Ich habe folgenden Sachverhalt:
Eine schwedische Staatsangehörige ist mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorben. Sie hat in Deutschland Vermögenswerte, unter anderem eine Immobilie, überwiegend aber ausländisches Vermögen. Sie hat in Schweden ein Testament errichtet (maschinenschriftlich, aber mit 2 Zeugen, so wie es das schwedische Recht zulässt), eine Rechtswahl zu Gunsten des schwedischen Rechts getroffen. Nach ihrem Tod hat das schwedische Gericht das Testament eröffnet und einen Nachlassverwalter bestellt (boutredningsman). Im Übrigen weigert sich das Gericht aber, ein ENZ auszustellen, da es ja nicht zuständig sein.
Die EuErbVO ist auf diesen Fall anwendbar (Erbfall nach 31.08.2015).
Meine Einschätzung:
Es dürfte zutreffen, dass das schwedische Gericht nicht für die Ausstellung eines Nachlasszeugnisses zuständig ist. Art. 4 der Erbrechtsverordnung ist insoweit eindeutig. Allerdings war das schwedische Gericht auch nicht zuständig für die Eröffnung des Testamentes und die Anordnung des Nachlassverwalters. Denn in solchen Fällen handelt es sich nach dem schwedischen Erbrechtsgesetz, soweit ich es verstehe (ich habe über Ferid/Firsching nachgelesen) nicht um eine einstweilige Maßnahme der Sicherung gemäß Art. 19 der Erbrechtsverordnung.
Gleichwohl dürften die schwedische Eröffnung des Testamentes und die Ernennung des Nachlassverwalters wirksam sein. Wenn die Entscheidung dürfte gemäß Art. 39 Abs. 1 anerkannt werden können. Ein Grund gemäß Art. 40 liegt nicht vor; im Übrigen gilt es ja, soweit ich weiß, auch bei anderen Verordnungen der EU, dass die unzutreffende Annahme der internationalen Zuständigkeit der Wirksamkeitsentscheidung in der Regel nicht entgegensteht (möglicherweise gilt etwas anderes, wenn ein Verbraucher übervorteilt wird in anderen Zusammenhängen, was hier aber nicht gegeben ist. kein Beteiligter in dem schwedischen Nachlassverfahren hat der Eröffnung widersprochen.)
Kritisch ist aber folgendes: das schwedische Gericht weigert sich, das Testament herauszugeben, weil dieses nach schwedischem Recht dort aufbewahrt werden müsse. Hier weiß ich nicht recht weiter. Im Münchener Kommentar wird angeregt, dass ausländische Gericht sei analog § 2259 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Dies halte ich aber für sehr gewagt: § 2259 BGB ist eine Art Befehlsnorm, die sich nach deutschem materiellen Erbrecht an dem deutschen Recht Befehlsunterworfene richtet. Diese in die Erbrechtsverordnung hinein zu lesen (und ausländische Träger der Staatsgewalt einer solchen Norm zu unterwerfen), halte ich für zweifelhaft. Richtig ist aber natürlich wohl, dass die Gerichte irgendwie kooperieren müssen und dass ein Gericht, welches sich selbst nicht für international zuständig hält, dem international zuständigen Gericht die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen muss. Aber in welchem Rechtsrahmen und auf welche Weise könnte dies geschehen?
Man könnte das Verhalten des schwedischen Gerichts als "treuwidrig" bezeichnen: Einmal schön Testament eröffnen und Verwalter bestellen - andererseits aber dann ENZ nicht erteilen wollen (obwohl es ihm nach seinem eigenen Recht viel leichter fiele als dem deutschen Gericht). Aber das hilft nicht weiter.
Für Einschätzungen wäre ich dankbar.
Gruß
Andydomingo.