§ 29 III GBO - Siegel oder Stempel?

  • Zimmer geht in seiner Anmerkung zum Beschluss des OLG München vom 24.05.2016, 34 Wx 16/16, in der ZfIR 2016, 630/633 ff.
    https://www.juris.de/perma?d=jzs-ZFIR-2016-17-0630-01-R-03
    davon aus, dass die unterschiedliche Behandlung des Siegels nach § 29 Abs. 1 und Abs. 3 GBO nicht gerechtfertigt ist und verweist darauf, z. B. auch maschinell erstellte Vollstreckungsbescheide nach §§ 703b, 415 ZPO und § 29 Abs. 1 GBO als Eintragungsgrundlage ausreichend seien.

    Darauf beziehen sich auch die Ausführungen des OLG Nürnberg in Rz. 21 des Beschlusses vom 26.07.2018, 12 W 1178/18 (….obwohl die jeweiligen Dokumente ebenfalls besonderen Sicherheitserfordernissen genügen müssen“)
    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-18193?hl=true

    Der vom OLG Nürnberg in Rz. 29 erwähnte Beschluss des OLG München 34. Zivilsenat vom 17.10.2016, 34 Wx 252/16
    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-18013?hl=true
    führt in Rz 21 aus:
    „Die Beanstandung des drucktechnisch erzeugten Siegels geht ins Leere. Für die Siegelung von Schriftstücken siegelführungsberechtigter Stellen - das sind gemäß Art. 2 Abs. 3 WappenG (i. d. F. v. 7.5.2013, BayRS II, 168) i. V. m. § 1 Ziff. 3, § 4 AVWpG (Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über das Wappen des Freistaates Bayern i. d. F. v. 22.12.1998, GVBl 1999, 29) auch die Gerichte des Freistaats Bayern -, die mit Hilfe drucktechnischer oder elektronischer Einrichtungen erstellt werden, bestimmt § 8 Abs. 4 AVWpG, dass ein Abdruck des Dienstsiegels maschinell eingedruckt sein oder aufgedruckt werden darf. Voraussetzung für die Wirksamkeit der erlassenen Entscheidung ist die ordnungsgemäße Siegelung der Ausfertigung ohnehin nicht“.

    Ich denke daher, dass es künftig weitere Entscheidungen geben wird, die sich der Ansicht des OLG Nürnberg anschließen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Solche Geschichten lese ich sonst bei Donald Duck, wenn es darum geht, dass der Entenhausener Stadtrat mit einer Verordnung von 1889 die reichste Ente der Welt austricksen will (oder umgekehrt).

    Der Gesetzgeber hat nur den § 29 III GBO geändert, und zwar in Kenntnis der sonstigen Probleme, außer wenn man ihm unterstellen wollte, der Einfachheit halber den BGH-Beschluss gar nicht erst gelesen zu haben. - Es wird besser sein, wenn ich es darüber hinaus bei "ohne Worte" belasse.

    Ob wir das vom OLG München noch mal genau wissen wollen? Wobei die sich bei Deinem damaligen Beschluss ja richtig reingehängt hatten.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Eben. Kein anderes OLG in Deutschland kennt sich so gut mit dem Siegel aus. Sehr engagiert.

    Das OLG Nürnberg zitiert aus einen Beschluss des OLG München, den das OLG München in Unkenntnis der BGH-Rspr. formuliert hat ( der sog. Zirkelschluss-Beschluss).

  • Der Beschluss des OLG Nürnberg vom 26.07.2018, 12 W 1178/18, ist jetzt mit folgenden redaktionellen Leitsätzen veröffentlicht:

    1. Die Ausfertigung eines Erbscheins mit maschinell aufgedrücktem Dienstsiegel durch EDV ist eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 Abs. 1 ZPO und zum Nachweis der Rechtsnachfolge im Handelsregisterverfahren gemäß § 12 Abs. 1 S. 4 HGB geeignet. (Rn. 13 und 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

    2. Sind siegelführende und siegelprüfende Behörde zwei Abteilungen desselben Gerichts, so ist die Echtheit und Ordnungsmäßigkeit des maschinell gesiegelten Schriftstücks gerichtsbekannt und daher die Aufforderung zur Vorlage der gerichtsbekannten öffentlichen Urkunde gemäß § 12 Abs. 1 S. 4 HGB untunlich. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-18193?hl=true

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • So, vielleicht kann ich Dir etwas Argumentationshilfe liefern.

    Das OLG Nürnberg führt im Beschluss vom 26.07.2018, 12 W 1178/18, aus:

    „Bei der Erteilung von Ausfertigungen eines Erbscheins durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eines bayerischen Amtsgerichts – das gilt auch für eine Zweigstelle – wird gerichtsbekannt den bestehenden Sicherheitserfordernissen durch die Gestaltung des Organisationsablaufs dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass der Urkundsbeamte nur dann Zugriff auf die Siegeldatei erhält, wenn er sich hierzu im dienstlichen, gegen unbefugten Zugriff besonders gesicherten EDV-System anmeldet und sich hierbei über ein Passwort zu legitimieren hat“.

    Dieser gesicherte Zugriff auf die Siegeldatei wäre aber auch bei der Beifügung des Gerichtssiegels zur Vollstreckungsklausel des § 725 ZPO („..ist der Ausfertigung des Urteils am Schluss beizufügen, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen“) und bei der Beifügung des Gerichtssiegels zur Ausfertigung eines Urteils nach § 317 Absatz 4 ZPO („Die Ausfertigung und Auszüge der Urteile sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen“) möglich.

    Dennoch hat der Gesetzgeber die Empfehlungen des Bundesrats in der BR-Drs. 162/1/17 vom 20.03.2017, Seiten 15/16
    https://www.bundesrat.de/SharedDocs/dru…icationFile&v=9
    nicht zum Anlass genommen, bei diesen Bestimmungen den vorgeschlagenen zusätzlichen Satz anzufügen, der einen maschinellen Ein- oder Aufdruck des Gerichtssiegels ausdrücklich gestattet.

    Die Empfehlungen des Bundesrats einschließlich des genannten vorgenannten Vorschlags lauteten:

    „Durch die Änderungen, die auf gesetzliche Klarstellungen gerichtet sind, soll eine Rechtsunsicherheit beseitigt werden, die durch eine kürzlich veröffentliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs entstanden ist. In einer unmittelbar nur die Formanforderungen des § 29 Absatz 3 GBO betreffenden Entscheidung des 5. Zivilsenats des BGH (vgl. Beschluss vom 14. Dezember 2016, Az. V ZB 886/16) hat dieser in einem obiter dictum die Auffassung vertreten, dass drucktechnisch erzeugte Siegel auch im Rahmen der Urteilsausfertigung nach § 317 Absatz 4 ZPO sowie bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 725 ZPO den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen würden und es daher auch in diesen Fällen neben der Unterschrift der individuellen "Beidrückung" eines Siegels oder Stempels bedürfe. Da die Formulierung in § 275 Absatz 4 StPO wortgleich ist, liegt es zumindest nahe, dass diese strafprozessuale Vorschrift von der Entscheidung ebenfalls betroffen ist.

    Die gerichtliche Praxis beispielsweise in Bayern und in anderen Ländern bedient sich demgegenüber zumindest teilweise eines elektronischen Siegels. Das in zehn Ländern eingesetzte Textsystem "forumSTAR" sieht vor, dass bei beglaubigten Abschriften beim Ausdruck der Abschrift ein Gerichtssiegel erzeugt und aufgedruckt wird. Eine (zusätzliche) Unterschrift des Urkundsbeamten ist in diesem Fall nach § 169 Absatz 3 Satz 2 ZPO entbehrlich. Bei der Erstellung von (vollstreckbaren) Ausfertigungen eines Urteils nach § 317 Absatz 4 ZPO, § 725 ZPO oder § 275 Absatz 4 StPO wird - neben dem aufgedruckten Gerichtssiegel - der vom Textsystem aufgedruckte Ausfertigungsvermerk und die Vollstreckungsklausel zusätzlich vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unterschrieben.

    Diese in vielen Länder seit Jahren von den meisten Gerichten praktizierte Vorgehensweise, die dort bislang als rechtlich zulässig angesehen wurde und in der Vergangenheit zu keinerlei Problemen geführt hat, wird nun durch die Entscheidung des BGH in Frage gestellt. Sollte diese dazu zwingen, künftig wieder manuell zu siegeln, hätte dies erhebliche negative Folgen für die Justizpraxis. Eine Rückkehr zur manuellen Siegelung wäre mit spürbarem Mehraufwand verbunden und widerspräche modernen Organisationabläufen, bei denen die Schriftguterstellung vollumfänglich automatisiert erfolgt.

    Dabei ist zu betonen, dass die drucktechnische Siegelung mit keinerlei Sicherheitseinbußen verbunden ist und auch den Anforderungen an die Authentifizierungsfunktion an gerichtliche und behördliche Siegel voll gerecht wird: Der Aufdruck des Siegels erfolgt stets erst gleichzeitig mit dem Druck des Dokuments. Es bestehen zu keiner Zeit "Blanko-Formulare" in Papierform, in die bereits ein Siegel eingedruckt wäre. Für jeden IT-Anwender ist ein Account zum System eingerichtet. Der Zugang zum System ist durch zwei Komponenten geschützt: Der Anwender muss seine Benutzerkennung und sein persönliches Passwort eingeben, um einen Zugang zum System zu erhalten. Nicht jeder IT-Anwender, der sich erfolgreich Zugang zum System verschaffen kann, hat daher die Möglichkeit, die forum-STAR-Funktion für das elektronische Siegel aufzurufen, denn über die Sicherheitsmerkmale Benutzerkennung und persönliches Passwort hinaus ist es erforderlich, dass das forumSTAR-Client-Programm auf dem Rechner installiert ist und für den Anwender in der forum-STAR. Berechtigungsstruktur durch den Berechtigungsverwalter eine Rolle als forumSTAR-Anwender zugewiesen worden ist. Es wäre außerdem ein Wertungswiderspruch, bei einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Vollstreckungsbescheids im automatisierten Mahnverfahren nach § 703b Absatz 1 ZPO ein aufgedrucktes Gerichtssiegel (ohne Unterschrift) ausreichen zu lassen, bei vollstreckbaren Ausfertigungen sonstiger gerichtlicher Entscheidungen hingegen - neben der Unterschrift - zwingend eine händische Siegelung zu verlangen. Es besteht daher dringender gesetzgeberischer Klarstellungsbedarf noch in dieser Legislaturperiode. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist es Sache des Gesetzgebers, für eine Gleichstellung des drucktechnisch erzeugten Siegels mit einem Präge- oder Farbdrucksiegel zu sorgen (vgl. Beschluss vom 14. Dezember 2016, Az. V ZB 88/16, Rn. 28 - zit. nach juris).

    Es wird daher vorgeschlagen, den Vorschriften für die Erteilung von Urteilsausfertigungen in der Zivilprozessordnung (§ 317 Absatz 4 ZPO) und der Strafprozessordnung (§ 275 Absatz 4 StPO) sowie der Bestimmung zur Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) einen zusätzlichen Satz anzufügen, der einen maschinellen Ein- oder Aufdruck des Gerichtssiegels ausdrücklich gestattet.

    Dadurch wird klargestellt, dass auch bei der Erstellung von (vollstreckbaren) Ausfertigungen ein drucktechnisch erzeugtes Siegel ausreichend ist. Der Wortlaut orientiert sich dabei an der künftigen Fassung des § 29 Absatz 3 Satz 2 GBO wie sie im Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren vorgesehen ist. Durch diese Änderungen werden die Anforderungen an die Form von Ausfertigungen für den Bereich der ZPO eindeutig geregelt. Über die Verweisung in § 329 Absatz 1 Satz 1 ZPO gilt die Vorschrift auch für gerichtliche Beschlüsse. Über die Verweisungen auf die Zivilprozessordnung im Arbeitsgerichtsgesetz, der Verwaltungs- und der Finanzgerichtsordnung gelten die Formvorschriften auch dort entsprechend.

    Zudem wird klargestellt, dass es sich auch bei drucktechnisch gesiegelten Ausfertigungen gerichtlicher Entscheidungen um öffentliche Urkunden nach § 415 Absatz 1 ZPO handelt, da diese unzweifelhaft "in der vorgeschriebenen Form" erstellt worden sind. Im allgemeinen Rechtsverkehr entfalten sie daher die gleiche, volle Beweiskraft wie händisch gesiegelte Ausfertigungen“.

    Die BR-Drs. 162/17 (Beschluss) vom 31.03.17
    https://www.bundesrat.de/SharedDocs/dru…icationFile&v=5
    sieht dazu unter Punkt 15 auf Seite 12 vor:

    „Nach Artikel 7 sind folgende Artikel 7a und 7b einzufügen:
    'Artikel 7a Änderung der Zivilprozessordnung Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert: a) Dem § 317 Absatz 4 wird folgender Satz angefügt: "Anstelle der Siegelung kann maschinell ein Abdruck des Dienstsiegels eingedruckt oder aufgedruckt werden." b) Dem § 725 wird folgender Satz angefügt: "Anstelle der Siegelung kann maschinell ein Abdruck des Dienstsiegels eingedruckt oder aufgedruckt werden."

    Unter TOP 29 der 956. Sitzung des Bundesrats vom 31. März 2017 (Erläuterung, 956. BR, 31.03.17)
    https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/…icationFile&v=1
    hat sich der Rechtsauschuss auf Seite 29a, 29b oben dafür ausgesprochen, in der Zivil- und in der Strafprozessordnung ausdrücklich klarzustellen, dass die manuelle Siegelung von Urteilsausfertigungen oder bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel durch ein einen ein- oder aufgedruckten Abdruck des Dienstsiegels ersetzt werden könne.

    In Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften vom 17.07.2017, BGBl. I 2017 Nr. 48 S. 2434 ff.
    https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl117s2434.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl117s2434.pdf%27%5D__1535553069939
    sind jedoch keine entsprechenden Bestimmungen enthalten.

    Lediglich § 275 Absatz 4 StPO ist durch Art. 1 Nr. 31 Buchst. b des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl. I 2017, Nr. 45, S. 2208 ff.) mit Wirkung vom 1.1.2018 aufgehoben worden.

    Sonstige aktuell geltende Änderungen (ab 1.1.2026 werden die Prozessakten elektronisch geführt) habe ich diesem Gesetz nicht entnehmen können.

    Demzufolge sehen die bei juris veröffentlichten Fassungen der §§ 317 Absatz 4 und 725 ZPO auch noch die manuelle Beifügung des Gerichtsstempels vor.

    Der BGH geht im Beschluss vom 14.12.2016, V ZB 88/16, davon aus, dass das Siegel überall dort individuell angebracht sein müsse, wo es nach dem Gesetz der „Beidrückung“ eines Siegels oder Stempels bedarf und der Gesetzgeber keine Ausnahme für drucktechnisch erstellte Siegel vorgesehen habe, wie etwa in § 131 Abs. 1 GBO, § 78 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 GBV, § 169 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 703b ZPO, § 258 Abs. 2 FamFG. Deshalb sei der Hinweis, die Authentizität sei sichergestellt, weil Voraussetzung für den Zugriff sei, dass sich der Anwender über die Zugangsbeschränkungen des EDV-Systems forumSTAR anmelde, also nur befugte Personen einen solchen Siegelausdruck erstellen könnten, rechtlich unerheblich (Rz. 28).

    Und eine Ausnahme ist bei der Bestimmung des § 49 Abs. 2 Satz 2 BeurkG genausowenig vorgesehen, wie bei den Bestimmungen der §§ 317 Absatz 4 und 725 ZPO.

    Von der Anwendung der Bestimmung des § 49 Abs. 2 Satz 2 BeurkG auf die Erteilung einer Erbscheinsausfertigung geht das OLG Nürnberg im Beschluss vom 26.07.2018, 12 W 1178/18 aus: „Eine derartige Ausfertigung ist nach allgemeiner Ansicht mit einem Dienstsiegel zu versehen (vgl. § 49 Abs. 2 Satz 2 BeurkG, Art. 16 Abs. 1 BayAGGVG“

    Allerdings ist diese Ansicht so allgemein nicht. Das DNotI führt z. B. im Gutachten vom 31.12.1998, Änderungs-Datum: 15.01.2008, Abrufnummer: 11048,
    https://www.google.de/search?q=Zul%C…chrome&ie=UTF-8
    aus (Hervorhebung durch mich): „Da die Urschrift des Erbscheins ebenfalls in der Verwahrung des Nachlassgerichts verbleibt, reicht für das Grundbuchverfahren eine Ausfertigung desselben. Dabei wird regelmäßig die Beifügung eines Gerichtssiegels gefordert, wobei allerdings die Rechtsgrundlage streitig ist. Staudinger/Schilken (BGB, 13. Bearb. 1996, Rn. 63 zu § 2353 BGB) will insoweit § 49 BeurkG anwenden, obwohl nach § 1 BeurkG dessen Anwendungsbereich für die Erteilung von Erbscheinsausfertigungen ganz bestimmt nicht eröffnet ist.

    Auch Gößl führt im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.06.2017, § 1 BeurkG RN 25 aus (Unterstreichung durch mich): „Nicht unter das BeurkG fallen demnach Eigenerklärungen von Behörden und Gerichten (zB Umlegungs- und Enteignungsbeschlüsse nach dem BauGB, Erbscheine, Genehmigungserklärungen bzw. Negativzeugnisse usw).

    Geht man jedoch von der Anwendbarkeit des § 49 Abs. 2 Satz 2 BeurkG aus, dann ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb dort ein maschinelles Siegel ausreichen soll, bei §§ 317 Absatz 4 und 725 ZPO hingegen nicht.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Herzlichen Dank für deine Argumentationshilfe! [FONT=&quot] Gerade schreibt mir ein Notar: "....dass Erbscheine unter § 29 Abs. 3 GBO fallen ist so selbstverständlich, dass dies in der Kommentarliteratur nicht ausdrücklich erwähnt wird.........[/FONT][FONT=&quot][FONT=&quot]das Erfordernis einer Siegelung für behördliche Akte ergibt sich nämlich nur aus § 29 Abs. 3 GBO. [/FONT].." [/FONT]

  • Mir erschließt sich der Sinn gerade nicht. Es gibt keine Zweifel daran, dass die Erbfolge eingetreten ist und dass es einen entsprechenden Erbschein gibt bzw., dass die vorgelegte Ausfertigung echt ist. Nun gibt es sogar eine obergerichtliche Entscheidung, dass eine maschinell gesiegelte Ausfertigung zur Berichtigung ausreicht. Und trotzdem unternimmt man alle Anstrengungen argumentativer Art um eine Grundbuchberichtigung zu verhindern.
    Was ist so schlimm daran, ein richtiges Grundbuch zu haben?

  • Es gibt halt gewisse Formerfordernisse, gerade im Grundbuchverfahren. Es war noch nie ein Argument, dass es keiner formgerechten Erklärung oder keines formgerechten Nachweises bedürfte, weil der Inhalt jedenfalls richtig sei.


    Und der Erbschein ist noch nie unter § 29 III GBO gefallen. Es mir eher dies der Grund zu sein, warum er in den Kommentaren nicht an dieser Stelle genannt wird.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Natürlich ist der Erbschein keine an das Grundbuchamt gerichtete Erklärung, so dass er auch nicht unter die Bestimmung des § 29 Absatz 3 GBO fallen kann.

    Der Erbschein ist nach § 29 I 2 GBO durch öffentliche Urkunde nachzuweisen. Wie oben ausgeführt, handelt es sich beim Erbschein um eine öffentliche Urkunde i.S.v. § 417 ZPO. Eine solche öffentliche Urkunde stellt die Urschrift des Erbscheins dar, die nicht mit einem Siegel versehen sein muss (s. das oben genannte Gutachten des Deutschen Notarinstitut Abrufnummer: 11048). Auch die Begriffsdefinition in § 415 ZPO sieht nicht vor, dass öffentliche Urkunden nur solche sind, die mit einem Siegel oder Stempel versehen sind. Das ergibt sich auch aus dem Umstand, dass auf den in der Nachlassakte befindlichen Erbschein verwiesen werden kann, wenn sich GBA und Nachlassabteilung beim selben AG befinden (BGH, Beschluss vom 20.05.1981, V ZB 25/79).

    Da die Urschrift in der Nachlassakte verbleibt, ist regelmäßig die Vorlage einer Ausfertigung erforderlich. Ob diese Ausfertigung mit einem Siegel oder Stempel versehen sein muss, ist weder in der GBO, noch in der ZPO oder im FamFG festgelegt. Die Praxis wendet aber § 49 Absatz 2 Satz 2 BeurkG an (s. OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.07.2018, 12 W 1178/18), wobei diese Bestimmung für die Notare als Mußvorschrift ausgestaltet ist („Der Ausfertigungsvermerk …. muß unterschrieben und mit dem Siegel der erteilenden Stelle versehen sein“).

    Wenn nun das OLG Nürnberg meint, dass die drucktechnische Siegelung bei einer Erbscheinsausfertigung mit keinerlei Sicherheitseinbußen verbunden ist und auch den Anforderungen an die Authentifizierungsfunktion an gerichtliche und behördliche Siegel voll gerecht wird, dann ist das nur die eine Seite der Medaille.

    Die andere Seite ist, wie derjenige, dem diese Urkunde vorgelegt wird, erkennen soll, dass es sich um die Ausfertigung und nicht um eine Kopie der Ausfertigung handelt.

    Wird das Siegel drucktechnisch hergestellt, lässt sich eigentlich nur noch an der Unterschrift erkennen, ob es sich um die Ausfertigung handelt. Ist diese Unterschrift so gestaltet, dass sie keine Unebenheiten im Papier hervorruft (Filzstift), dann ist die Unterscheidung zwischen (ggf. Farb-) Kopie und (Original-) Ausfertigung praktisch nicht möglich.

    Anders ist es, wenn die Ausfertigung mit einem Prägesiegel, d. h. mit Oblade und eingedrucktem Siegel, oder aber mit einem individuellen Stempelabdruck (Farbdruckstempel) versehen ist. Der Stempelabdruck kann dem „Spucketest“ unterzogen werden. Es ist zwar schon eine Weile her, aber ein solcher Test hat ergeben, dass mir lediglich eine einfache Kopie der Erbscheinsausfertigung vorgelegt wurde. Auf Reklamation hin wurde mir zwar die (Original-) Ausfertigung übermittelt; sie hätte aber auch bereits eingezogen worden sein können, etwa weil nach der Erbscheinserteilung ein die Erbfolge anderweitig regelndes Testament aufgefunden wurde.

    Schließlich führt der BGH, 1. Zivilsenat, in dem hier genannten
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…844#post1151844

    Beschluss vom 25. Oktober 2007, I ZB 19/07, den er im Beschluss vom 25.02.2016, V ZB 25/15, bestätigt hat, aus:

    „Eine elektronische Ausfertigung kann dagegen (einschließlich der Signatur) beliebig oft vervielfältigt werden, ohne dass es noch möglich wäre, zwischen Original und Kopie zu unterscheiden (Mühttp://nchKomm.ZPO/Wolfsteiner, 3. Aufl., § 725 Rdn. 2).“

    Daher macht es schon noch Sinn, auf der manuellen Siegelung bzw. dem manuell beigefügten Farbdruckstempel zu bestehen.

    Da es Sache des Gesetzgebers ist, für eine Gleichstellung des drucktechnisch erzeugten Siegels mit einem Präge- oder Farbdrucksiegel zu sorgen (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2016, Az. V ZB 88/16, RN 28), er dies aber trotz der Empfehlungen des Bundesrats in der BR-Drs. 162/1/17 vom 20.03.2017 nicht getan hat, muss es bis zur etwaigen Gesetzesänderung daher bei der individuellen Anbringung von Präge- oder Farbdrucksiegel verbleiben. Hätte das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 26.07.2018, 12 W 1178/18, das Scheitern der Bundesratsinitiative beachtet, hätte die Entscheidung mE auch anders ausfallen müssen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)


  • Sind zwischenzeitlich zur Frage, ob ein maschinell mit ausgedruckter Siegelabdruck mit der Aufschrift Amtsgericht und Baden-Württemberg (bzw. sonstiges Bundesland) den Anforderungen des § 29 Abs. 3 GB0 entspricht, ergangen ?

  • Nr. 2.3 Satz 2 der Verwaltungsvorschrift des[baden-württembergischen] Innenministeriums zur Gestaltung, Verwendung und Sicherung von Dienstsiegeln (VwV Dienstsiegel) vom 28. Oktober 2016 (GABl. S.642) sagt allerdings: "Erfolgt die Siegelverwendung durch die anderen Behörden oder Stellen [= andere als Ministerien] anlässlich von landesweit eingesetzten elektronischen Fachverfahren, ist beim Namen [der Behörde oderStelle] die Ortsangabe entbehrlich."
    https://rechtspflegerforum.de/showthread.php?1262-§-29-III-GBO-Siegel-oder-Stempel/page16

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…457#post1157457

  • .... Nächste Zurückweisung ist unterwegs.

    Gibt es diesbezüglich Neuigkeiten bzw. ein eventuell anhängiges Beschwerdeverfahren? So wie es aussieht, blüht mir ebenfalls eine Beschwerde. Mir liegt eine maschinell gesiegelter bayerischer Erbscheinsausfertigung vor, die ich aufgrund der hier dargelegten Argumente nicht akzeptiere. Ich fände es hilfreich, wenn ich dabei einen Beschluss aus Bayern zitieren könnte...

  • [quote='Prinz','RE: § 29 III GBO - Siegel oder Stempel?']

    Wird das Siegel drucktechnisch hergestellt, lässt sich eigentlich nur noch an der Unterschrift erkennen, ob es sich um die Ausfertigung handelt. Ist diese Unterschrift so gestaltet, dass sie keine Unebenheiten im Papier hervorruft (Filzstift), dann ist die Unterscheidung zwischen (ggf. Farb-) Kopie und (Original-) Ausfertigung praktisch nicht möglich.

    Anders ist es, wenn die Ausfertigung mit einem Prägesiegel, d. h. mit Oblade und eingedrucktem Siegel, oder aber mit einem individuellen Stempelabdruck (Farbdruckstempel) versehen ist. Der Stempelabdruck kann dem „Spucketest“ unterzogen werden. Es ist zwar schon eine Weile her, aber ein solcher Test hat ergeben, dass mir lediglich eine einfache Kopie der Erbscheinsausfertigung vorgelegt wurde. Auf Reklamation hin wurde mir zwar die (Original-) Ausfertigung übermittelt; sie hätte aber auch bereits eingezogen worden sein können, etwa weil nach der Erbscheinserteilung ein die Erbfolge anderweitig regelndes Testament aufgefunden wurde.

    Schließlich führt der BGH, 1. Zivilsenat, in dem hier genannten
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…844#post1151844

    Beschluss vom 25. Oktober 2007, I ZB 19/07, den er im Beschluss vom 25.02.2016, V ZB 25/15, bestätigt hat, aus:

    „Eine elektronische Ausfertigung kann dagegen (einschließlich der Signatur) beliebig oft vervielfältigt werden, ohne dass es noch möglich wäre, zwischen Original und Kopie zu unterscheiden (Mühttp://nchKomm.ZPO/Wolfsteiner, 3. Aufl., § 725 Rdn. 2).“

    Daher macht es schon noch Sinn, auf der manuellen Siegelung bzw. dem manuell beigefügten Farbdruckstempel zu bestehen.

    QUOTE]

    Ich kann mich dir nur anschließen.
    Ich habe gerade den Aufsatz im Rpfleger, 2/2019 (von Dipl- Rpfleger Christoph Ilg) dazu gelesen. M.E. verkennt dieser die kompletten Probleme, welches ein Grundbuchamt mit den drucktechnisch erzeugten Siegeln hat....

  • Zitat

    Ich kann mich dir nur anschließen.
    Ich habe gerade den Aufsatz im Rpfleger, 2/2019 (von Dipl- Rpfleger Christoph Ilg) dazu gelesen. M.E. verkennt dieser die kompletten Probleme, welches ein Grundbuchamt mit den drucktechnisch erzeugten Siegeln hat....

    Die Probleme mit den drucktechnisch erzeugten Siegeln sind das Eine. Diese bestehen zweifellos. Im AnwendungsBereich des § 29 Abs. 3 GBO (worunter der Erbschein m. E. nicht fällt und wozu sich die Abhandlung nicht auslässt), sind sie aber nunmal zwischenzeitlich zulässig. Und die Abhandlung legt in meinen Augen schlüssig dar, dass eine Ortsangabe grundsätzlich entbehrlich ist.
    Die Probleme mit dem Erkennen der Echtheit solcher Siegel sind vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden und sind auch im Bereich bspw. der Vollstreckungsbescheide denkbar. Grünes Papier ist leicht zu besorgen...

  • .... Nächste Zurückweisung ist unterwegs.

    Gibt es diesbezüglich Neuigkeiten bzw. ein eventuell anhängiges Beschwerdeverfahren? So wie es aussieht, blüht mir ebenfalls eine Beschwerde. Mir liegt eine maschinell gesiegelter bayerischer Erbscheinsausfertigung vor, die ich aufgrund der hier dargelegten Argumente nicht akzeptiere. Ich fände es hilfreich, wenn ich dabei einen Beschluss aus Bayern zitieren könnte...

    Anhängig ist schon eines seit einiger Zeit. Einfach wäre es für das OLG M, wenn sie sich einfach OLG Nürnberg anschließen, aber die Arguemtation von Prinz oben ist halt wesentlich schlüssiger.

  • Die besagte Abhandlung beschreibt nach meiner Ansicht nicht die geltende Rechtslage, sondern bringt lediglich zum Ausdruck, wie man es gerne hätte.

    Aus welcher gesetzlichen Grundlage soll sich denn das Erfordernis der Ortsangabe ableiten? Die Gestaltung eines solchen Siegels und die Zulässigkeit seiner Verwendung sind m.E. verschiedene Punkte. Nur weil es ohne Ortsangabe möglich sein soll, kann es noch lange nicht überall verwendet werden. Schon gar nicht auf einer Erbscheinsausfertigung, die schon nicht unter § 29 Abs. 3 GBO fällt. Auf einem Vollstreckungsersuchen des Finanzamts sieht das aber schon wieder ganz anders aus.

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