Bestimmtheit des Titels, brutto ./. netto

  • Hallo liebe Vollstrecker vom Dienst!!

    Folgender Fall:
    Zur Vollstreckung liegt vor ein vor dem Arbeitsgericht geschlossener Vergleich.
    Inhalt:
    ...
    2. Bis diesem Zeitpunkt [Ende des ARbeitsverhältnisses] erhält die Klägerin die vertragsgemä0e Vergütung, d.h. die Beklagte zahlt für die Monate --- XX,XX Euro brutto abzüglich gezahlter XX,XX Euro.
    ...
    7. Es besteht Einigkeit darüber, dass vor Auszahlung des Nettobetrages an die Klägerin die auf das Arbeitsamt übergeleiteten Ansprüche (seit ...) an das Arbeitsamt abgeführt werden.

    Qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO (wg. Widerrufsvorbehalt) liegt vor.
    M.E. dürfte aber der zu vollstreckende Anspruch zu unbestimmt sein.
    Welcher Betrag soll denn eigentlich an das Arbeitsamt gezahlt werden, was bleibt zur Vollstreckung zugunsten der Klägerin übrig? :(
    Oder hat mich das nicht zu interessieren, weil der Schuldner das selber im REchtsmittel-/Vollstreckungsabwehrklageverfahren geltend machen muss? :gruebel:
    Wie seht Ihr das?

  • Das scheint eine Besonderheit der Arbeitsgerichte zu sein, Brutto- und Netto-Beträge zu verwurschteln (hier).

    Ich denke man kann sich sowohl auf den Standpunkt stellen, dass der Titel zu unbestimmt ist, da man die Ziffer 2 nicht ohne Ziffer 7 betrachten kann als auch Ziffer 7 einfach außer Acht lassen und nur den Betrag aus Ziffer 2 pfänden.
    Dann ist es Sache der Gläubigerin die Differenz zwischen Brutto und Netto abzuführen.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Hmm, ich liebe solche Vergleiche. :(

    Also Zif. 7 enthält eine Einschränkung des vollstreckbaren Anspruchs. Fraglich ist m.E. aber, ob diese nur im Innenverhältnis gelten soll und somit für die Vollstreckung unbeachtlich wäre oder ob sie auch nach außen hin wirkt.

    Ich würde mich - zur eigenen Sicherheit - auf den letzteren Standpunkt stellen und damit wäre der titulierte Anspruch zu unbestimmt.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • http://5376.rapidforum.com/topic=100981080268
    OLG Köln - AG Aachen 28.02.2005 16 W 3/05
    Ein Streit darüber, in welcher Weise ein Titel auszulegen ist bzw. ob er überhaupt einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, kann nur im Erkenntnisverfahren über eine negative Feststellungsklage bzw. eine Klage analog § 767 ZPO ausgetragen werden. (Leitsatz der Redaktion)
    ZPO analog § 766 ZPO analog § 767
    Aktenzeichen: 16W3/05 Paragraphen: ZPO§766 ZPO§767 Datum: 2005-02-28

    ZPO §§ 766, 793, 256 (Negative Feststellungsklage, Rechtsbehelf in der Zwangsvollstreckung) OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. 8. 2004, 16 WF 75/04 Rpfleger 2/2005
    Die Frage, ob ein Vollstreckungstitel vollstreckungsfähigen Inhalt hat , kann der Schuldner mit der negativen Feststellungsklage klären lassen; er kann nicht auf Rechtsbehelfe im Rahmen der Zwangsvollstreckung verwiesen werden.
    Regelunterhalt Titel Bestimmtheit
    OLG Naumburg - AG Köthen 10.01.2005 14 WF 252/04
    Eine Verurteilung vor dem 1.7.1998 zur Zahlung von Regelunterhalt - in Verbindung mit der Feststellung der Vaterschaft - stellt keinen zur Vollstreckung geeigneten Zahlungstitel dar.
    ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1 UnterhVG § 7 Abs. 1 Satz 1 BGB § 1612 a GKG § 22 Abs. 1 Satz 1

    OLG Köln - AG Aachen 28.02.2005 16 W 3/05
    Ein Streit darüber, in welcher Weise ein Titel auszulegen ist bzw. ob er überhaupt einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, kann nur im Erkenntnisverfahren über eine negative Feststellungsklage bzw. eine Klage analog § 767 ZPO ausgetragen werden. (Leitsatz der Redaktion)
    ZPO analog § 766 ZPO analog § 767
    Aktenzeichen: 16W3/05 Paragraphen: ZPO§766 ZPO§767 Datum: 2005-02-28
    ZPO § 183 Verordnung EG Nr. 1348/00 Art. 14 Akten
    OLG Düsseldorf - LG Köln 04.05.2005 VI-U (Kart) 4/05 VI-U (Kart) 5/05 VI-U (Kart) 6/05
    Die unbestimmten Rechtsbegriffe "Datenmehrwertdienste", "zeittarifiert", "unmittelbar" und "Dialer" führen nicht zur mangelnden Bestimmtheit des Urteilsausspruchs. Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe in Klageantrag und Urteilsformel sind nicht schlechthin unzulässig. Sie können hingenommen werden, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe oder Bezeichnungen kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite des Klagebegehrens und des Urteils feststehen. (Leitsatz der Redaktion)

    brutto/netto Titel
    http://5376.rapidforum.com/topic=100983008846
    Auszügsweise daraus:

    DGVZ 1/77 S.14
    Arbeitsgericht Wetzl, Urteil vom 27.4.1976, 1 Ca 35/76
    Eine Klage auf Zahlung eines Bruttobetrages abzgl. eines erhaltenen
    Nettobetrages ist unzulässig. Dieser Antrag ist nicht genügend
    bestimmt im Sinne des 253 II 2 ZPO; aus einem entsprechenden Urteil
    kann nicht vollstreckt werden.

    weitere Informationen hierzu finden Sie:

    http://5376.rapidforum.com/topic=100983008846&search=Brutto

    und

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php?t=466

    Zöller, 23. Aufl., Rd. 4 zu § 704:
    3) Den vollstr Anspruch (Art und Umfang der Handlung [Unterlassung]) muss das Urteil 4
    inhaltlich bestimmt ausweisen (BGHZ 122,16 [Blockierte Grafik: http://images.rapidforum.com/images/i17.gif]). Das ist der Fall, wenn der Titel aus sich heraus verständlich ist ( Dresden JW 38, 1468; Verweisung bei Verurteilung zur Unterlassung auf
    eine zu den Akten gegebene Anlage s BGHZ 142, 388 ) und auch für jeden Dritten erkennen
    lässt, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann (Hamm MDR 74, 238 = NJW 74, 652 u
    FamRZ 88, 1307). Ein Zahlungsanspruch ist bestimmt, wenn er betragsmäßig festgelegt ist
    („brutto" schließt Mehrwertsteuer ein, KG MDR 99, 604) oder sich ohne weiteres errechnen lässt

    (BGHZ 88, 62 [Blockierte Grafik: http://images.rapidforum.com/images/i65.gif] = NJW 83, 2262 mN; Oldenburg Rpfleger 85, 448). ...
    Nicht bestimmt ist die Verpflichtung zur Leistung ... oder sonst eines Betrags, der nur aus dem Inhalt eines anderen Schriftstücks (zB Minderung für Mängelbeseitigung) ermittelt werden kann (Nürnberg Rpfleger 90, 306).“
    Ebenso vollstreckbar ist das Urteil auf Zahlung eines Bruttobetrages abzüglich eines (bezeichneten) bereits erhaltenen Nettobetrag.
    (BArbG BAG 15,220 = MDR 1964, 625; LG Berlin DGVZ 1993, 27; LG Freiburg Rpfleger 1982, 347).
    nicht nachvollziehbar, weil die Berechnung nicht möglich ist.

    Vollstreckung von Bruttolohnurteilen
    Bei einer Vollstreckung eines auf Zahlung von Bruttolohn lautenden Vollstreckungstitels ist grundsätzlich der gesamte Betrag beizutreiben, der Arbeitnehmer haftet sodann selbst für die Abführung der Lohnabzüge. Der Schuldner kann jedoch mit den Rechtsbehelfen des Zwangsvollstreckungsrechts geltend machen, er habe steuerliche Abzüge und Sozialversicherungsbeiträge ganz oder teilweise für den Gläubiger bereits abgeführt.
    LG Karlsruhe 7.10.03 – 11 T 392.02 in InVo 8/2004 S 334

    ferner gefunden:
    Unbestimmtheit des Titels bei unbezifferter Abrechnungsklausel
    Die Vollstreckungsfähigkeit eines auf einem Anwaltsvergleich beruhenden und mit einer unbezifferten Anrechnungsklausel verbundenen Titels ist nur dann gewahrt, wenn sich aus ihm mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der Schuldner sich ohne Einschränkung der sof. ZWV in Höhe eines (des) bezifferten Betrages unterwirft.
    BGH 7.12.05 – XII ZR 94/03 in InVo 6/2006 S 247


    aktuell
    AG Weiden 1 M 1553/06 bestätigt durch LG Weiden 2 T 89/06
    Dem Vollstreckungsorgan muss es möglich sein, ohne Ermittlungen den beizutreibenden Betrag ermitteln zu können.

  • Also die Sache mit den Brutto- und Nettolöhnen ist mir schon klar und dürft ja wohl ausgekartet sein.
    Ich störe mich halt nur an dieser Zahlungsanweisung an einen Dritten, die noch nicht einmal betragsmäßig bestimmbar ist.

  • Zitat von Babs

    Also die Sache mit den Brutto- und Nettolöhnen ist mir schon klar und dürft ja wohl ausgekartet sein.
    Ich störe mich halt nur an dieser Zahlungsanweisung an einen Dritten, die noch nicht einmal betragsmäßig bestimmbar ist.



    Ich sehe das nicht unbedingt als Zahlungsanweisung an einen Dritten sondern als Klarstellung für den AN, dass der nachher von dem AG nicht den vollen Betrag verlangen kann, sich also auf die Auszahlung voll berufen kann.

    Der ausgeschiedene AN hat bei der AA Antrag auf ALG gestellt und vermutlich darauf hingewiesen, dass er mit dem AG noch im Klinch hängt. Dann leitet die AA evtl. noch zustehende Ansprüche auf Einkommen bis zur Höhe ihrer Leistungen auf die AA über.

    Ungeachtet der Ansprüche des AN an den AG geht die Forderung des AN durch die Überleitungsanzeige auf diese über und der AG darf den übergeleiteten Anspruch nicht an den AN auszahlen.

    Ich denke mal, dass Dich dieser Punkt 7 überhaupt nicht interessieren braucht.

  • Nochmals auch auf diesem Wege ein dickes, fettes Dankeschön an Josef Stamm.:blumen::2danke
    Die per E-Mail übersandte Entscheidung trifft genau meine Sache.:yes:
    Werde daraufhin den Pfüb-Antrag wegen zu unbestimmten Titel "beanstanden" und um Antragsrücknahme bitten.

  • Hallo,
    in einem Vergleich des Arbeitsgerichts heißt es, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt X sein Ende gefunden hat und bis dahin der Bruttolohn von Betrag Y zu zahlen ist. Dass der Gläubiger vollen Bruttolohn vollstrecken kann, ist die eine Sache. Nur in diesem Fall fehlt meiner Meinung nach der Anfangszeitpunkt. Ich weiß ja nicht, seit wann kein Lohn mehr gezahlt wurde. Gl-V hat zwar eine Rechnung beigefügt, die er dem Gegenanwalt geschickt hat, aber Papier ist ja geduldig. Ich denke, dass die Forderung zu unbestimmt ist. Was sagt ihr dazu?

  • Ich bin derselben Meinung. Der Titel muss aus sich heraus verständlich sein und ersehen lassen, wer was von wem in welcher Höhe beanspruchen kann.

    Da es sich um einen Vergleich handelt, dürfte sich auch die Überlegung erübrigen, ob sich aus dem weiteren Inhalt des Titels evtl. noch Anhaltspunkte ergeben, die eine Auslegung ermöglichen würden, oder? Allerhöchstens würde ich mich darauf einlassen wegen Beträgen zu vollstrecken, die ab Erlass des Titels angefallen sind. Aufgrund der Formulierung gehe ich aber davon aus, dass der Vergleich erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde und man sich so auch nicht behelfen kann.

  • Ich muss leider nochmal diesen Beitrag öffnen.
    Jetzt habe ich so viel gelesen und mein Kopf ist nur noch Matsch. Tut mir leid ;)

    In meinem Vergleich heißt es:

    "Die B verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis für die Zeit bis zum ... nach folgender Maßgabe ordnungsgemäß abzurechnen und sich ergebene Nettobeträge an den Kläger zu zahlen: für Apr 20 wird das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage von 2.500€ brutto abgerechnet..."

    Ist dies nun in Höhe von 2.500,00 € pfändbar oder generell zu unbestimmt.?

    Vielen Danl

  • Das ist zu unbestimmt.

    Es bedeutet nur, dass ausgehend von einem Verdienst von 2.500,00 brutto abgerechnet wird. Ob da nur der halbe Monate zu zahlen ist oder noch Überstunden o.ä. weiß man nicht.

    Ich erteile da regelmäßig keine vollstreckbaren Ausfertigungen und das wird auch so von meinem LAG gehalten.

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