wechselbezüglichkeit

  • Ich habe folgende Testamente vorliegen:
    gemeinschaftliches handschriftliches Testament, Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Der Überlebende ist berechtigt, frei und uneingeschränkt über den Nachlass zu verfügen. Nach dem Ableben des Längerlebenden sollen die gemeinschaftlichen Kinder a, b, c, und d zu gleichen Teilen Erben des beiderseitigen Nachlasses sein.
    Nach dem Tod des Ehemannes erstellt die Ehefrau folgendes handschriftliches Testament: Nach meinem Ableben sollen meine Kinder a, b, c, und d Erben zu gleichen Teilen sein. Für den Fall, dass meine Krankes Kind a vor mir verstirbt, sollen deren beide Kinder nichts erben.

    Erbscheinsantrag liegt vor für die Kinder b, c, und d. Kind a ist vorverstorben.

  • Dann würde ich " frei und uneingeschränkt verfügen" dahingehend auslegen, dass damit das Verfügungsrecht über den Nachlass gemeint ist, nicht aber das Recht , neu zu testieren.
    Um Anhörungen wird man aber zu dieser 1. Auslegung ( von zweien :) ) nicht herumkommen.

  • Nach der Rechtsprechung kommt es darauf an, ob die Ersatzerbfolge im Testament erwähnt ist. Wenn nur § 2269 BGB im Raum steht, gelangt die Rechtsprechung ohnehin nicht zu einer Wechselbezüglichkeit (Stichwort: keine doppelte Vermutungswirkung). Also: Was steht zu den Ersatzerben drin?

  • Wenn ein Kind als Erbe eingesetzt ist, sind die Enkel nach § 2069 BGB Ersatzerben, auch ohne Erwähnung im Testament

    Damit wären wir bei dem, was Papenmeier mit "keine doppelte Vermutungswirkung" meinte.

    Nein, das sind wir nicht.

    Zunächst ist durch individuelle Testamentsauslegung zu klären, ob die Schluss- und Ersatzerbeneinsetzungen wechselbezüglich sind und erst wenn dies im Wege der Auslegung nicht festgestellt werden kann, wäre man auf die besagte "doppelte" Vermutung angewiesen (ganz abgesehen davon, dass ich die betreffende und der früheren obergerichtlichen Rechtsprechung widersprechende Rechtsauffassung des BGH für unzutreffend halte).

  • Zunächst ist durch individuelle Testamentsauslegung zu klären, ob die Schluss- und Ersatzerbeneinsetzungen wechselbezüglich sind .....


    Wir würdest Du dann - außer den von mir angesprochenen Anhörungen - bei der Auslegung vorgehen ?
    Spielt es in dem Zusammenhang eine Rolle , ob das Kind a krank war bzw. bereits bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testamentes bereits krank war ?

    Ich schätze mal , dass die Testamentsformulierung im gemeinschaftlichen Testament gem. #1 nicht gerade selten vorkommt.

    Einmal editiert, zuletzt von Wolf (7. Juni 2017 um 09:22)

  • Es geht um zwei Fragen:

    1. Testiervorbehalt ja oder nein. Würde ich genauso beantworten wie Du (nein).
    2. Wechselbezüglichkeit (die Frage ist nur relevant, wenn man Ziffer 1 mit nein beantwortet.

    Und zu Punkt 2 entspricht es eben in aller Regel der "selbstverständlichen" und daher nicht explizit zum Ausdruck gebrachten Vorstellung der testierenden Eheleute, dass an die Stelle eines ggf. vorversterbenden Kindes die jeweiligen Enkel treten und dass für diese das gleiche gelten soll (Wechselbezüglichkeit) wie für das bedachte Kind selbst.

    Und deshalb kann man hier nicht einfach davon ausgehen, dass ein Fall der von der hM nicht für zulässig gehaltene nKumulation der Auslegungsregeln der §§ 2270 und 2069 BGB vorliegt. Dies gilt vielmehr nur, wenn die individuelle Auslegung zu keinem Ergebnis führt und die Ersatzerbenberufung daher "nur" auf § 2069 BGB beruht - wobei mir noch nie klar war, weshalb eine Erbeinsetzung aufgrund einer Auslegungsregel im Verhältnis zu einer ausdrücklichen "minderwertiger" sein soll.

    Auslegungsversuche dann natürlich mit den üblichen Mitteln - da sind wir uns völlig einig.

    Aber hier im Forum werden nicht selten Sachverhalte eingestellt, für die man eine Lösung erfragt, obwohl man noch gar nicht ermittelt hat.


  • Und zu Punkt 2 entspricht es eben in aller Regel der "selbstverständlichen" und daher nicht explizit zum Ausdruck gebrachten Vorstellung der testierenden Eheleute, dass an die Stelle eines ggf. vorversterbenden Kindes die jeweiligen Enkel treten und dass für diese das gleiche gelten soll (Wechselbezüglichkeit) wie für das bedachte Kind selbst.

    Es ist immer schwierig, wenn ein Entscheider seine Meinung für allgemeinverbindlich erklären will. Dass hinsichtlich der Enkelkinder eine bindende Regelung getroffen werden soll, kann man nicht einfach unterstellen. Vielleicht haben die Erblasser darüber auch gar nicht nachgedacht. Immerhin haben sie nicht einmal die Ersatzerbfolge ausdrücklich geregelt.

  • Mir sind in meiner jahrzehntelangen Tätigkeit in Nachlasssachen schon viele solche gemeinschaftliche Testamente ohne ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung untergekommen. Und immer wenn es dann um die Auslegung ging, hat der überlebende Ehegatte stets erklärt, dass etwaige Enkel im beschriebenen Kontext den gleichen Stellenwert wie die unmittelbar bedachten Kinder haben sollen.

    Wohlgemerkt: Ich fragte das immer bereits nach dem Eintritt des ersten Sterbefalls in Anwesenheit des überlebenden Ehegatten und der Kinder. Und ich habe das auch entsprechend protokolliert, so dass man sich dann später nach dem zweiten Sterbefall dann kaum noch über diese Frage streiten konnte.

    Und aufgrund dieser langjährigen Erfahrungen konnte und durfte ich auch mit gutem Recht die Formulierung "in aller Regel" verwenden, da man - wenn man die Leute rechtzeitig fragte - praktisch uninoso immer die besagte Antwort bekam. Und das Entscheidende ist natürlich, dass die Leute dies so gewollt haben, auch wenn man sie nicht gefragt hätte, wie sie das gemeint und ob sie das so gewollt haben. Weshalb sollten sie es also nicht gewollt haben, nur weil man nach dem ersten Sterbefall nicht danach fragte?

    Und bitte jetzt keine Erwiderung in dem Sinne "Was stört mich der zweite Sterbefall, wenn erst der erste eingetreten ist?" Eine solche kurzsichtige Einstellung langweilt mit zunehmend, auch wenn sie natürlich öfter anzutreffen ist.

  • Sorry, aber ich verstehe die Auslegung von "frei und unbeschränkt verfügen" nicht. Dass ein alleiniger Vollerbe dieses darf, ist doch doch selbstverständlich, so dass dieser Satz eigentlich überflüssig wäre, es sei denn, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass der Überlebende neu testieren darf

  • Sorry, aber ich verstehe die Auslegung von "frei und unbeschränkt verfügen" nicht. Dass ein alleiniger Vollerbe dieses darf, ist doch doch selbstverständlich, so dass dieser Satz eigentlich überflüssig wäre, es sei denn, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass der Überlebende neu testieren darf



    "Verfügen" bedeutet doch nicht nur letztwillig (von Todes wegen) verfügen, sondern auch unter Lebenden. Und damit ergeben sich eben die beiden möglichen Auslegungen:
    a) Der zuerst Erbende ist darin frei, über die ihm zugefallenen Gegenstände unter Lebenden zu verfügen, er muss sie nicht aufbewahren (wie etwa der Vorerbe)
    b) der zuerst Erbende darf auch Letztwillig anders verfügen.

    Nur wenn den Testierenden der Unterschied zwischen Vollerbschaft und Vorerbschaft bekannt war, lässt sich schon aus der Verwendung von "frei und unbeschränkt" m.E. sicher der Schluss auf "darf jederzeit neu testieren" ziehen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Die häufige Bestimmung, wonach der überlebende Ehegatte frei und ungehindert verfügen darf, beinhaltet mangels anderweitiger Anhaltspunkte nur die Ermächtigung zur Verfügung unter Lebenden (Palandt/Weidlich § 2270 Rn. 21 mit Rechtsprechungshinweisen).

  • Aus meiner Sicht kann ich es nur so auslegen, dass ich eine Ausnahme von der Regel will, weil ich sonst den überflüssigen Ausdruck nicht gebraucht hätte

  • Die häufige Bestimmung, wonach der überlebende Ehegatte frei und ungehindert verfügen darf, beinhaltet mangels anderweitiger Anhaltspunkte nur die Ermächtigung zur Verfügung unter Lebenden (Palandt/Weidlich § 2270 Rn. 21 mit Rechtsprechungshinweisen).

    Wobei m.E. Kommentarmeinungen und Rechtsprechung in Nachlasssachen nur sehr eingeschränkt verwendbar sind (wobei ich jeden verstehe und es auch selber machen würde um eine getroffene Entscheidung zu untermauern...:D), da ja über allem der Erblasserwille schwebt und es somit immer nur Einzelfallentscheidungen sein können. Auch wenn in tausend Fällen eine Formulierung immer so gemeint ist, kann es eben genau in einem Fall anders sein und damit stellt sich dann die Erbfolge anders dar. Insofern stochert man im Nebel und kann eigentlich nie sicher sagen, wie es denn wirklich gemeint war, zumal weitere Aufzeichnungen des Verstorbenen selten existieren dürften und die Aussagen der Beteiligten auch nicht immer objektiv sein dürften. Aber das sind die Kollateralschäden, die der Gesetzgeber mit der Testierfreiheit bzw. der weitgehenden Formfreiheit (die erstaunlicherweise im völligen Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten steht) verursacht hat.

    Im obigen Fall könnte man schon über die Änderungsbefugnis diskutieren, auch könnte das zweite Testament gerade bedeuten, dass sich die Eheleute eben keine Gedanken über § 2069 BGB gemacht haben (faktisch werden sich die wenigsten Leute darüber Gedanken machen, dass ihre Kinder vor ihnen versterben, und diejenigen, die es tun schreiben dann auch eine Ersatzerbenregelung ins Testament) und die Ehefrau das Testament später präzisiert hat, als sich die Krankheit der Tochter abzeichnete. Insofern könnte man m.E. gut argumentieren, dass § 2069 bei dem vorverstorbenen Kind ohnehin nicht beabsichtigt war. Schließlich bestätigt das neue Testament eigentlich nur die alte Erbeinsetzung.

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