Verein-Vorstandwahl / versetzte Wahl / Gesamtwahl

  • Hallo zusammen,

    ich habe gleich mehrere grundsätzliche Fragen, die sich mit der Wahl des Vorstandes befassen:

    • Ist die Einführung einer versetzten Wahl (z.B. 1. Vorsitzender in geraden, 2. Vorsitzender in ungeraden Jahren) ohne Satzungsänderung zulässig oder muss die Satzung „die Vorstandsmitglieder werden auf die Dauer von zwei Jahren gewählt“ dahingehend ausgelegt werden, dass die beiden stets zusammen gewählt werden sollten / müssen?
    • (Hängt mit Ziff. 1 zusammen) Wenn ein VM vorzeitig ausscheidet (und in der Satzung nicht drinsteht, dass eine Zuwahl für den Rest der Amtszeit des Ausgeschiedenen erfolgen kann), dann muss die MV das neue VM auf die reguläre Amtszeit bestellen, mit der Möglichkeit des vorzeitigen Widerrufs, so dass im Anschluss beide VM wieder gleichzeitig gewählt werden können !? (Verkürzung der Amtszeit im Bestellungsbeschluss = unwirksame Bestellung). Falls kein Widerruf erfolgt, dann hätte man zukünftig versetzte Wahlen, zulässig ?
    • Wie errechnet sich bei einer Gesamtwahl die einfache Mehrheit, wenn die Mitglieder von ihrem Recht Gebrauch machen, nicht alle Stimmen zu vergeben?

    (Gesamtwahl ist lt. Stöber zulässig, wenn die Satzung kein besonderes Wahlverfahren vorschreibt.)

    Bsp.: 66 Mitglieder anwesend, 9 gleichberechtigte Vorstandsmitglieder sollen gewählt werden (die später unter sich die Ämter verteilen bzw. den vertr.ber. Vorstand wählen), jedes Mitglied hat 9 Stimmen, 44 Stimmzettel werden abgegeben, vergeben wurden jedoch nicht 396 Stimmen (44 * 9), sondern nur 200.

    Nähme man nur die Anzahl der Stimmzettel, dann läge die einf. Mehrheit bei 23 Stimmen. Kann man es sich so einfach machen ? Lt. Stöber sind die Stimmenthaltung bei den jeweiligen Einzelwahlen zu berücksichtigen. Wie soll das gehen ? Man hat ja nur einen Stimmzettel auf dem unterschiedliche Namen draufstehen und unterschiedlich viele, maximal 9 angekreuzt wurden. ????

  • Hatte denn wirklich noch keiner das Problem der Gesamtwahl und der Berechnung der einfachen Mehrheit ????
    "Mein" türkischer Verein wird langsam recht ungeduldig.

    Habe zwischenzeitlich eine Entscheidung des BGH (B. v. 12.12.1988 - AnwZ(B) 45/88) gefunden. Betrifft die Vorstandswahl der Rechtsanwaltskammer.

    Darin heißt es:
    "Im übrigen ist der Begriff "einfache Stimmenmehrheit" der Auslegung zugänglich. Sie ist je nach dem angewandten Wahlmodus geboten. Werden in einem Wahlgang mehrere...Bewerber gewählt, so werden sie Stimmenzahlen in unterschiedlicher HÖhe auf sich vereinigen. In einem derartigen Fall entspricht es einem selbstverständlichen demokratischen Prinzip, dass jeweils derjenige Kandidat gewählt ist, der die höhere Stimmenzahl auf sich vereint, als im Verhältnis zu den übrigen Kandidaten die Mehrheit der Stimmen erreicht."
    Es sei daher zutreffend, dass die mit den meisten Stimmen gewählt seien.


    Was haltet Ihr davon ? Sonst heißt es doch immer, die relative Mehrheit muss sich ausdrücklich aus der Satzung ergeben.
    Kann das wirklich sein ? Das hieße ja, wenn sich für 9 Ämter nur 9 Kandidaten finden und man eine Gesamtwahl statt Einzelwahl abhält und ein Kandidat nur eine Stimme (ggf. seine eigene) erhalten würde, dann wäre er trotzdem gewählt ????????????????????????????

    :gruebel:

  • Für Wahlen (= Abstimmungen) gilt § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB: Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
    Stimmenthaltungen werden nicht mitgezählt.

    Die im Eingangsbeispiel abgegebenen Stimmen sind auf die einzelnen Kandidaten auftzuteilen:
    Welcher Kandidat hat wieviele JA-Stimmen und wieviele NEIN-STIMMEN erhalten?
    Hat er mind. 1 JA-Stimme mehr als NEIN-Stimmen erhalten (=50% + 1), ist er gewählt; andernfalls nicht.
    Dies muss sich aus dem Wahlprotokoll ergeben.
    Mit den Gesamtstimmenzahlen kann man so nichts anfangen.

  • Das Problem ist ja gerade, dass es bei einer Gesamtwahl keine Nein-Stimmen gibt (und solche auch nicht geben darf). Ja- und Neinabfrage geht lt. Stöber nur, wenn nur ein einziger Kandidat für ein einziges Amt zur Verfügung steht.

    Wenn hinter jedem Kandidaten ein Kreuzchen für Ja oder Nein wäre, dann hätte jedes Mitglied bei - z.B. drei zu wählenden Vorstandsmitgliedern und 9 Kandidaten statt drei neun Stimmen; jedes Mitglied darf aber nur so viele Stimmen haben, wie Ämter zu vergeben sind.

    Klar wäre das einfacher, weil man dann genau wüsste, wer wie viele Ja- und Neinstimmen auf sich vereinigt, und alle, die eine Ja-Stimme mehr als Nein-Stimmen hätten, wären gewählt,...

    Oder sollen Deiner Meinung nach die Stimmenthaltungen als Nein-Stimmen gewertet werden ? Das käme auf das gleiche hinaus. Zudem dürfen Enthaltungen ja auch gar nicht gewertet werden.

    :gruebel::gruebel::gruebel:

  • Stimmenthaltungen gelten grundsätzlich als nicht abgegeben, also weder JA noch NEIN.

    M. E. ist in deinem Eingangsfall jeder Kandidat gewählt, der mindestens 23 (JA-)Stimmen hat. (= 44:2=22 + 1 - einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen)

    Die übrigen 196 Stimmen (44 x 9 = 396 - 200 tats. abgegebene Stimmen) sind Enthaltungen, die nicht zählen.
    NEIN-Stimmen gibt es offensichtlich nicht.

  • Das war ja auch mein erster Gedanke gewesen - und deswegen habe ich (bzw. der Verein) jetzt den Salat,...
    in meinem Fall hat kein einziges Vorstandsmitglied 23 Stimmen erreicht, ...
    und zu guter letzt wurde auch noch derjenige mit den wenigsten Stimmen in der Vorstandssitzung zum Vorsitzenden gewählt, dies aber einstimmig :D
    :(

  • Die Satzung sieht keine Bestimmungen zum Wahlverfahren vor.
    Für das Amt des 1. Vorsitzenden kandidieren 2 Personen. Es wird durch Münzwurf ausgelost, über welche Kandidatin zuerst abgestimmt wird, und anschließend tatsächlich nur über diese Kandidatin abgestimmt. Sie erhält die einfache Mehrheit der Stimmen. Daraufhin verzichtet die 2. Kandidatin „auf eine Abstimmung zu ihrer Person.“
    Das gleiche geschah für das Amt des 2. Vorsitzenden.
    Mir liegt nun die Anmeldung vor.

    Formal in Ordnung, aber es fühlt sich nicht rechtsstaatlich an. Es ist m.E. nicht auszuschließen, dass die 2. Kandidatin gewählt worden wäre, wenn sie als erste zur Wahl gestanden hätte. Was meint ihr dazu?

    Die Wahl war schon vor drei Monaten, es hat sich hier bisher niemand dagegen gewandt. Es gibt aber Streit im Verein, und es war schon für die Einberufung dieser Versammlung ein Notvorstand bestellt.

  • Ich finde es zwar seltsam, dass es überhaupt getrennte Wahlgänge für die einzelnen Kandidaten gab (evtl. hat der Wahlleiter dies mit getrennten Wahlgängen für einzelne Ämter verwechselt), aber wenn die Satzung nichts zu den Details des Wahlverfahrens sagt, ist dies m.E. zulässig. Die 2. Kandidatin hat sich auf dieses Verfahren eingelassen und dann auch noch ihre Kandidatur zurückgezogen. Die Folgen muss sie sich anrechnen lassen.

  • Das halte ich für fernliegend, würde es doch bedeuten, dass die Mitglieder so oder so den ersten Kandidaten gewählt hätten, egal wer von beiden den Münzwurf gewonnen hätte.

    Da es gerade bei Streit im Vorfeld und ggf. "Lagerbildung" den Mitgliedern darauf ankommt, ob jetzt Person A oder B der neue Vorsitzende wird, ist aus meiner Sicht auszuschließen, dass die 2. Kandidatin gewonnen hätte.

  • Danke für eure Meinungen. Habe eingetragen, obwohl ich mir fast sicher bin, dass die erste Kandidatin weniger Stimmen bekommen hätte, wenn beide zugleich zur Wahl gestanden hätten. Das Verhältnis der Ja-Stimmen zu den Nein-Stimmen war aber eindeutig, im Ergebnis wäre es daher vermutlich das gleiche.

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