Vereinbarung umfassender Öffnungsklausel - Zustimmung dingl. Berechtigter

  • Hallo zusammen,

    ich bitte um Eure Meinungen bei folgendem Fall:

    Es geht um die Eintragung der Änderung der Gemeinschaftsordnung im Rahmen einer Vereinbarung, insbesondere um die Neufassung der Öffnungsklausel. Daneben wurde auch die Bestimmung aufgehoben, dass zur Weiterveräußerung die Verwalterzustimmung erforderlich ist.

    Die neue Öffnungsklausel ist umfassend formuliert (was laut Schöner/Stöber möglich ist, s. Rn. 2885b). Der genaue Wortlaut ist:
    „Diese Gemeinschaftsordnung kann von der Eigentümerversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln aller vorhandenen Stimmen geändert werden, wenn hierfür sachliche Gründe vorliegen.“

    Ich bin nun am Überlegen, welche dinglich Berechtigten zustimmen müssen. Ich habe folgende Berechtigte / Gläubiger:

    Rechte am gesamten Grundstück, d.h. allen WE- und TE-Einheiten:
    1. Subj. – dingl. Reallast-Heizwärme- und Warmwasserbelieferungsverpflichtung
    2. Grunddienstbarkeit: Geh- und Fahrtrecht
    3. Grunddienstbarkeit: Abwasserkanalleitungsrecht
    4. Grunddienstbarkeit: Regenkanalleitungsrecht
    5. Grunddienstbarkeit: Stromleitungsrecht
    6. Grunddienstbarkeit: Gas- und Wasserleitungsrecht

    Rechte an einzelnen WE-Einheiten:
    7. Nießbrauch
    8. Auflassungsvormerkung
    9. diverse Grundpfandrechte

    Der Notar hat mir nur die Bewilligung der Nießbrauchsberechtigten (7) mit vorgelegt.

    Ich denke ich benötige jedoch auf jeden Fall auch die Berechtigten der AV (8) und der Grundpfandrechte (9). Die Öffnungsklausel ist umfassend gefasst, damit ist ja wohl auch die Begründung, Aufhebung und Änderung von Sondernutzungsrechten umfasst, so dass § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht darüber hinweg hilft.

    Wie sieht es aber mit den Grunddienstbarkeiten (2-6) und der Reallast (1) aus?
    Ich tendiere bei beiden zu nein, da es Globalberechtigte sind.

    Wäre für Eure Einschätzungen dankbar!

  • Das Problem ist, dass die auf dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 30.01.2004, I-3 Wx 329/03,
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/dues…ss20040130.html
    beruhende herrschende Meinung die Änderung der Teilungserklärung durch nachträglichen Einführung einer Öffnungsklausel nicht von der Zustimmung der dinglich Berechtigten abhängig macht (s. Commichau im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 10 RN 45; Kreuzer im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 10 WEG RN 57; Munzig in Keller/Munzig, Grundbuchrecht – Kommentar, 7. Auflage 2015, § 19 RN 43; Kral im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand 01.05.2017, Sonderbereich WEG RN 88 unter Hinweis auf Demharter Anh. § 3 Rn. 83; Meikel/Morvilius Einl. B Rn. 157; Schneider Rpfleger 2002, 504; Hügel NotBZ 2004, 205 und die gegenteilige Ansicht von Schöner/Stöber GrundbuchR Rn. 2885 und Becker DNotZ 2004, 642).

    Kral hält in RN 88.1 die auf der hM beruhende Beeinträchtigung dinglich Berechtigter nach derzeitiger Gesetzeslage für hinnehmbar.

    Und der eingeschränkten Inhaltskontrolle durch das Grundbuchamt (s. Schöner/Stöber, RN 2885c) hält die o.a. Klausel ja stand.

    Auch hält der BGH einen auf der Öffnungsklausel beruhenden Beschluss, mit dem einem Wohnungseigentümer weitere Lasten aufgebürdet werden, bei Zustimmungsverweigerung für materiell-rechtlich unwirksam (Versäumnisurteil vom 13.05.2016, V ZR 152/15, Rz. 15, unter Hinweis auf sein Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13)

    Die Dienstbarkeiten und die Reallast dürften ohnehin nach § 4 WGV gebucht sein, d.h. am Grundstück und nicht am jeweiligen Wohnungseigentum lasten, so dass die Zustimmung der Berechtigten in keinem Fall erforderlich ist.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Mein Rechtsempfinden gibt der Ansicht von Schöner/Stöber Rn. 2885 recht, wonach meine umfassende Öffnungsklausel der Zustimmung der Grundpfandrechts- und Reallastgläubiger bedarf.
    Die Rspr. des OLG Düsseldorf liegt vor dem WEG-Änderungsgesetz.

    Ich tendiere stark dazu die Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger (Einzelrechte) zu verlangen.
    Bei der Reallast (= Gesamtrecht) bin ich mir immer noch unsicher. Kann ein Gesamtrecht durch Neubegründung oder Verfügungen über Sondernutzungsreche betroffen sein?
    Ich kann in keinem Kommentar finden, dass § 5 Abs. 4 WEG nur für Einzelrechte gilt...


    Gibt's dazu Meinungen?

  • Da es sich um den Berechtigten aus einem Gesamtrecht handelt, braucht er der Inhaltsänderung nicht zuzustimmen, weil die Einschränkung des Mitgebrauchs des Gemeinschaftseigentums durch die Einräumung eines Sondernutzungsrechts durch die Zuordnung des Sondernutzungsrechts bei dem anderen Haftungsobjekt ausgeglichen wird, so dass er nicht im Sinne der §§ 877, 876 BGB betroffen ist (s. Eckert im BeckOK BGB, Stand 15.06.2017, § 877 RN 7 mwN). Das BayObLG führt im Beschluss vom Beschluss vom 05.09.1991, BReg. 2 Z 95/91, aus (Hervorhebung durch mich): „Zur inhaltlichen Änderung eines Rechts ist nach den §§ 877, 876 S. 1 BGB die Zustimmung eines Dritten erforderlich, mit dessen Recht das Recht an dem Grundstück belastet ist. § 876 S. 1 und § 877 BGB sind auch auf die Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Sondereigentum anzuwenden ….. Aus dem Schutzzweck dieser Vorschriften, wie er in § 876 S. 2 BGB zum Ausdruck kommt, ist allerdings zu entnehmen, dass die Zustimmung des Dritten überflüssig ist, wenn seine Rechtsstellung durch die Änderung nicht berührt wird. Das gleiche gilt in formeller Hinsicht für das Erfordernis der Eintragungsbewilligung (Zustimmung) nach § 19 GBO. ….Nicht erforderlich ist danach die Bewilligung von Dritten, denen an dem ganzen Grundstück und damit an allen Wohnungs- und Teileigentumsrechten ein dingliches Recht in der Gestalt einer Gesamtberechtigung zusteht (vgl. BayObLGZ 1958, 273 ff.).

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  • Hallo,

    ich hänge mich hier mal dran, in der Hoffnung es passt. Leider habe ich trotz intensiver Suche folgenden Fall nicht finden können:

    Was haltet ihr von dieser neuerdings (in Berlin) aufgetauchten Öffnungsklausel:

    "Änderungen der Gemeinschaftsordnung können - soweit dies gesetzlich zulässig ist - von den Eigentümern grundsätzlich mit einer Mehrheit von mindestens 3/4 aller stimmberechtigten Eigentümer im Sinne des § 25 Abs. 2 WEG und 3/4 aller Miteigentumsanteile beschlossen werden, dies jedoch nicht gegen die Stimme des teilenden Eigentümers".

    Ich sehe nicht ganz ein, weshalb die Stimme des teilenden Eigentümer mehr wert sein soll, als alle anderen. Er genießt damit meines Erachtens einen ungerechtfertigten Schutz, den andere Miteigentümer nicht haben.
    Würdet Ihr darin ein Grenze der Zulässigkeit sehen? DANKE schon mal für weitere Argumente, egal ob dafür oder dagegen...

  • Wenn die Möglichkeit der Änderung der Gemeinschaftsordnung nicht nur von einer qualifizierten Mehrheit, sondern auch von einem Vetorecht des teilenden Eigentümers abhängig gemacht wird, dann berücksichtigt dies nicht die zwingenden Bestimmungen in Bezug auf das Mehrheitsprinzip. Wie das OLG Hamm im Beschluss vom 19.08.2008,15 Wx 89/08,
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm…ss20080819.html
    ausführt, sind dies:
    -gemäß § 12 Abs. 4 S. 2 WEG die Regelungen in § 12 Abs. 4 S. 1 WEG
    -gemäß § 16 Abs. 5 WEG die Regelungen in § 16 Abs. 3 und 4 WEG,
    -gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 WEG der Anspruch nach § 22 Abs. 2 S. 1 WEG,
    -gemäß § 26 Abs. 1 S. 5 WEG der Anspruch hinsichtlich der Bestellung und Abberufung des
    Verwalters nach § 26 Abs. 1 WEG.

    Nach § 22 Absatz 2 Satz 1 WEG können z. B. Modernisierungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Anpassung des Gemeinschaftseigentums an den Stand der Technik mit der in der obigen Klausel vorgesehenen Mehrheit beschlossen werden. Jedoch kann nach Satz 2 dieser Bestimmung diese Befugnis im durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Und wenn nun ein solcher Beschluss nicht gegen die Stimme des teilenden Eigentümers soll gefasst werden können, dann stellt dies eine Einschränkung der zwingenden gesetzlichen Regelung dar. Auch können -wie hier dargestellt

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…561#post1013561
    seit der Neufassung des WEG zum 1.7.2007 z.B. die Veräußerungsbeschränkungen durch Mehrheitsbeschluss aufgehoben werden oder die Wohnungseigentümer können nach § 16 Absatz 3 WEG n. F mit einfacher Stimmenmehrheit beschliessen, dass die Betriebskosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums im Sinne des § 566 Absatz 1 BGB, die nicht unmitttelbar gegenüber Dritten abgerechnet werden, sondern der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband in Rechnung gestellt werden und die Kosten der Verwaltung nach Verbrauch oder Verursachung erfasst werden (s. Hügel, DNotZ 2007, 326 ff, 354). Diese Bestimmung ist nach § 16 Absatz 5 WEG ebenfalls nicht einschränkbar. Das Gleiche gilt für Verwalterbestellung und Abberufung (bei wichtigem Grund) durch Mehrheitsbeschluss.

    Also lässt sich insoweit keine qualifizierte Mehrheit festlegen.

    Frage ist, ob dies durch die Einschränkung „soweit dies gesetzlich zulässig ist“ nicht ohnehin gilt.

    Hügel führt z. B. in seiner Abhandlung „Das neue Wohnungseigentumsrecht“ in der DNotZ 2007, 326/357 aus: „Damit hat die Neuregelung in § 16 Abs. 5 WEG keinerlei Auswirkungen auf in Gemeinschaftsordnungen enthaltene Öffnungsklauseln, sofern diese hinter den Anforderungen des § 16 Abs. 3 und 4 WEG zurückbleiben.“

    Eine solche Öffnungsklausel wäre aufgrund der gesetzlichen Regelung mithin ohnehin unwirksam. (s. zu einem ähnlichen Fall z. B. Jennißen in Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 5. Auflage 2017, § 16 RN 82: „Eine Öffnungsklausel, die eine größere Mehrheit als drei Viertel für den Änderungsbeschluss je Einzelfall vorsieht, wird dagegen durch die Regelung in Abs. 5 unwirksam.“).

    Ich würde die von Dir genannte Regelung dennoch beanstanden, weil sie in der getroffenen Form ohnehin nicht möglich ist:

    Sie soll dem teilenden Eigentümer ein Vetorecht verschaffen. Ein solches Vetorecht kann aber nur solange bestehen, wie der teilende Eigentümer noch Eigentümer eines Wohnungs- oder Teileigentums ist. Denn ein Vetorecht eines „Außenstehenden“, der selbst kein Stimmrecht hätte, kann es nicht geben, weil eine Beschränkung der Beschlussfassungskompetenz der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer voraussetzt, dass derjenige, dem ein „Vetorecht“ zukommen soll, auch zum Kreise der Stimmberechtigten gehört.

    Infolgedessen stellen auch diejenigen Entscheidungen, die dem teilenden Eigentümer ein Vetorecht zubilligen, darauf ab, dass er noch Eigentümer eines Wohnungs- und Teileigentums ist.

    Der Leitsatz aus dem Beschluss des BayObLG vom 02.04.1997, 2Z BR 36/97, lautet (Hervorhebung durch mich):

    „Die von dem teilenden Alleineigentümer getroffene Regelung in der Gemeinschaftsordnung einer aus drei Wohnungen bestehenden Wohnanlage, dass für das Stimmrecht die unterschiedliche Größe der Miteigentumsanteile maßgebend ist, gegen seine Stimme aber ein Eigentümerbeschluss nicht gefasst werden kann, solange ihm auch nur eine Wohnung gehört, kann in das Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums eingetragen werden.


    Das OLG Hamm führt dazu im vorgenannten Beschluss vom 19.08.2008,15 Wx 89/08, aus (Hervorhebung durch mich):

    „So hat der BGH (a. a. O.) für die Fälle der Majorisierung durch ein Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen ausdrücklich entschieden, dass Abweichungen von dem Kopfstimmrecht des § 25 Abs. 2 S. 2 WEG vereinbart werden könnten. Wertungsmäßig betrachtet gilt dies in gleicher Weise für den hier vorliegenden umgekehrten Fall der Installation einer Sperrminorität (Bub, a. a. O. § 25 Rn. 32). In einem mit dem hier vorliegenden vergleichbaren Fall eines vereinbarten Vetorechts für einen einzelnen Miteigentümer hat auch das BayObLG (a. a. O.) zutreffend die Regelung der Teilungserklärung für wirksam erachtet. Dem lag der Fall zugrunde, dass in einer aus drei Wohnungen bestehenden Wohnanlage nach der Teilungserklärung für das Stimmrecht die unterschiedliche Größe der Miteigentumsanteile maßgebend sein sollte, gegen die Stimme des teilenden Eigentümers aber ein Eigentümerbeschluss nicht gefasst werden konnte, solange ihm auch nur eine Wohnung gehört. Das BayObLG hat diese Regelung für wirksam erachtet und dazu ausgeführt, nach allgemeiner Meinung sei eine Stimmrechtsregelung, die in Abweichung von dem gesetzlichen Kopfstimmrecht des § 25 Abs. 2 WEG getroffen werde und einem Wohnungseigentümer die Mehrheit der Stimmen verschaffe, nicht von vorneherein unwirksam. Gegenüber dem Fall, dass ein Wohnungseigentümer von vorneherein die Stimmenmehrheit habe, würden die Rechte anderer Wohnungseigentümer weniger eingeschränkt, wenn ein Wohnungseigentümer nicht die Stimmenmehrheit, sondern lediglich ein Vetorecht habe. Entscheidend sei dabei, dass der Wohnungseigentümer, dem das Vetorecht zustehe, zwar einen Eigentümerbeschluss verhindern könne, auch wenn er weniger als die Mehrheit der Stimmen inne habe, aber im Gegensatz zu dem Fall einer Stimmenmehrheit in der Hand eines Wohnungseigentümers selbst keine Beschlüsse gegen den Willen anderer Wohnungseigentümer durchsetzen könne….“

    Müller hält daher in „Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 6. Auflage 2015, 8. Teil. Die Wohnungseigentümerversammlung, RN 103 eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung für zulässig, wonach sich der teilende Eigentümer so lange ein so genanntes Vetostimmrecht ausbedingt, als er noch Eigentümer einer Wohnung ist, und verweist dazu auf den vorgenannten Beschluss des BayObLG. Ebenso Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, RN 2926.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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