Urteilsanmerkungen/Kommentare


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    Das AG Dresden hat im Ergebnis den Vollzug des PfÜbs für dieDauer des InsO-Verfahrens ausgesetzt und dabei auf den Beschluss des BGH v.21.9.2017 (IX ZR 40/17) verwiesen.


    Dann handelt es sich lediglich um eine Beschluss im Rahmen der richterlichen Entscheidung über eine Erinnerung nach § 89 Abs. 3 InsO und § 766 ZPO? Dann wäre die Entscheidung ja normal und nicht revolutionär. Ich hatte es so verstanden, dass der Rpfl. des Insolvenzgerichts das auf Antrag eines Beteiligten gemacht hat.


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    Das AG Dresden hat im Ergebnis den Vollzug des PfÜbs für dieDauer des InsO-Verfahrens ausgesetzt und dabei auf den Beschluss des BGH v.21.9.2017 (IX ZR 40/17) verwiesen.


    Dann handelt es sich lediglich um eine Beschluss im Rahmen der richterlichen Entscheidung über eine Erinnerung nach § 89 Abs. 3 InsO und § 766 ZPO? Dann wäre die Entscheidung ja normal und nicht revolutionär. Ich hatte es so verstanden, dass der Rpfl. des Insolvenzgerichts das auf Antrag eines Beteiligten gemacht hat.

    Liest sich tatsächlich so wie du es verstanden hattest. Von einem Erinnerungsverfahren oder von einer Abhilfe lese ich nichts.

  • BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2018 - IX ZB 31/18

    Das Beschwerdegericht ist an seine Entscheidung über die Vergütung des Insolvenzverwalters in entsprechender Anwendung des § 318 ZPO gebunden; es darf sie nicht aufgrund einer Gegenvorstellung nachträglich ändern.

    Zur Unzulässigkeit einer Gegenvorstellung, mit der die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde erstrebt wird.


    Nette Berechnungsmasse, netter Regelsatz, nette Zuschläge.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2018 - IX ZB 31/18 Schade, dass die in der Sache jetzt nicht entscheiden.

    Es wäre ja mal interessant gewesen, wie das rechtliche Problem obergerichtlich gesehen wird: " Dies gelte insbesondere soweit zu klären sei, ob für die Bemessung von Zuschlägen als Vergleichsmaßstab ein vergütungsrechtliches Normalverfahren oder ein vergleichbares Insolvenzverfahren heranzuziehen sei und ob die Bemessung von Zuschlägen auch bei einer vergleichsweise hohen Berechnungsgrundlage gerechtfertigt sei."

    wobei ja die Entscheidung BGH IX ZB 28/14 (dort Rnr. 24) schon einen Fingerzeig gibt.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - I ZR 268/14
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    c) Die Zutat Champagner bestimmt nicht den Geschmack eines als "Champagner Sorbet" bezeichnetenProdukts, wenn das Produkt zwar einen weinerzeugnisartigen Geschmack aufweist, dieser aber nicht vorrangigdurch Champagner, sondern durch andere Inhaltsstoffe hervorgerufen wird. Hierzu ist in einem erstenSchritt der Geschmack des Produkts festzustellen. In einem zweiten Schritt, der die Einholung einesSachverständigengutachtens erfordern kann, ist der Ursache des Geschmacks nachzugehen.

    d) Bestimmt die Zutat Champagner nicht den Geschmack eines als "Champagner Sorbet" bezeichnetenProdukts, so liegt regelmäßig zugleich eine Irreführung im Sinne des Art. 118m Abs. 2 Buchst. c der Verordnung(EG) Nr. 1234/2007 und des Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vor.


    :gruebel:Das kann ja endlos dauern. Erst den Geschmack feststellen, probieren, prüfen und wieder probieren, bis der ganze Saal :laola.

    Und dann noch mit besoffenem Kopf darüber diskutieren, was die Ursache des Geschmacks ist.

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  • Nette Berechnungsmasse, netter Regelsatz, nette Zuschläge.


    Und netter Schlusssatz: „Die dabei gezogenen Schlussfolgerungen mögen im Ergebnis in zulassungswürdiger Weise rechtsfehlerhaft sein; ein willkürlicher Entzug des gesetzlichen Richters liegt darin nicht.“

    Im Zusammenhang mit dem Wegfall des §7 InsO ist derzeit eine Verfassungsbeschwerde wg. willkürlicher Verkürzung des Rechtsweges zur Entscheidung angenommen worden. AZ habe ich gerade nicht zur Hand, kann ich bei Interesse gerne nachreichen.

  • :daumenrau Eine deutliche Klatsche für die Einzelrichterin. Auch dass sie die Sache nicht - wie "nach den Umständen des Falles geboten" - auf die Kammer übertragen, sondern allein entschieden hat, bleibt im Ergebnis ungesühnt.

    Den Verwalter wird's freuen, darf er doch die Vergütung schon vor der Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses entnehmen (AG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 12.12.2018 - 2 IN 121/12). Happy Xmas, war is over:

    "And so this is Christmas
    For weak and for strong
    For rich and the poor ones
    The road is so long."

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • :daumenrau Eine deutliche Klatsche für die Einzelrichterin. Auch dass sie die Sache nicht - wie "nach den Umständen des Falles geboten" - auf die Kammer übertragen, sondern allein entschieden hat, bleibt im Ergebnis ungesühnt.

    Den Verwalter wird's freuen, darf er doch die Vergütung schon vor der Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses entnehmen (AG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 12.12.2018 - 2 IN 121/12). Happy Xmas, war is over:

    "And so this is Christmas
    For weak and for strong
    For rich and the poor ones
    The road is so long."


    Das Thema "Entnahme vor Rechtskraft" ist ja nun nicht wirklich neu.

    Ich finde es nur sehr spannend, dass man auf einen Beschluss vom 16.11.2018 dann am 04.12.2018 wegen "Rechtskraft" ins Rechtsmittel geht, welches dann am 13.12.2018 entschieden wird. Kann man mir als Laie den Nutzen erklären, außer :2aetsch: ich habe Recht ??

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  • BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - IX ZB 8/17
    Bei einer Lebensversicherung gehören Ansprüche auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall, die dem Schuldner als Versicherungsnehmer oder aufgrund eines unwiderruflichen Bezugsrechts zustehen, bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls zur Insolvenzmasse.

    Ansprüche des Schuldners auf die Todesfall- oder Erlebensfallleistung aus einer für die betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherung unterliegen der Nachtragsverwaltung, soweit die Ansprüche in die Insolvenzmasse fallen.

    Die "lange Marsch-Entscheidung" des BGH, da kann man die Wiedervorlagefrist mit dem Renteneintrittsalter abstimmen und vielleicht auch zwischendurch mal schauen ob der Schuldner noch in den Gauvhof einkaufen geht.

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  • BGH vom 10.01.2018, IX ZB 40/18, Rn. 10:

    Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde, in solchen Fällen dürfe der Erlös aus dem Anfechtungsanspruch als durchlaufender Posten nicht zur Erhöhung der Berechnungsgrundlage führen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Dabei kann dahinstehen, ob rückfließende Beträge und durchlaufende Gelder die Berechnungsgrundlage stets erhöhen oder außer Betracht zu bleiben haben. Aus § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV ergibt sich, dass Vorschüsse zur Durchführung des Insolvenzverfahrens sowie Zuschüsse Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans außer Betracht bleiben. Das gilt erst recht für Darlehen, die zur Erfüllung des Insolvenzplans zur Verfügung gestellt werden (BGH, Beschluss vom 17. März 2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 Rn. 11). Einzelne Stimmen wollen dies auf von der Masse verauslagte Prozess-, Vollstreckungsund Anwaltskosten, die der Gegner später erstattet, sowie auf rechtsgrundlose Leistungen des Insolvenzverwalters erstrecken, die der Bereicherungsschuldner an die Masse zurückerstattet (vgl. MünchKomm-InsO/Riedel, 3. Aufl., § 1 InsVV Rn. 41 ff; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. März 2015 - IX ZR 164/14, WM 2015, 733 Rn. 23).

    Hiermit ist die vom Insolvenzverwalter erwirkte Leistung auf den Anfechtungsanspruch nicht vergleichbar. Insbesondere ergibt sich daraus kein Rechtssatz, wonach durchlaufende Posten bei der Berechnungsgrundlage stets unberücksichtigt bleiben.

    Hätte man das an dieser Stelle nicht einmal klären können ?

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  • BGH vom 10.01.2018, IX ZB 40/18, Rn. 10:

    Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde, in solchen Fällen dürfe der Erlös aus dem Anfechtungsanspruch als durchlaufender Posten nicht zur Erhöhung der Berechnungsgrundlage führen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Dabei kann dahinstehen, ob rückfließende Beträge und durchlaufende Gelder die Berechnungsgrundlage stets erhöhen oder außer Betracht zu bleiben haben. Aus § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV ergibt sich, dass Vorschüsse zur Durchführung des Insolvenzverfahrens sowie Zuschüsse Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans außer Betracht bleiben. Das gilt erst recht für Darlehen, die zur Erfüllung des Insolvenzplans zur Verfügung gestellt werden (BGH, Beschluss vom 17. März 2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 Rn. 11). Einzelne Stimmen wollen dies auf von der Masse verauslagte Prozess-, Vollstreckungsund Anwaltskosten, die der Gegner später erstattet, sowie auf rechtsgrundlose Leistungen des Insolvenzverwalters erstrecken, die der Bereicherungsschuldner an die Masse zurückerstattet (vgl. MünchKomm-InsO/Riedel, 3. Aufl., § 1 InsVV Rn. 41 ff; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. März 2015 - IX ZR 164/14, WM 2015, 733 Rn. 23).

    Hiermit ist die vom Insolvenzverwalter erwirkte Leistung auf den Anfechtungsanspruch nicht vergleichbar. Insbesondere ergibt sich daraus kein Rechtssatz, wonach durchlaufende Posten bei der Berechnungsgrundlage stets unberücksichtigt bleiben.

    Hätte man das an dieser Stelle nicht einmal klären können ?

    Das wäre echt nicht schlecht gewesen. zumal die das ja selbst aufgebracht haben in der Entscheidung. Aber irgendwie machen die das ja immer so. Die interessanten Fragen werden aufgeworfen und dann kommt, dass sie hier nicht da drüber entscheiden.

    Mich erinnert das immer an früher, wenn ein Lied im Radio gespielt wurde, das man gut fand und unbedingt wissen wollte, wie das Lied heißt; und der Moderator im Radio sagte: viele denken jetzt, das Lied heißt …, heißt es aber nicht... kommen wir zum nächsten Song... ;)

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  • Aus meiner Sicht handelt es sich bei einem solchen nichtssagenden Verweis ("einzelne Stimmen") um einen typischen Ausfluss der unterschiedlichen Meinungen und der wechselnden Mehrheitsverhältnisse innerhalb des IX. Zivilsenats. Motto: Gestern hat der Senat in Besetzung K/Ge/P/Gr/M das so gesehen, heute ist die Besetzung K/Gr/M/S/R unentschieden, aber morgen entscheidet die Besetzung K/?/?/?/? das Gegenteil. Und der Rechtsanwender kann im Kaffeesatz lesen.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • IX ZR 246/17 vom 21.02.12019: Ein Zahlungsdiensterahmenvertrag (Girovertrag) stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag dar, der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt.

    Rn .11 Ein Girokonto wird aufgrund eines Girovertrags geführt. Bei diesem handelt es sich um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 BGB (BT-Drucks. 16/11643, S. 102; Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 675f Rn. 10) und damit um einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1, § 675c Abs. 1 BGB). Als solcher erlischt der Girovertrag gemäß §§ 115, 116 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2006 - XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121 Rn. 11; vom 5. März 2015 - IX ZR 164/14, WM 2015, 733 Rn. 9). Eine Weiterführung des Kontos nach Insolvenzeröffnung ist nur im Rahmen eines neuen Girovertrags möglich; dieser kann auch konkludent geschlossen werden durch beiderseitige Fortführung der Geschäftsbeziehung 11 (FK-InsO/Wegener, 9. Aufl., § 116 Rn. 44; Jaeger/Jacoby, InsO, § 116 Rn. 115; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2008, § 115 Rn. 20a; vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1990 - XI ZR 217/89, ZIP 1991, 155, 156). Erforderlich ist ein Verhalten der Parteien, aus dem sich der rechtsgeschäftliche Wille entnehmen lässt, den erloschenen Zahlungsdiensterahmenvertrag erneut abzuschließen.

    Rn 12. Ein auf diese Weise neu abgeschlossener Girovertrag kommt mit der Masse zustande, sofern ein dem Insolvenzverwalter, auf den gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen übergegangen ist, mit einem entsprechenden Erklärungsinhalt zurechenbares Verhalten vorliegt. Führt der Schuldner persönlich die bisherige Geschäftsbeziehung mit der Bank fort, kommt es nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) darauf an, ob das beiderseitige Verhalten als ein Neuabschluss eines Girovertrags zwischen Bank und Schuldner persönlich zu verstehen ist. Auch wenn der Schuldner persönlich einen neuen Girovertrag abschließt, sind die Ansprüche aus diesem Girovertrag nur dann insolvenzfrei, wenn für beide Vertragsteile besondere Umstände erkennbar sind, aus denen sich ergibt, dass gerade ein Konto geführt werden soll, das - etwa als Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO oder als Konto im Rahmen der freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners - zum insolvenzfreien Vermögen gehört. Fehlt es an solchen Umständen, fallen die Ansprüche aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag insgesamt als Neuerwerb gemäß § 35 Abs. 1 Fall 2 InsO in die Masse.

    Ist das jetzt das Ende der Diskussion, ob ein P-Konto mit Eröffnung des Verfahrens erlischt? Kann das Kontoguthaben des erloschenen P-Kontos nahtlos auf ein neues P-Konto transferiert werden?

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  • IX ZR 246/17 vom 21.02.12019: ...

    Auch wenn der Schuldner persönlich einen neuen Girovertrag abschließt, sind die Ansprüche aus diesem Girovertrag nur dann insolvenzfrei, wenn für beide Vertragsteile besondere Umstände erkennbar sind, aus denen sich ergibt, dass gerade ein Konto geführt werden soll, das - etwa als Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO oder als Konto im Rahmen der freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners - zum insolvenzfreien Vermögen gehört. Fehlt es an solchen Umständen, fallen die Ansprüche aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag insgesamt als Neuerwerb gemäß § 35 Abs. 1 Fall 2 InsO in die Masse.

    Ist das jetzt das Ende der Diskussion, ob ein P-Konto mit Eröffnung des Verfahrens erlischt? Kann das Kontoguthaben des erloschenen P-Kontos nahtlos auf ein neues P-Konto transferiert werden?

    Deine 2. Frage kann doch aus dem letzten Teil der zitierten Entscheidung eindeutig mit Nein beantwortet werden.

  • BGH vom 07.02.2019, IX ZR 47/18 ist eine deutliche Absage an das Rechtsanwaltsanderkonto im Insolvenzverfahren.

    Wie reagiert Ihr darauf? Mit einer Anweisung an alle IV nur noch Sonderkonten zu führen? Auch alle laufenden Verfahren umzustellen?

    Da bin ich mir auch nicht so sicher. Muss man auf jeden Fall mit den Verwaltern besprechen. Und ich meine, die Entscheidung ist eindeutig. Insofern wird man auch alle lfd. Verfahren umstellen (müssen), wenn denn ein Anderkonto eingerichtet ist.

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  • Anderkonto, Sonderkonto und Problem für die Insolvenzgerichte


    A. Einleitung
    nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 192/07 - tauchte bei mir zum ersten Mal die Frage auf, ob Insolvenzgerichtliches Handeln veranlasst sei.
    Bis zur Kenntnisnahme dieser Entscheidung war mir ehrlich gesagt der Unterschied zwischen einem Anderkonto und einem Sonderkonto nicht bewusst.
    Worauf ich schon immer geachtet habe, war, dass das Konto (egal in welcher Struktur) jedenfalls in offener Treuhand geführt wird und verfahrensbezogen angelegt wurde.
    Die Entscheidung BGH, Urteil vom 07. Februar 2019 – IX ZR 47/18 - könnte möglicherweise zum Handeln Anlass geben.

    U[FONT=&quot]nterschiede Anderkonto - Sonderkonto[/FONT]
    [FONT=&quot] [/FONT]
    [FONT=&quot]Anderkonto:[/FONT][FONT=&quot] in offener Treuhand geführt (A.: Sammel-AK nur bei RA zulässig); Kontoinhaber ist der „Treuhänder“ als Privatperson[/FONT]
    [FONT=&quot]InsO §§ 35, 55[/FONT]
    [FONT=&quot]Zahlungen, die auf einem von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter oder Treuhänder eingerichtetes Anderkonto eingehen, fallen weder in das Schuldnervermögen noch in die Masse, sondern stehen ausschließlich dem Anwalt zu.[/FONT]
    [FONT=&quot]BGH, Urteil vom 18. 12. 2008 – IX ZR 192/07; LG Berlin (http://lexetius.com/2008,4050)[/FONT]
    [FONT=&quot] [/FONT]
    [FONT=&quot]Sonderkonto:[/FONT][FONT=&quot] wird vom Treuhänder eingerichtet für einen Dritten mit Verfügungsausschluss des Dritten; Kontoinhaber ist der Dritte; verfügungsbefugt ist der „Ermächtigungs-Treuhänder“.[/FONT]
    [FONT=&quot] [/FONT]
    [FONT=&quot] [/FONT]
    [FONT=&quot]Schuldnerkonto[/FONT]
    [FONT=&quot]InsO § 55 Abs. 1 Nr. 3, § 63 Abs. 1 Satz 2; InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1; GKG § 58 Abs. 1; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 3[/FONT]
    [FONT=&quot]Wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge einer Namensverwechslung irrtümlich eine Überweisung auf ein Konto des Schuldners erbracht, mindert sich der Bereicherungsanspruch in Höhe der durch die Zahlung zum Nachteil der Masse verursachten Kosten.[/FONT]
    [FONT=&quot]Der durch eine irrtümliche Überweisung erlangte Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen seine Bank erhöht die Berechnungsgrundlage für die Kosten des Insolvenzverfahrens.[/FONT]
    [FONT=&quot] [/FONT]
    [FONT=&quot]B. Entscheidung vom 7. Februar 2019[/FONT]
    I. Sachverhalt
    1.
    · vorl. Verw. eröffnet Anderkonto bei der K-Bank, dieses wird nach Eröffnung vom sodann bestellten Verwalter (personenidentisch) weitergeführt

    · im Berichtstermin erfolgt eine Beschlussfassung der GLV zur Hinterlegungsstelle nicht; Protokoll enthält die „Feststellung“ dass die Hinterlegungsstelle Kto. .. bei der k-Bank eingerichtet ist
    · Veruntreung durch den Verwalter indem er (588 TEUR) auf Kanzleikonten überweist
    · Entlassung und Einsetzung IV (neu) = Kläger
    2.
    · Kläger verklagt k-Bank auf Zahlung; I. Instanz spricht zu, II. Instanz weist Berufung der beklagten Bank zurrück

    · BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist zurück
    II. Entscheidungsgründe
    1.
    · OLG ist unrichtigerweise davon ausgegangen, die Beklagte hafte aus § 149 InsO, da sie die Zweckwidrigkeit habe erkennen müssen
    1. Es liegt keine Bestimmung der Hinterlegungsstelle i.S.v. § 149 II InsO vor, da kein Beschluss gem. § 76 InsO gefasst wurde
    2. Unabhängig davon trifft die Bank selbst bei einer Bestimmung der Hinterlegungsstelle i.S.v. § 149 Ii InsO keine besonderen Pflichten
    3. Rechte und Pflichten der Hinterlegungsstelle richten sich nach den allgemeinen Vorschriften
    2. aus den weiteren Gründen

    · § 149 ist keinerlei Haftungsgrundlage gegenüber einer Hinterlegungsstelle
    · Bei Evidenz einer Veruntreuung ergibt sich Warnpflicht gegenüber dem Kunden
    · Gilt auch beim (Insolvenz-) Sonderkonto, wenn die Insolvenzzweckwidrigkeit evident ist (wird im weiteren der Entscheidung noch konkretisiert
    3. aus den weiteren Gründen (jetzt wird’s spannend)
    · Keine Kundenbeziehung zwischen der beklagten Bank und der Insolvenzmasse; eine Warnpflicht besteht nur gegenüber dem Kunden der Bank
    · Bei einem Sonderkonto besteht diese Warnpflicht
    · Die Warnpflicht besteht gegenüber dem Insolvenzgericht; sofern ein GLA bestellt ist, diesem gegenüber, sofern dieser der Bank bekannt ist (Grund: Aufsichtspflicht !)
    · Keine Warnpflicht gegenüber dem Schuldner, da dieser nicht mehr verwaltungs- und verfügungsbefugt ist
    · Vorliegend scheidet Haftung der Bank aus, da es keine Warnpflichten gab; Geschäftsbeziehung nur zwischen dem Kontoinhaber und Bank gegeben war
    4. aus den weiteren Gründen (wird jetzt wirklich spannend)
    · Einrichtung eines Anderkontos „war unzulässig“[FONT=&quot][1][/FONT]
    · „Die Führung eines Kontos, das nicht die Masse selbst als materiell berechtigt ausweist, als Insolvenzkonto ist unzulässig und pflichtwidrig“
    · mit Anlage eines Anderkontos leitet der Insolvenzverwalter Masse zugehöriges Vermögen in sein eigenes Vermögen über
    · daran ändert auch ein Beschluss der Gläubigerversammlung nichts (der Insolvenzverwalter bleibt Vollrechtsinhaber)
    · regelmäßig besteht keine Verpflichtung der Bank, Verfügungen des Vollrechtsinhabers auf deren Zweckmäßigkeit hin zu prüfen
    5. Gründe für die Zurückweisung
    im weiteren weist der Senat darauf hin, das OLG habe zwar konsequent einen Anspruch aus § 826 BGB nicht geprüft, den Parteien sei jedoch noch Gelegenheit zu geben, hierzu vorzutragen. Es folgen weitere Ausführungen zu den Grundlagen einer Haftung nach § 826 BGB, die jedoch Insolvenz gerichtlicherseits nicht weiter von Interesse sind, weshalb hier von einer weiteren Ausführung abgesehen wird.

    C. Folgerungen für die insolvenzgerichtliche Praxis
    I. Scheiße am Schuh
    · der BGH hat – wenn auch obiter dictum – festgestellt, dass die Einrichtung eines Anderkontos pflichtwidrig ist
    · dies zwingt die Insolvenzgerichte dazu, die Art der Einrichtung des „Verfahrenskontos“ zu überprüfen
    · unterlässt das Insolvenzgericht eine entsprechende Prüfung, könnten sich hieraus Ansprüche nach § 839 BGB ergeben
    · die Überwachungspflicht des Insolvenzgerichts dürfte nicht dem Spruchrichterprivileg unterliegen, mit anderen Worten: Knickt euch eure Pensionsansprüche im worst-case-scenario
    II. Eröffnungsverfahren
    1. sog. starke Verwaltung
    · Verwalter hat dem Gericht per Banknachweis valide Bescheinigung über die Anlage eines Sonderkontos nachzuweisen
    2. sog. schwache Verwaltung
    · Gerichtliche Ermächtigung zur Führung eines Sonderkontos (sofern zur Forderungseinziehung etc. ermächtigt wurde)
    · Unverzüglicher Nachweis entsprechender Kontoeinrichtung
    3. vorläufige Sachwaltung
    · Wenn Ermächtigung der Kassenführungsbefugnis erteilt wurde, dann wie 2.
    4. bei Beteiligung eines vorläufig (vorläufigen) GLA
    · Dieser hat Bestimmungsrecht, jedoch nur zur Anlage zum Sonderkonto
    · Gericht sollte sich entsprechende Anlage nachweisen lassen

    III. eröffnetes Verfahren
    · Nachweis aus dem Eröffnungsverfahren sollte ausreichen, wenn lt. Bericht zur Gläubigerversammlung Konto dasselbe ist
    · Sofern die GLV eine (andere) Hinterlegungsstelle bestimmt, ist das Gericht aufgefordert, die Bestimmung dahingehend ergänzen zu lassen, dass ein „Sonderkonto“ anzulegen ist; unverzüglicher Nachweis hierüber ist gerichtlicherseits anzufordern
    Die Überlegungen zur NTV lass ich mal wech.



    [FONT=&quot][1][/FONT] Was wohl nicht vertragsrechtlich gemeint sein dürfte :D

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Was hat die Kassenführungsbefugnis mit der Kontoführung zu tun, mal abgesehen davon, wer soll diese Ermächtigung erteilen? Was spricht dagegen, ein Konto des Schuldners mit alleiniger Verfügungsberechtigung zu verwenden?

    Unsere Hausbank hat bereits einen schönen Blumenstrauß nach Karlsruhe geschickt und sich herzlich für den zusätzlichen Aufwand und die aufgebürdeten Überwachungspflichten bedankt.
    Ich warte nur darauf, dass solche Konten in naher Zukunft erheblich teurer werden.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Wir sind hier noch am eruieren, wie wir es nun handhaben. Dazu müssen wir natürlich auch wissen, wie und ob die Banken ein bestimmtes System hinbekommen. Habt Ihr denn alle schon die Verwalter zum Handeln aufgefordert? Und habt Ihr eine Handlungsanweisung gegeben oder einfach auf den BGH-Beschluss verwiesen und darauf hingewiesen, dass Ihr das so haben wollt?

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