§ 1365 BGB ja oder nein?

  • Veräußerer überlässt ohne Gegenleistung ein Betriebsgrundstück an gemeinsame Kinder in GbR. Zu § 1365 BGB erklären die Beteiligten:

    Ehegatte des Veräußerers bräuchte einen Betreuer, hat aber keinen. Es liegen keine bindenden erbrechtlichen Verfügungen vor. Restvermögen des Veräußerers nach Überlassung beträgt ca. 12% des vorherigen Gesamtvermögens. Gesamtvermögen ist so im Bereich 500.000 Euro, also nicht so klein wie im BGH-Fall , aber auch nicht groß. Sie meinen, dass man keine Zustimmung braucht, da es nicht das ganze Vermögen i.S. von § 1365 BGB sei.
    Notar belehrt umfassend über Rspr., 10% und 15%-Grenze bei größeren und kleineren Vermögen, mögl. Folgen usw.

    Würdet ihr eine Zustimmung des Ehegatten verlangen?

  • Nein. Du darfst die Verfügungsbefugnis des Veräußerers nur anzweifeln, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen des § 1365 I BGB bestehen (BGH, Beschl. v. 21. 2. 2013 – V ZB 15/12).

    Und vorliegend hat der Notar ja konkret dargelegt, dass die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Dazu bestand auch eine notarielle Aufklärungspflicht (BGH 3. Zivilsenat, Beschluss vom 26.02.2015, III ZR 279/14).

    Auch können bei einem großen Vermögen (über 250.000 €) 10% Restvermögen genügen, um eine Verfügung über das ganze Vermögen auszuschließen (Roth in jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, Stand 15.10.2016, § 1365 RN 29 mwN).

    Im Urteil vom 07.10.2011, V ZR 78/11, geht der BGH bei einem Verkehrswert des Grundstücks von 426.000 € von der für größere Vermögen maßgeblichen Grenze von 10 % aus.

    Das ThürOLG Jena 4. Zivilsenat, führt in Rz. 9, 10 des Beschlusses vom 04.02.2010, 4 W 36/10, aus:

    „9….bei größeren Vermögen bleibt das Rechtsgeschäft zustimmungsfrei, wenn dem Ehegatten mindestens 10 % des Vermögens verbleiben (so Palandt aaO unter Verweis auf BGH NJW 1991, 1739). Nur bei kleineren Vermögen liegt diese Grenze bei 15 %.
    10
    Hier geht die Klägerin von einem – unter Einschluss der verkauften Grundstücke – Gesamtvermögenswert über 300.000,- € aus. Das stellt sicherlich ein größeres Vermögen dar. Danach käme es darauf an, dass nur ein Restvermögen von unter 10 % verblieben wäre. Das ist schon nach dem Klägervortrag eher fraglich. Denn die Klägerin beziffert das verbleibende Restvermögen selbst – bei Zugrundelegen einer aktuellen Werteinschätzung – mit 12,13 %.

    Danach würde also keine Zustimmung benötigt.

    Von diesem Grundsatz geht auch das OLG Köln 5. Zivilsenat im Urteil vom 08.02.2012, 5 U 181/11, aus (s. Rz. 25: „Bei - wie hier - größeren Vermögen liegt ein Rechtsgeschäft „über das Vermögen im Ganzen" zwar grundsätzlich dann nicht vor, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von 10 % seines ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben (vergleiche nur BGH NJW 1991, 1739 f.; Staudinger-Thiele, BGB, Neubearbeitung 2007, § 1365 Rn. 27 mit weiteren Nachweisen).“

    Es sieht jedoch bei Geschäften unter nahen Angehörigen den verbleibenden Wert von 10% dann nicht als maßgebend an, wenn die Geschäfte erkennbar den Sinn und Zweck haben, Vermögen dem Zugriff Dritter zu entziehen.

    Diese Erkennbarkeit dürfte vorliegend wohl nicht gegeben sein.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Herzlichen Dank für deine Ausführungen. Der Notar schreibt in seiner Belehrung, dass nach der Rspr. auch schon mal bei 88,7% eines größeren Vermögens Zustimmungsbedürftigkeit bestand. Hab aber keine entspr. Entscheidung gefunden. Die Beteiligten haben alles dargelegt. Der Notar hat eine Betreuerbestellung empfohlen.

  • ... Der Notar schreibt in seiner Belehrung, dass nach der Rspr. auch schon mal bei 88,7% eines größeren Vermögens Zustimmungsbedürftigkeit bestand. Hab aber keine entspr. Entscheidung gefunden. ...Der Notar hat eine Betreuerbestellung empfohlen.

    Die Entscheidung, wonach bei 88,7 % des größeren Vermögens von einer Zustimmungsbedürftigkeit ausgegangen wurde, habe ich vorstehend zitiert. Der bei juris formulierte Leitsatz 2 des Urteils des OLG Köln, 5. Zivilsenat, vom 08.02.2012, 5 U 181/11,
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koel…l_20120208.html
    lautet:

    „Bleibt dem Verfügenden nach Veräußerung seiner Immobilien ein Barvermögen von 11,3 % des ursprünglichen Gesamtvermögens, kann der wirtschaftliche Wert in Anbetracht der mit Barvermögen verbundenen Unwägbarkeiten nicht als noch erhebliches Vermögen angesehen werden.(Rn.25)“.

    Es ging dort also um verbliebenes Barvermögen.

    Frage ist, ob die Einschätzung des Notars („er hat eine Betreuerbestellung empfohlen“) lediglich auf haftungsrechtlichen Erwägungen beruht oder aber ob er den Angaben der Beteiligten über das Restvermögen des Veräußerers von ca. 12% des vorherigen Gesamtvermögens nicht vertraut. Dann könnten Anhaltspunkte für das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen des § 1365 I BGB bestehen.

    Denn bei einem Erwerb durch die gemeinsamen Kinder (wenn auch in der Rechtsform der GbR) dürfte von der Kenntnis der Vermögensverhältnisse der Eltern auszugehen sein bzw. zumindest müssten sie die Umstände kennen, aus denen sich dies ergibt (s. OLG Frankfurt 20. Zivilsenat, Beschluss vom 28.05.1997, 20 W 165/97, Rz. 10 unter Zitat: BGHZ 43, 174/177 = NJW 1965, 909 = Rpfleger 1965, 107; BGHZ 64, 246/250 = NJW 1975, 1270 = FamRZ 1975, 447 = Rpfleger 1975, 297; BGHZ 77, 293/295 = NJW 1980, 2350 = Rpfleger 1980, 423; BGHZ 106, 252 = aaO; Palandt/Diederichsen BGB 56. Aufl. § 1365 Rn. 9).

    In Rz. 12 führt das OLG aus: „Ein Teil des Schrifttums vertritt zwar die Ansicht, berechtigte Zweifel an der Verfügungsbefugnis seien bereits dann zu bejahen wenn ein Ehegatte das einzige ihm gehörende Grundstück oder seinen gesamten Grundbesitz an nahe Familienangehörige veräußert (Meikel/Roth aaO § 33 Rn. 9; Haegele/Schöner/Stöber aaO Rn. 3394)…“

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  • Vielleicht sollte ich mal die Brandversicherungsurkunde für die auf dem Grundstück stehenden Gebäude anfordern. Die Wertangabe für dieses Objekt beruht ja lediglich auf Angabe der Beteiligten und das diese Wertangabe regelmäßig aus Kostenersparnisgründen zu gering ausfällt ist ja nichts Neues. Die Notare machen bei mir auch häufig keine eigenen Berechnungen -so wie hier-, sondern verwenden die Parteiangaben.

    Ist der Wert höher, dann kommen wir schnell unter die 12% oder auch 10%. Das Restvermögen haben sie betragsmäßig, nicht nur prozentual angegeben.
    Aber die Berechung nach Brandversicherung ist halt auch nur behelfsmäßig und den Bodenwert für Gewerbeflächen hab ich auch nicht in der Gutachterliste des Landratsamts. Blöder Fall......

  • Habt Ihr keinen Gutachterausschuss (s. § 197 BauGB) ? Voß verweist in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 126. EL August 2017, § 197 BauGB RN 25 darauf, dass der Gesetzgeber einigen Behörden und diesen zum Teil nur dann, wenn sie bestimmte Aufgaben wahrnehmen, das Antragsrecht nach § § 193 Abs. 1 Nr. 1 BauGB eingeräumt hat. An die Stelle eines Amtshilfeersuchens trete dann der Antrag nach § 193 Abs. 1 BauGB, wobei das LG Berlin im Beschl. v. 16. 9. 1963 – (18) O. 18/61 Baul., NJW 1964, 672 ausführe, dass der Antrag nach § 136 Abs. 1, heute § 193 Abs. 1 BauGB einem Amtshilfeersuchen gleichzuachten sei.

    Und § 193 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB gibt dieses Antragsrecht den Gerichten und Justizbehörden. Dazu führen Dieterich/Voß in RN 72 zu § 193 BauGB aus: „Die Bezirksrevisoren/Kostenbeamte können bei der Überprüfung der Notare und deren Gebührenrechnungen Informationen über Grundstückswerte benötigen.“

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  • Interessanter ist ohnehin der Wert der Gebäude. Einen Bodenrichtwert hab ich dort von 30 Euro (Pampa), der wohl für Wohnbebauung wäre. Da wenn ich die Hälfte nehme, dann lieg ich schon ungefähr richtig.

  • Die Gebäudewerte nach Brandversicherung liegen schon ca. 200.000 Euro über dem von den Beteiligten angegebenen Gesamtwert. Nach dieser Berechnung käme man auf ein Restvermögen unter 10%....... Fraglich ist halt, ob die Berechnung nach den Brandversicherungswerten besonders realistisch ist, nachdem es sich um ein Gewerbegrundstück in einer eher abgelegenen Gegend handelt :gruebel:

  • Das Beweisaufnahmeverbot des 46 GNotKG (früher § 19 II KostO) gilt nur in Kostensachen. Dort kann die Bewertung anhand der Brandversicherungs- oder Brandkassenwerte nur mit Einschränkungen erfolgen, nämlich wenn sie entweder aus früheren Vorgängen amtsbekannt sind oder aber wenn sie auf – letztlich nicht erzwingbaren – Angaben der Beteiligten beruhen (s. Tiedtke im Korintenberg, GNotKG, 20. Auflage 2017, § 46 RN 60).

    Vorliegend geht es nicht um Wertfestsetzungen zum Zwecke der Kostenberechnung. Daher denke ich, dass Du die Gebäudeversicherungswerte durchaus bei der Frage berücksichtigen kannst, ob dem Verfügenden nach Veräußerung seiner Immobilien ein Vermögen von 10 % des ursprünglichen Gesamtvermögens verbleibt.

    Allerdings lässt sich der Wert des Grundvermögens anhand der Gebäudeversicherungswerte schlecht berechnen (s. die Anleitung zur Berechnung bei Korintenberg/Tiedtke § 46 GNotKG Rz. 65). Wenn Du aber zu dem Ergebnis kommst, dass sie den Angaben der Beteiligten widersprechen könnten, dann scheinen mir die Gebäudeversicherungswerte in Verbindung mit der Empfehlung des Notars, einen Betreuer zu bestellen, einen Anhalt dafür zu geben, dass der Vorgang doch zustimmungsbedürftig ist.

    Ich würde daher zwischenverfügen.

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  • Saublöder Fall. Ob der tatsächliche Verkehrswert wirklich realistisch mit den BV-Werten 1914 ermittelt werden kann ist schon fraglich.
    So ein dann zu bestellender Betreuer ist für die Leute halt auch nichts Schönes.

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