Polnisches Testament eines Deutschen

  • Hallo zusammen,

    am letzten Tag vor dem Urlaub ereilt mich folgendes:

    Es verstirbt ein Mann mit deutscher und polnischer Staatsangehörigkeit in Polen.
    Letzter Wohnsitz war in Deutschland, sodass unsere Zuständigkeit als Nachlassgericht gegeben ist.

    Überreicht wird ein privatschriftliches Testament in polnischer Sprache.
    Auf dem Umschlag steht: ""Moj Testament/ Mein letzter Wille", aber das Testament selbst ist nur in polnischer Sprache abgefasst.

    Wie verfahre ich bei der Eröffnung?
    Brauch ich eine Übersetzung, damit ich weiß, ob es überhaupt ein Testament ist und damit ich die Beteiligten (insbesondere bei Verwendung der allg. Formulierungen wie "meine Frau"," meine Tochter" etc.) herausfiltern kann?
    Gibt es sonst Besonderheiten?

    Danke schon mal vorab....:)

    "Man muss denken wie die wenigsten und reden wie die meisten."
    (Arthur Schopenhauer)

  • 100 % Zustimmung zu Cromwell.

    Anmerkung: Im BGB steht bei den §§ 2229 ff. BGB nichts davon, dass das Testament eines Deutschen nur in deutscher Sprache verfasst werden kann. Selbst Steno kann übrigens als handschriftliches Testament gelten.
    Eröffnet wird übrigens das Testament, nicht die Übersetzung. Eröffnungsvermerk also nur auf das Originaltestament und dann Übersetzung anfertigen lassen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • es sei denn, es wäre Grundbesitz in Polen vorhanden und das polnische IPR würde insoweit die Maßgeblichkeit des polnischen Rechts vorsehen (Art. 3a Abs.2 EGBGB).

    In Polen ist es nicht der Fall.
    Aus polnischer Sicht gilt der Erblasser aber als Pole, was in Polen zur Anwendung des polnischen Erbrechts führt.


    Gibt es sonst Besonderheiten?



    In deutsch-polnischen Fällen verfassen Testatoren oft parallel zwei Testamente – einen „polnischen“ und einen „deutschen“, welche die Erbfolge nach Vorstellung des Testators nur in jeweiligem Land regeln sollen (sehr häufig sogar bei notariellen Testamenten, wenn der beurkundende Notar danach nicht fragt oder das andere Testament ihm verschwiegen wird). Deswegen muss man sich als Nachlassgericht vergewissern, ob einem nicht nur das „deutsche“ Testament vorgelegt wurde.

  • Und wie verhält sich das Ganze nun seit Geltung der EU-ErbVO ?
    Folgender Fall :

    Erblasserin E stirbt am 14.08.2017 und hinterlässt einen ( inzwischen nachverstorbenen Ehemann ) sowie zwei leibliche Kinder S und T .
    S wohnt in Deutschland , die T in Polen.
    Sie hatte in Deutschland ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt und ist auch hier verstorben.
    ZTR meldet lediglich deutsche Staatsangehörigkeit . Über doppelte Staatsangehörigkeit ist bis jetzt nicht bekannt.
    Geboren ist die E in Oberschlesien .
    Nun Ende Juni 2018 liefert der Sohn S ein polnisches notarielles Testament - errichtet im Jahr 1998- zusammen mit einer beglaubigten deutschen Übersetzung eines vereidigten Übersetzers zur Eröffnung vor.
    Als Alleinerbin ist die Tochter T in Polen eingesetzt.
    Das polnische Testament ist vom dortigen Notar unterschrieben und gesiegelt. Die Unterschrift der Erblasserin ( wie hier in Deutschland ) fehlt.
    Nach mündlicher Aussage soll Grundbesitz in Polen vorhanden sein.
    Fragen :

    1.) Materiell deutsches Erbrecht Art. 21,24 EU-ErbVO unter Berücksichtigung eines ( formwirksamen ) polnischen Testamentes ( Ortsform ) ?

    2.) Ist ggf. Ortsform für polnisches notarielles Testament ( also ohne Unterschrift des Erblassers ) gewahrt ?

    3.) Wegen Grundbesitz in Polen : Europ. Nachlasszeugnis des hiesigen Nachlassgerichts notwendig ?

  • Das notarielle Testament wird in Polen, wie jede andere notarielle Urkunde, selbstverständlich durch den Testator (sowie durch den Notar) unterzeichnet. Das Original verbleibt in der Urkundenrolle des Notars. Nur die Erstellung von Ausfertigungen erfolgt anders als in Deutschland. Der Ausfertigungsklausel (die Urkunde selbst wird durch die Formulierung „Die Urkunde wurde vorgelesen, genehmigt und unterschieben“ abgeschlossen, danach folgt die Ausfertigungsklausel) kann man entnehmen, welche Unterschriften auf dem Original in der Urkundenrolle vorhanden sind.
    Die Urkundenrolle von 1998 befindet sich übrigens im Gerichtsarchiv beim Amtsgericht am Sitz des Notars. Eine neue Ausfertigung könnte, falls notwendig, nur das Amtsgericht erstellen.
    Anwendbares Recht: man muss hier Art. 83 Abs. 4 ErbRVO auf die fingierte Rechtswahl zugunsten des polnischen Rechts prüfen. Der erste Schritt ist die Feststellung, ob die Testatorin die polnische Staatsangehörigkeit besaß, was bei Spätaussiedlern aus Oberschlesien in der Regel der Fall ist. Dem Testament kann man übrigens entnehmen, wie die Identität der Testatorin festgestellt wurde (welcher Ausweis vorgelegt wurde). Im Jahre 1998 sah das damals in Polen geltende IPRG 1965 keine Rechtswahl beim Erbstatut vor. Bei einer polnischen Testatorin ist man von der Anwendbarkeit des polnischen Rechts ausgegangen. Bei einem notariellen Testament würde ich in solch einem Fall davon ausgehen, dass das Testament unter Anwendung des polnischen Erbrechts konzipiert wurde und folglich auch die fingierte Rechtswahl nach Art. 83 Abs. 3 ErbRVO zu bejahen ist.
    Als Grundlage des Grundbuchumschreibung in Polen wird sicherlich das ENZ akzeptiert. Die Grundbuchpraxis neigt aber auch dazu, einen deutschen Erbschein ebenfalls zu akzeptieren, bisdato gibt es dazu aber lediglich eine LG Entscheidung. Die Entscheidung liegt bei dem Antragsteller.

    Einmal editiert, zuletzt von silesianman (1. Juli 2018 um 11:04)

  • Nach nochmaliger Einsicht in der polnischen "Originalausfertigung" ist dort in der Tat bescheinigt , dass auf dem Original die Unterschrift der Testierenden und des Notars vorhanden sind.
    Klingt für mich erst mal nach anzuwendendem polnischen Erbrecht neben deutschem Verfahrensrecht.

  • Ich hab hier eine Kopie eines polnischen notariellen Testamentes vorliegen. Die Erblasserin hatte ihren letzten gewöhnlich Aufenthalt in meinem Bezirk.
    Muss das Original (hilfsweise Ausfertigung/begl. Abschrift) beim errichteten Notar angefordert werden oder beim in #6 erwähnten Gerichtsarchiv?

  • Das Original verbleibt in der Urkundenrolle des Notars und wird die Kanzlei bzw. das Gerichtsarchiv nicht verlassen (ausnahmslos, selbst ein Gerichtssachverstaendiger kann das Original nur in der Kanzlei bzw. im Gerichtsarchiv untersuchen). Man stellt Ausfertigungen der Urkunde (wypis) aus, welche den Inhalt der Urkunde genau wiedergeben und nach polnischem Notargerecht die gleichen Folgen wie das Original haben.

    Eine Ausfertigung kann der eigesetzte Erbe unter Vorlage der Sterbeurkunde erhalten. Das Nachlassgericht kann eine Ausfertigung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erhalten. Nach der ErbRVO, wenn der Fall der Verordnung unterliegt, kann ein ausländisches Nachlassgericht die Urkunde unmittelbar beim Notar anfordern. Nach autonomem Recht, Erbfall vor dem 17. August 2015, musste das deutsche Gericht jedoch über die Beweisaufnahmeverordnung gehen, wenn sich das Testament beim Notar befindet.
    Die Faustregel hinsichtlich der Abgabe der einzelnen Jahrgänge an das Gerichtsarchiv sind 10 Jahre (mit Ausnahmen in beiden Richtungen). Abgegeben werden die Urkunden an das Amtsgericht, Grundbuchabteilung (Sąd Rejonowy, Wydział Ksiąg Wieczystych) am Sitz des Notars.
    In einem spiegelbildlichen Fall würde ich mich auf eine Kopie nicht begrenzen.

  • Danke für die ausführliche Antwort. Der Erbfall unterliegt der EuErbVO und ich erachte mich für international zuständig nach Art. 4 EuErbVO.
    Ich werde dann mal beim polnischen Notariat eine Ausfertigung der Urkunde erfordern. Ich hatte schon vermutet, dass ich das Original nicht bekommen würde.
    Die einfache Kopie die ich habe reicht mir natürlich nicht aus.

  • Als Grundlage des Grundbuchumschreibung in Polen wird sicherlich das ENZ akzeptiert. Die Grundbuchpraxis neigt aber auch dazu, einen deutschen Erbschein ebenfalls zu akzeptieren, bisdato gibt es dazu aber lediglich eine LG Entscheidung. Die Entscheidung liegt bei dem Antragsteller.

    Im Nachklapp :
    Für die polnische Grundbuchbehörde reicht in meinem Fall ein deutscher Erbschein ( hier in in Anwendung materiellen polnischen Erbrechts ).
    Ein ENZ wird danach nicht benötigt.:oha:

  • Ein ENZ wird danach nicht benötigt.:oha:


    Der Hintergrund ist, dass ein Erbschein nach polnischem Verständnis eine Entscheidung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit G ErbRVO ist und somit nach Art. 39 ErbRVO anzuerkennen ist.
    Mal sehen, was uns der EuGH zum Entscheidungsbegriff in der Rs. WB, C-658/17 sagt. So sieht man aber derzeit die Rechtslage in Polen (auch spiegelbildlich - im Hinblick auf die Rechtsfolgen der polnischen gerichtlichen Beschlüsse über die Feststellung des Erbschaftserwerbs in anderen Mitgliedstaaten; nach dieser Auslegung stellen sie eine Eintragungsgrundlage im deutschen Grundbuchverfahren dar).

  • Ein ENZ wird danach nicht benötigt.:oha:


    Der Hintergrund ist, dass ein Erbschein nach polnischem Verständnis eine Entscheidung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit G ErbRVO ist und somit nach Art. 39 ErbRVO anzuerkennen ist.
    Mal sehen, was uns der EuGH zum Entscheidungsbegriff in der Rs. WB, C-658/17 sagt. So sieht man aber derzeit die Rechtslage in Polen (auch spiegelbildlich - im Hinblick auf die Rechtsfolgen der polnischen gerichtlichen Beschlüsse über die Feststellung des Erbschaftserwerbs in anderen Mitgliedstaaten; nach dieser Auslegung stellen sie eine Eintragungsgrundlage im deutschen Grundbuchverfahren dar).

    EuGH, Urteil vom 23.05.2019 in der Rechtssache C-658/17

    Die Notare in Polen, die auf gemeinsamen Antrag aller Beteiligten des notariellen Verfahrens eine Urkunde über die Bestätigung der Erbenstellung errichten, sind keine „Gerichte" im Sinne der Erbsachenverordnung, und diese Urkunde ist folglich keine in einer Erbsache erlassene „Entscheidung"
    Diese Urkunde ist jedoch eine „öffentliche Urkunde"

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