Nachzahlung pfändbarer Beträge in RSB-Phase

  • Die Frage gibt's ja öfter, aber immer in anderer Konstellation, daher will ich hier mal nen speziellen (gar nicht so seltenen) Fall zur Diskussion stellen.

    Vorab: Die praktische Handhabe sollte meines Erachtens so sein, dass Schuldner "freiwillig" nachzahlt,wenn er mal zu viel erhalten haben sollte.

    Hier:
    Schuldner, 3 Unterhaltsberechtigte, teilt dem Treuhänder und Arbeitgeber rechtzeitig mit, dass 1 Kind Ausbildung beendet und ab September nicht mehr in Pfändungstabelle zu berücksichtigen. Bei Netto 2.300,- wären das dann etwa 120,- pro Monat höherer Pfändungsabzug (und etwa 400,- mehr im Weihnachtsgeldmonat November) . Kinderfreibetrag wird auch von 2,0 auf 1,0 geändert.

    Arbeitgeber rechnet aber die nächsten 4 Monate weiter nach Spalte 3 statt 2, bis dies dem Schuldner auffällt. Schuldner bittet Arbeitgeber dann selbst darum, ab dem Folgemonat nach Spalte 2 abzuführen. Arbeitgeber argumentiert, er hätte darauf gewartet, dass Treuhänder ihm die Änderung mitteilt

    Treuhänder meldet sich während dieser Zeit aber gar nicht, sondern bemerkt den Sachverhalt erst bei seinem jährlichen Bericht im April des Folgejahres und fordert dann von Schuldner ca. 800,- (auch Teil Weihnachtsgeld) zurück.

    Fragen:
    1. Formal dürfte Treuhänder einen Anspruch gegen Arbeitgeber haben, da der in Haftung war ?
    2. Droht eine Versagung
    a) wenn Schuldner freiwillig nachzahlt (Nein,LG Göttingen, NZI 2011, 643, aber etwas anderer Sachverhalt)
    b) wenn Schuldner nicht freiwillig nachzahlt, da "entreichert"
    3. Könnte Treuhänder Anspruch gegen Schuldner geltend machen ? 816 Abs. 2 BGB dürfte (nach Meinung eines versierten Kollegen hier) nicht greifen, da Arbeitgeber ja nicht mehr gutgläubig war.
    4. Anspruch Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer könne aber wohl schon bestehen(und damit es gar nicht so weit kommt, sich darüber streiten zu müssen, werden die meisten Schuldner sicher selbst zahlen)

  • Jo, 850c Abs. 4 dürfte ausscheiden, da es ja um den Wegfall der Unterhaltspflicht im Ganzen geht und nicht um den Unterhaltsberechtigten mit Einkommen

    Anspruch gegen Treuhänder evtl. aber eben auch nicht über 850c IV-Versäumnis..... Aber könnte der Arbeitgeber auf die Idee kommen, dem Treuhänder gegenüber vorzubringen, dass er ihn auf die Falschberechnung hätte hinweisen müssen?


    Und der Schuldner ist wirklich außen vor ??

  • 5. gibt es einen Haftungsanspruch gegen den Treuhänder, weil er, trotz Kenntnis, keine Änderung nach § 850c IV ZPO i.V.m. ´§ 292 I S. 3 InsO herbeigeführt hat?

    Eine Haftung des Treuhänders dürfe, wenn überhaupt, aber doch nur dann in Betracht kommen, wenn der Treuhänder mit der Überwachung des Schuldners beauftragt wurde, was regelmäßig nicht der Fall ist.

  • 5. gibt es einen Haftungsanspruch gegen den Treuhänder, weil er, trotz Kenntnis, keine Änderung nach § 850c IV ZPO i.V.m. ´§ 292 I S. 3 InsO herbeigeführt hat?

    Eine Haftung des Treuhänders dürfe, wenn überhaupt, aber doch nur dann in Betracht kommen, wenn der Treuhänder mit der Überwachung des Schuldners beauftragt wurde, was regelmäßig nicht der Fall ist.

    Das ist zwar richtig, dass eine Beauftragung des TH idR nicht stattfindet. Da dieser aber das alleinige Antragsrecht hat, stellt sich mir schon die Frage, ob man sich hier schadenersatzpflichtig machen kann.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • hm... also: der Treuhänder hat - wie wohl auch das Plenum es so sieht, den Anspruch gegen den Arbeitgeber.
    Wenn jedoch danach gefragt wird, ob sich der Treuhänder haftbar gemacht hat, weil er Kenntnis hatte, düfte dies zunächst einmal zu bejahen sein. Zwar mutet § 292 InsO eher so an: "zeige die Abtretung an und wenn was kommt, verteile es". M.E. umfasst aber § 292 InsO auch, die Rechte aus der Abtretungserklärung geltend zu machen.
    Dem Sachverhalt ist jedoch eine Kenntnis des Treuhänders nicht zu entnehmen !.
    Er müsste spätestens jetzt geltend machen; wir habe in solchen Fällen die ruhige Lösung gewählt: Deal mit dem Schuldner über ratierliche Tilgung des Rückstands (wozu der imho rechtlich nicht verpflichtet ist) = kein Stress mit Arbeitgeber, keine Haftung, wirtschaftliches Ergebnis wie es sein soll.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • machen wir es mal noch etwas eindeutiger und komplizierter:

    Treuhänder hat nachweislich den Sachverhalt gekannt und auch vorauseilend in einem Bericht an Gericht geschrieben, dass ab Folgejahr Monat x die Unterhaltspflicht endet und dann mit höheren pfändbaren Anteilen zu rechnen ist. Dann wurde aber versäumt, ab dem Monat zu überprüfen ob höhere Beträge eingehen.

    850c Abs.4 Antrag wäre ja nicht einmal notwendig gewesen, da die Unterhaltspflicht im Ganzen weg war und kein "Unterhaltsberechtigter mit eigenen Einkünften" mehr vorhanden war.

    Alles in allem also klarer Fehler des Arbeitgebers.

    Frage bleibt für mich, was dem Schuldner "droht", wenn Treuhänder sich nunmehr nur darauf konzentriert, vom Schuldner zurückzufordern und Versagungsantrag anzu"drohen" und auf die Bitte des Schuldners, sich an den Arbeitgeber zu halten, nicht reagiert (Arbeitgeber würde wohl nochmal leisten, aber verständlicherweise nur, wenn er vom Treuhänder rechtlich nachvollziehbar aufgefordert würde).

  • In einem alten Kommentar von Nerlich/Römermann steht in Rn. 37 zu § 295 InsO:

    "Hat der Arbeitgeber die Abtretung im Einzelfall nicht beachtet und pfändbare Beträge an den Schuldner selbst ausgezahlt, so hat dieser sie unverzüglich an den Treuhänder weiterzuleiten, vgl. § 816 Abs. 2 BGB."

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