Zeugenentschädigung

  • Hallo,

    ich habe eine Frage zur Zeugenentschädigung. Ich habe hier einen Antrag vorliegen mit der Angabe: "Ich habe keinen Verdienstausfall, jedoch muss ich die versäumte Arbeitszeit von 8 Stunden in meiner Freizeit nachholen, was ich ausdrücklich versichere".
    Der Antragsteller reiste am Vortag an - Abfahrt 19 Uhr Ankunft 22 Uhr,
    die Anhörung war von 13 Uhr bis 15 Uhr - Abfahrt nach Hause 16 Uhr Ankunft 20 Uhr. Übernachtungskosten wurden nicht beantragt.


    -bekommt der Antragsteller für die versäumte Arbeitszeit (8 Stunden Freizeit) eine Entschädigung nach § 20 JVEG (3,50 €)?
    -bekommt der Antragsteller für die Fahrzeit am Vortag eine Entschädigung ? (Tagegeld erst nach 8 Stunden möglich).

    Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.

    LG Martina

  • Auch ein Verlust an Freizeit stellt bereits einen nach § 20 JVEG zu entschädigenden Nachteil dar (Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl., § 20 Rn. 4). Da die Reisezeit offenbar rd. 4 h beträgt und der Zeuge auch am selben Tag hätte an- und abreisen können, sind 10 h (max.) zu entschädigen (§ 19 II JVEG), also 35,00 €.

    Das Tagesgeld nach § 6 I JVEG (i. V. m. § 4 V S. 1 Nr. 5 S. 2 und § 9 IVa EStG) wird ab 8 h Abwesenheit gewährt und beträgt 12,00 €. Das stünde ihm m. E. zu.

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    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • ... jedoch muss ich die versäumte Arbeitszeit von 8 Stunden in meiner Freizeit nachholen, was ich ausdrücklich versichere ...



    Das bedeutet doch nichts anderes, als dass ihm ein voller Arbeitstag gestrichen wird. Er muss nämlich die vollen 8 Stunden anderweitig nacharbeiten, um seinen Lohn zu bekommen.

    M.E. müsste ihm daher für diese 8 Stunden sogar der Lohnausfall bezahlt werden, begrenzt durch die Obergrenze von 21,- Euro/Stunde.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • M.E. müsste ihm daher für diese 8 Stunden sogar der Lohnausfall bezahlt werden, begrenzt durch die Obergrenze von 21,- Euro/Stunde.


    :daumenrau -> vgl. z. B. LSG Thüringen, Beschl. v. 26.02.2014 -L 6 SF 21/14 E mit Verweis auf Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 20 Rn. 1.

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  • ... jedoch muss ich die versäumte Arbeitszeit von 8 Stunden in meiner Freizeit nachholen, was ich ausdrücklich versichere ...



    Das bedeutet doch nichts anderes, als dass ihm ein voller Arbeitstag gestrichen wird. Er muss nämlich die vollen 8 Stunden anderweitig nacharbeiten, um seinen Lohn zu bekommen.

    M.E. müsste ihm daher für diese 8 Stunden sogar der Lohnausfall bezahlt werden, begrenzt durch die Obergrenze von 21,- Euro/Stunde.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


    Dem möchte ich widersprechen.

    Ein Verdienstausfall ist entscheidende Voraussetzung, um eine entsprechende Entschädigung zu erlangen (z. B. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 01.03.2016, L 15 RF 28/15).

    Im Sachverhalt steht ausdrücklich, dass dem Zeugen ein Verdienstausfall nicht entstanden ist.

    Die berufliche Tätigkeit des Zeugen ist zwar nicht bekannt. Zumindest, wenn er den Termin aufgrund Gleitzeit wahrnehmen konnte und die entsprechenden Stunden nun nachträglich leisten muss, hat er keinen Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall.

  • M.E. müsste ihm daher für diese 8 Stunden sogar der Lohnausfall bezahlt werden, begrenzt durch die Obergrenze von 21,- Euro/Stunde.


    :daumenrau -> vgl. z. B. LSG Thüringen, Beschl. v. 26.02.2014 -L 6 SF 21/14 E mit Verweis auf Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 20 Rn. 1.


    Der zitierten Entscheidung kann ich überhaupt keine Aussagen zu einem Verdienstausfall entnehmen? :gruebel: Im dort entschiedenen Fall war ein solcher gar nicht beantragt.

  • Ich schließe mich Frog an. Weder Schneider 2. Auflage § 22 Rn. 26, noch Meyer/Höver/Bach/Oberlack 26. Auflage § 22 Rn. 20 lit. c) noch Hertel/Weigelt Kostenrecht 16. Auflage S. 73 sehen eine Erstattungsfähigkeit von Verdienstausfall nach § 22 JVEG bei Inanspruchnahme eines Zeitguthabens.

    Der geltend gemachte Verdienstausfall kann gemäß §§ 7, 22 JVEG nicht entschädigt werden, weil im Sinne dieses Gesetzes gerade kein Verdienstausfall vorliegt. Insoweit ist m.E. der Gesetzestext dahingehend eindeutig, dass nur dann ein Verdienstausfall entschädigt werden kann, wenn er auch eingetreten ist. Bei der allein auf Billigkeitserwägungen gestützten Auslegung, den bezahlten Freizeitausgleich in Form eines Zeitguthabens durch § 22 JVEG entschädigen zu können, geht es dabei letztlich nicht mehr um den Ausgleich eines tatsächlichen Verdienstausfalls, sondern um den Ersatz von verbrauchter Freizeit. Dieser „fiktive“ Verdienstausfall ist weder mit dem Gesetzeswortlaut, noch mit dem Gesetzgeberwillen vereinbar (im Fall von bezahltem Urlaub, BGH, Beschluss vom 26.01.2012 – VII ZB 60/09 – zitiert nach juris Rn. 12 ff. m.w.N).

    Einmal editiert, zuletzt von Sersch (21. August 2017 um 09:43) aus folgendem Grund: Rechtschreibung

  • M.E. müsste ihm daher für diese 8 Stunden sogar der Lohnausfall bezahlt werden, begrenzt durch die Obergrenze von 21,- Euro/Stunde.


    :daumenrau -> vgl. z. B. LSG Thüringen, Beschl. v. 26.02.2014 -L 6 SF 21/14 E mit Verweis auf Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 20 Rn. 1.


    Der zitierten Entscheidung kann ich überhaupt keine Aussagen zu einem Verdienstausfall entnehmen? :gruebel: Im dort entschiedenen Fall war ein solcher gar nicht beantragt.


    Sorry, der Verweis war in der Kürze tatsächlich mißverständlich.

    Mir ging es um den zu entschädigenden Nachteil des Zeugen (vorletzter Abs. der Entscheidung). Ein solcher Nachteil besteht, wenn er die während der Heranziehung versäumte Arbeit nachholen musste (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 20 Rn. 1). In Bezug auf einen möglichen Verdienstausfall wäre dem Zeugen ein solcher zu entschädigen, wenn die Zahlung durch das Nachholen bedingt ist und er sie faktisch aber nicht nachgeholt hat.

    Hat der Zeuge dagegen die Arbeitszeit nachgeholt (z. B. auch bei Gleitzeit) ist ihm kein Verdienstausfall entstanden. Bin da ganz bei Dir/euch. :) Dann gäbe es wegen des dennoch entstandenen Nachteils zumindest die 3,50 EUR.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • ... jedoch muss ich die versäumte Arbeitszeit von 8 Stunden in meiner Freizeit nachholen, was ich ausdrücklich versichere ...



    Das bedeutet doch nichts anderes, als dass ihm ein voller Arbeitstag gestrichen wird. Er muss nämlich die vollen 8 Stunden anderweitig nacharbeiten, um seinen Lohn zu bekommen.

    M.E. müsste ihm daher für diese 8 Stunden sogar der Lohnausfall bezahlt werden, begrenzt durch die Obergrenze von 21,- Euro/Stunde.


    Hat der Zeuge dagegen die Arbeitszeit nachgeholt (z. B. auch bei Gleitzeit) ist ihm kein Verdienstausfall entstanden. Bin da ganz bei Dir/euch. :) Dann gäbe es wegen des dennoch entstandenen Nachteils zumindest die 3,50 EUR.

    Mir ließ die Sache irgendwie keine Ruhe und habe dazu auch einen ähnlichen Fall mit einem ehrenamtlichen Richter, der im Öffentlichen Dienst beschäftigt ist und in Gleitzeit arbeitet. Der ist vom Arbeitgebeer angewiesen worden, die Zeit, die er als ehRi leistet, an Arbeitszeit nachzuarbeiten und entsprechend auszustechen. Sein Arbeitszeitkonto wird mit Minusstunden entsprechend für den Tag belastet.

    Auch dieser hat wohl keinen Anspruch auf Verdienstausfall (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.03.2005 - 3 Ta 31/05 - und LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.03.2014 - L 1 SV 1/12 B – jeweils zitiert nach juris). Hierzu kritisch und sehr lesenswert(!): Natter in ArbuR (ArbeitundRecht) 2006 264-267; Wolmerath, jurisPR-ArbR 2/2006 Anm. 3 ; Reyels, jurisPR-SozR 13/2014 Anm. 5 - jeweils zitiert nach juris.

    Grundaussage der Rechtsprechung: Nur tatsächlicher Verdienstausfall ist entschädigungsfähig. Die Belastung des Arbeitszeitkontos ist kein tatsächlicher Verdienstausfall, da "nur" Freizeit verloren geht, der entsprechend entschädigt wird. Das Einkommen am Ende des Monats ändert sich durch den Beschäftigten nicht.

    Da fragt man sich schon ernsthaft, was das Ehrenamt noch der Allgemeinheit wert ist, wenn nicht mal der öffentliche Arbeitgeber bereit ist, einen relativ überschaubaren Verlust an Verdienstausfall (durch die Deckelung auf 24,- EUR) tragen zu wollen und qausi seinen Arbeitnehmer damit "abstraft" ein Ehrenamt zu übernehmen.


  • Höchstwahrscheinlich müsste man es als Betreffender darauf ankommen lassen, für die entsprechenden Termine (bezahlten) Sonderurlaub zu beantragen? :gruebel:

  • Und welche Grundlage sollte einschlägig sein? Man ist zur Übernahme des Amtes nicht gesetzlich verpflichtet...

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview


  • Mir ließ die Sache irgendwie keine Ruhe und habe dazu auch einen ähnlichen Fall mit einem ehrenamtlichen Richter, der im Öffentlichen Dienst beschäftigt ist und in Gleitzeit arbeitet. Der ist vom Arbeitgebeer angewiesen worden, die Zeit, die er als ehRi leistet, an Arbeitszeit nachzuarbeiten und entsprechend auszustechen. Sein Arbeitszeitkonto wird mit Minusstunden entsprechend für den Tag belastet.

    Auch dieser hat wohl keinen Anspruch auf Verdienstausfall (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.03.2005 - 3 Ta 31/05 - und LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.03.2014 - L 1 SV 1/12 B – jeweils zitiert nach juris). Hierzu kritisch und sehr lesenswert(!): Natter in ArbuR (ArbeitundRecht) 2006 264-267; Wolmerath, jurisPR-ArbR 2/2006 Anm. 3 ; Reyels, jurisPR-SozR 13/2014 Anm. 5 - jeweils zitiert nach juris.

    Grundaussage der Rechtsprechung: Nur tatsächlicher Verdienstausfall ist entschädigungsfähig. Die Belastung des Arbeitszeitkontos ist kein tatsächlicher Verdienstausfall, da "nur" Freizeit verloren geht, der entsprechend entschädigt wird. Das Einkommen am Ende des Monats ändert sich durch den Beschäftigten nicht.

    Da fragt man sich schon ernsthaft, was das Ehrenamt noch der Allgemeinheit wert ist, wenn nicht mal der öffentliche Arbeitgeber bereit ist, einen relativ überschaubaren Verlust an Verdienstausfall (durch die Deckelung auf 24,- EUR) tragen zu wollen und qausi seinen Arbeitnehmer damit "abstraft" ein Ehrenamt zu übernehmen.

    Ich kann die Empörung nicht recht nachvollziehen und bin sogar der Auffassung, dass der öffentliche Arbeitgeber gar nicht anders handeln dürfte, als den AN auf die Inanspruchnahme von Gleitzeit zu verweisen.

    Die mir bekannten Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen diese Verfahrensweise exakt so vor.

    Beispielhaft hat das BAG einen solchen Fall für eine nach TVöD beschäftigte Arbeitnehmerin entschieden (Urteil v. 22.01.2009, 6 AZR 78/08):

    "§ 29 Abs. 2 Satz 1 TVöD verpflichtet als ehrenamtliche Richter tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, soweit ihnen dies aufgrund einer Gleitzeitvereinbarung möglich ist, für die Ausübung des Ehrenamtes Gleitzeit in Anspruch zu nehmen.
    Dass die als ehrenamtliche Richter tätigen Arbeitnehmer insoweit keinen Anspruch auf Zeitgutschrift erwerben, steht mit § 616 Satz 1 BGB im Einklang und verletzt nicht die Benachteiligungsverbote gem. § 26 Abs. 1 ArbGG, § 45 Abs. 1a Satz 2 DRiG."

    Würde der öffentliche Arbeitgeber einen Arbeitnehmer für die Tätigkeit als EhRi bezahlt freistellen, obwohl die Inanspruchnahme von Gleitzeit möglich wäre, schiene mir das kein besonders sorgsamer Umgang mit Steuergeldern, da hier Lohn für nicht geleistete Arbeit gezahlt würde.

  • Und welche Grundlage sollte einschlägig sein? Man ist zur Übernahme des Amtes nicht gesetzlich verpflichtet...


    Für sächsische Beamte ist dies konkret geregelt (Sonderurlaub unter Belassung der Dienstbezüge möglich), § 12 Abs 1 Ziff. 1 SächsUrlMuEltVO ("zur Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit im öffentlichen Leben").

    Dass Angestellte im öffentlichen Dienst diesbezüglich möglicherweise schlechter dastehen, überrascht mich.

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