PKH bei Umschulung

  • Hallo,

    ich habe folgendes Problem:

    Unser Mandant hat vor einem Jahr PKH bewilligt bekommen ohne Ratenzahlung, nun muss er erneut eine Erklärung abgeben. Inzwischen macht er eine Umschulung. Er erhält monatlich 845 Euro Übergangsgeld und 245 Euro Rente. Unter der Woche wohnt er in einem Wohnheim. Dort wird ihm kostenfrei ein Zimmer zur Verfügung gestellt mit Küche.

    Da er jedoch jedes Wochenende zurück zu seiner Lebensgefährtin bzw. zu seinen Eltern und Freunden fährt, muss er am Wochende 660 km (einfach Strecke 330 km) zurücklegen. Kann er diese Fahrtkosten ebenfalls in Ansatz bringen? Denn sein eigentlicher Wohnsitz ist bei seinen Eltern.

    Ansonsten hat er nur Versicherungskosten in Höhe von 120,00 € abzusetzen, 50 € Telefonkosten und 30 Euro monatlich muss er an seine Lebensgefährtin zurückbezahlen, weil sie ihm Geld geliehen hat für einen Laptop.

    Ab Februar 2011 muss er dann noch ein Praktium machen, das er wahrscheinlich in einer größeren Stadt machen möchte, in der Zeit, also für 3 Monate, muss er sich noch eine Wohnung mieten und einrichten.

    Hat er überhaupt noch Chancen PKH zu bekommen ohne Ratenzahlung? Wird bei ihm der Abzug für Erwerbstätige angerechnet

    Danke für Eure Antwort.

  • Tja, keine Unterkunftskosten, keine Kosten für Telefon, kein Erwerbstätigenfreibetrag...

    Die Wochenendfahrten sind ebenfalls Privatvergnügen. Die Versicherungskosten erscheinen mir sehr hoch, da würde ich sehen wollen.

    Und ich würde da Raten anordnen und schnell kassieren ggf. dann nach 3 Monaten die Raten verringern.

  • Welche Rolle spielt, dass die Heimfahrten steuerlich priviligiert und damit eben nicht reines Privatvergnügen sind. Es wurde bereits entscheiden, dass es gegen Art 6 GG verstößt, wenn der Staat sagt, sei arbeitstechnisch flexibel, aber die Aufrechterhaltung Deiner Ehe, Familie etc. ist Dein Privatvergnügen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wie #2. Eine Umschulung ist keine Arbeitstätigkeit, deshalb kann es keinen Erwerbstätigkeitenfreibetrag geben. Selbst wenn man eine monatliche Heimfahrt als besondere Belastung anerkennt, dürfte es bei einer Ratenzahlung bleiben. Die Fahrtkosten kann der Ast. in seiner Jahressteuererklärung als Werbungskosten geltend machen. Eine weitergehende Berücksichtigung in einem PKH-Verfahren würde daher zu einer doppelten Berücksichtigung führen. Im Februar 2011 kann der Ast. dann beim Gericht einen Antrag auf Änderung der Ratenzahlung (oder Aufhebung), wenn er durch die notwendige Anmietung einer Wohnung für die Zeit des Praktikums Mehrkosten hat.

  • Schließe mich #2 und #4 an.

    @ Gegs:
    Es geht hir nicht um irgendwelche Steuerrückerstattungen, es geht um die Finanzierung von Prozesskosten.
    Und da steht in § 115 ZPO i.V.m. § 82 II SGB XII Nr. 4 nunmal drin, dass nur die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (z.B. Fahrtkosten zur Arbeit) berücksichtigt werden können.

  • Wegen § 115 ZPO der ja auf § 82 Abs. 2 SGB 12 Bezug nimmt, wenden wir hier auch die VO zur Durchführung des § 82 SGB 12 an. (Daraus resultieren z.B. die monatliche Pauschale für Fahrtkosten 5,20 € je Entf.km für max. 40 km ). Da er eigenen Wohnraum hat, wenn auch bei den Eltern, hat, würde ich eventuell die in der genannten VO vorgesehenen 130 € für doppelte Haushaltführung + einmal pro Monat die Fahrtkosten für eine Familienheimfahrt - nach der VO Fahrtkosten 2. Wagenklasse unter Ausnutzung bestehender Tarivvergünstigungen. Problematisch könnte aber sein, ob von einem eigenen Hausstand wie inder VO dargelgt auszugehen ist.( Wohnung mit eigenen Möbeln usw.) Das müsste genauer geprüft werden.

  • Wie #2. Eine Umschulung ist keine Arbeitstätigkeit, deshalb kann es keinen Erwerbstätigkeitenfreibetrag geben. Selbst wenn man eine monatliche Heimfahrt als besondere Belastung anerkennt, dürfte es bei einer Ratenzahlung bleiben. Die Fahrtkosten kann der Ast. in seiner Jahressteuererklärung als Werbungskosten geltend machen. Eine weitergehende Berücksichtigung in einem PKH-Verfahren würde daher zu einer doppelten Berücksichtigung führen.




    Das würde dann allerdings für alle Erwerbstätigen gelten, da alle die Fahrtkosten über die Steuererklärung geltend machen? :gruebel:

  • Wie #2. Eine Umschulung ist keine Arbeitstätigkeit, deshalb kann es keinen Erwerbstätigkeitenfreibetrag geben. Selbst wenn man eine monatliche Heimfahrt als besondere Belastung anerkennt, dürfte es bei einer Ratenzahlung bleiben. Die Fahrtkosten kann der Ast. in seiner Jahressteuererklärung als Werbungskosten geltend machen. Eine weitergehende Berücksichtigung in einem PKH-Verfahren würde daher zu einer doppelten Berücksichtigung führen.




    Das würde dann allerdings für alle Erwerbstätigen gelten, da alle die Fahrtkosten über die Steuererklärung geltend machen? :gruebel:


    Natürlich, interessiert aber offenbar niemanden. Eigentlich müsste auf dem PKH-Formular anzugeben sein, ob man die Fahrtkosten beim Steuerausgleich angibt (dann dürften sie nicht berücksichtigt werden) oder man müsste eine Erklärung zu St-Erstattungen aus dem Vorjahr fragen (und diese gezwölftelt zum Einkommen addieren).


  • Natürlich, interessiert aber offenbar niemanden. Eigentlich müsste auf dem PKH-Formular anzugeben sein, ob man die Fahrtkosten beim Steuerausgleich angibt (dann dürften sie nicht berücksichtigt werden) oder man müsste eine Erklärung zu St-Erstattungen aus dem Vorjahr fragen (und diese gezwölftelt zum Einkommen addieren).



    Nun, Steuererstattungenwerden doch aber regelmäßig zum einzusetzenden Einkommen gezogen. Richtig...

    Unabhängig davon sind selbstverständlich auch die Kosten, die bei der Steuer angegeben werden, auch bei der PKH zu berücksichtigen. Versicherungsbeiträge, Lebensversicherungen, private KVs und Arbbeitsmittel, oder Kredittilgungen usw wären ja sonst ebenfalls nicht zu berücksichtigen.
    Im Steuerrecht werden aber auf Grund der anderen §§ nunmal andere Beträge als abzugsfähig angesehen, als in der Prozesskostenhilfe nach § 115 ZPO i.V.m. den Regelungen des SGB XII...

  • Bei Berufstätigen mache ich es wie Ini, aber hier liegt ja kein Fall der Berufstätigkeit vor. Insofern setzte ich da auch nix an.

  • Naja, aber er kann ja nichts dafür, dass er eine Umschulung machen muss. Er hatte einen schweren Arbeitsunfall, er kann seinen ursprünglichen Beruf nicht mehr ausüben, da er seine rechte Hand nur sehr eingeschränkt bewegen kann, natürlich unfallbedingt (Sturz von einem Dach auf eine Betontreppe). Ich finde deshalb schon, dass man die Fahrtkosten ansetzen könnte genaus wie den Freibetrag für Erwerbstätige. Ist zwar keine fachliche Meinigung, aber was kann er schon dafürm schließlich war die Baustelle ungesichert. Bin mal gespannt was herauskommt, hab heute die Erklärung abgeschickt.


  • alles richtig; gleichwohl müsste der Abzug bei PKH richtigerweise die Beträge berücksichtigen, die sich durch den gleichzeitigen Abzug derselben Positionen ergibt.

  • Zwar ist der Thread hier schon älter, aber mein Problem passt thematisch dazu:

    PKH-Partei macht Umschulung in Vollzeit und bezieht Übergangsgeld von der Rentenversicherung

    Kann in diesem Fall der Abzug des Erwerbstätigenfreibetrages erfolgen? :gruebel:


    Nach der einzigen (aktuelleren) Rechtsprechung, die ich finden konnte (Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Beschluss vom 19. Juni 2017 – 5 Ta 261/17) soll dies für Bezieher von ALG in einer Umschulungsmaßnahme möglich sein.

    Eigentlich sehe ich meinen Fall als vergleichbar an, auch wenn das LAG explizit für den Fall eines Arbeitslosen entschieden hat.

    Kennt jemand ggf. Entscheidungen der ordentlichen Gerichte bzw. hilfreiche Kommentierung?

  • Aus dem bereits von dir zitierten LAG-Beschluss kopiert: ;)
    Der Erwerbstätigen-Freibetrag ist bei Umschülern in Abzug zu bringen, sagt auch das OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. September 2002 – 10 WF 2899/02 –, FamRZ 2003, 774; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl., 2016, § 6 Rz. 303.

    Zu meinem Erstaunen ist der Nünberger Beschluss auch die aktuellste Entscheidung aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die die Juris-Suche zu "Erwerbstätigenfreibetrag" und "Umschulung" auswirft.

    Und da die Verlinkung nicht klappen will:

    http://www.juris.testa-de.net/jportal/portal…hl=1#focuspoint

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Aus dem bereits von dir zitierten LAG-Beschluss kopiert: ;)
    Der Erwerbstätigen-Freibetrag ist bei Umschülern in Abzug zu bringen, sagt auch das OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. September 2002 – 10 WF 2899/02 –, FamRZ 2003, 774; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl., 2016, § 6 Rz. 303.

    Zu meinem Erstaunen ist der Nünberger Beschluss auch die aktuellste Entscheidung aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die die Juris-Suche zu "Erwerbstätigenfreibetrag" und "Umschulung" auswirft.

    Und da die Verlinkung nicht klappen will:

    http://www.juris.testa-de.net/jportal/portal…hl=1#focuspoint


    Danke für den Hinweis auf die Entscheidung des OLG Nürnberg. Der Link führt leider nur zur Anmeldemaske von Juris.

    In Juris finde ich leider nur einen Beschluss ohne ausführliche Gründe. :gruebel:

    Ja, die Entscheidung von Nürnberg ist schon recht alt. Dennoch hatten die meisten Kollegen in diesem Thread bestritten, dass einem Umschüler der Freibetrag zusteht. :gruebel:

    Deshalb bin ich eben auf der Suche nach aktuelleren Entscheidungen.

  • Im Moment will das mit dem Posten irgendwie nicht so klappen, wie ich will - ich hatte schon gefürchtet, dass der Link nicht klappt. Geht der hier:

    http://www.juris.testa-de.net/jportal/?quell…w.psml&max=true ?

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Mich erstaunt es nicht, dass es da außer AG Esslingen, 05.03.2012, BHG 686/11 nichts gibt.

    Die Sache ist glasklar, da es sogar unterhaltsrechtlich ! anerkannt ist, dass ein Vollzeitumschüler den Selbstbehalt eines Erwerbstätigen erhält.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Mich erstaunt es nicht, dass es da außer AG Esslingen, 05.03.2012, BHG 686/11 nichts gibt.

    Die Sache ist glasklar, da es sogar unterhaltsrechtlich ! anerkannt ist, dass ein Vollzeitumschüler den Selbstbehalt eines Erwerbstätigen erhält.


    Im genannten Beschluss scheinen mir Begründung und Schlussfolgerung - zumindest für meinen Fall - nicht so recht zu passen:

    "Als erwerbstätig angesehen wird, wer ein Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit erzielt. Deswegen ist anerkannt, dass bei einem Umschüler - anders als bei Schülern, Studenten oder Arbeitslosen - der Erwerbstätigenfreibetrag abzusetzen ist (OLG Nürnberg FamRZ 2003, 774; Musielak in ZPO, 8. Auflage 2011 § 115 Rdn. 179)."
    (AG Esslingen, Beschluss vom 05. März 2012 – BHG 686/11 –, Rn. 20, juris)


    Meine PKH-Partei ist an sich weder selbstständig noch unselbstständig tätig. Als Einkommen erhält der Betreffende lediglich Übergangsgeld der Rentenversicherung.

    Ergo dürfte er eher dem in der Entscheidung genannten Arbeitslosen gleichzusetzen sein, also kein Abzug des Freibetrages? :gruebel: (Ohne Umschulung würde er arbeitslos zu Hause sitzen.)

    Von welcher Art Umschüler ist denn die zitierte Entscheidung des OLG Nürnberg ausgegangen?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!