Vollstreckung ausländischer Titel in Deutschland

  • Hallo und Hilfffffeeee!!!

    Bekomme eine Akte auf den Tisch, dort wird vom Richter um Mitwirkung beim Rpfl. ersucht und zwar bezüglich der Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um in Deutschland einen ausländischen (hier eines portugiesischen) Titel vollstrecken zu können. Es handelt sich um eine Strafsache.

    Bis jetzt gibt es anscheinend schon folgende Hindernisse: nur teilweise Übersetzung des Titels liegt vor, Übersetzung nur von einer Diplom-Übersetzerin unterschrieben, kein offizielles Siegel, keine Anschrift desjenigen, gegen den vollstreckt werden soll.

    Wer kennt sich gut aus in Auslandssachen und kann mir sagen, worauf zu achten ist bzw. wo ich das nachlesen kann (in der RiVASt habe ich nichts passendes gefunden)?:confused:

  • Was soll denn vollstreckt werden in der Strafsache?

    Geldstrafe, Freiheitsstrafe, irgendwelche Kosten (Verfahrenskosten?)?

    Sonst guck doch mal im Forum Strafrecht oder nutzt die Suchen-Funktion.

  • Der Beschuldigte ist verurteilt zur Freiheitsstrafe und Zahlung einer Geldstrafe an den Nebenkläger und Zahlung der Gerichtskosten.

    Der Nebenkläger hat Vollstreckung aus diesem Titel beantragt und die Abnahme der e.V. und Erlass eines HB bei Nichterscheinen.

    Wie gesagt, hat der Präsident mir die Akte vorgelegt mit der Bitte mitzuteilen, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um in Dtl. einen ausländischen Titel zu vollstrecken.

    Irgendwelche Ideen, an welche Voraussetzungen das geknüpft ist????

  • noch mal ne ergänzende Frage:

    Habe mir die Sache gerade nochmal angesehen und dabei festgestellt, dass es hier wahrscheinlich darum geht, dass der Nebenkläger, an den der Verurteilte einen Geldbetrag aus der Strafsache zahlen soll, hier die Vollstreckung aus dem Titel gegen den Verurteilten betreiben will und dies entsprechend beantragt hat. Gleichzeitig beantragt er die Abnahme der e.V. und den Erlass eines HB.

    Gibt es da ev. - wie im umgekehrten Fall, dass mit einem deutschen Titel im europäischen Ausland vollstreckt werden soll und dazu hier zunächst eine Vollstreckbarerklärung des Titels erfolgen muss- auch für meinen Fall ein Gesetz, dass auch in Portugal der Titel erst für vollstreckbar im europäischen Ausland, also Deutschland, erklärt werden muss?

    Mit der Freiheitsstrafenvollstreckung hat es hier zunächst gar nichts zu tun.

  • Es könnte sich um ein Adhäsionsverfahren gehandelt haben, in dem das portugiesische Strafgericht in dem Strafverfahren zugleich über die zivilrechtlichen Schadensersatz- und/oder Schmerzensgeldansprüche des Verletzten (Nebenklägers?) entschieden hat.

    Wenn es so wäre, dann könnte m. E. die EuGVVO Anwendung finden. In diesem Falle wäre meines Erachtens der Vorsitzende der Kammer des Landgerichts für die Entscheidung über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zuständig. Ich würde daher überlegen, die Sache zur zuständigen Entscheidung wegen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung gemäß EuGVVO an den Vorsitzenden der (Zivil)Kammer des Landgerichts zu übersenden, in dessen Bezirk der Verurteilte wohnt.

  • Danke Candide für den Hinweis auf EuGVVO, bin dann auf die entscheidenden sonstigen Hinweise gestoßen und jetzt voll im Bilde. Glaub ich jedenfalls. Danke schön!!!

  • Greife das mal grade wieder auf, einer "meiner" Gerichtsvollzieher hat mich um Rat gefragt, er hat nen Vollstreckungsauftrag von ner französischen Gerichtsvollzieherin bekommen weil der Schuldner in seinem Bezirk wohnt.

    Wo muss er denn - falls er Geld bekommt - hinüberweisen und wie wird das mit den Kosten gehandhabt?

    Es ist ein französischer Titel, dieser ist ins Deutsche übersetzt.

  • Bevor abschließend die Frage beantwortet werden kann, werden noch folgende Angaben benötigt:

    Datum und Art des Vollstreckungstitels (z. B. VU vom ...)
    Welche Unterlagen liegen dem Vollstreckungsauftrag bei?
    Handelt es sich bei der Schuldnerpartei um einen Verbraucher?

  • 1.
    Derzeit werden Entscheidungen, die in den anderen EU-Mitgliedstaaten zuvor nicht als Europ. Vollstreckungstitel bestätigt wurden, noch nicht automatisch im Inland anerkannt.
    Die Gläubigerpartei muss zunächst ein bes. Zwischenverfahren für die Anerkennung im Inland (bekannt als "Exequaturverfahren") beantragen.
    Mit anderen Worten:
    Die Vollstreckung aus dem französischen Urteil ist erst möglich, nachdem das örtlich zuständige inl. Landgericht erklärt hat, dass die Entscheidung in Deutschland vollstreckbar ist.


    2.
    Im vorliegenden Fall findet die VO (EG) Nr. 805/2004 (EG-VollstreckungstitelVO) keine Anwendung, da es sich im vorl. Fall nicht um eine unbestrittene Forderung handelt.

    Aus den vorgenannten Gründen kann daher das zuständige französische Gericht das vorgenannte Urteil nicht als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen bestätigen.


    3.
    Bevor der Vollstreckungsauftrag vom inl. Gerichtsvollzieher erledigt werden kann, sind von der Gläubigerpartei vorzulegen:

    a) die Vollstreckbarerklärung des französischen Urteils durch das
    zuständige inl. Landgericht - Zivilkammer - (§ 8 AVAG),

    b) die Vollstreckungsklausel des zuständigen inl. Landgerichts
    (§ 9 AVAG)

    sowie

    c) das Zeugnis des zuständigen inl. Landgerichts über die Zulässigkeit der uneingeschränkten Zwangsvollstreckung (§ 23 AVAG).


    4.
    Die besonderen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen für die Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung liegen somit noch nicht vor.


    5.
    Das Vollstreckbarerklärungsverfahren richtet sich nach folgenden Rechtsvorschriften:

    5.1
    Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. 12. 2000 (EuGVO) – auch „Brüssel I-Verordnung“ genannt -

    5.2
    Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen vom 19. 02. 2001
    (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG)).


    6.
    Die EuGVO tritt im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich an die Stelle des „Brüsseler Übereinkommens“ (EuGVÜ) bzw. des LugÜ, Art. 68 EuGVO.

    Ziel des neuen Abkommens ist die Vereinheitlichung der Vorschriften über internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen sowie zu Gunsten der Gläubigerpartei eine rasche und unkomplizierte Vollstreckung der Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten zu erreichen.


    7.1
    Der Antrag der Gläubigerpartei auf Vollstreckbarerklärung des franzöischen Urteils ist zu richten an:
    Zivilkammer des Landgerichts, Art. 39 I bzw. Anhang II EuGVO
    i. V. m. § 3 I AVAG;
    die örtliche Zuständigkeit wird durch den Wohnsitz der Schuldnerpartei oder durch den Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, bestimmt, Art. 39 II EuGVO i. V. m. § 3 II AVAG.


    7.2
    Die vorzulegenden Unterlagen ergeben sich aus Art. 50, 53 und 55 EuGVO.

    Der Zivilkammer des örtlich zuständigen Landgerichts sind von der Gläubigerpartei vorzulegen:
    - vollstr. Ausfertigung der ausl. Entscheidung ggfs. mit
    Rechtskraftvermerk
    - Bescheinigung des französischen Gerichts gem. Art. 54 EuGVO (Formblatt in
    Anhang V EuGVO)
    - ggfs. Nachweis über Prozesskostenhilfe im ausl. Verfahren
    sowie ggfs. - auf Anforderung des inl. Gerichts -:
    - Übersetzung der vorzulegenden Urkunden in deutscher Sprache.

    Nicht erforderlich ist dagegen die Erteilung einer Apostille zu den erforderlichen Urkunden, Art. 56 EuGVO.


    8.
    Über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel entscheidet der Vorsitzende der Zivilkammer, Art. 41 EuGVO i. V. m. § 3 III AVAG.
    Die Entscheidung ergeht durch Beschluss;
    ist die inl. Zwangsvollstreckung aus der ausländischen Entscheidung zuzulassen, so beschließt das Landgericht, dass die ausl. Entscheidung mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist, § 8 I AVAG.
    Die Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt durch die zuständige Geschäftsstelle bzw. der zuständigen Serviceeinheit des inl. Landgerichts, § 9 AVAG.
    Der Wortlaut der Vollstreckungsklausel ergibt sich aus § 9 I AVAG.

    Der landgerichtliche Beschluss bzw. die Zulassung der inl. Zwangsvollstreckung aus der ausl. Entscheidung kann von der Schuldnerpartei mit der befristeten Beschwerde angefochten werden;
    die Beschwerdefrist beträgt 1 Monat, Art. 43 EuGVO i. V. m. § 11 AVAG.

    Bis zur Rechtskraft des landgerichtlichen Beschlusses ist die Zwangsvollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen zu beschränken.

    Auf Antrag der Gläubigerpartei ist von der zuständigen Geschäftsstelle bzw. der zuständigen Serviceeinheit des inl. Landgerichts das Zeugnis zu erteilen, dass die inl. Zwangsvollstreckung aus der ausl. Entscheidung uneingeschränkt stattfinden darf, Art. 23 AVAG.
    In der Regel wird das vorgenannte Zeugnis antragsgemäß nach Rechtskraft des landgerichtlichen Beschlusses erteilt.


    9.
    Die Kostenentscheidung in dem (vereinfachten) Vollstreckbarerklärungsverfahren erfolgt aufgrund der §§ 91 ff. ZPO – und nicht nach § 788 ZPO.

    Bei dem Verfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Vollstreckungstitel handelt es sich nicht um ein Vollstreckungsverfahren, sondern um ein Erkenntnisverfahren;
    dieses Verfahren ist noch nicht der Beginn der Zwangsvollstreckung, sondern schafft nur deren Voraussetzungen.

    Die Gläubigerpartei kann die Kosten des (vereinfachten) Vollstreckbarerklärungsverfahrens (Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten) gesondert im Kostenfestsetzungsverfahren titulieren lassen;
    für die Kostenfestsetzung ist jedoch das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zuständig, § 8 I S. 4 AVAG (wegen der darin enthaltenen gesetzlichen Verweisung auf § 788 ZPO).

    vergl. auch Beschluss des OLG München vom 26. 07. 2001
    - 11 W 1926/01 -, Rpfl. 2001, Seite 567 ff.


    10. Ergebnis:


    10.1
    Die besonderen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen für die inl. Zwangsvollstreckung aus dem französischen Urteil liegen somit noch nicht vor.

    Zunächst hat die Gläubigerpartei von dem zuständigen französischen Gericht eine Bescheinigung gem. Art. 54 EuGVO (Formblatt in Anhang I) EuGVO zu erwirken.

    10.2
    Die Gläubigerpartei muss sodann einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des französischen Urteils bei dem örtlich zuständigen inl. Landgericht stellen.

    Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung sind beizufügen:
    - vollstr. Ausfertigung der ausl. Entscheidung ggfs. mit
    Rechtskraftvermerk
    - Bescheinigung des französischen Gerichts gem. Art. 54 EuGVO
    (Formblatt in Anhang V EuGVO)
    - ggfs. Nachweis über Prozesskostenhilfe im ausl. Verfahren
    sowie ggfs. - auf Anforderung des inl. Gerichts -:
    - Übersetzung der vorzulegenden Urkunden in deutscher Sprache.


    10.3
    Für die Überweisung der vom inl. Gerichtsvollzieher ggfs. gepfändeten Geldbeträge an die Gläubigerpartei ist das Zeugnis des zuständigen inl. Landgerichts über die Zulässigkeit der uneingeschränkten Zwangsvollstreckung erforderlich;
    ansonsten können Geldbeträge nur gepfändet werden,
    Art. 47 III EuGVO i. V. m. §§ 18, 23 AVAG.

    Erst nach Vorlage des vorgenannten Zeugnisses können gepfändete Geldbeträge der Gläubigerpartei überwiesen werden.

  • Ich habe hierzu eine ergänzende Frage - habe einen Vollstreckungsauftrag aus Frankreich samt Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel.

    Habe folgendes Problem und finde hierzu nicht...

    Die GV legt mir das vor, weil der Vollstreckungsauftrag in französischer Sprache ist und sie der Sprache nicht mächtig ist.
    Der Vollstreckungsauftrag muss doch sicherlich übersetzt werden? Aber wo steht diesbezüglich etwas?

  • Könnte man nicht damit argumentieren, dass die Gerichssprache deutsch ist und dass es für den Gerichtsvollzieher keine Verpflichtung gibt, einen Auftrag den er nicht lesen kann, zu bearbeiten?
    Wenn man schon nach Artikel 20 Nr. 2 b der EU VT VO ggf. (was auch immer das heißen mag, die VO ist für mich ein absoluter Graus) eine Transkription der Bestätigung verlangen kann, dann muss das doch erst recht für den Auftrag gelten.
    Ich würde einfach bitten, eine Übersetzung des Auftrags beizubringen, mag der Antragsteller ggf. nachweisen, dass das nicht nötig ist.

    Einmal editiert, zuletzt von RoryG (17. Februar 2015 um 08:20)

  • Ruf dieses Thema nochmals auf. Ich habe Probleme mit dem Vollstreckungsverfahren selbst.

    Ein belgischer Gerichtsvollzieher reicht einen belgischen Titel ein (die Vollstreckungsvoraussetzungen scheinen alle gegeben)
    mit dem Antrag: "Bitte führen Sie die Urteil getragen von "Schuldner" aus (Please execute the Judgment).

    Was soll ich nun tun?

    Meiner Meinung nach muss sich auch eine ausländische Partei an die Vorgaben des deutschen Vollstreckungsrechtes halten und dazu ggf. einen deutschen Anwalt beauftragen - oder wie seht Ihr das.

  • Egal ob jetzt die Verordnung 44/2001 oder 1215/2012 gilt, gilt für die Vollstreckung das Recht des Staates in dem vollstreckt werden soll, Art. 40 I bzw. 41 I. Das heißt, dass der belgische GV dir sagen muss, was er gepfändet haben will. Was er an Unterlagen beifügen muss, steht in der jeweiligen VO.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Jetzt muss ich mich auch noch dranhängen:

    Ich habe ein polnischen Urteil aus 2015 gem. der VO 861/2007 nebst dem Formblatt D. So weit, so gut. Jetzt will der Gläubiger vollstrecken. Benötigt der neben dem Formblatt D auch noch die Bescheinigung gem. Art. 53 der VO 1215/2012? Ich würde sagen ja.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Wer ordentlich nachliest: Ich kann meine Frage also selbst beantworten. Es wird auch im Rahmen der VO 861/2007 vollstreckt, so dass ich durch Anlage D brauche.:D

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!