Ruhen ESO vor Geburt feststellbar?

  • Hallöle,

    ich bekam gerade einen Antrag unseres Jugendamts auf den Tisch. Ich soll das Ruhen der elterlichen Sorge wegen tatsächlichem Hindernis feststellen.

    Die werdende Mutter (Kaiserschnitttermin Ende April) ist schwer schizophren (Gutachten liegt vor) und nicht erziehungsfähig. Gem. § 1774 BGB ist es möglich schon vor Geburt einen Vormund zu bestellen (ist aber wohl eher auf minderjährige Eltern bzw. Mütter gemünzt).

    Hierfür ist jedoch zunächst einmal erforderlich, dass in Bezug auf die Mutter (Vater ist unbekannt) das Ruhen der ESO festgestellt wird. Ab Geburt kein Problem.
    Ich denke hier an einen Ruhensbeschluss, dessen Wirksamkeit auf den Geburtszeitpunkt bedingt ist.

    Was haltet ihr davon? Seht Ihr andere gangbare Wege?

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Ein tatsächliches Hindernis liegt hier m.E. nicht vor. Wenn die Mutter unfähig ist, ihr Kind wegen einer seelischen Störung zu erziehen, dann ist ihr die elterliche Sorge zu entziehen. Ich würde die Sache als 1666 dem Richter vorlegen.

  • Das Feststellen des Ruhens kommt nach nach MüKo auch bei geistigen Erkrankungen in Betracht, wenn die damit verbundenen Ausfälle Gefahren für das Kind bedeuten, aber die Voraussetzungen nach § 1666 BGB noch nicht erfüllt sind.

    Allerdings bin ich (ohne tieferes Einsteigen) der Meinung, dass man nur das Ruhen von etwas feststellen kann, dass es bereits gibt, also dass die Feststellung erst nach der Geburt getroffen werden kann.

  • Das würde aber bedeuten, dass zumindest einmal ein amtsärztliches Gutachten über den Geisteszustand der Mutter eingeholt werden muss. Wie will den ein Rechtspfleger sonst beurteilen, ob eine geistige Erkrankung vorliegt.

  • Zitat von Manfred

    Das würde aber bedeuten, dass zumindest einmal ein amtsärztliches Gutachten über den Geisteszustand der Mutter eingeholt werden muss. Wie will den ein Rechtspfleger sonst beurteilen, ob eine geistige Erkrankung vorliegt.

    Ich würde auch ein fachärztliches Gutachten genügen lassen, denn es muss ja nur geklärt sein, dass die mit der Erkrankung verbundenen Ausfälle Gefahren für das Kind bedeuten. Der sehr viel schwerer zu führende Nachweis der Geschäftsunfähigkeit ist nicht nötig.

    Zitat von Tommy

    Ich denke hier an einen Ruhensbeschluss, dessen Wirksamkeit auf den Geburtszeitpunkt bedingt ist.

    Das dürfte ein praktisch gangbarer Weg sein.

  • Nachtrag für den Fall, dass nicht von der Geschäftsunfähigkeit der Mutter ausgegangen werden kann:

    Die vorgeburtliche Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge i.S. des § 1674 Abs.1 BGB kann nur in Verbindung mit der Anordnung erfolgen, dass die Entscheidung erst mit der Geburt des Kindes wirksam wird. Denn vor der Geburt gibt es weder ein Kind noch eine elterliche Sorge, deren Ruhen festgestellt werden könnte.

    Wenn man diesen Weg beschreitet, so steht aber gleichzeitig fest, dass es sich um eine Fallgestaltung des § 1774 S.2 BGB handelt, weil mit der erfolgten Beschlussfassung feststeht, dass das Kind bereits "mit seiner Geburt" aus Rechtsgründen eines Vormunds bedarf. Damit kann die Vormundschaftsanordnung und Vormundschaftsbestellung bereits vor der Geburt des Kindes erfolgen. Da diese Anordnungen kraft Gesetzes erst mit der Geburt des Kindes wirksam werden (§ 1774 S.2 HS.2 BGB), braucht keine diesbezügliche Beschränkung in den Beschluss aufgenommen zu werden (allenfalls klarstellend).

    Also:

    Beschluss über das Ruhen der elterlichen Sorge nach § 1674 I BGB mit der Anordnung, dass die Entscheidung erst mit der Geburt des Kindes wirksam wird. Gleichzeitig Anordnung der Vormundschaft und Auswahl des Vormunds nach § 1774 S.2 i.V.m. § 1697 BGB. Da im vorliegenden Fall das Jugendamt bestellt werden soll, erübrigt sich nach § 1791 b BGB Abs.2 HS.2 BGB eine Verpflichtung des Vormunds nach § 1789 BGB und die Erteilung einer Bestallungsurkunde (wofür jeweils das VormG zuständig wäre). Für die Bestellungsverfügung als solche ist allerdings das VormG zuständig (§ 1791 b Abs.2 HS.1 BGB).

  • So, ich denke, man kann nicht von der Geschäftsunfähigkeit ausgehen. Fachärztliche Gutachten gibt es einige, da die Krankheitsgeschichte schon über Jahre geht. Derzeit ist die Gute für erstmal 5 Monate in die Geschlossene eingewiesen. Die Krankheit ist laut Gutachten behandelbar bzw. mit Medikamenten unter Kontrolle zu bringen. Es fehlt aber an der Krankheitseinsicht und daher an dem Willen sich überhaupt behandeln zu lassen.

    Mein Gedanke war ja auch, den Ruhensbeschluss auf den Geburtsfall zu bedingen,

    Zitat

    Ich denke hier an einen Ruhensbeschluss, dessen Wirksamkeit auf den Geburtszeitpunkt bedingt ist.


    denn wie juris2112 schon schrieb:

    Zitat

    vor der Geburt gibt es weder ein Kind noch eine elterliche Sorge, deren Ruhen festgestellt werden könnte



    Mit den Zuständigkeiten ist das im Württembergischen so ne Sache:
    1. Ich stelle das Ruhen fest (FamG)
    2. Der Beschluss geht v.A.w. zum zust. Notariat, da insoweit VormG und dort geschieht das weiter Notwendige.

    § 1697 BGB ist m.E. nicht anwendbar, da es sich bei der Feststellung des Ruhens der ESO um keine "Maßnahme des FamG" handelt.
    § 1693 BGB wird durch die amtswegige Mitteilung an das VormG genüge getan.

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    (Heinz Becker)

  • Nur zu Klarstellung: Bei der Anordnung, dass die Entscheidung erst mit der Geburt des Kindes wirksam wird, handelt es sich im Rechtssinne nicht um eine "bedingte" Wirksamkeit, sondern um einen Beschluss deren Wirksamkeit kraft Anordnung erst zu einem späteren Zeitpunkt (der Geburt des Kindes) eintritt.

    § 1697 BGB ist nach meiner Auffassung anwendbar, weil es sich bei der Feststellung des Ruhens um eine "Maßnahme des FamG" i.S. dieser Vorschrift handelt (Palandt/Diederichsen § 1697 RdNr.1 unter Verweisung auf § 1675 RdNr.1). Dies kann aber letztlich dahinstehen, da das FamG im Anwendungsbereich der Norm nicht tätig werden muss, sondern lediglich tätig werden "kann". Damit wird die Parallelzuständigkeit des VormG in diesen Fällen nicht berührt, wenn das FamG selbst nicht tätig wird.

    Das Problem der Zuständigkeit ist in den übrigen Bundesländern übrigens das gleiche (FamG/VormG), nur dass im Württembergischen noch hinzukommt, dass das VormG bei einer anderen Stelle angesiedelt ist.

    Ich bin allerdings gespannt, ob das VormG/Notariat etwas an der Beschlussfassung herumzumäkeln haben wird, etwa in der Weise, dass auch die Beschlussfassung über das Ruhen der elterlichen Sorge erst nach der Geburt des Kindes erfolgen könne. Man wird sehen.

  • Jetzt könnten wir natürlich noch diskutieren, ob die Geburt im Rechtssinne ein gewisses (dann fristabhängiges) oder ungewisses (dann aufschiebend bedingtes) Ereignis ist, aber geschenkt!

    Mit unseren Notaren ist sehr gut zusammen zu arbeiten. Da kommen eigentlich immer sehr praktikable Lösungen bei raus. Nur bei der familiengerichtlchen Genehmigung von Erbausschlagungen glauben Sie als mal nicht, dass der Fristablauf durch das Genehmigungsverfahren gehemmt wird und wollen Dampf machen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte...

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

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