Empfangsbekenntnis "i.A" unterschreibbar?

  • Ein anderer Sachverhalt, aber es geht auch um die Anwaltsunterschrift:


    Ein mittels Blankounterschrift des Rechtsanwalts weisungsgemäß erstellter bestimmender Schriftsatz erfüllt die gesetzlichen Formerfordernisse nur, wenn der Anwalt den Inhalt des Schriftsatzes so genau festgelegt hat, daß er dessen eigenverantwortliche Prüfung bestätigen kann. An einer solchen Festlegung fehlt es, wenn der Entwurf einer Berufungsbegründung nach stichwortartig fixierten Vorgaben des Anwalts durch einen Referendar inhaltlich überarbeitet wird, ohne daß der Anwalt die endgültige Fassung der Berufungsbegründung kennt.
    BGH, Beschl. v. 23. Juni 2005 - V ZB 45/04


    Sachverhalt:


    Die Beklagten legten gegen ein Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung ein; die Begründungsfrist lief am 9. Juni 2004 ab. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 2004 ging die Berufungsbegründung per Telefax bei dem zuständigen Landgericht ein. Der Empfangsvorgang begann um 23.58 Uhr und dauerte zwei Minuten und zwanzig Sekunden. Die ersten fünf Seiten des Schriftsatzes wurden vor Mitternacht übertragen, die weiteren drei Seiten, darunter diejenige mit der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, erst danach.

    Die Beklagten haben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und dazu ausgeführt: Die von einem Referendar entworfene Berufungsbegründung sei von ihrem Prozeßbevollmächtigten am Abend des 9. Juni 2004 durchgesehen und mit dem Referendar besprochen worden. Der Entwurf habe danach an einigen Stellen ergänzt und rechtlich überarbeitet werden sollen. Der Referendar sei beauftragt worden, die handschriftlich und stichwortartig fixierten Korrekturen vorzunehmen und den endgültigen Schriftsatz am Computer selbst fertigzustellen.

    Gegen 21 Uhr habe ihr Prozeßbevollmächtigter die Kanzlei verlassen müssen. Er habe die noch nicht fertiggestellte Berufungsbegründung unterschrieben und den Referendar angewiesen, den Schriftsatz ergänzt um die noch ausstehenden Änderungen dem Landgericht per Fax zu übermitteln. Um 23.25 Uhr habe der Prozeßbevollmächtigte in der Kanzlei angerufen und festgestellt, daß die Berufungsbegründung noch nicht abgeschickt worden sei. Er habe den Referendar angewiesen, dies nun schnellstmöglich zu tun. Diesem sei es nach Beendigung seiner Arbeit gegen 23.40 Uhr wegen Schwierigkeiten mit der Druckersoftware erst nach weiteren zehn Minuten gelungen, den Schriftsatz auszudrucken. In der Eile habe er dann versehentlich die Nummer des Amtsgerichts angewählt. Er habe dies unmittelbar nach Einleitung des Sendevorgangs bemerkt, den Schriftsatz erneut in das Faxgerät eingelegt und an das Landgericht geschickt, wo er allerdings erst 20 Sekunden nach Mitternacht vollständig eingegangen sei.


    Das LG hat die Berufung der Bekl. unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

  • Auch ein unleserlicher Schriftzug auf einem Empfangsbekenntnis kann eine rechtswirksame Unterschrift im Sinne des § 174 Abs 4 ZPO iVm § 202 SGG sein.

      LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.07.2010, L 2 R 158/10

    In den 1970er Jahren hatte der BGH noch die Lesbarkeit einzelner Buchstaben gefordert.

    "Die Rechtsprechung des BGH hat sich hinsichtlich der Anforderungen an die Unterschrift inzwischen geändert und dem Umstand Rechnung getragen, dass im Hinblick auf die mit dem Einsatz moderner Kommunikationstechniken verbundene Lockerung der Formvorschriften eine weniger strenge Handhabung der Grundsätze über die Unterschrift angezeigt ist."
    Das LSG meint durchaus lebensnah:
    "Denn es ist zu berücksichtigen, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung die Leserlichkeit einer Unterschrift gerade bei Personen, die aus beruflichen Gründen tagtäglich eine Vielzahl von Unterschriften zu leisten haben, im Laufe der Zeit abnimmt. Dies kann nicht dazu führen, dass der Urheber schließlich damit rechnen muss, ab einem bestimmten Abschleifungsgrad nicht mehr rechtswirksam zu unterzeichnen."
    Das Gericht begründet erstaunlich ausführlich, warum der mit dem Buchstaben “C” des Familiennamens der Urheberin und mit einer flach ansteigenden, langgezogenen Welle beginnende und mit einem Aufstrich nach links oben endende Schriftzug als Unterschrift zu qualifizieren ist. Auch der Rest des Schriftzuges sei individuell geprägt und auch nicht von einer derartigen Kürze, dass er nur als Handzeichen oder Paraphe gewertet werden könnte. Die Individualität der Unterschrift werde dabei nicht an ihrer Leserlichkeit gemessen; maßgeblich sei der Wille der Namensunterzeichnung in Abgrenzung von einer Abkürzung oder Paraphe. 

  • Interessant. Die Entscheidung werde ich mir am WE mal zu Gemüte führen. Ich habe noch eine Entscheidung des BGH im Hinterkopf, in der dieser eine Unterschrift, die einem "liegenden Fleischerhaken" ähnelte, als nicht rechtsgültige Unterzeichnung bemängelte. :cool:

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!