Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Die Einigungsstelle verfügt über einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang sie die Nachteile einer Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen will, wobei der Normzweck des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht verfehlt werden darf, die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer zumindest zu mildern.

    Hat der Betriebsrat den Spruch einer Einigungsstelle zu einem Sozialplan angefochten, führt dieser aber zu einer substantiellen Milderung der für die Arbeitnehmer entstandenen Nachteile, so kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens nicht an.

    Der per Spruch einer Einigungsstelle beschlossenen Sozialplans ist wegen Verstoßes gegen § 75 BetrVG, §§ 1, 7 AGG insoweit unwirksam, als Arbeitnehmer von einer Sozialplanabfindung ausgeschlossen werden, die nach Bezug von Arbeitslosengeld I eine vorgezogene, gekürzte Rente in Anspruch nehmen können. Eine Gesamtunwirksamkeit des Sozialplans scheidet in so einem Fall aus, wenn die zur Verfügung gestellten Sozialplanmittel nicht voll ausgeschöpft wurden.


    LAG Hamburg, Beschl. v. 16. 11. 2017 - 7 TaBV 3/17

  • Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet nicht, bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung die Dauer der Erzwingungshaft im Einzelfall unter Berücksichtigung der Höhe der Forderung kürzer zu bemessen.

    Bei einer Geldforderung von 1.000 € handelt es sich jedenfalls nicht um eine Bagatellforderung, bei der dem Gläubiger, dem der Eigentumsschutz des Art. 14 GG zugutekommt, mit Rücksicht auf das Freiheitsinteresse des Schuldners von vornherein ein Verzicht auf die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zuzumuten wäre.


    BVerfG, Beschl. v. 3. 11. 2017 - 2 BvR 2135/09

  • Ein Vermögensgegenstand gehört nach einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter dann nicht zur Masse, wenn er aus Erträgen der selbstständigen Tätigkeit erworben wurde und nach der Entscheidung des Schuldners zur Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit genutzt wird.

    LG Duisburg, Urt. v. 17. 5. 2018 - 8 O 182/17

  • Die Vergütung eines Sachverständigen, der nicht zugleich vorläufiger Insolvenzverwalter ist, wird nicht gem. § 9 Abs. 2 JVEG bestimmt, sondern vielmehr nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG (hier 80 €). Dies gilt auch für den Umstand, dass nicht auf die Schwierigkeit im Einzelfall abzustellen ist, vielmehr allein auf die gerichtliche Entscheidung über die Heranziehung.

    LG Schweinfurt, Beschl. v. 12. 1. 2017 - 41 T 212/16

  • BGH, Urteil vom 26. April 2018 - IX ZR 56/17

    Eine Wohnungsgenossenschaft kann sich gegenüber dem Insolvenzverwalter, derdie Mitgliedschaft des Schuldners in der Wohnungsgenossenschaft wirksam gekündigthat, nicht auf eine Satzungsbestimmung berufen, nach der der Anspruchauf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erst ab dem Zeitpunkt derBeendigung des Nutzungsverhältnisses oder der Rückgabe des Nutzungsobjektesbesteht, wenn dadurch eine Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens tatsächlichausgeschlossen wird, ohne dass dies durch schützenswerte Interessender Genossenschaft oder des Schuldners gerechtfertigt ist.

    In diesen Fällen scheidet bei einer vor Inkrafttreten des § 67c GenG ausgesprochenenKündigung eine geltungserhaltende Reduktion der Satzungsbestimmungauf einen noch zulässigen Umfang regelmäßig aus.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - II ZR 2/16

    Bedingungen, bei deren Eintritt die Mitgliedschaft in der Genossenschaft von selbstendet, können nicht außerhalb der Satzung einzelvertraglich vereinbart werden.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Über die Zulässigkeit einer Aufrechnung von Steuerguthaben und -verbindlichkeiten im Insolvenzverfahren nach §§ 94 ff. InsO haben die FG zu entscheiden. Dies muss erst Recht gelten, wenn kein Fall der Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB vorliegt, sondern ein Fall der Steuerberechnung nach §§ 16 ff. UStG. In deren Rahmen werden Steueransprüche, Vorsteuerbeträge und Berichtigungen als unselbstständige Besteuerungsgrundlagen innerhalb einer Steuerberechnung miteinander saldiert, wobei nur mit oder gegen den Anspruch aufgerechnet werden kann, der sich aus der Steuerberechnung für einen derartigen Zeitraum ergibt.

    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 4. 2018 - I-12 W 1/18

  • Ist zumindest eine der gegenseitigen durch Rechtsgeschäft entstandenen Forderungen nach Maßgabe der Liefer- und Zahlungsbedingungen eines Kfz-Händlervertrags befristet i.S.v. § 140 Abs. 3 InsO, kommt es für die Anfechtbarkeit des Erwerbs der Aufrechnungslage dann auf den Zeitpunkt an, zu dem die spätere Forderung entstanden ist und damit das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden ist. Folglich ist die mit Abschluss eines Vertrags entstandene (Kaufpreis-)Forderung erst ab dem Zeitpunkt und nur insoweit zu berücksichtigen, als sie - etwa durch Erbringung der versprochenen Leistung (hier: Lieferung der Kfz und Übergabe des Fahrzeugbriefes) - werthaltig geworden ist und so dem Gläubiger eine tatsächliche Befriedigung mittels Aufrechnung seiner Forderung ermöglicht hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 4.10.2001 - IX ZR 207/00, ZIP 2001, 2055; OLG München, Urt. v. 8.9.2009 - 5 U 2499/09, ZInsO 2009, 2151 m. Anm. Laskos).

    Bei einem solchen, die Aufrechnungslage begründenden nachträglichen Werthaltigmachen einer Forderung handelt es sich dann um eine inkongruente Sicherung, wenn diese Wertung bereits für die Entstehung der Forderung zutraf (im Anschluss an BGH, Urt. v. 11.6.2015 - IX ZR 110/13, ZInsO 2013, 1497).

    Dem Aufrechnungsverbot nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO steht ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten des Schuldners (hier: weiteres Anfordern von Kfz und Fahrzeugbriefen in Kenntnis) dabei nicht entgegen. Denn diese dient nicht dem Schutz des Schuldners, sondern soll im Interesse der Gläubigergesamtheit eine Schmälerung der Masse verhindern (im Anschluss an BGH, Urt. v. 11.12.2008 - IX ZR 195/07, ZInsO 2009, 185; v. 2.4.2009 - IX ZR 221/07, ZInsO 2009, 1202).


    OLG Frankfurt/M., Urt. v. 15. 9. 2017 - 3 U 196/15

  • BGH, Beschluss vom 12. April 2018 - IX ZB 60/16

    a) Pflichten des Schuldners aus einer mit dem Insolvenzverwalter getroffenen, nicht au fdie gesetzlichen Pflichten beschränkten Vereinbarung über die nach der Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners an die Insolvenzmasse abzuführenden Zahlungen sind keine Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten "nach diesem Gesetz" gemäߧ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

    b) Beantragt ein Insolvenzgläubiger, dem Schuldner nach der Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit die Restschuldbefreiung wegen der Verletzung einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht zu versagen, ist der Versagungsgrund glaubhaft gemacht, wenn de rSchuldner vertraglich übernommene Zahlungspflichten an die Insolvenzmasse nicht erfüllt;der Schuldner hat in diesem Fall darzulegen, dass er nach dem Gesetz zu keinen höheren als zu den von ihm geleisteten Zahlungen verpflichtet war.InsO § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2


    Übt der Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine vom Insolvenzverwalter freigegebene selbständige Tätigkeit aus, kann er zu Zahlungen an die Insolvenzmasse nach Maßgabe eines angemessenen abhängigen Dienstverhältnisses verpflichtet sein, auch wenn er das Renteneintrittsalter erreicht hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Wird ein Hauptunternehmer von den Arbeitnehmern des Nachunternehmers bei dessen drohender Insolvenz nach § 14 des Arbeitnehmerentsendungsgesetzes (AEntG) in Anspruch genommen, geht der Arbeitsentgeltanspruch der betroffenen Arbeitnehmer damit zwar nicht allein kraft Gesetzes auf diesen über; der Hauptunternehmer kann aber zumindest auf Basis von (jeweils gleichlautender) Abtretungen den Arbeitsentgeltanspruch von den Arbeitnehmern als Gläubiger nach § 398 BGB erworben haben und von der BA entsprechende Zahlungen von Insolvenzgeld an sich beanspruchen.

    § 170 Abs. 4 SGB III regelt allein eine besondere Fallgestaltung der Abtretung von Arbeitsentgeltansprüchen und umfasst dabei (nur) die fremdbestimmte Vorfinanzierung von Arbeitsentgelten, die vorrangig im Interesse des Finanzierenden liegt, nicht aber (auch) bereits erarbeitete Arbeitsentgelte, die an einen Dritten abgetreten werden (sollen).

    Ein (nach § 138 BGB nichtiger) Vertrag zulasten Dritter liegt darin nicht (im Anschluss an BAG, Urt. v. 8.12.2010 - 5 AZR 95/10, ZInsO 2011, 1220).


    SG Speyer, Urt. v. 25. 4. 2018 - S 1 AL 181/16

  • Bei der Prüfung, ob die Einforderung der Haftsumme von Kommanditisten für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist, kommt es lediglich auf Gläubigerforderungen an. Masseverbindlichkeiten, wie z.B. die Zahlung von Gewerbesteuer, haben außer Betracht zu bleiben.

    LG Coburg, Urt. v. 11. 1. 2018 - 1 HK O 24/17

  • Die Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung einer AG nach Maßgabe des § 122 AktG ist weder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch durch die Regelung zur Eigenverwaltung in § 275a InsO generell ausgeschlossen. Von daher bleiben zumindest in den insolvenz(zweck-)freien bzw. insolvenzneutralen Bereichen die gesellschaftsrechtlichen Kompetenzen etwa des Vorstandes zur Einberufung von Versammlungen zur Beschlussfassung ebenso ungeschmälert bestehen bzw. wie die entsprechende Befugnis zur Einberufung durch die Aktionärsminderheit nach § 122 Abs. 3 AktG.

    Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der AG hindert weder in Eigen- noch in Fremdverwaltung die Bestellung/Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern. Gleiches gilt auch für die Leitungsorgane der AG. § 276a InsO steht ihrer Bestellung/Abberufung bzw. deren Vorbereitung durch die Hauptversammlung nicht entgegen. Einer - vorherigen - Zustimmung des Sachwalters bedarf es zu ihrer Wirksamkeit dabei nicht.

    Auch Satzungsänderungen (hier: über Abstimmungsmehrheiten und Kapitalerhöhung) sind als Grundlagenentscheidungen keine von § 276a InsO verbotene Einflussnahme auf die Geschäftsführung, soweit sie insolvenzneutral sind. Sie betreffen dann lediglich das (verbandsinterne) Gesellschaftsverhältnis und seine Gestaltung und sind kein Teil der Geschäftsführung.

    Zur (hier: bejahten) Beschlusskompetenz der Hauptversammlung im Insolvenzverfahren zur Anordnung einer Sonderprüfung nach § 142 AktG.

    Zur (hier: verneinten) Rechtsmissbräuchlichkeit des Einberufungsverlangens durch die Aktionärsminderheit.


    OLG München, Beschl. v. 14. 5. 2018 - 31 Wx 122/18

  • Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO erfolgt auch bei einem (negativen) Kompetenzkonflikt zwischen einer Kammer für Handelssachen und einer Zivilkammer desselben Gerichts.

    Zur Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO bei nicht ausreichend gewährtem rechtlichem Gehör.

    Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch stellt selbst dann keinen Anspruch aus Handelsgeschäft i.S.v. § 95 GVG dar, wenn die angefochtene Handlung ein solches war. Denn ein Anspruch dieses Inhalts verdrängt in seinem Anwendungsbereich insoweit die allgemeineren Regeln der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse und eröffnet dem Insolvenzverwalter eine - originär gesetzliche - Rückforderungsmöglichkeit, die nach dem außerhalb der Insolvenz geltenden Recht dem Verfügenden selbst verwehrt bleibt (ebenso u.a. LG Wuppertal, Beschl. v. 2.2.2016 - 2 O 232/15, ZInsO 2016, 1392 und entgegen LG Osnabrück, Beschl. v. 24.7.2014 - 3 O 1497/14, ZInsO 2014, 1963; LG Dortmund, Beschl. v. 20.3.2015 - 4 O 375/14; LG Duisburg, Beschl. v. 9.3.2016 - 8 O 382/15, ZInsO 2016, 1812).


    OLG Hamburg, Beschl. v. 12. 7. 2017 - 6 AR 14/17

  • Ermächtigt ein noch uneingeschränkt verfügungsbefugter Schuldner einen anderen zum Empfang einer Leistung gemäß §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB, wird ein Drittschuldner im Falle einer nach Verfahrenseröffnung an den Ermächtigten bewirkten Leistung gemäß § 82 Abs. 1 InsO von seiner Schuld befreit, wenn er keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hatte. Erteilt der Schuldner die Ermächtigung hingegen erst nach Verfahrenseröffnung oder nach Erlass eines Verfügungsverbots, §§ 81 Abs. 1, 24 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO, ist die Ermächtigung als Verfügung unwirksam. Damit kommt einer Leistung auch eines gutgläubigen Drittschuldners an den vermeintlich Ermächtigten keine schuldbefreiende Wirkung zu (in Anknüpfung an BGH, Urt. v. 9.10.2014 - IX ZR 41/14, NJW 2015, 341 ff. Rn. 31; Beschl. v. 12.7.2012 - IX ZR 210/11, NJW-RR 2012, 1130 ff. Rn. 7; Beschl. v. 12.7.2012 - IX ZR 213/11, NJW-RR 2012, 11290 f. Rn. 14).

    Der Schutz des § 82 InsO beschränkt sich auf den guten Glauben des Leistenden in den Fortbestand der zum Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit noch gegebenen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder den Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots nachträglich entfallenden Empfangszuständigkeit des Schuldners. Die Vorschrift greift hingegen nicht zugunsten des Leistenden ein, wenn durch eine von dem Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots getroffene Verfügung - gleich ob im Wege der Forderungsabtretung (§§ 398 ff. BGB) oder einer Einziehungsermächtigung (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB) - die Einziehungsbefugnis eines Dritten begründet werden soll. Verfügungen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung oder nach Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbotes sind - abgesehen von Fällen eines grundbuchmäßigen Gutglaubensschutzes - gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 InsO schlechthin unwirksam (in Anknüpfung an BGH, Urt. v. 9.10.2014 - IX ZR 41/14, NJW 2015, 341 ff. Rn. 30 m.w.N.).

    Enthält ein Schriftstück weder den Briefkopf der Schuldnerin noch deren Stempel, sondern in der Unterschriftszeile neben dem Namenszug des Leistenden allein den eines Gesellschafters der Schuldnerin, nicht aber eine Unterschrift einer für die Schuldnerin vertretungsberechtigten Person, kann sich der Leistende nicht auf diese Belege stützen.


    OLG Koblenz, Beschl. v. 17. 10. 2017 - 10 U 168/17

  • Die Verrechnung mit dem unpfändbaren Teil einer Altersrente ist auch nach erteilter Restschuldbefreiung zulässig.

    Die Entscheidung über die Niederschlagung einer Forderung ist nicht vom Rentenversicherungsträger im Rahmen der Entscheidung über die Verrechnung, sondern ausschließlich vom Inhaber der Forderung zu treffen.


    LSG München, Urt. v. 21. 3. 2018 - L 13 R 25/17

  • Lehnt das Gericht den Prozesskostenhilfeantrag des Insolvenzverwalters ab, weil es die wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO als nicht erfüllt ansieht, steht dies einer Hemmung der Verjährung unter den Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der PKH-Antrag nicht missbräuchlich war. Ein missbräuchlicher Antrag liegt nicht schon dann vor, wenn der Verwalter das Risiko einer Zurückweisung des PKH-Antrags im Fall eines vollständigen Obsiegens und einer vollständigen Realisierung der Klageforderung gesehen hat, jedoch das Vollstreckungsrisiko höher einschätzt als das Gericht oder die Auffassung vertritt, einem bestimmten Großgläubiger sei generell eine Aufbringung der Prozesskosten nicht zuzumuten.

    Zu Schenkungsanfechtung bei Veräußerung eines von der Schuldnerin gehaltenen Gesellschaftsanteils zu einem symbolischen Kaufpreis von 1 €.


    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9. 11. 2017 - I-12 W 19/17

  • Zur substanziierten Darlegung einer Forderung gegen den Kommanditisten nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter die Insolvenztabelle mit den festgestellten Forderungen vorlegt, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Einer Darlegung, in welcher Reihenfolge er die Forderungen einklagt, bedarf es ebenso wenig, wie einer Geltendmachung aller zur Tabelle festgestellten Forderungen der Gläubiger (im Anschluss an: BGH, Urt. v. 20.2.2018 - II ZR 272/16, ZInsO 2018, 870 und in Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 18.10.2011 - II ZR 37/10).

    Da das Amt des Insolvenzverwalters auch nach Anzeige/Erklärung der Masseunzulänglichkeit i.S.d. § 208 Abs. 3 InsO einschließlich der Verwertungs- und Befriedigungsaufgabe uneingeschränkt fortbesteht, ist er auch weiterhin im Interesse der Massemehrung zur Einleitung und Durchführung aussichtsreicher Prozesse berechtigt und verpflichtet. Einem Insolvenzverwalter fehlt deshalb auch nach Anzeige/Erklärung der drohenden Masseunzulänglichkeit weder das Rechtsschutzbedürfnis noch die Prozessführungsbefugnis.

    Meldet eine Gesellschaft Forderungen zur Insolvenztabelle an, muss die Anmeldung von vertretungsberechtigten Personen unterzeichnet sein. Einer Beifügung von Originalunterlagen bedarf es für eine wirksame Forderungsanmeldung nicht. Da es sich bei § 174 Abs. 1 InsO um eine bloße Sollvorschrift ("sollen … in Abdruck beigefügt werden") handelt, wäre eine Anmeldung selbst ohne Beifügung von Kopien wirksam.

    Die Haftsumme des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB ist begrenzt durch die Haftsumme, die Höhe des ausgezahlten Betrags und das Ausmaß der dadurch entstehenden Haftsummenunterdeckung (im Anschluss an: BGH, Urt. v. 22.3.2011 - II ZR 271/08, BGHZ 189, 45).

    Der Anspruch aus §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 2 HGB ist nicht begründet, soweit die Haftsumme zur Befriedigung der Gläubigergesamtheit nicht benötigt wird. Dafür, dass seine Inanspruchnahme nicht (mehr) erforderlich ist, obliegt dem Kommanditisten die entsprechende Darlegungs- und Beweislast. Der Insolvenzverwalter hat demgegenüber die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, soweit nur er dazu konkret imstande ist.

    Die mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO folgende Rechtskraftwirkung der widerspruchslos erfolgten Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle nimmt gem. §§ 129 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB auch dem Kommanditisten die der Gesellschaft abgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen (im Anschluss an: BGH, Urt. v. 20.2.2018 - II ZR 272/16, ZInsO 2018, 870).


    OLG München, (End-)Urt. v. 26. 4. 2018 - 23 U 1542/17

  • Die Erklärung eines Insolvenzverwalters, wonach er die Zahlung bestimmter Rechnungen hinsichtlich von ihm eingegangener Masseverbindlichkeiten garantiere, begründet regelmäßig keine Haftung aus Schuldbeitritt, selbständiger Garantie oder Verschulden bei Vertragsschluss, weil ein im Rechtsverkehr erfahrener Geschäftspartner davon ausgehen muss, dass der Insolvenzverwalter mit einer derartigen Garantieerklärung keine besondere Einstandspflicht begründen wollte.

    Die fahrlässig fehlerhafte Überweisung eines zu niedrigen Betrages durch den Insolvenzverwalter an einen Massegläubiger begründet keine Haftung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO.

    Zur erforderlichen Entlastung des Insolvenzverwalters nach § 61 Satz 2 InsO reicht es aus, wenn der Insolvenzverwalter darlegt, sich bezüglich der von ihm anzustellenden Liquiditätsprognose auf noch nicht existierende, von leitenden Mitarbeitern der Schuldnerin aber jedenfalls für möglich gehaltene Auftragseingänge gestützt zu haben, auch wenn er selbst die Erteilung entsprechender Aufträge für höchst ungewiss gehalten hat.


    LG Frankenthal, Urt. v. 21. 3. 2018 - 2 S 206/17

  • Bei der Frage der Massezulänglichkeit ist nur auf zur Tabelle festgestellte Forderungen abzustellen.

    Nur angemeldete Forderungen sind bei der Prüfung der Masseunzulänglichkeit nicht zu berücksichtigen.

    Der Kommanditist haftet nicht für Verfahrenskosten, die keine Gläubigerforderungen nach §§ 171, 172 HGB sind.

    Der Kommanditist haftet nicht für Masseverbindlichkeiten, die keine Gläubigerforderungen nach §§ 171, 172 HGB sind.


    LG Stuttgart, Urt. v. 2. 5. 2018 - 1 S 32/17 (Präsidentenkammer)

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