Ist das "Heilung"?

  • Problem Zustellungsmangel eines VB, der an die falsche Adresse geht.

    Wenn der Schuldner über die Schufa erstmals erfährt, dass er einen Negativeintrag wegen eines Titels hat und sich daraufhin an den Gläubiger wendet, der ihm eine Kopie des Titels zuschickt, ist das dann ab Erhalt der Kopie "Heilung" des Zustellungsmangels?

  • Problem Zustellungsmangel eines VB, der an die falsche Adresse geht.

    Wenn der Schuldner über die Schufa erstmals erfährt, dass er einen Negativeintrag wegen eines Titels hat und sich daraufhin an den Gläubiger wendet, der ihm eine Kopie des Titels zuschickt, ist das dann ab Erhalt der Kopie "Heilung" des Zustellungsmangels?


    Ich meine nein, denn die Erklärung ist dem Schuldner nicht "zugegangen", wenn er sie sich lediglich besorgt hat.
    Einschlägige Entscheidungen hab ich nicht gefunden, BGH, Beschluss vom 26. 11. 2002 - VI ZB 41/ 02 trifft es nicht.

    Steht denn wirklich fest, dass die Adresse falsch war? Immerhin muss die Post doch wenigstens einen Briefkasten gefunden haben. Dann gilt der Urkundsbeweis der Zustellung, § 415 ZPO.
    Nachtrag: Zudem wird der nach § 750 ZPO erforderliche Nachweis der Zustellung schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

  • @ #2: Es ist ja ein theoretischer Fall. Und in der Theorie soll es so sein, dass die Adresse falsch ist. In Wahrheit ist es streitig.

    Wenn aber Deine Lösung richtig ist, dann könnte ja mangels korrekter Zustellung und mangels Heilung jetzt nach Monaten noch Einspruch eingelegt werden.

  • Ich denke, dass der Zustellungsmangel nur durch den Erhalt (in irgendeiner Art und Weise) einer Ausfertigung geheilt werden kann aber nicht durch den Erhalt einer bloßen Kopie.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • @ #2: Es ist ja ein theoretischer Fall. Und in der Theorie soll es so sein, dass die Adresse falsch ist. In Wahrheit ist es streitig.

    Wenn aber Deine Lösung richtig ist, dann könnte ja mangels korrekter Zustellung und mangels Heilung jetzt nach Monaten noch Einspruch eingelegt werden.

    Ich sehe das wie 15. Meridian = keine Heilung.
    Einspruch und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand können beantragt werden, jedoch müsste der Beweis erbracht werden, dass der VB tatsächlich an einer falschen Adresse zugestellt wurde. Immerhin scheint der MB ja noch korrekt zugestellt worden zu sein. Und wenn Name noch am Briefkasten und/oder der Klingel war sieht es schlecht aus.

  • @ # 6:

    Sehe ich es richtig, dass ich dann, wenn die Zustellung tatsächlich nicht wirksam war, entgegen Deiner Ansicht keine Wiedereinsetzung brauche? Dann genügt doch der Einspruch! Wo keine Zustellung, läuft auch keine Frist, in die man wiedereingesetzt werden müsste.

  • Die Frist ist erst mal abgelaufen. Ich denke 2 Wochen sind auf jeden Fall rum. Für das Gericht ist auch die ZU ordnungsgemäß. Du musst erst mal Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Also, um den Sachverhalt mal zu entwirren... (ich hatte mich bisher bewusst sehr allgemein gehalten wg. des Rechtsberatungsverbots).

    Ein Kollege rief mich gestern an, er fürchte, einen Haftpflichtfall produziert zu haben (wär dann der zweite in dieser Woche).

    Der dortige Mandant wohnte früher bei seinen Eltern, zog dann aber ins Ausland. Der Gläubiger hatte nur die Uraltadresse bei den Eltern, so dass MB und VB dort zugestellt wurden. Der Mandant des Kollegen wurde von den Eltern nicht rechtzeitig informiert. Dann ging es weiter, wie unter # 1 geschildert. Der Titel ist materiell falsch, d. h. die Forderung besteht nachweislich nicht oder nicht mehr. Der Kollege hat allerdings den Fall mehrere Wochen liegen lassen, befürchtet daher die Haftung (Wiedereins. und Einspruch versäumt). Das wäre nicht so, wenn die Zustellung unwirksam und auch nicht geheilt ist.

  • Anders die von mir oben zitierte BGH-Entscheidung:
    Mangels Zustellung kein Lauf der Frist, daher auch keine Verspätung, daher keine Wiedereinsetzung erforderlich.



    Das ist ja schön und gut, aber wie bekommt man den Titel aus der Welt? :confused:

    Ich hätte nämlich auch vorrangig an eine Wiedereinsetzung gedacht.

  • Mal sehen, ob das hier hilft

    Musielak,
    Kommentar zur Zivilprozessordnung,
    5. Auflage 2007 zu § 189 ZPO:

    Das Schriftstück muss so in den Machtbereich des Adressaten gelangt sein, dass er es behalten konnte und Gelegenheit zur Kenntnisnahme vom Inhalt hatte. Eine missglückte Ersatzzustellung kann geheilt werden, wenn der Adressat das zuzustellende Schriftstück „in die Hand bekommen“ hat. Der Zugang kann im Freibeweisverfahren nachgewiesen werden. Es muss der Person zugegangen sein, an welche die Zustellung dem Gesetz entsprechend gerichtet war oder hätte gerichtet werden können. Ist ein Prozessbevollmächtigter bestellt, muss deshalb nach § 172 ihm das Schriftstück zugegangen sein; der Zugang bei der Partei ist ohne Bedeutung. Ging das Schriftstück dem Anwalt zu, bevor er zum Prozessbevollmächtigten bestellt wurde, wird geheilt, wenn er später bevollmächtigt wird und zu diesem Zeitpunkt noch im Besitz des Schriftstücks ist. Ist die Partei prozessunfähig , muss die Sendung dem gesetzlichen Vertreter zugehen, es sei denn, dass ein Prozessbevollmächtigter bestellt ist. Ohne Bedeutung ist der Zugang bei einer der Ersatzpersonen des § 178, weil an diese Personen die Zustellung nach dem Gesetz nicht gerichtet werden kann. Bei Zustellungen nach §§ 174, 195 genügt der Zugang allein nicht. Zusätzlich muss noch die Empfangsbereitschaft des Adressaten, dh. die Bereitschaft, das Schriftstück als zugestellt entgegenzunehmen, festgestellt werden können.

    • Zustellungsmangel; § 189 gilt für Mängel des Zustellungsvorgangs und für Mängel des zuzustellenden Schriftstücks (zB Fehlen des Ausfertigungsvermerks, der Richterunterschriften), BGH NJW 1965, 104, str.
    • Zugang: das ist der Fall, wenn das Schriftstück gegenständlich in die Hände des Adressaten gelangt ist (OLG Dresden NJ 2001, 47; vgl BGH Rpfleger 2001, 360); es genügt nicht, dass das Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten gelangte, dass er Gelegenheit zur Kenntnisnahme hatte. Wird an den Minderjährigen statt an seine Mutter zugestellt (Verstoß gegen § 170), kommt es darauf an, wann die Mutter Kenntnis und Besitz am Schriftstück erlangte; wird an die Partei selbst anstatt an den Mandanten zugestellt (Verstoß gegen § 172), kommt es darauf an, wann der Mandant das Papier seinem Anwalt zum Besitz und zur Kenntnisnahme übergibt; wird an eine unerlaubte Person ersatzweise zugestellt, kommt es auf den tatsächlichen Zugang beim Adressaten an.
    • Zustellungswille des Zustellungsveranlassers (BGH NJW 2003, 1192). Ist Zustellung der Klage verfügt, wird diese aber versehentlich nur formlos mitgeteilt, ist http://www.insolvenzrecht.de/inhalte/suche/…msearch_match_6Heilunghttp://www.insolvenzrecht.de/inhalte/suche/…msearch_match_8 möglich (BGH LM Nr. 5). Auch missglückte Ersatzzustellung kann heilen, wenn der Adressat das Schriftstück bekommen hat (BGH NJW 2001, 1946). Anders, wenn der Bekl durch Einsicht in die Gerichtsakte Kenntnis von der Klage erhält (BayObLG NJW 2004, 3722 [BayObLG 16.06.2004 - 2 Z BR 253/03]) oder daraus ein Antragsdoppel entnimmt (OLG Köln FamRZ 1986, 278) oder das Gericht nur formlose Mitteilung der Klage, zB wegen eines PKH-Antrages, beabsichtigte (BGH FamRZ 1993, 309).



    Aus Zimmermann: ZPO-Kommentar, 7. Auflage 2006

  • Anders die von mir oben zitierte BGH-Entscheidung:
    Mangels Zustellung kein Lauf der Frist, daher auch keine Verspätung, daher keine Wiedereinsetzung erforderlich.



    Das ist ja schön und gut, aber wie bekommt man den Titel aus der Welt? :confused:

    Ich hätte nämlich auch vorrangig an eine Wiedereinsetzung gedacht.



    Das "Aus-der-Welt-Schaffen" ist wohl das kleinere Problem: Wenn statt "Wiedereinsetzung + Einspruch" der Einspruch allein genügt, weil die Wiedereinsetzung mangels Frist-in-Lauf-Setzens (da fehlerhaft zugestellt und nicht geheilt) und somit mangels Frist-Ablaufs unnötig ist, wird der VB als Titel im streitigen Verfahren aufgehoben.

  • Ich denke, an dem Wiedereinsetzungsantrag kommt dein Kollege nicht vorbei. Hier ist es ja so, dass nach Aktenlage der VB erlassen wurde und auch "ordnungsgemäß" zugestellt wurde - in der Akte dürfte sich eine ordentliche ZU befinden. Der Schuldner hat sicher den gleichen Namen wie seine Eltern, so dass hier bei der Zustellung kein Problem aufgetreten ist. Und die Eltern hatten sich nicht an das Gericht gewandt und mitgeteilt, dass ihr Sohn überhaupt nicht mehr dort wohnt.
    Der VB ist nach Aktenlage inzwischen rechtskräftig geworden, es geht also kein RM mehr.
    Nun kann man nur mit einem Wiedereinsetzungsantrag kommen und dort die unwirksame Zustellung beweisen mittels Vorlage einer Meldebescheinigung, wo draus hervorgeht, dass der Sohn zum Zeitpunkt der Zustellung dort nicht mehr polizeilich gemeldet war. Das ist zu prüfen und wenn vom Gericht mittels Beschluss dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben wurde, ist der Zustand vor ZU des VB wieder hergestellt und es gibt auch wieder die Möglichkeit des Einspruchs.

  • @ beldel:

    Den Kollegen wird's nicht freuen, denn dann hätte er ja selber unverzüglich reagieren müssen.

    Allerdings hatte ich vor Jahren einmal selbst einen Fall, in dem der Mandant einen Vollstreckungsbescheid (wegen einer fast dreißig Jahre alten Forderung!) an seine alte Adresse erhielt. Die Post stellte dort alles durch Einwurf in den nachweislich nicht mehr beschrifteten und mit Umzugshinweis versehenen Briefkasten zu. Nach meiner Auffassung bedurfte es keiner Wiedereinsetzung, sondern nur des Einspruchs; dennoch habe ich höchst vorsorglich auch eine Wiedereinsetzung beantragt, aber richtigerweise nicht erhalten, da auch das Amtsgericht es so sah wie ich, dass der Einspruch genügt.

    Warum sollte es im Fall des Kollegen anders sein? Die Wirksamkeit der Zustellung ist meines Wissens nach den Zustellungsvorschriften durchzuprüfen, auch wenn eine Zustellungsurkunde existiert.

  • Dann soll er es doch mal versuchen. Ich kann dir nur sagen, wie ich es bei uns einige Male erlebt habe. Wenn der Einspruch eingegangen ist, hat das Mahngericht sofort an das Streitgericht abgegeben. Wenn eine ZU in der Akte war, galt die erst mal als richtig. Im Streitverfahren hat dann der der Richter aufgrund der vorgelegten Beweise geprüft, ob er die Wiedereinsetzung zulässt und das streitige Verfahren durchführt.

  • Dann soll er es doch mal versuchen. Ich kann dir nur sagen, wie ich es bei uns einige Male erlebt habe. Wenn der Einspruch eingegangen ist, hat das Mahngericht sofort an das Streitgericht abgegeben. Wenn eine ZU in der Akte war, galt die erst mal als richtig. Im Streitverfahren hat dann der der Richter aufgrund der vorgelegten Beweise geprüft, ob er die Wiedereinsetzung zulässt und das streitige Verfahren durchführt.



    So hat es nach meiner Ansicht auch zwingend zu laufen.

  • Sehe ich anders.
    Eine ordnungsgemäß ausgefüllte Zustellungsurkunde begründet ersteinmal den Anscheinsbeweis, dass ordnungsgemäß zugestellt wurde. Dieser Anscheinsbeweis kann jederzeit wiederlegt werden. Es bedarf daher m.E. keines Wiedereinsetzungsverfahrens.
    Soweit die juristische Seite, die praktische kann einen Wiedereinsetzungsantrag dennoch empfehlen, damit sich das Gericht auch wirklich ernsthaft mit der Sache beschäftigt.
    Auch die in #1 angesprochene Heilung kann nicht eintreten, da die Aushändigung einer Kopie die Ausfertigung nicht ersetzen kann. Selbst eine vom Gericht zugestellte Kopie begründet keine wirksame Zustellung.

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