Erbschein verlangen?

  • Ich habe einen Grundbuchberichtigungsantrag aufgrund eines eröffneten notariellen Testaments, in dem ganz eine Alleinerbin eingesetzt ist. Aus der beigezogenen Nachlassakte ergibt sich folgender Sachverhalt:
    Es wurde von der notariellen Erbin zunächst ein Erbschein beantragt, da die Sparkasse diesen verlangt hat. Das Testament wurde drei Monate errichtet, nachdem bereits für die Erblasserin die Einrichtung einer Betreuung wegen Demenz beantragt worden ist. Die Betreuung wurde wiederum ein paar Monate später eingerichtet. Der Notar bejaht allerdings die Geschäfts- und Testierfähigkeit.Die eingesetzte Erbin ist die Nachbarin und spätere die Betreuuerin. Die einzige gesetzliche Erbin, ein Cousine, erhebt Einwendungen in Bezug auf die Testierfähigkeit. Der Richter erlässt einen Vorbescheid, indem er die Erteilung des Erbscheins zu Gunsten der Testamentserbin ankündigt. Dagegen erhebt die gesetzliche Erbin Beschwerde. Der darauf angehörte Hausarzt bejaht die Testierfähigkeit.
    Ein weiterer Anhörungtermin sowie die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens ist angekündigt. Jetzt wird aber der Erscheinsantrag zurückgenommen, weil die Sparkasse komischerweise keinen mehr verlangt. Aufgrund des Testaments soll nunmehr das Grundbuch berichtigt werden. Ich habe einen Erbschein verlangt, der Anwalt der Antragstellerin meint, dies könne nicht verlangt werden, da keine Tatsachen vorlägen, aus denen sich offenkundig ergeben würden, dass die Erblasserin testierunfähig sei. Der Richter habe den Erbschein ja auch erteilen wollen.
    Wie seht ihr das?

  • Zitat: "Ist das Testament anfechtbar oder wurde bereits angefochten und ist dies dem Grundbuchamt bekannt, so hat das grundbuchamt Erbschein zu verlangen, da die Frage der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung möglichst einheitlich zu entscheiden ist, hierzu ist das Nachlassgericht zuständig" siehe Schöner/Stöber Rdnr. 789 m.w.N

    Ich denke das sagt alles. ich würde auch einen Erbschein verlangen und hab meines Erachtens auch die Möglichkeit dazu immer, wenn ich Zweifel am tatsächlichen Willen des Erblassers habe und die begründen kann.

  • Aus dem Bauch heraus : keinen Erbschein.

    Es gibt ein notarielles Testament. Der Notar bescheinigt die Testierfähigkeit und prüft diese. Darauf würde ich mich verlassen.

    In deinem Fall dachte ja der Richter wohl auch so und das Attest des Hausarztes geht auch in diese Richtung.

    Das alles zusammen gesehen : Kein Erbschein.

  • Überzeugt! :oops:

    Nach Lesen der Rd.-Nr.789 Schöner/Stöber schließe ich mich Mela an.

    Es steht hier doch sehr eindeutig !(wenn es schon reicht, dass eine Anfechtung naheliegend oder nur wahrscheinlich ist)

  • Das Erbscheinsverlangen ist gerechtfertigt, weil der Nachlassrichter einen weiteren Anhörungstermin und die Erholung eines nervenärztlichen Gutachtens zur Testierfähigkeit der Erblasserin angekündigt hatte. Hieraus folgt, dass die durch die Antragsrücknahme überflüssig gewordenen Ermittlungen des NachlG zur Frage der Testierfähigkeit noch nicht abgeschlossen waren und dass daher auch nicht behauptet werden kann, das NachlG hätte den von der Testamentserbin beantragten Erbschein erteilt.

    Wenn die offensichtlich zu den gesetzlichen Erbprätendenten der Erblasserin gehörende Cousine ein Erbrecht für sich in Anspruch nimmt, wird sie nunmehr allerdings ohnehin von sich aus einen neuen Erbscheinsantrag (zu ihren Gunsten) stellen müssen, weil sie auf anderem Wege nicht zu ihrem behaupteten Erbrecht kommt. In diesem Fall beißt sich das Erbscheinsverlangen des GBA im Ergebnis in den Schwanz. Wird der betreffende Erbscheinsantrag der Cousine bestandskräftig zurückgewiesen (was ja nur mit der Begründung geschehen kann, dass das fragliche Testament wirksam ist), müsste man über die Entbehrlichkeit einer Erbscheinsvorlage im Grundbuchverfahren allerdings neu nachdenken.

  • Ich habe einen ganz ähnlichen Fall:

    Eine ältere (nicht unter Betreuung stehende) Dame mit reichlich Immobiliarvermögen und ohne leibliche Verwandte setzt in mehreren notariellen Vortestamenten die Kinder ihres Lebensgefährten ein. Nach dessen Tod ändert sie ihr Testament, da die Kinder des Lebensgefährten sich nicht mehr um sie kümmern, und setzt eine Nachbarin ein.
    Testamente werden immer vor dem selben Notar gemacht, Testamentsvollstrecker ist dessen Bürovorsteher.
    Nach dem Tod wird für angebliches Vermögen in der Schweiz ein Erbschein beantragt. Der Richter hört die ursprünglich vorgesehenen Erben an, die wirre Vorwürfe wegen angeblich fehlender Testierfähigkeit erheben. Der Notar gibt lange und überzeugende Erklärungen ab, dass die alte Dame durchaus testierfähig war, außerdem hätten die enterbten Kinder des Lebensgefährten die Erblasserin schon seit Jahren nicht mehr gesehen.
    Das Erbscheinsverfahren zieht sich wegen starker Belastung des Richters ewig hin, schließlich stellt sich heraus, dass in der Schweiz gar kein Vermögen mehr ist und der Antrag wird zurückgenommen.
    Jetzt wird Grundbuchberichtigung auf Grund des Testaments beantragt.

    In Übereinstimmung mit Schöner/Stöber RdNr. 789 habe ich einen Erbschein erfordert. Erwartungsgemäß hat der Notar jetzt angerufen und gemeint, dass könne ja wohl kaum mein Ernst sein.

    Wie würdet ihr diesen Fall beurteilen?

    Die meisten Probleme lösen sich von selbst - man darf sie nur nicht dabei stören.

  • Die Nachlassakten hattest Du ja bereits beigezogen.

    Wenn Du danach den Eindruck hast, dass die Einwendungen der Enterbten haltlos sind und der Richter den ES wohl antragsgemäß erteilt hätte, kannst Du m.E. ohne ES aufgrund des offensichtlich wirksamen Testaments eintragen.

    Natürlich sollte man einen entsprechenden Aktenvermerk in die Grundakte schreiben.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Im Ergebnis wird man es so sehen können.

    Was spricht dagegen, die "früheren" Testamentserben anzuhören? Kommen keine Einwendungen, ist es gut, und kommen sie, kann man immer noch überlegen, einen Erbschein zu verlangen (oder auch nicht).

  • Danke sehr euch beiden!

    An die Anhörung der "alten" Erben hatte ich auch schon gedacht ggfls. mit der Aufforderung binnen einer bestimmten Frist die Stellung eines eigenen Erbscheinantrages nachzuweisen, wenn sie denn partout weiter darauf beharren wollen, die Erblasserin sei nicht mehr testierfähig gewesen.

    Die meisten Probleme lösen sich von selbst - man darf sie nur nicht dabei stören.

  • Ich hänge mich mal an diese Diskussion ran. Folgender Sachverhalt: Die Erblasserin setzt in einem notariellen Testament im Sept. ihrer Betreuerin zur Alleinerbin ein. Seit Mai stand sie unter Betreuung. Die Betreute litt an seniler Demenz. Die in den Betreuungsakten einliegenden Unterlagen lassen m.E. Zweifel darüber zu, ob sie testierfähig ist. Aber: Der Notar bescheinigt ihr Testierfähigkeit. Zudem: Eine Woche nach Beurkundung des Testaments gibt ein Internist ein "Gutachten" zur Betreuungsakte, das der Betreuungsrichter angefordert hatte. Wobei Gutachten hier eigentlich zu hoch gegriffen ist, es handelt sich nur um ein Standard-Formblatt des Betreuungsgerichts. Bei den Aufgabenfeldern, die die Betreute nicht mehr selbständig erledigen kann, ist eigentlich alles angekreuzelt, auch der Punkt "Vermögenssorge". Nur hat der Arzt hier eine Anmerkung angebracht und festgestellt, dass sie in "Erbschaftsangelegenheiten" ausreichend orientiert sei und ihr "Wille zu respektieren". Die Wirksamkeit des Testaments wird durch das Nachlassgericht nicht in Frage gestellt. An Dritte gibt es die Auskunft, dass die testamentarisch bedachte Person Alleinerbin ist. Dem Grundbuchamt wird nun durch dass Nachlassgericht der Antrag der eingesetzten Erbin auf Eintragung der Grundbuchberichtigung übermittelt. Was meint ihr: Kann ich ohne großes Federlesen eintragen oder kann/muss ich hier ein Erbschein verlangen? Anzumerken ist noch, dass anzuhörende Pflichtteilsberechtigte nicht vorhanden sind. Außer drei eingesetzten Vermächtisnehmern wurde durch das Nachlassgericht auch keine weitere Person gehört.

    Vielen Dank für alle Antworten!

  • Grundsätzlich gilt für das Grundbuchamt § 35 I Satz 2 GBO. Allein Zweifel auf Grund des Bestehens einer Betreuung reichen mE nicht aus, einen Erbschein zu verlangen.

    Etwas anderes gilt für das Nachlassgericht. Hier sind die gesetzlichen Erben zu ermitteln und zu benachrichtigen. Aber das Grundbuchamt muss nicht der Überwacher des Nachlassgerichts sein.

  • Ich häng mich mal dran. Neffe 2 beantragt Grundbuchberichtigung aufgrund notariellem Testament.

    Erblasserin hat 2 notarielle Testamente errichtet. Laut Testament 2015 erbt Neffe 1. Laut Testament vom September 2016 erbt Neffe 2. Damit gilt grundsätzlich Testament 2016.

    Aus den Nachlassakten ergibt sich, dass Neffe 1 einen Erbscheinsantrag gestellt hat, da die Erblasserin 2016 testierunfähig gewesen sei. Beigefügt ist eine Kurzdiagnose über "dementielle Entwicklung" (erstellt 2016 kurz vor dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung).

    Nach Überzeugung des Notars war die Erblasserin zum Zeitpunkt des 2. Testaments testierfähig. Dem Testament war auch eine kurze ärztliche Bescheinigung über die positive Geschäftsfähigkeit beigefügt. Auch befindet sich ein psychiatrisches Gutachten (Ende 2016) bei den Nachlasssakten, das im Ergebnis von Geschäftsfähigkeiet ausgeht. Ein verfahren wegen Anordnung einer Betreuung (vom Neffen 1 ungeführ zur Zeit der 2. Testamentserrichtung angeregt) wurde wegen einer Vorsorgevollmacht für den Neffen 1 eingestellt. Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit ergeben sich aus den Betreuungsakten nicht.

    Der Erbscheinsantrag des Neffen 1 wurde zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde ebenfalls zurückgewiesen, ebenso mehrere Gegenvorstellungen gegen die Beschwerdeentscheidung. Das Nachlassgericht und das Beschwerdegericht gehen von der Wirksamkeit des Testaments 2016 aus.

    Aufgrund dieses Sachverhalts bestehen bei mir keine ernsthaften Zweifel an der Testierfähgikeit. Ich würde daher ohne Erbschein berichtigen.

    Ich würde mich über eure Meinungen dazu freuen.

  • Da GB-Berichtigung grundsätzlich aufgrund eines notariellen Testaments (+ Erö-Prot.) möglich ist, das spätere T. das frühere aufhebt und hinsichtlich der Erbeinsetzung eindeutig ist, die Geschäftsfähigkeit der Normalfall ist und du hier zusätzlich auch noch eine (rechtskräftige?), den Erbscheinsantrag des Neffen 1 zurückweisende, Entscheidung hast (die auf der Wirksamkeit des neuen Testaments beruht), kannst du m. M. nach keinen Erbschein verlangen.

  • Ich möchte mich hier auch mit einer Frage anschließen:

    Grundbuchberichtigung wird beantragt aufgrund eines notariellen Testaments.

    Der Notar führt auf, dass der Erschienene an einer demenziellen Erkrankung leidet und zeitlich und örtlich nicht orientiert ist.
    Er gebe aber zu verstehen, dass die eingesetzten Erben sein Vermögen nach seinem Tod erhalten sollen.
    Vor diesem Hintergrund habe der Notar trotz Zweifel an der Testierfähigkeit die Beurkundung vorgenommen.

    Ist es hier gerechtfertigt, einen Erbschein zu verlangen?
    Für das GBA ist nun wirklich nicht feststellbar, ob der Testator tatsächlich testierfähig war oder nicht.

    Life is short... eat dessert first!

  • Ich würde aufgrund dieses Testaments keine Grundbuchberichtigung vornehmen.

    Ebenso.

    Auf Grund der vom Notar bereits geäußerten Zweifel an der Testierfähigkeit, drängen sich solche Zweifel auch dem GBA auf.
    Diese Zweifel können m.E. nur (wenn überhaupt) im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens beseitigt werden.

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