Zwangsräumung gegen Insolvenzschuldner aus Eröffnungsbeschluss - Berliner Modell

  • Hi zusammen, ich muss meine erste Zwangsräumung aus dem IE-Beschluss vorbereiten. Massezugehörige, lastenfreie ETW mit einem Wert von mind. 120 T€ stellt einziger Vermögenswert im Verf. dar. Arbeitslose Schuldnerin wurde vielfach zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung (warm) sowie zur Suche einer für Sie bezahlbaren Bleibe unter Ankündigung der Zwangsräumung aufgefordert. Weitere Nutzung wurde untersagt. Ihr wurde darüber hinaus angeboten, gemeinsam beim Amt Wohngeld sowie Wohnberechtigungsschein für sie zu beantragen. Die Wohnungssuche brach sie nach kurzer Zeit ab. Alle Versuche waren leider ergebnislos. Da die 100 qm Whg. voll mit Unrat ist und ich keine Masse habe, eine kostenintensive Räumung sowie Einlagerung sämtlicher Möbel und des Unrats zu finanzieren, beabsichtige ich die kostengünstige Räumung nach dem Berliner Modell beim zuständigen OGV zu beantragen. Habe auch bereits einen Käufer für die ETW, welcher bereit wäre, das gesamte Inventar während der umfassenden Renovation der ETW über mindestens 6 Monate aufzubewahren, damit die Schuldnerin dann das notwendige Inventar u.a. infolge abholen kann. Hat jemand Erfahrungswerte mit der geschilderten Räumungsvariante gegen einen Insolvenzschuldner bzw. ist diese zulässig?

  • Das Berliner Modell ist die Räumung der Wohnung eines Mieters durch den Vermieter nach wirksamer Kündigung des Mietvertrags - auf der Grundlage eines gerichtlichen Räumungstitels -, indem an sämtlichen vorhandenen Gegenständen das Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird und so nur der Mieter aus den Räumen geworfen wird.

    Was genau bringt Dich zu der Annahme, dass Du die Schuldnerin nach diesem Modell räumen darfst? Der IV ist nicht der Vermieter, es gibt keinen Mietvertrag, ein Vermieterpfandrecht an den Gegenständen der Schuldnerin gibt es nicht.

    M.E. daher glatt unzulässig. Solltet Ihr daher noch mal gut überlegen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Nachtrag: Notwendigkeit gerichtlichen Titels ergänzt

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasH (1. November 2017 um 14:37) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Damit habe ich keine Erfahrung, hört sich aber gut an, insbesondere wenn der Erwerber mitzieht. Man will ja auch nicht an den unpfändbaren Hausrat des Schuldners ran, sondern der soll, wie der Schuldner selbst, raus.

    AndreasH
    Der Eröffnungsbeschluss ist gleichzeitig Räumungstitel gem. § 148 II InsO, vergl. Uhlenbruck § 148, Rn 31. Auf die Fundstelle LG Düsseldorf, KTS 1963, 58 kann ich leider nicht zugreifen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Damit habe ich keine Erfahrung, hört sich aber gut an, insbesondere wenn der Erwerber mitzieht. Man will ja auch nicht an den unpfändbaren Hausrat des Schuldners ran, sondern der soll, wie der Schuldner selbst, raus.

    AndreasH
    Der Eröffnungsbeschluss ist gleichzeitig Räumungstitel gem. § 148 II InsO, vergl. Uhlenbruck § 148, Rn 31. Auf die Fundstelle LG Düsseldorf, KTS 1963, 58 kann ich leider nicht zugreifen.


    Schon, aber der Insolvenzverwalter wird dadurch trotzdem nicht zum Vermieter, er erlangt kein Vermieterpfandrecht und damit entfällt die Grundlage für eine Räumung nach dem Berliner Modell, die zwingend das Vermieterpfandrecht voraussetzt. Der Eröffnungsbeschluss ersetzt nur den Räumungstitel, sonst nichts.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Das mit dem Berliner Modell ist schon klar, allerdings haben wir eine Wohnung ohne Schuldner, gefüllt mit Gegenständen, die nicht Teil der Insolvenzmasse sind. Mit Einweisung in den Besitz (der Wohnung) wird der IV zwangläufig auch Besitzer des nicht pfändbaren Hausrats. Den will der IV nicht, der Schuldner selbst hat nicht die Möglichkeit ihn zu lagern. Die Verantwortung liegt aber jetzt beim Verwalter. Die Einlagerung des quasi Aussonderungsguts erscheint praktikabel, zumal der Schuldner nicht dagegen einzuwenden hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • ... Mit Einweisung in den Besitz (der Wohnung) wird der IV zwangläufig auch Besitzer des nicht pfändbaren Hausrats. ...


    Das ist genau der Punkt. Das wird der Insolvenzverwalter m.E. gerade nicht, denn diese Gegenstände sind eben unpfändbar, sie unterliegen damit nicht der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters und es bleibt die Schuldnerin Eigentümerin und Besitzerin. Sie kann weder durch den Insolvenzverwalter noch durch sonst jemanden aus dieser Besitzerstellung gedrängt werden. Also ist die Räumung ganz normal durchzuziehen, nämlich mit Räumung dieser Gegenstände durch den Gerichtsvollzieher, Lagerung durch den Gerichtsvollzieher für eine angemessene Zeit auf Kosten des die Räumung betreibenden Verwalters etc.

    Wenn die Schuldnerin einverstanden ist, dann lassen sich alle möglichen anderen Modelle finden, das kann ich der Ausgangsschilderung aber gerade nicht entnehmen, sonst bedürfte es gar nicht des Versuchs des Ausweichens auf das Berliner Modell.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Das ist doch das, was ich sage: Normale Zwangsvollstreckung mit Einlagerung der Gegenstände etc.

    Gerade um diese Einlagerung samt der dabei entstehenden Kosten will man mit dem Berliner Modell eben herumkommen, das ist der "besondere Charme" dieser Lösung. Der Vermieter macht an allem sein Pfandrecht geltend, dann wird er Besitzer und muss nicht einlagern. Nicht selten führt das dann zu einer illegalen Beendigung dieses Pfandrechts, indem der Vermieter alle Gegenstände für wertlos erklärt und beseitigen lässt oder die von ihm für werthaltig gehaltenen Gegenstände frei veräußert ohne die zwingenden Formalien einer Pfandverwertung zu berücksichtigen.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Mit der Kodifizierung in Par. 885a ZPO ist die Berliner Räumung nach ganz herrschender Ansicht vom Vermieterpfandrecht unabhängig geworden und setzt dessen Geltendmachung nicht mehr voraus. Daher kann sich jetzt jeder Räumungsgläubiger der Verfahrensweise bedienen. Ich wüsste nicht, warum nicht auch der Insolvenzverwalter.

  • Vielen Dank für die zahlreichen Hinweise sowie die zitierte Entscheidung. Da ich im InsO-Verfahren insbesondere die Belange der Insolvenzgläubiger zu berücksichtigen habe und die Insolvenzmasse schadhaft halten muss, war meine Überlegung (ohne praktische Erfahrungswerte) entsprechend kostengünstig, wenn auch gänzlich unangenehm für die Schuldnerin, vorzugehen. Unterstützung nimmt diese auch in keinster Weise an und blockiert alles nur.

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