Prokura ohne Geschäftsführer?

  • Folgender Fall:

    GmbH
    Mehrheitsgesellschafter A ist (einziger) Prokurist.
    Minderheitsgesellschafter B ist einziger Geschäftsführer.

    B wird gem. § 395 Fam FG wegen Unzulässigkeit als Geschäftsführer im HR gelöscht (nicht mehr fähig, GF zu sein).

    Meine Frage ist, ob die Prokura des A erlischt.

    Die Prokura wird nicht vom Geschäftsführer, sondern von der GmbH erteilt, vertreten durch den Geschäftsführer. Die GmbH besteht fort, mithin auch die durch sie erteilte rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht. Oder?

    Vom Gefühl her kann es nicht sein, dass eine Prokura fortbesteht. obwohl niemand mehr da ist, der die Prokura widerrufen könnte.
    A hat es in der Hand, sich selbst oder einen Dritten zum Geschäftsführer zu bestellen, tut es aber nicht. Er kann als Prokurist weiterhin für die Gesellschaft handeln, ohne dass er die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers hat, so ist er z. B. nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.

    In den Kommentierungen habe ich nichts gefunden. Mir fehlt eine Begründung für das Erlöschen der Prokura. Besteht sie trotz unguten Gefühls fort?

  • Er kann als Prokurist weiterhin für die Gesellschaft handeln, ohne dass er die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers hat, so ist er z. B. nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.

    Gehört hier zwar nicht hin, aber: Doch der A ist verpflichtet einen Insolvenzantrag zu stellen (und auch ermächtigt). Zwar nicht aus seiner Stellung als Prokurist, sondern in seiner Stellung als Gesellschafter. § 15a III InsO.

    A könnte bei dieser Konstellation auch faktischer GF sein.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich bin der Meinung, dass es in Zeiten der Führungslosigkeit nach § 35 Abs. 2 GmbHG auch keine Umgehung dieser Führungslosigkeit durch rechtsgeschäftliche Vollmacht geben darf. Sonst wäre es einer GmbH durch rechtzeitige rechtsgeschäftliche Bestellung
    -) eines Zustellungsbevollmäxhtigten
    -) eines Generalbevollmächtigten und
    -) eines Rechtsanwalts mit Global-Prozessvollmacht
    möglich, die Führungslosigkeit zu umgehen. Ich habe dazu bisher auch nichts richtiges in der Literatur gefunden. Es gibt aber eine BFH-Entscheidung, wo der BFH etwas kryptisch schreibt "wenn die Gesellschafter eine handlungsfähige Gesellschaft wollen, steht es ihnen jederzei frei, wieder einen Geschäftsführer zu bestellen". Das liegt m.E. auf der Begründungslinie des Gesetzgebers, der die Führungslosigkeit samt entsprechender Pflicht zur Insolvenzantragstellung ja gerade eingeführt hat, um "verantwortungsloses" Handeln der Gesellschafter im Zuge von Unternehmensbestattungen zu verhindern.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Die Prokura wurde nicht widerrufen und es gibt auch keine gesetzliche Norm, dass die Prokura in einem solchen Fall erloschen wäre.
    Ich würde die Prokura daher nicht löschen. Ob der Prokurist als faktischer Geschäftsführer handelt, habe ich von Seiten des Registergerichts aus nicht zu prüfen.

    Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten! (Oscar Wilde)

  • Ich sehe im Ausgangsfall auch keinen Grund, an der wirksam erteilten Prokura zu rütteln.

    Fällt der organschaftliche Vertreter weg, berührt dies nicht die von ihm erteilte rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht. Die rechtsgeschäftliche Vertretung ist der organschaftlichen auch nicht nach- oder untergeordnet. Beide Vollmachtsarten unterscheiden sich nur in Art und Weise ihrer Einräumung und sie schließen sich gegenseitig aus: Der Geschäftsführer kann kein Prokurist sein und andersherum.

    Es ist daher anerkannt, dass der Prokurist auch bei einer führungslosen Gesellschaft weiter handeln kann (vgl. etwa Henssler/Strohn/Oetker, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 6 Rn. 12; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 6 Rn. 6; Saenger/Inhester/Lücke/Simon, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 35 Rn. 5 in Fn. 10). Dass dies nur vorübergehend und kein Dauerzustand sein sollte, ist auch klar (Oetker & Fastrich, jew. a.a.O.).

    Dabei gibt es auch ausreichend Mittel und Wege, um dies zu beheben: Gläubigern steht etwa die Passivvertretung der Gesellschafter (§ 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG) und deren mögliche Haftung im Insolvenzfall (§ 15a Abs. 3 InsO) zur Seite. Auch kommt die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers (§ 29 BGB analog) auf Antrag der Gesellschafter oder der Gläubiger in Betracht. Schließlich mag der Minderheitsgesellschafter die Bestellung eines neuen Geschäftsführers erzwingen (§ 50 GmbHG) und im Worst Case an eine Auflösungsklage (§ 61 GmbHG) denken.

    Und auch die Risiken für den alleinvertretenden (omnipotenten/hyperaktiven) Prokuristen wurden von LFdC schon angesprochen: Haftung als faktischer Geschäftsführer einschließlich der Strafbarkeit bei verspäteter Insolvenzantragstellung.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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