Umstand nach § 5 Abs. 4 VBVG

  • Hallo,
    finde gerade gar nichts dazu: Ist ein "Umstand" im Sinne des § 5 Abs. 4 VBVG auch wenn der Betreute zuvor vermögend war und nun bei Antragstellung mittellos ist?
    Mein Beispiel:
    Der Betreute hatte Vermögen um die 4.000 EUR vor ca. einem Jahr. Dann ist er im November unter die 2600 EUR gefallen. Jetzt macht der Betreuer erst den Satz für Vermögende, danach ab November für mittellose geltend und will das aus der Staatskasse.

    Ich persönlich würde gerne auf den Zeitpunkt der Festsetzung abstellen und nur mittellose Vergütung geben. Wie seht Ihr das?:confused:

  • Streng genommen muss man rechnen wie ein Maikäfer, je nachdem, ob der Gute reich oder arm ist. Und nicht vergessen: die Aufrundung auf volle Zehntel hinter dem Komma, weil das die Aufgabe des VG erleichtert (so die amtliche Begründung).
    Wir stellen es bei uns auf den Zeitpunkt der Antragstellung ab. Wir zahlen keine Vergütung nach dem erhöhten Stundenansatz bei vermögenden Betreuten aus der Staatskasse. Insoweit machen wir es uns mit den Berliner Fantastereien einfach.

  • Aus einem meiner Standartzwischeverfügungen:

    wird um Überprüfung und Korrektur Ihres Vergütungsantrags vom xx.xx.xx gebeten.

    Für die Beurteilung des Vermögensstandes der betreuten Person ist einzig und allein auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die letzte Tatsacheninstanz abzustellen, d.h. maßgeblich ist vor dem Amtsgericht der Zeitpunkt, in dem d. Rechtspfleger(in) über den Vergütungsantrag entscheidet (BayObLG, BayObLGZ, 1964, 71/73; FamRZ 1996, 372; BtPrax 1996, 29; KG FGPrax 1997, 224; OLG Zweibrücken, BtPrax 1999, 32 FGPrax 2005, 264; LG Frankenthal BtPrax 1997, 117; LG Duisburg JurBüro 1993, 196; LG Essen, Beschl. vom 16.12.1992 - 7 T 664/92; OLG Frankfurt, Btprax 2002, 131; Schlesw. Holst OLG, OLGR 2005, 198).
    Da Ihnen dieser Zeitpunkt naturgemäß nicht bekannt sein kann, ist für Sie der Zeitpunkt entscheidend, in dem Sie den Antrag (er-)stellen und einreichen.

    Theoretisch wäre es daher denkbar, dass sich zwischen dem Antragseingang bei Gericht und dem Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag der Vermögensstatus ändert (Erbschaft, (Steuer-)Rückerstattungen, Lottogewinn, Abführung von Vermögen an Kostenträger, Begleichung Rechnungen etc.).
    Dies muß dem Gericht (soweit möglich) mitgeteilt werden, da die Vermögenshöhe Auswirkung auf die festzusetzende Vergütung hat und der Antrag daher ggf. vor seiner Bescheidung von Ihnen abzuändern wäre.

    Der Vermögenstand zum o.g. Zeitpunkt ist maßgeblich für den gesamten Abrechnungszeitraum (quasi „rückwirkend“), auf den sich der Antrag bezieht, d.h. im Vergütungsantrag hat eine Splittung zwischen mittellos und vermögend nicht zu erfolgen (vgl. hierzu auch Lütgens, in bdb aspekte, 56. 2005, Seite 30).
    Vergleiche zu dieser Thematik auch die Ausführungen von Deinert, BtPrax 05/2005, 180 [181 a. E.].

    Zur Vereinfachung und zur Vermeidung von hiesigen Rückfragen wäre es hilfreich, wenn im jeweiligen Antrag die aktuelle Vermögenshöhe betragsmäßig (ggf. handschriftlich) angegeben wird.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Das war für die Rechtslage vor dem 1.7.2005 sicher zutreffend.

    Für das neue Vergütungsrecht vgl. nunmehr aber Palandt/Diederichsen § 1836 d RdNrn.5, 6 (zur Berechnungsmethode) und Anh. zu § 1836, § 5 VBVG RdNr.7, wonach der Eintritt der Mittellosigkeit während eines Abrechnungszeitraums eine "Änderung der Umstände" i.S. des § 5 Abs.4 VBVG darstellt.

  • O.k. die zitierten Entscheidung betreffen die Rechtslage vor dem 01.07.05. Mir will aber nicht so recht in den Kopf, warum nach dem neuen Recht etwas anderes gelten sollte. Nur weil der Vermögensstatus jetzt auch für die Höhe der Vergütung maßgeblich ist ? Dies ist in meinen Augen kein Argument.
    Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des VBVG und den Pauschalen eine Vereinfachung der Vergütungsabrechnung beabsichtigt (s. entspr. Drucksacken). Wenn man jetzt spitz auszählen würde, an welchen Tagen die betr. Person vermögend und wann sie mittellos war, wird der Gedanke der Pauschalierung m.E. ad absurdum geführt. Eine entsprechende Verfahrensweise halte ich schlichtweg auch für in der Praxis nicht durchführbar.

    Außerdem beziehen sich die genannten Aufsätze auch auf die neuen Gesetzlage und führen neben den genannten Entscheidungen m.E. auch gute Argumente ins Feld im Rahmen des Abrechnungszeitraums des Vergütungsantrags eine Veränderung des Vermögensstatus nicht zu berücksichtigen.

    Zur "Ehrenrettung der Gegenmeinung" sei jedoch die Entscheidung des LG München, FamRZ 2006, 970 angeführt.

    Die hiesigen Betreuer haben sich auch über den hier praktizierten Weg bislang nicht beschwert. Ist der Betreute zum Zeitpunkt der Entscheidung vermögend, gibst den höheren Satz, andersherum der niedrigere. Da jeder Fall gleich oft vorkommen dürfte, kann sich m.E. weder die Landeskasse in Form des Bez.rev. noch der Betreuer beschweren.

    Ich halte mich daher an die bereits von "wer will ihn wissen" geschilderte Auffassung.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Bei mir rennst Du damit offene Türen ein. Das VBVG ist ohnehin ein besonders prägnantes Beispiel für eine der vielen Fehlleistungen des Gesetzgebers - von den verfassungsrechtlichen Bedenken ganz zu schweigen.

  • Ich stelle auch jetzt noch auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung ab. Diese ergibt sich m. E. aus der Gesetzesbegründung (liegt mir jetzt allerdings nicht vor). Die Pauschale für Vermögende wurde erst mit dem zweiten Entwurf der neuen Betreuervergütung eingeführt. In der Begründung heißt es da u. a. sinngemäß, dass die unterschiedlichen Stundensätze auch (also nicht ausschließlich) eine Funktion wie bei der PKH haben. Staat als Schuldner und kein Ausfallrisiko = geringerer Stundensatz; Betr. als Schuldner und Ausfallrisiko = hoher Stundensatz

  • Der letzte Satz der in #3 aufgeführten Musterverfügung ist viel zu sanft formuliert. Die Betreuer pfuschen sich viel zu oft und viel zu gerne um § 56g II FGG herum. Ich verlange zwar kein ausgefülltes PKH-Formular, das finde ich nun wirklich überkandidelt in Anbetracht der vorhandenen Daten, aber bei Verfahren, bei denen die Frage der aktuellen Vermögenslage nicht so leicht zu beantworten ist, verlange ich konkrete Zahlen. Dies auch, um zwischenzeitlich eine evtl. Rückforderung in Gang zu setzen, bevor mir andere zuvorkommen.

  • Der Ansicht, dass eine Splittung des Abrechnungszeitraums nicht vorzunehmen ist, ist übrigens auch der Kollege Benke, dessen (alte Version) seines Skripts unter http://www.ag-schmallenberg.nrw.de/service/formul…lverguetung.pdf
    für jeden frei abrufbar ist (vgl. dort Seite 3 u. 4 der pdf.Datei)

    Die Kollegen aus NRW haben im Intranet unter "Praxis-Infos" / "Betreuungsrecht" dort dann unter II. 8. die Möglichkeit, sich die aktuelle Version des Skripts (Stand 01.07.05) zur Vergütung im 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetztes aufzurufen und runterzuladen.

    @ juris: und ich dachte schon du übernimmst für die tägliche Arbeit tatsächlich die wiedergegebene Meinung des Palandt (die übrigen auch Jürgens in seinem Kommentar vertritt9, obwohl diese m.E. absolut praxisfern ist. Da hab ich dich wohl falsch verstanden.

    @ wer will ihn wisssen: da magst du recht haben. Mag jeder die Vfg. (sofern er sie denn weiter verwenden will) sich auf seine Bedürfnisse/Meinung abändern.

    Manche Betreuer geben bei den Vergütungsanträgen (so wie es das Gesetz vorsieht) auch in jedem Vergütungsantrag die akt. Höhe des Vermögens an und schreiben nicht nur "mittellos" oder "vermögend" was streng genommen auch nicht ausreichend ist. Die Betreuer, die einen genauen Vermögensstand angeben, ersparen sich und mir natürlich viele überflüssige Zusatzarbeit.

    Bei Betreuern die sich auf die Angabe "mittellos" oder "vermögend" beschränken, lasse ich dies ausreichen, wenn diese Angabe aus der Akte (letzter Bericht/RL) schlüssig ist.

    "Toll" sind nur die Akten, bei denen sich im Rahmen des Vergütungsantrags plötzlich ein Vermögensstatuswechels ergibt, der sich an Hand der übrigen Akte nicht erklären läßst und Rückfragen erforderlich macht...

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Ich habe schon immer für mich in Anspruch genommen, Rechtsprechung und Literatur nur dann zu folgen, wenn ich die dort vertretenen Rechtsauffassungen auch für zutreffend halte. ;)

  • Die Frage ist wohl hochstreitig.

    Deinert, BtPrax (Spezial 2005), S. 14 und Fröschle, Betreuungsrecht 2005, Rn. 275-277 vertreten auch die Auffassung, dass einzig auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist. Mal sehen, wanns die erste OLG Entscheidung dazu gibt.

  • Zitat von juris2112

    Ich habe schon immer für mich in Anspruch genommen, Rechtsprechung und Literatur nur dann zu folgen, wenn ich die dort vertretenen Rechtsauffassungen auch für zutreffend halte. ;)



    :daumenrau

    Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können, zumal
    dem deutschen Recht eine Präjudizienbildung grundsätzlich fremd ist (vgl. BGH, Beschl. 09.07.2002, X ARZ 110/02, FamRZ 2003, 88).

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Ich muss das Thema noch mal kurz aufwärmen. Hab einen Antrag vorliegen, in dem der Betreuer die Stundensätze für "vermögend" aus der Staatskasse haben will. Begründung: Während des Abrechnungszeitraums war die Betroffene tatsächlich vermögend, danach mittellos (Übernahme der Heimkosten durch Sozialamt). Wenn ich auf den Entscheidungszeitpunkt abstelle, dürfte ich aber doch nur die niedrigen Stundensätze vergüten oder? Fakt ist doch, dass ich aus der Staatskasse zahlen muss, da kein Vermögen mehr vorhanden. Gibt es eigentlich mittlerweile Entscheidungen zu diesem Thema?

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Ich habe auch noch keine Entscheidung dazu gesehen. Evt. schaffst Du mit Deinem Fall ja die Erste :D . Dann hätte ich sie gerne.;)

    Du kannst für beide Meinungen genügend Begründungen (s.o.) finden. Da kannst Du Dich austoben mit Deiner Rechtsauffassung.

    Ich pers. stelle immer noch auf den Zeitpunkt der Entscheidung ab. Bei uns gab es damit auch noch keine Probleme.

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

    Spendenaufruf



  • Ich hab mir eben die 3 Sätze vor dem von dir zitierten durchgelesen. Da heißt es: "Absatz 2 gibt die monatlichen Stundesätze wieder, die für die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung anzusetzen sind, wenn der Betreute mittellos ist. Sie sind im Vergleich zu den Ansätzen für bemittelte Betreute niedriger. Die niedrigeren Stundensätze lassen sich insbesondere mit dem in der Regel geringeren Aufwand für einen mittellosen Betreuten rechtfertigen."

    Das hieße doch aber im Umkehrschluss - vermögend = höherer Aufwand (logisch) - wenn Mittellosigkeit eintritt, dann ist aber für die Zeit, in der der Betreute vermögend war, auch der höhere Stundensatz zu erstatten und zwar aus der Staatskasse! Insofern meine ich auch eine Entscheidung mal irgendwo gelesen zu haben, die das widerspiegelt. Rein praktisch ein Problem.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Nach altem Recht war nach hM für die Beurteilung der Mittellosigkeit auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Vergütungsentscheidung abzustellen (vgl. z.B. BayObLG FamRZ 1996, 372), nach abweichender Auffassung dagegen auf den Zeitpunkt des Vergütungsantrags (vgl. z.B. LG Berlin FamRZ 1997, 1500). Die Literatur zum neuen Vergütungsrecht hält bisher daran fest, dass es insoweit nach wie vor auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt (Deinert/Lütgens RdNrn.1049-1051; Fröschle RdNr.281). Es bleibt abzuwarten, wie dies die Gerichte sehen werden.

    Stellt man auf den Zeitpunkt der Vergütungsentscheidung ab, kann sich das Problem, welche Stundensätze aus der Staatskasse zu vergüten sind, überhaupt nicht stellen.


  • Stellt man auf den Zeitpunkt der Vergütungsentscheidung ab, kann sich das Problem, welche Stundensätze aus der Staatskasse zu vergüten sind, überhaupt nicht stellen.



    Deswegen mache ich das auch so und hatte damit bisher keine Probleme.

    Mit dem VBVG sollte doch alles einfacher werden (hüstel). Damit dies in der Praxis auch tatsächlich der Fall ist, habe ich mich für die Ansicht entschieden, mit der ich in der Tat auch eine vereinfachte Handbahung erreiche.

    Wie Juris m.E. in der Vergangenheit mal ausgeführt hat, kann es m.E. nach wie vor nicht richtigt sein, dass die erhöhten Stundensätze aufgrund (ehemaligen) Vermögens, wegen (zwischenzeitlich eingetretener) Mittellosigkeit aus der Staatskasse gezahlt werden. Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt...

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • zu #18:
    Die Auffassung des LG Berlin ist m.W.n. vom Kammergericht unter Bezugnahme auf die von dir zitierte Entscheidung des BayObLG kassiert worden.

    Mich würde in diesem Zusammenhang mal interessieren, für welche Zeiträume von den Betreuern die Vergütungsanträge gestellt werden, jährlich, quartalsweise? Hier wurde immer auf den Zeitpunkt der Entscheidung abgestellt mit der Folge, dass die Betreuer bei absehbarer aber noch nicht eingetretener Mittellosigkeit schnell noch ihre Vergütungsanträge eingereicht haben.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!