Masseforderung oder nicht Masseforderung

  • Diese Mail einer Kollegin fand ich heut morgen in meinem "Postfach" (weil ich die einzige ihr bekannte Kollegin bin, die in einem Verwalterbüro hockt) und habe die Anfrage bereits an einen Verwalter weitergeleitet. Das Problem scheint nicht so ganz einfach lösbar zu sein.

    Wie handhaben das hier "rumlaufende" Verwalter? Meine letzte Info ist, dass es sich tatsächlich um Massekosten handeln könnte, die bei einer Verteilung zuerst zu bedienen sind. Andererseits bleibt ja die Frage im Raum, ob eine irrtümliche Zahlung, die mit der Schuldnerin gar nichts zu tun hat, sondern jemand anderem zustand, überhaupt Masseforderung werden kann.

  • Als hergelaufene Verwaltermagd will ich mal eine Antwort versuchen.

    Wenn das Geld auf dem Konto des insolventen Unternehmens eingegangen ist, wäre die richtige Variante wohl gewesen, die Überweisung wegen Erlöschens der Geschäftsverbindung etc. zurückzuweisen Wenn die Bank dies nicht tut und das Geld an den Insolvenzverwalter auskehrt, ist die Masse meines Erachtens ungerechtfertigt bereichert. Dies kann auch lange nach Eröffnung des Verfahrens passieren. Die ungerechtfertigte Bereicherung der Masse führt zu einer in der Reihenfolge der §§ 209 ff InsO zu befriedigenden Masseverbindlichkeit. Bei mir gäbe es auch keine Rückzahlung.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Grundsätzlich hat Gegs recht und der Anspruch gegen die Masse richtet ich nach § 55, I Nr. 3 InsO. Da der Geldeingang auch noch die Teilungsmasse erhöht, kann man zu dem fatalen Ergebnis kommen, dass der IV die Masseunzulänglichkeit erklärt und den Betrag zur Deckung der Vergütung mit verwenden kann.

    Allerdings, kannst Du Glück haben, wenn der Verwalter Rechtsanwalt ist. Hier wird häufig ein Anderkonto eingerichtet und kein Sonderkonto. Geldeingänge auf einem Anderkonto sind jedoch nicht der Masse zuzurechnen, ergo kein § 55 InsO. Der Herausgabeanspruch richtet sich gegen den Kontoinhaber, nicht gegen die Masse.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Nach den Daten der Sachverhaltsdarstellung

    - Anzeige Masseunzulänglichkeit 17.03.09
    - Fehlüberweisung 24.04.09

    handelt es sich bei der ungerechtfertigten Bereicherung um eine Neumasseverbindlichkeit, bezüglich derer erst bzw. nur nach erneuter Anzeige der Masseunzulänglichkeit (in der Masseunzulänglichkeit) das Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO gilt. Der Bereicherungsanspruch konkurriert dann auch nicht mit den Altmasseverbindlichkeiten aus der Zeit vor der (ersten) Masseunzulänglichkeitsanzeige, sondern nur mit denen aus der Zeit bis zur ggf. nächsten Anzeige.

    ceterum censeo: Ein Anwalt, der Mandate aus Rechtsgebieten annimmt, die nicht zu seinen Schwerpunktqualifikationen zählen, erhöht seine Chancen, nicht gleich in der Clown-Schublade zu landen, wenn er sich zumindest ein bisschen Mühe gibt, anstatt nur an seinen Fingern zu saugen.

  • Heißt also auch, dass eine Rückzahlung nicht in Frage kommt. Oder doch, solange keine neuerliche Masseunzulänglichkeit angezeigt wird?

  • Die Bank hätte es wohl auch nicht zurücküberweisen dürfen, oder?



    Kommt wohl auf den Einzelfall an, denn wenn die Geschäftsverbindung erloschen ist und vielleicht nur noch ein sogenanntes "Abwicklungskonto" existiert, darf die Bank die Gelder nicht mehr vereinnahmen. Die Sch...-priester tun dies in der Regel aber doch, weil sie dadurch versuchen, ihre Forderungen zu reduzieren. Wie oft ich die Banken im Rahmen des Forderungseinzugs schon beim Mausen erwischt habe...

    @ chick:

    Manchmal ist es eben gut, wenn die Kollegen nicht wissen, wie wir unsere Leichen verstecken.

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  • Heißt also auch, dass eine Rückzahlung nicht in Frage kommt. Oder doch, solange keine neuerliche Masseunzulänglichkeit angezeigt wird?




    Ob mehrfach Masseunzulänglichkeit angezeigt werden kann, ist m.E. streitig.

    Wenn es sich um eine Neumasseverbindlichkeit handelt, danke chick - hatte ich übersehen, muss der Kollege vorrechnen, dass auch Neumasseunzulänglichkeit besteht. Sofern dies der Fall ist, gibt es nix.

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  • Noch mal kurz ich, ob ich´s verstanden hab:

    Die Masseunzulänglichkeitserklärung vom März 09 gilt nur für jene Masseforderungen, die bis zu diesem Tage entstanden sind.

    Die eingegangene Zahlung ist eine Neumasseforderung. Der Verwalter muss entweder nachweisen, dass erneut Masseunzulänglichkeit eingetreten ist oder (umstritten) nochmals Masseunzulänglichkeit erklären.

    Geld gibt es in jedem Falle keines. Sollte es zur Verteilung kommen - was ja wohl offenbar unwahrscheinlich ist - wäre diese Neumasseverbindlichkeit zuerst dran.

  • mehrfach die MUZ anzeigen hilft nichts. Differenziert wird lediglich nach MV vor und nach Erklärung der MUZ.

    zur Unzulässigkeit der wiederholten MUZ OLG Rostock 3 U 164/04 und in der Rev. IX ZR 22/05



    :huldigen: Aber immerhin strittig, vgl.

    - Dinstühler, ZIP 1998, 1697 ff., 1707;
    - Kröpelin, ZIP 2003, 2336;
    - Runkel/Schnurrbusch, NZI 2000, 49,55;
    - BK-Breutigam, InsO, § 208 Rz. 4;
    - MüKo-Hefermehl, § 208 Rz. 60;
    - Uhlenbruck, § 210 Rz. 5;
    - Pape, KTS 1995, 189 ff. und Hdb. InsVerwaltung § 12 Rz. 100 ff.

    Pape liegt auf der Linie des IX. Senats, dem er ja jetzt selbst angehört. Er ist gegen eine (ggf. ständig) wiederholte formelle MUZ. Nach der ersten MUZ soll dem IV das Recht zustehen, den Einwand der Masseerschöpfung zu erheben, wobei ihn hier allerdings die volle Darlegungs- und Beweislast trifft (s.a. BGHZ 154, 358; ZIP 2004 326; 2005, 1519; BAG ZIP 2002, 1261; 2003, 185).

  • hm, hier tun sich Fragen auf...
    Wieso sollte die Bank nicht mehr die Zahlung verbuchen dürfen ? M.E. ist sie auch nach Erlöschen des Kontovertrags sogar noch im Rahmen nachvertraglicher Pflichten sogar hierzu gezwungen.
    Sollte die Zahlung auf das Anderkonto des Verwalters - unmittelbar - überwiesen worden sein, wüsste ich auch nicht, warum dieser (bei einem selbstverständlich in offener Treuhand geführten Konto) dann persönlich Bereicherungsschuldner wäre...
    Gegen die wiederholte Anzeige der MUZ hab ich mich auch früher gewährt (oki, darf ich garnicht prüfen), die dürfte aber zulässig sein, wenn !!!! der Verwalter noch weitere Masseverbindlichkeiten zwingend zu begründen hat.

    m.E. der Grundfall des ersten Buchungssatzes: "Kasse an Lehrgeld"...
    mfg
    def

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Ich denke, ihr habt mit euren Denkanstößen der verzweifelten Kollegin und ihrem Chef ein wenig auf die Sprünge geholfen - wenn auch nicht im Sinne der Mandantschaft. Dankeschön!

    "Kasse an Lehrgeld" ist gut. :)

  • Ich habe ein völlig anders gelagertes Problem, dass sich aber unter Jamies Überschrift absolut super fassen läßt :D.

    Gegen "meinen Schuldner" wurde vor Eröffnung des Insolvenzverfahren ein selbständiges Beweisverfahren anhängig, welches Feststellungen zu mangelhaften Werkeistungen des Schuldners zum Gegenstand hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof wird das Verfahren gemäß § 240 ZPO nicht unterbrochen. Der gegnerische Anwalt hat mir mitgeteilt, dass er davon ausgeht, dass das Verfahren durch den Insolvenzverwalter fortgeführt wird. Eigentlich sehe ich das gar nicht ein, denn die Schadenersatzforderungen sind sämtlichst Insolvenzforderungen. Darüber besteht kein Streit und das mein Schuldner schlampig gearbeitet hat, glaube ich unbesehen. Also Igelstellung einnehmen und abwarten.

    Was mir wirklich Sorge macht, ist die Frage, was mit den Prozesskosten ist, welche nach Eröffnung anfallen. Sind diese Masseverbindlichkeiten? Mir ist erinnerlich, dass bei Aufnahme eines Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter alle Prozesskosten, auch die vor Eröffnung angefallenen Kosten, Masseverbindlichkeiten sind. Aber hier kann ich doch die Fortführung des Verfahrens gar nicht verhindern. Hilfe, die Welt ist ungerecht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wenn das selbständige Beweisverfahren bereits vor Insolvenzeröffnung lief, dann ist ein daraus resultierender Kostenerstattungsanspruch in der Zeit vor Insolvenzeröffnung begründet und stellt m.E. ganz klar eine Insolvenzforderung dar.

    Etwas anderes könnte dann gelten, wenn der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung in dem selbständigen Beweisverfahren Handlungen vornimmt, die neue Kosten auslösen. Dann sind in jedem Fall diese Kosten Masseverbindlichkeiten; wegen der Einheit der Kostenentscheidung könnten aber auch die Kosten, die bis dahin nur Insolvenzforderungen darstellten, zu Masseverbindlichkeiten werden. Dogmatisch habe ich zwar bis heute nicht verstanden, warum die heilige Kosteneinheitskuh am Altar des Insolvenzmetzgers vorbeikommen soll, auf dem sonst alles ordentlich zerlegt wird; aber wenn der IX. Senat nießt, dann muss man sich mit der epidemischen Wirkung eben abfinden.

  • Dann habe ich Dich also richtig verstanden? Wenn ich nichts tue und die Kosten nach Eröffnung durch Handlungen des Gerichts/Gegners ausgelöst werden, bleiben alle Kosten des Beweissicherungsverfahrens Insolvenzforderungen.

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  • Genau so sehe ich das. Sollten die Gerichte das anders sehen, dann gibt es zumindest keine Möglichkeit für den IV, die entsprechenden Masseverbindlichkeiten zu vermeiden.

    Zwar wäre noch denkbar, den Anspruch, der mit dem selbständigen Beweisverfahren verfolgt wird, sofort anzuerkennen. Zum einen erscheint mir da aber das Haftungsrisiko größer, wenn der der Fall nicht absolut eindeutig ist, zum anderen hilft das nur, wenn nicht dogmatisch, sondern unkalkulierbar gelöst wird: Eine klare, dogmatische Lösung sieht m.E. so aus, dass man entweder immer zu einer Masseverbindlichkeit kommt, weil das Verfahren nicht unterbrochen wird (also analog § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO), oder dass man nur bei Verfahrenshandlungen des Verwalters zu einer Masseverbindlichkeit kommt (also § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die unkalkulierbare Lösung wäre, dass man eine Masseverbindlichkeit (nur) dann annimmt, wenn der Verwalter - die Möglichkeit hierzu unterstellt - das Entstehen weiterer Kosten aktiv verhindert, indem er z.B. den zugrunde liegenden Anspruch anerkennt. Hier kommt man immer zum Einzelfallgepopel, wieviel Zeit dem Verwalter zugestanden werden muss, um den Fall zu prüfen, etc., und abgesehen von der Tagesform des Richters bleibt es auch dem Zufall überlassen, ob kostenträchtige Maßnahmen unmittelbar nach Insolvenzeröffnung anstehen und in die "Schonfrist" des Verwalters fallen, oder nicht.

  • zur Ursprungsfrage:

    Ich bin gerade auf die BGH-Entscheidung vom 18.12.2008 IX ZR 192/07 gestossen, wonach " Zahlungen, die auf einem von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter oder Treuhänder eingerichtetem Anderkonto eingehen, weder in das Schuldnervermögen noch in die Masse fallen, sondern ausschließlich dem Anwalt zustehen."

    Hat jemand aufgrund dieser Entscheidung seine Meinung bereits geändert? Mir fällt es schwer, dem zu folgen, da ich bislang überzeugter Anhänger der hier geschilderten Auffassung war, dass zunächst die Kosten zu zahlen sind, ggfls. MUZ-Anzeige pp.

    Aber zumindest scheinen nun die Gegner in guter bzw. angesehener Gesellschaft zu sein ...

  • Der Unterschied ist, dass hier im Thread-Ursprungsfall auf das Altkonto des Schuldners überwiesen wurde und in dem vom BGH zu entscheidenen Fall auf das für das Verfahren eingerichtete Anderkonto.

    Ich sehe durch das BGH-Urteil daher keinen Widerspruch zu dem im Thread gefundenen Ergebnis.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

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