Rechtsprechungshinweise Fächerübergreifende Themen

  • OLG München, 18.10.2017, 7 U 530/17

    Eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (und damit auch die Möglichkeit der Zustellung durch Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten, § 180 ZPO) ist nur möglich, wenn die Wohnung tatsächlich vom Zustellungsadressaten bewohnt wird.

    Die melderechtliche An- und Abmeldung hat zwar für die Frage einer zustellungsrechtlichen Wohnung regelmäßig keine unmittelbare Aussagekraft, der Tatsache einer Abmeldung beim Einwohnermeldeamt kann aber eine gewisse indizielle Bedeutung für die Frage des tatsächlichen Wohnsitzes nicht abgesprochen werden. Die Abmeldung kann als nach außen erkennbarer Akt der Wohnungsaufgabe deuten lassen.

  • Ermittlung des Zustelldatums durch Schriftsatz statt durch Empfangsbekenntnis

    BGH, Beschluss vom 12.09.2017, XI ZB 2/17

    Sofern ein Zustellwillen des Gerichtes besteht, genügt zur Bestimmung des Zustelldatums eine (hier in der Berufungsschrift erfolgte) schriftsätzliche Zustellbestätigung.

    Für den Zeitpunkt der Zustellung selbst ist es weder von Bedeutung, wann die Empfangsbestätigung ausgestellt worden ist und welches Datum es trägt, noch in welcher Form dies geschieht; der Empfänger kann vielmehr auf beliebige Weise Empfang und Annahmewillen schriftlich bestätigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es zum Nachweis für den wirksamen Vollzug einer Zustellung aus, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei sich in einer Rechtsmittelschrift auf das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich mit den Worten „zugestellt am …“ bezieht, sofern auch die weiteren, unabdingbaren Anforderungen an die Vollendung der Zustellung erfüllt sind. (Rn. 13)

  • Nutzt ein Rechtsanwalt zur Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes ein Telefaxgerät, hat er eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, um einen vollständigen Zugang des zu übermittelnden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten.

    BGH, Beschluss vom 06.12.2017 – XII ZB 335/17, BeckRS 2017, 138745

    (Anm. Toussaint, FD-ZVR 2018, 401840)

  • Legt ein Verfahrensbeteiligter einen Ausdruck der vom gerichtlichen Empfangsserver automatisch versandten Eingangsbestätigung für den Eingang eines Schriftstücks per EGVP vor, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Schriftstück zu dem auf der Eingangsbestätigung ausgewiesenen Zeitpunkt auf dem Gerichtsserver eingegangen ist.

    VGH Hessen, 26.09.2017 - 5 A 1193/17

    NJW 2018, 417

  • 1. Die Beurkundung des Zustellungsvorgangs nach § 182 ZPO dient nur dem Nachweis der Zustellung und ist nicht konstitutiver Bestandteil der Zustellung (im Anschluss an BGH Versäumnisurteil vom 19. Juli 2007, I ZR 136/05, NJW-RR 2008, 218).

    2. Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde erfasst zwar nicht den Umstand, ob die zur Entgegennahme bereite Empfangsperson im Sinne von § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bevollmächtigt ist. War jedoch ein Klinikmitarbeiter ausweislich der Urkunde bereit, ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung entgegenzunehmen, hat dies aber eine starke Indizwirkung für das Bestehen einer solchen Vollmacht. Diese muss der Zustellungsadressat, der die Zustellung nicht gegen sich wirken lassen will, durch eine plausible und schlüssige Darstellung von abweichenden Tatsachen erschüttern (Fortführung von BGH Beschlüsse vom 6. Mai 2004, IX ZB 43/03, NJW 2004, 2386 und vom 17. Februar 1992, AnwZ (B) 53/91, NJW 1992, 1963).

    BGH, 11.7.18, XII ZB 138/18

    NJW 2018, 2802 mit Anm. Würdinger

  • [FONT=&quot]Einstweilige Verfügung - Heilung nach § 189 ZPO - Zustellung einer vom Gericht erteilten beglaubigten Abschrift oder einer vom Rechtsanwalt oder Gerichtsvollzieher beglaubigten Abschrift ist ausreichend

    [/FONT][FONT=&quot]HansOLG, 25.07.2018, 3 U 51/18, BeckRS 2018, 17282

    [/FONT][FONT=&quot]OLG Dresden, 02.05.2018, 1 U 1708/17, DGVZ 2018, 208[/FONT]

  • 1. Bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax muss der Absender die Belegung des Empfangsgeräts des Gerichts durch andere eingehende Sendungen - insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden - in Rechnung stellen und zusätzlich zur eigentlichen Sendedauer eine Zeitreserve ("Sicherheitszuschlag") von etwa 20 Minuten einplanen, um gegebenenfalls durch Wiederholung der Übermittlungsvorgänge einen Zugang des zu übersendenden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten.

    2. Zur Bemessung des "Sicherheitszuschlags" bei der Versendung mehrerer fristgebundener Schriftsätze.

    BGH, 23.10.18, III ZB 54/18

  • Beweiswerts eines Empfangsbekenntnisses – Widerlegung des angegebenen Eingangsdatums


    BGH, 25.9.2018, XI ZB 6/17


    Zur Widerlegung des Beweiswerts eines Empfangsbekenntnisses – hier: Anbringung des Empfangsdatums durch Kanzleimitarbeiterin und spätere Unterzeichnung durch den Rechtsanwalt nach behaupteter Ortsabwesenheit


    siehe Anm. Elzer, FD-ZVR 2018, 412399

  • ZPO § 42 Abs. 2

    Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn seine Ehegattin als Sekretärin der Rechtsanwaltskanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem Richter vertritt, wenn aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei unter Berücksichtigung der Umstände die Besorgnis besteht, dass der Prozessbevollmächtigte des Gegners auf die Ehefrau und diese wiederum auf den Richter unzulässig Einfluss nimmt (Fortführung von BGH, Beschluss vom 15. März 2012 - V ZB 102/11, NJW 2012, 1890).


    BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 - I ZB 58/17


    OLG Koblenz, 9.5.18, 13 W 252/18

    Befangenheit kann nicht für die mögliche Zurückverweisung an das Ausgangsgericht und damit zum abgelehnten Richter oder für zukünftige Verfahren geltend gemacht werden

    Zum Rechtsschutzbedürfnis, wenn mit dem Ablehnungsersuchen weitere Anträge gestellt werden, über die nur der abgelehnte Richter entscheiden könnte

    FamRZ 2019, 129

  • LS

    Unterschrift auf einer Telekopie

    Der PB einer Partei, der aufgrund der bereits auf dem Originalschriftsatz kaum sichtbaren (blassen) Unterschrift damit rechnen muss, dass diese entgegen § 130 Nr. 6 ZPO möglicherweise nicht auf die Telekopie übertragen werden wird, handelt schuldhaft, wenn das bei Gericht eingehende und dort ausgedruckte Fax eine im Original tatsächlich vorhandene Unterschrift nicht erkennen lässt und er dadurch eine Frist i.S.v. § 233 S. 1 ZPO versäumt.


    BGH, Beschl. v. 31.01. 2019 – III ZB 88/18

    openJur 2019, 2223

  • Für die zulässige Einlegung eines Rechtsmittels durch eine Gesellschaft ohne gesetzlichen Vertreter reicht es aus, wenn sie noch als prozessfähige Gesellschaft einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt und Auftrag zur Einlegung des Rechtmittels erteilt hat. Eine solche Vollmacht wird gemäß § 86 ZPO durch den Verlust der Prozessfähigkeit des Vollmachtgebers nicht berührt, und zwar unabhängig davon, ob diese Veränderung vor oder nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit stattgefunden hat.
    Entsprechendes gilt, wenn eine partei- und prozessfähige Handelsgesellschaft eine Prokura erteilt hat.

    BGH, Beschluss vom 6. Februar 2019 - VII ZB 78/17, LINK

  • Engeler: Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung auf die Arbeit der justiziellen Beteiligungsgremien, NJOZ 2019, 593

  • Es kann eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn der Zustellungsadressat, der einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat, sich auf die Fehlerhaftigkeit einer Ersatzzustellung an diesem scheinbaren Wohnsitz beruft.


    BGH, 14.05.2019, X ZR 94/18, siehe Anm. Elzer in FD-ZVR 2019, 420737


    a) Zur Wirksamkeit einer Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten, wenn der Zustellungsempfänger dort tatsächlich nicht wohnt


    b) Zur Verletzung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs, wenn das Gericht ohne Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder deren Inhalt bei Auslegung und Anwendung in krasser Weise missdeutet


    (Vorliegend wurde der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Eine Prüfung, ob die Frist für den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid wegen der möglicherweise unwirksamen Zustellung überhaupt schon abgelaufen war, erfolgte nicht. Dies hat das BVerfG gerügt.)


    BVerfG, 16.07.2019, 2 BvR 881/17, siehe Anm. Toussaint in FD-ZVR 2019, 420922

  • BGH: Empfangsbekenntnis - Fehlender Vermerk in der Handakte über die erfolgte Fristennotierung

    ZPO §§ 85 II, 233


    1. Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis für eine Urteilszustellung erst unterzeichnen, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist.
    2. Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen müssen so notiert werden, dass sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen deutlich abheben. (amtliche Leitsätze)


    BGH, 12.09.2019, IX ZB 13/19, BeckRS 2019, 22910 (Anm. Toussaint in FD-ZVR 2019, 42156)

  • Zur Pflicht zur Nutzung des beA bei Unerreichbarkeit des gerichtlichen Faxgeräts

    LG Krefeld, 10.09.2019, 2 S 14/19 - NJW 2019, 3658


    Faxversand an Gericht nicht möglich: Zur Pflicht des Rechtsanwaltes zur Klärung etwaiger Störungen im Empfangsbereich; Zur Pflicht zur Nutzung des beA, wenn auch danach ein Faxversand möglich ist

    OLG Dresden, 29.07.2019, 4 U 879/19 - NJW 2019, 3312


    Scheitert die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes an der temporären Belegung oder Störung des Telefaxempfangsgeräts des Gerichts, darf der Prozessbevollmächtigte der Partei nicht ohne Weiteres mehrere Stunden vor Ablauf des letzten Tages der Frist – vorliegend bereits gegen 20.00 Uhr – zusätzliche Übermittlungsversuche einstellen (im Anschluss an BGH, NJW 2015, 1027 Rn. 21).

    BGH, Beschluss vom 20.08.2019, VIII ZB 19/18 (NJW 2019, 3310)


    Richtigkeit des Zustelldatums eines Empfangsbekenntnisses über das beA - Zu den Anforderungen an einen Gegenbeweis

    OVG Saarlouis, Beschluss vom 27.09.2019, 1 D 155/19, NJW 2019, 3664

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