BGH zu Schadensersatzansprüchen bei überlasteten Behörden

  • Bundesgerichtshof

    Mitteilung der Pressestelle

    Nr. 4/2007

    Schadensersatzansprüche gegen den Staat wegen unzumutbarer Verzögerung von Eintragungen im Grundbuch




    Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte heute über die Frage zu entscheiden, inwieweit einem Grundstückseigentümer Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche wegen einer unzumutbaren Verzögerung der beantragten Eintragungen im Grundbuch zustehen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Bauträger auf seinem Grundstück Eigentumswohnungen gebildet und diese an Interessenten verkauft. Die Kaufpreiszahlungen sollten erfolgen, wenn zugunsten der Käufer Vormerkungen im Grundbuch zur Sicherung ihrer Ansprüche auf Eigentumsübertragung eingetragen waren. Der hierfür zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts war jedoch überlastet und trug die Vormerkungen deswegen erst nach einem Jahr und acht Monaten ein. Wegen des dem insolvent gewordenen Bauträger entstandenen Zinsschadens verlangt nunmehr die finanzierende Sparkasse, der die Ersatzansprüche abgetreten worden sind, von dem Bundesland Schadensersatz in Höhe von zunächst etwa 450.000 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben.
    Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Prüfung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Er hat hierbei allerdings die geltend gemachten Ersatzansprüche im Ansatz bejaht. Jede Behörde hat die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten. Ist dies wegen Überlastung des zuständigen Beamten nicht gewährleistet, so haben nicht nur die zuständige Behörde (Amtsgericht), sondern auch die übergeordneten Stellen (Landgericht, Oberlandesgericht, Justizministerien) im Rahmen ihrer Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen. Inwieweit sie hierzu in der Lage gewesen wären, war in dem vorliegenden Rechtsstreit bislang nicht hinreichend geklärt, so dass weitere Sachverhaltsfeststellungen und eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht nötig wurden. Soweit es dagegen um die Zuweisung von Haushaltsmitteln und Stellen an die Gerichte durch den Haushaltsgesetzgeber geht, hat der Bundesgerichtshof an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass auf eine etwaige Pflichtverletzung des Gesetzgebers ein Schadensersatzanspruch des Bürgers nicht gestützt werden kann.
    Bei der hier in Rede stehenden unzumutbaren Verzögerung von Eintragungsanträgen kommt außer dem Amtshaftungsanspruch noch ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf angemessene Entschädigung für die entgangene Nutzung seines Eigentums aus dem Gesichtspunkt des so genannten "enteignungsgleichen Eingriffs" in Betracht. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, der allerdings nicht auf vollen Schadensausgleich gerichtet ist, hat der Bundesgerichtshof hier für gegeben erachtet. In dieser Beziehung waren aber noch weitere tatsächliche Feststellungen zur Höhe der Entschädigung durch das Berufungsgericht erforderlich.

    Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 302/05

    OLG Schleswig - Urteil vom 10. November 2005 - 11 U 145/04 ./. LG Lübeck - Urteil vom 27. August 2004 - 9 O 159/02

    Karlsruhe, den 11. Januar 2007
    Pressestelle des Bundesgerichtshof
    76125 Karlsruhe

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Wenn man sich vorstellt, wie schnell eine Vormerkung eingetragen ist, dann hat sich der Kollege aber ganz schön Zeit gelassen. Vormerkung habe ich immer als erstes eingetragen und danach erst den ganzen anderen Mist eingetragen.

  • rainer19652003:

    Na ja, so pauschal würde ich das nicht sagen. Das war wohl eine WEG-Geschichte und da gibt es auch Fälle, da werden Wohnungen schon weiter verkauft, bevor die Teilungserklärung vollzogen wurde und die WE-Blätter angelegt wurden. Wenn man dann eine große Wohnanlage hat und man muss zu jeder Vormerkung erst mal prüfen, zu welchem neuen Blatt die nun gehört und ob der Vertragsgegenstand identisch ist mit dem WE lt. Teilungserklärung.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Dass ein Schadensersatzanspruch bejaht werden würde, war eigentlich zu erwarten. Damit haben sich die vielerorts geäußerten Befürchtungen der gerichtlichen Praxis bewahrheitet, deren Warnungen aber bei den Verantwortlichen -bis heute- immer wieder auf taube Ohren stoßen.

  • Wahrscheinlich ist der Kollege einfach abgesoffen und hat kein Land mehr gesehen. Wie man solchen Zuständen als Dienstherr untätig 18 Monate lang zusehen kann, ist mir allerdings ein Rätsel (oder auch wieder nicht).

  • Wahrscheinlich ist der Kollege einfach abgesoffen und hat kein Land mehr gesehen. Wie man solchen Zuständen als Dienstherr untätig 18 Monate lang zusehen kann, ist mir allerdings ein Rätsel (oder auch wieder nicht).



    Ich schätze mal, dass diese Dunkelziffer recht hoch ist. Kenne bei uns am Gericht auch einen Fall. Vom übergeordneten Gericht bekommst man garantiert kein Personal, also bleibt alles beim Ausgangsgericht hängen. Und nun erklär mir mal, wie man jemanden zwingen bzw. überreden will, den Müll von einem Kollegen abzuarbeiten.

  • @Rainer: Ich gehe davon aus, dass dieser RPfl generell Reste von über einem Jahr hat.

    Und dann sehe ich keine Veranlassung, willkürlich ausgewählte Rechtsgeschäfte vorzuziehen. Wenn Du aus den Resten von einem Jahr alle Vormerkungen, Sicherungshypotheken, und dann noch alle übrigen "ganz leichten" Anträge rausziehst, hast Du einen Stapel, an dem Du sicherlich 6 Monate sitzt. In dieser Zeit werden die "übrigen" Anträge gar nicht bearbeitet?:gruebel: :abgelehnt

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • Und wir haben schon nach 3 Wochen die ersten Beschwerden der RA's! Nach weiteren 2 Wochen die ersten DAB's. Geht eine Akte allerdings an die Beschwerdekammer (bei KFB's) dauert es in der Regel 2-4 Jahre!!!! Da meckert keiner.
    In diesem Fall hat die Verwaltung aber völlig versagt. Wenn der Kollege so abgesoffen war, hätte man helfen müssen.

  • ....
    In diesem Fall hat die Verwaltung aber völlig versagt. Wenn der Kollege so abgesoffen war, hätte man helfen müssen.



    Hoffentlich hat der Kollege wenigstens eine Überlastungsanzeige gemacht. Nicht dass der arme Kerl noch selber was zahlen muss...

    Ich kenne solche Zustände bei uns aus den Jahren 1995 bis ca. 2000 - aber AVs und Grundschulden wurden in der Bearbeitung vorgezogen, so dass diese "schon" nach ca. 6 Monaten durch waren.

    Gruss, F.

  • Schade, dass wir nicht wissen, was hinter dieser langen Bearbeitungszeit steckt. Ist das ganze Gericht komplett versackt? Dauern sämtliche Anträge so lange? Ich kann mir kaum vorstellen, dass die übrigen RPfls in dem dortigen Gericht "restefrei" waren.

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • Hallo,
    da dass OLG Schleswig beteiligt war, wird es sich wohl um ein GBA in Schleswig-Holstein (SH) handeln.
    Ab 2001 wurde in SH das "großartige" Programm FOLIA in den Gerichten zur Grundbuchführung eingeführt, womit das eine oder andere GBA hoffnungslos "abgesoffen" ist. Da lag wohl z.T. an der anfälligen Software, die nicht einwandfrei funktionierte (mehrere Neustarts des Servers täglich u.ä.). Gerade am Anfang der Einführung, wurden vom Rechtspfleger enormes abverlangt, neben der Erfassung des Grundbuches durfte er auch die Antragsvorbereitung übernehmen.
    Waren die Serviceeinheiten nicht schnell genug in der Lage, diese Aufgaben dem Rechtspfleger abzunehmen, dann war es für den Rechtspfleger unmöglich sein normales Pensum zu schaffen, selbst wenn der Computer einwandfrei lief.

    Übrigens fehlen in SH nach Pebb§y etwa 100 Rechtspfleger. Und nach der Statistik werden in den nächsten 15 Jahren ca. 200 Rechtspfleger von den ca. 500 in SH in Pension gehen.

    Und wieviele Rechtspflegeranwärter werden wohl in den nächsten Jahren eingestellt ? Schaut euch mal die Kassenlage in SH an.

    Dem Land bleibt eigentlich nichts anderes die Pebb§y-Zahlen weiter nach oben zu schrauben und die Arbeitszeit für Rechtspfleger von 41 auf 45 Stunden anzuheben, ansonsten können die Abgänge in SH gar nicht aufgefangen werden.


    Jens

  • Dann sollen sie mal machen: Mehr Krankheitsfälle durch physischen und psychischen Zusammenbruch, also noch mehr Ausfälle und irgendwann dann Stillstand der Rechtspfledge. Dann können die Verwalter der leeren Kassen ja die Arbeit fortführen -. vielleicht sind die Böcke dann ja auch bald leer. :teufel:

  • Eine weitere Arbeitsverdichtung führt m.E. zu weiteren Schadensersatzforderungen, weil hindurch die Qualität der Entscheidungpfindung sinkt. Es werden aufgrund des Zeitdrucks mehr Fehler produziert. Ich möchte gar nicht wissen, wieviele "Zeitbomben" in den hastig erfaßten elektronischen Grundbüchern schlummern.
    Hin- und wieder finde ich ja auch eine und entschärfe diese. Aber wer weiß schon, was man so in der Eile übersehen hat. (smile)

    Und was ind schon 450.000 EUR für das Land, nachdem man uns das Weihnachts- und Urlaubsgeld gestrichen hat.

    Jens

  • Tach Rainer - ich finde Deine Bemerkung völlig daneben. Warum? - Weil ich selbst schon einmal abgesoffen war. Die Überlastungsanzeige wurde 20 Monate (!!!!!) nicht berücksichtigt. Es interessierte die Verwaltung schlicht weg einen Dreck. Du hast ja offenbar keine Ahnung, wie belastend so etwas sein kann. Denn, DU stehst an der Front und nicht die Verwaltung. Das ganze blöde Gelulle von Antragstellern bekommst DU knüppeldick ab und nicht Dein AG-Chef! Versetz Dich mal in eine solche Lage und halte nicht flapsig Schelte über den Kollegen. (Die Entscheidung finde ich übrigens super. - Wenn die Staatskasse haftet, dann tut sich vielleicht endlich mal was - hoffentlich passiert dasselbe bei "Flowtex".)

    Gruß

  • Wir haben seit ca. Mai 06 nach Folia jetzt Solum. Bedeutete ca. 8 Wochen durchgängig Schulung ohne personelle Ersatzgestellung. Anschließend war Streik, dann Baumaßnahme. Ergebnis: Rückstände von 6 Monaten, die mit der normalen Arbeitszeit nicht aufgearbeitet werden können. Hinzu kommt, dass die Servicekräfte völlig überfordert sind mit der Menge der von Ihnen zu bewältigenden Arbeit. Als Konsequenz bereiten wir Rechtspfleger -zumindest ich- so gut wie alles selber vor. Dafür vernächlässige ich natürlich anderen Teile meines Mischpensums. Unter Folia hatten wir Erledigungszeiten von 1- 2 Tagen. Wer haftet denn bei uns? Wir werden immer gleichgültiger.

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