Kosten (unnötiger) Untätigkeitsklagen

  • Ein Hallo ins Forum!

    Sollte ich irgendetwas falsch machen, bitte ich um kurze Benachrichtigung.

    Mir brennt ein Problem auf der Seele. Kurz zu mir: Ich bin SB der Widerspruchsstelle eines Jobcenters. Seit etlicher Zeit ärgern wir uns mit einem Anwalt rum, der es als seine Aufgabe ansieht, uns mit allen möglichen Mitteln lahm zu legen, indem er uns mit Widersprüchen, Klagen usw. überzieht.

    Konkret haben wir momentan folgendes Problem:

    Er hat mehrfach in einer Sache (Bedarfsgemeinschaft) mehrere Untätigkeitsklagen erhoben zu einem Widerspruch, also für jedes BG Mitglied extra (z. B. 5 BG Mitglieder - 1 Widerspruch gegen einen Bescheid - 3 Monate Untätigkeit - 5 Untätigkeitsklagen). Jetzt ging es um die Kosten in den zusätzlichen Verfahren (also ein Verfahren wird normal voll bezahlt, das muss ja so sein, das sehen wir auch ein), erstmal um die Kostengrundentscheidung. Wir hatten in unserer Stellungnahme geschrieben, dass wir keine Kosten übernehmen wollen, weil wir der Meinung sind, dass die restlichen 4 U-Klagen unnötig waren, da mit einer U-Klage das Ziel (Bescheidung des Widerspruchs) erreicht wird und er als Organ der Rechtspflege nicht nur seine Kosten im Auge haben darf (entsprechend der SGG Kommentierung Meyer/Ladewig/Leitherer zu § 193). Das Gericht hatte dann geschrieben, dass es der Ansicht des Anwaltes folgt (es geht um die Kostengrundentscheidung).

    Dieser schrieb in seiner Stellungnahme zur Kostengrundentscheidung, dass es egal wäre, wieviel Verfahren er macht, es würde für uns nicht teurer werden als nur ein Verfahren, weil er wüsste, dass er nur in einem Verfahren die vollen Kosten abrechnen kann und in den anderen nur die Erhöhungsbebühr. Dem kann ich ja noch folgen. Die U-Klagen für die anderen sind nicht unzulässig (die Rechtsansicht meiner 1. SGG), sie sind auch begründet, aber es darf nicht die vollen Kosten geben (wobei die Kommentierung besagt, dass es auch dann keine Kosten gibt, wenn die Klage gar nicht erhoben hätte werden müssen, was ja vorliegend ist, so werde ich auch weiter argumentieren). Trotzdem könnte ich mit der Übernahme der Erhöhungsgebühr leben, die bekäme er ja für jedes BG Mitglied, wenn er nur ein Verfahren gemacht hätte.

    ABER: Zeitgleich mit mir hatte eine Kollegin einen Fall auf dem Tisch, wo es so lief und er dann in der Kostengrundentscheidung Kosten zugesprochen bekommen hat. Daraufhin schickte der Anwalt aber nicht etwa eine Rechnung über die Erhöhungsgebühr, nein, er schickt Rechnungen für volle U-Klagen, also Verfahrensgebühr, Telekommunikationspauschale, Terminsgebühr etc. Die Kollegin fällt in der Stellungnahme drauf rein und macht nur den Schriftsatz, dass wir auf xx,xx Euro kürzen wollen, weil unterdurchschnittlich usw... und das Gericht übersieht es bei ihrem KFB auch. M. E. n. ist das ein Betrugsversuch. Er kann doch nicht schreiben "Ich weiß, dass ich nur die Erhöhungsgebühr abrechnen kann." und dann auf Dummfang gehen und Rechnungen über den vollen Preis schicken?


    Oder noch besser: danach hatte die Kollegin einen Fall auf dem Tisch, da hatte die Rechtspflegerin beim SG aufgepasst und nur 8 Euro paar Zerquetschte im KFB festgesetzt. Dagegen ist er in Erinnerung gegangen. Weil in der Anlage zum RVG stünde, dass es gar nicht zulässig ist, die Erhöhungsgebühr ohne eine Verfahrensgebühr beanspruchen zu können (genauen Wortlaut habe ich nicht im Kopf, irgendwas mit Teil 1 und Teil 2...). Nun ja, wir haben jetzt in der Stellungnahme zurückgeschrieben, dass der Verlauf ("Ich weiß, dass ich nur die Erhöhungsgebühr beanspruchen darf." und "Erhöhungsgebühr allein geht gar nicht.") nur darauf hindeuten kann, dass er mit seiner Erinnerung bezwecken möchte, GAR NICHTS zu bekommen.

    Wie stellt sich für euch Experten (fachlich zum SGB II würde ich mich als Expertin bezeichnen, aber bei Kosten hört es bei mir auf) das Ganze dar? Sind wir auf dem falschen Dampfer oder besagter Anwalt?

    Danke im Voraus.

    Helga

  • So verkehrt liegt der Anwalt nicht. Eine "Erhöhungsgebühr" als eigenständige Gebühr gibt es nach dem RVG nicht (das war zu BRAGO-Zeiten anders). Es gibt nur eine erhöhte Verfahrensgebühr, d.h., in jedem Verfahren entsteht eine Verfahrensgebühr. Man kann sich darüber streiten, ob tatsächlich mehrere Klagen nötig waren, zulässig ist das aber und bei uns werden auch i.d.R. gleich mehrere Untätigkeitsklagen eingereicht.

  • Ja, über die Zulässigkeit braucht man nicht zu streiten, die liegt vor, da irrt meine 1. SGG, das weiß ich. Allerdings gibt es (vom selben SG, andere Kammern) tatsächlich Entscheidungen, wonach die Erhebung mehrerer U-Klagen als unnötig angesehen werden und es keine Kosten gibt.

    Nur hier liegt ja der Fall so, dass der Anwalt selbst erläutert, dass angeblich keine höheren Kosten anfallen würden, wenn er mehrere Klagen macht. Es würden maximal nur die Kosten anfallen, die bei einer Klage für alle auch anfielen (also Verfahrensgebühr, Erhöhungsgebühr, fiktive Terminsgebühr und Kosten für Telekommunikation). Und dann aber doch volle Rechnungen erstellt.

    Beispiel:

    eine U-Klage für 5 BG Mitglieder (beispielhafte Beträge):

    Verfahrensgebühr: 200 Euro
    Erhöhungsgebühr (30% pro weiteres BG-Mitglied: 240 Euro)
    fiktive Terminsgebühr: 100 Euro
    Telekommunikationspauschale: 20 Euro
    Zwischensumme: 560 Euro
    MWSt: 106,40 Euro
    Gesamtbetrag: 666,40 Euro

    Er rechnet dann aber 5 x das ab:

    Verfahrensgebühr: 200 Euro
    fiktive Terminsgebühr: 100 Euro
    Telekommunikationspauschale: 20 Euro
    Zwischensumme: 320 Euro
    MWSt: 60,80 Euro
    Gesamtbetrag: 380,80 Euro

    x 5 = 1904 Euro

    Wenn also der Anwalt in seiner Stellungnahme zur Kostengrundentscheidung schreibt "Es entstehen durch mehrere Verfahren keine höheren oder nur geringfügig höhere Kosten.", dann sind also 1237,60 Euro (1904,00 Euro - 666,40 Euro) "geringfügig"?!

    Es geht ja nicht darum, dass er kein Geld erhalten soll, es geht darum, dass er schrieb "Ich weiß, dass ich für die anderen Verfahren weniger Geld zu bekommen habe." und dann aber doch 5 x volles Geld will.... Das wäre ja dasselbe, wie wenn mir jemand sagt: "Wenn du 5 Sonnenbrillen kaufst, dann bekommst du auf 4 davon 70% Rabatt.", ich kaufe die dann und dann sagt der Verkäufer "Ätschebätsche, ich will doch 5 x 100 Euro von dir....".

    Nur darum geht es im Prinzip. Um seine irreführenden Angaben in der Stellungnahme zur Kostengrundentscheidung.

    Helga

  • Probieren kann man`s ja mal. ;)
    Aber von Gerichts festgesetzt wird das doch bestimmt nicht - oder?
    Wir geben bei Untätigkeitsklagen nicht mal für die 1. Klage eine Verfahrensgebühr von 200,00 EUR und für alle weiteren nur noch jeweils 40,00 EUR.

  • Nachdem wir jahrelang anstandslos 200 Euro PLUS für eine U-Klage bezahlt haben, haben wir das auch gemerkt, dass wir mit dem Piepvogel vor der Stirn rumgelaufen sind :gruebel:... Deshalb gehen ja jetzt alle Kostensachen nur noch übers Gericht. Und seitdem gibts dann (ich red jetzt nur von der Verfahrensgebühr) nur noch 20 oder 40 Euro für die normale U-Klage.

    Immer dasselbe ermüdende Spiel (wenn schon eine Kostengrundentscheidung da ist): Rechnung vom RA über 200 plus kommt. Antwort an RA: beantrage bitte Kostenfestsetzung. Oder RA beantragt gleich Kostenfestsetzung ohne uns vorher eine Rechnung zu schicken, weil er ja weiß, das wir eh nix machen. Und schickt halt seine Rechnung über 200x ans Gericht. Wir antworten dann in unserer Stellungnahme halt: "Nö, 20 Euro reichen..." und irgendwann kommt der KFB, meistens in der Höhe, die wir angegeben haben.

    So schlau sind wir inzwischen geworden, wenn es auch lang gedauert hat :cool:... Dessenungeachtet, dass die Widerspruchsstelle personell so aufgestockt wurde, dass kaum noch U-Klagen anfallen und wir auch solche Tricks wie abgeschaltetes Fax (bzw. für unsere Fax-Nr. gesperrtes Fax) damit umgehen, dass wir die Bescheide persönlich zu zweit hinbringen und in seinen Briefkasten werfen usw...

    Wir hatten übrigens auch schon solche Fälle, wo es dann eine positive Kostengrundentscheidung für ihn gab, die Rechtspflegerin dann aber im KFB die zu übernehmenden Kosten auf 0,00 Euro festgesetzt hat :teufel:...

    Na ja, werde mal Montag mit dem zuständigen Richter telefonieren, wie er das sieht, wenn er der Angabe des RA "Es kostet doch nicht mehr." folgt und ich nachweisen kann, dass der Anwalt das zwar jetzt schreibt, damit er eine positive Kostengrundentscheidung bekommt, dann später beim KFB aber was total anderes abrechnen möchte... Und dass es andere Kammern gab, die seiner Ansicht eben nicht gefolgt sind und von vornherein eine für den Anwalt negative Kostengrundentscheidung getroffen haben, immerhin müsste ja eine einheitliche Rechtsprechung vom SG erfolgen...

    Danke erstmal (wenn noch was Hilfreiches einfällt, ich nehme das gern zur Kenntnis).

    Helga

  • Beim SG Berlin haben wir u.a. Musterentscheidungen, die auch in JURIS und http://www.sozialgerichtsbarkeit.de eingestellt ist (SG Berlin, Beschluss vom 24.2.2010 - S 164 SF 1396/09 E - und 3.11.2009 - S 164 SF 532/09 E -), die besagen, dass zusammengehörende anwaltliche Tätigkeiten zu einer Gebührenbemessungseinheit zusammenzufassen sind, da nur notwendige Kosten gem. § 91 ZPO ersetzt werden. Einzelne Untätigkeitsklagen für einzelne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft dürften zweifellos darunter fallen. Wir handhaben das dann so, dass es eine Verfahrengebühr gibt und für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nur die Erhöhungsgebühr gem. VV-RVG Nr. 1008.

  • @ audideus:
    Wie läuft das denn in der Praxis ab? Werden mehrere Kostenfestsetzungsverfahren verbunden? Ich stelle mir das z.T. schwierig vor. Der RA könnte ja bei 5 Untätigkeitsklagen z.B. im Monatstakt Kostenfestsetzungsanträge stellen. Wie behält man dann den Überblick?

  • Ja, die Entscheidungen habe ich auch gefunden. Das Problem ist aber, dass die Erhöhungsgebühren in den anderen Verfahren nicht einzeln geltend gemacht werden können.

    Eine andere Kammer meines SG sagt dazu (Beschluss):

    "Wenn der Kläger vorliegend vorträgt, dass die getrennte Erhebung von Untätigkeitsklagen nicht zu einer überflüssigen Kostenentstehung führen würde, da bei jedem einzelnen Kläger ja sodann die Erhöhungsgebühr für Mandantenmehrheit wegfalle, so ist dies schlechterdings falsch. Denn die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG bedeutet für jeden weiteren Kläger lediglich eine Erhöhung von 30% der Verfahrensgebühr, während beim Vorgehen der Kläger für jeden Kläger mindestens eine Verfahrensgebühr anfällt."

    Im Prinzip geht also nur folgendes: Eine U-Klage mit einer Verfahrensgebühr und x Erhöhungen oder mehrere U-Klagen mit jeweiliger Verfahrensgebühr.

    Und dann sind die mehreren U-Klagen natürlich teurer und der RA hat schlichtweg gelogen, wenn er behauptet "Es entstehen nicht mehr oder nur unwesentlich mehr Kosten.".

    Helga

  • Zitat

    Ich stelle mir das z.T. schwierig vor. Der RA könnte ja bei 5 Untätigkeitsklagen z.B. im Monatstakt Kostenfestsetzungsanträge stellen. Wie behält man dann den Überblick?

    Genau das ist nämlich auch bei uns das Problem. Weil sowohl wir als auch das Gericht den Überblick verliert, wird mehr gezahlt als nötig. Und m. E. n. wird genau das vom Anwalt beabsichtigt.

    Helga

  • Bei uns werden die Kostenverfahren i.d.R. erst im Erinnerungsverfahren verbunden. Ansonsten ist es für die Kostenbeamt/innen sehr schwierig herauszubekommen wieviele Klageverfahren beim Gericht anhängig sind (wir haben ca. 30.000 AS-Verfahren jährlich).
    Es wäre eine große Hilfe, wenn die JobCenter - denn nur diese kennen die Anzahl der Klageverfahren je Bedarfsgemeinschaft - frühzeitig die Verbindung beantragen würden.

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