den Angeklagten hätte es aber sicher nicht abgeladen. ;) Deshalb halte ich die Kosten vom Ort der tatsächlichen Reise auch hier für erstattbar (vgl. auch OLG Celle, RPfleger 2013, 174 = NdsRpfl 2013, 160 = StraFO 2013, 41 = NStZ-RR 2013, 62 = JurBüro 2013, 94).

    Die 20 h sind u. U. auch durchaus nachvollziehbar, da ja pro Tag max. 10 h entschädigt werden, zumal die Zeit der Heranziehung einschließlich Warte- und Reisezeit berechnet werden.

    Was die Übernachtungskosten anbetrifft, so scheinen diese aufgrund der Distanz zum Aufenthaltsort durchaus gerechtfertigt, daß also insofern am Vortag angereist werden mußte und eine Übernachtung notwendig war. Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem BRKG. Übernachtungskosten bis zu 60 € geltend grds. als notwendig i. S. v. § 7 Abs. 1 S. 2 BRKG (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl., § 5 Rn. 4 zu lit. b). Werden die 60 € überschritten, ist die Notwendigkeit zu begründen (meist natürlich ortsbezogen). Kosten des Frühstücks werden übrigens nicht entschädigt, weil diese von der Aufwandsentschädigung § 6 JVEG abgedeckt sind. Eine Aufwandsentschädigung wird hier aber offenbar gar nicht geltend gemacht (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG, § 9 Abs. 4a S. 3 Nr. 1-3 EStG).

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  • Mal eine blöde Frage: Was sagt der Bezirksrevisor dazu? (Du musst ihn bei der Kostenfestsetzung nach Freispruch ohnehin anhören, oder ist das bei euch anders :gruebel:)

    Nein, das läuft bei uns genauso :D allerdings ging man zum Zeitpunkt der Stellungnahme noch davon aus, dass der Angeklagte einen festen Wohnsitz hat, sodass der BezRev lediglich von diesem (näheren) Ort für erstattungsfähig gehalten hat.

  • Diesen Fall sehe ich als unproblematisch an. Ist es ja h. M., daß pro Instanz i. d. R. eine Informationsreise für die Partei zu ihrem RA im Rahmen des JVEG erstattungsfähig ist. Auch die Reise von einem anderen Ort, als in der Ladung angegeben, halte ich hier für unproblematisch. Sinn und Zweck dieser Regelung in § 5 Abs. 5 JVEG ist ja, daß das Gericht bei entsprechender Anzeige ggf. davon Abstand nimmt, den Zeugen zu verhören. Den Angeklagten hätte es aber sicher nicht abgeladen. ;) Deshalb halte ich die Kosten vom Ort der tatsächlichen Reise auch hier für erstattbar (vgl. auch OLG Celle, RPfleger 2013, 174 = NdsRpfl 2013, 160 = StraFO 2013, 41 = NStZ-RR 2013, 62 = JurBüro 2013, 94).

    Die 20 h sind u. U. auch durchaus nachvollziehbar, da ja pro Tag max. 10 h entschädigt werden, zumal die Zeit der Heranziehung einschließlich Warte- und Reisezeit berechnet werden.

    Was die Übernachtungskosten anbetrifft, so scheinen diese aufgrund der Distanz zum Aufenthaltsort durchaus gerechtfertigt, daß also insofern am Vortag angereist werden mußte und eine Übernachtung notwendig war. Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem BRKG. Übernachtungskosten bis zu 60 € geltend grds. als notwendig i. S. v. § 7 Abs. 1 S. 2 BRKG (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl., § 5 Rn. 4 zu lit. b). Werden die 60 € überschritten, ist die Notwendigkeit zu begründen (meist natürlich ortsbezogen). Kosten des Frühstücks werden übrigens nicht entschädigt, weil diese von der Aufwandsentschädigung § 6 JVEG abgedeckt sind. Eine Aufwandsentschädigung wird hier aber offenbar gar nicht geltend gemacht (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG, § 9 Abs. 4a S. 3 Nr. 1-3 EStG).

    Vielen Dank für die ausführliche Rückmeldung, dann wird ich dat Dingens nochmal überdenken :)

  • ... einen Wohnsitz gibt es lt. Aussage des Verteidigers nicht

    Und wie weist er nach, dass er ein "Landfahrer" ist und dass der Freigesprochene sich genau an den betreffenden Tagen an den angegebenen Orten aufgehalten hat? 400 Kilometer nur für eine Informationsreise erscheint mir z.B. doch ausgesprochen lang.

  • ... einen Wohnsitz gibt es lt. Aussage des Verteidigers nicht

    Und wie weist er nach, dass er ein "Landfahrer" ist und dass der Freigesprochene sich genau an den betreffenden Tagen an den angegebenen Orten aufgehalten hat? 400 Kilometer nur für eine Informationsreise erscheint mir z.B. doch ausgesprochen lang.

    Nun ja, ich denke die Nachweisführung ist in den Konstellationen ja immer etwas schwierig, wenn man nachweisen muss, dass man etwas NICHT hat (nämlich einen Wohnsitz)... ich vermute da kann man sich nur an den Vortrag des Verteidigers halten, auch was die Angabe des Aufenthaltsortes angeht?! :gruebel:

  • Erforderlich ist die Glaubhaftmachung (§ 104 II S. 1 ZPO), was bedeutet, daß kein formaler Beweis für die den Kostenansatz begründenden Tatsachen notwendig ist. Vielmehr kann sich der Antragsteller aller Beweismittel bedienen, z. B. die Tatsachen anwaltlich versichern oder auch eine EV abgeben (§ 294 ZPO). Die Glaubhaftmachung bedarf nur einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit.

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