Wirksamkeit Zustellung VB nach Insolvenzeröffnung

  • Hallo,

    ich hoffe, hier kann mir mal jemand helfen. Sachverhalt ist folgender:

    MB beantragt und erlassen im Februar. Das Verfahren lief komplett durch. Nach VB-Erlass und Zustellung meldet sich Insolvenzverwalter und teilt mit, dass seit Dezember Insolvenz eröffnet ist.

    Also habe ich "standardmäßig" die Zustellnachricht widerrufen und den Titel zurück erbeten zur Streichung des Zustellvermerks.
    Nun meldet sich RA des Antragstellers unter Berufung auf eine Entscheidung des BGH (die ich gerade leider nicht benennen kann), die durchaus aussagt, dass eine Zustellung an die Partei während des laufenden Insolvenzverfahrens wirksam ist, da die Partei die Prozessführungsbefugnis nicht verliert.

    Irgendwie habe ich das anders in Erinnerung, meine Kenntnis zum Insolvenzverfahren sind allerdings auch nicht die Besten. Geht denn nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch die Prozessführungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über?
    Ist die Zustellung nun wirksam oder nicht?

    Und sehe ich das richtig, dass der RA sowieso nichts mit dem VB anfangen kann, weil man ja während eines Insolvenzverfahrens keine ZV betreiben darf? Möglicherweise kann er das aber doch danach, wenn die Zustellung wirksam ist, wobei er ja eigentlich seine Forderung im Insolvenzverfahren hätte anmelden müssen. Insolvenzgläubiger scheint er auf alle Fälle zu sein, da die Forderung im VB aus dem Sommer letzten Jahres rührt.

    Irgendwie bin ich gerade etwas ratlos, wie ich nun weiter verfahren soll. Ein Zwangsmittel zur Einreichung des Titels (zur Streichung des Zustellvermerks) habe ich wohl nicht, bräuchte ich ja auch nicht, wenn die Zustellung wirksam wäre.

    Bin auch erst seit kurzem in der Mahnabteilung eingesetzt.

    Hat irgendjemand einen Rat?
    Danke schonmal.

  • Also habe ich "standardmäßig" die Zustellnachricht widerrufen und den Titel zurück erbeten zur Streichung des Zustellvermerks.

    Was soll denn die Rechtsgrundlage dafür sein?

    Ich halte es für eine Unsitte, dass bei irgendwelchen nachträglich auftretenden Erkenntnissen über irgendwas immer wieder gemeint wird, man müsse in Entscheidungen herumdoktorn und Ausfertigungen, Abschriften oder sonstige Dokumente von Beteiligten zurückfordern. Abgesehen von der Einziehung eines Erbscheins ist das meiner Ansicht nach in sämtlichen anderen Fällen falsch und damit überflüssig.

  • Lieber BREamter, auch wenn dein Post leider nicht direkt meine Frage beantwortet, teile ich dir gerne mit, warum ich das gemacht habe.

    Wie gesagt, bin ich noch nicht sehr lange im Mahnverfahren eingesetzt und man hat es mir so beigebracht. Da ich bei der Masse an Verfahren leider nicht die Zeit habe, jede einzelne Handlung, die man mir erklärt und beigebracht hat, genaustens und ausführlich zu hinterfragen, habe ich so gehandelt. Allerdings erscheint es mir auch logisch, dass ich eine Zustellnachricht widerrufe, wenn ich erfahre, dass die Zustellung unwirksam war. Schließlich ist die Zustellung an sich ja Teil der Vollstreckungsvoraussetzungen.

    Ich widerrufe nicht die Zustellung und auch nicht den VB, sondern lediglich die Zustellnachricht.

    Wenn du mir begründest, warum ich das nicht tun sollte, denke ich gerne nochmal drüber nach, ob ich deine Meinung da teilen kann.

    In meinem Fall gehe ich ja davon aus, dass die Zustellung unwirksam ist, da sie an den Insolvenzverwalter hätte erfolgen müssen bzw. das Mahnverfahren gar nicht hätte angestrebt werden dürfen, da die Insolvenz schon lange eröffnet war und der Gläubiger seine Forderung dort hätte anmelden müssen.

  • Ich wollte Dir nicht zu nahe treten durch Vermischung allgemeiner Kritik mit der konkreten Fragestellung. Ich kann Dir versichern, dass auch mir das Problem bekannt ist, dass es nicht immer einfach ist, wenn man Sachen aus der Rubrik "haben wir schon immer so gemacht" anzweifelt.

    Ich widerrufe nicht die Zustellung und auch nicht den VB, sondern lediglich die Zustellnachricht.

    Was genau muss man sich denn unter dem Widerrufen der Zustellnachricht vorstellen? Ich kenne es aus der Anschauung als Antragsteller/Gläubiger (in eigenen Sachen) nur so, dass man eine Mitteilung erhält a) der Mahnbescheid wurde zugestellt und b) der Vollstreckungsbescheid wurde zugestellt.

    Das ist aus meiner Sicht eine Mitteilung über den tatsächlichen Vorgang der Zustellung. Ich sehe nicht, was der "Widerruf" bewirken soll, zumal Du selbst schreibst, dass weder die Zustellung noch der Vollstreckungsbescheid widerrufen werden (ginge auch nicht).

    Inhaltlich wäre das meines Erachtens darauf zu reduzieren, dass man allenfalls mitteilt, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bekannt wurde (und zwar ohne rechtliche Würdigungen wie "Widerruf").

  • Lieber BREamter, du bist mir nicht zu nah getreten und ich kann auch deine allgemeine Kritik verstehen.

    Allerdings gibt es viele Dinge in unserem Beruf, die man tut ohne hundertprozentig davon überzeugt zu sein, weil es das Gesetz eben so vorsieht und natürlich auch, weil wir es immer schon so gemacht haben. Dennoch will ich dir sagen, dass ich grundsätzlich zu den Rechtspflegern gehöre, die Dinge auch hinterfragen, nur wie bereits erwähnt, bei der derzeitigen Masse an Verfahren kann man nicht alles hinterfragen.

    Nochmal zum Fall:
    Wie du richtig erkannt hast, ist genau diese Nachricht die Zustellnachricht. Die Zustellung an sich kann ich ja nicht widerrufen, weil ich sie nicht ausgeführt habe, das könnte also nur die Post. Mit dem Widerruf einher geht ja in der Regel auch die Streichung des Zustellvermerks auf der Ausfertigung, welche von uns durchgeführt wird. Auch der Zustellvermerk wurde durch uns erteilt. Bisher haben alle Anwälte anstandslos den VB eingereicht und der Zustellvermerk wurde gestrichen. Dieser Anwalt allerdings bestreitet ja eine unwirksame Zustellung und reicht den VB deshalb auch nicht ein. Ein Zwangsmittel, um ihn zur Einreichung zu bewegen, habe ich wohl nicht, allerdings habe ich ihn mit dem Widerruf zumindest bösgläubig gemacht.

    Leider beantwortet das alles nicht meine Frage, ob die Zustellung eines VB an den Schuldner trotz bereits lang eröffnetem Insolvenzverfahrens wirksam sein kann.

    Weiß denn niemand Rat?

  • Deine Frage läßt sich aufgrund des Sachverhalts kaum richtig beantworten. Denn es kommt darauf an, ob das Mahnverfahren bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig war. Grundsätzlich ist es nicht unüblich, dass Forderungen, welche vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (§ 38 InsO) und damit zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssen, (aus Unwissenheit) gegenüber dem Insolvenzschuldner geltend gemacht werden. In diesem Fall ist die Titulierung zwar schon unzulässig (es ergeht ein Prozessurteil), aber alle Prozesshandlungen gegenüber dem Insolvenzschuldner wirksam. Legt er kein Rechtsmittel ein, wird der Titel bestandskräftig und kann m.E. nach Verfahrensende auch vollstreckt werden. Es ist also kein Raum, die Zustellung für unwirksam zu erklären. Keine Ahnung, wer Dich auf den Trichter gebracht hat. Die Ansicht ist nämlich auch dann nicht richtig, wenn das Mahnverfahren bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig war. Dann gilt § 240 ZPO und es dürfen keinerlei Verfahrenshandlungen mehr vorgenommen werden. Allerdings sind diese, auch wenn sie "falsch" erfolgen, nur insoweit unwirksam, als sie durch den Insolvenzverwalter mit den zulässigen Rechtsmitteln angegriffen werden.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Legen mir die Schuldner solche Titel vor, erhebe ich Einspruch gegen den VB wegen Unzulässigkeit. Wir fragen die Schuldner im Gespräch immer per Fragebogen, ob noch Verfahren anhängig sind. Manchmal wissen sie es nicht oder sagen es nicht oder wie auch immer. Oft kommen sie während des Verfahrens mit irgendwelchen Terminsladungen oder Vollstreckungsbescheiden. Dann wird das Gericht informiert und gut.

    Wenn so ein Titel durchrutscht, ist er halt in der Welt. Da muss der Schuldner schon aktiv werden, wir können ihnen ja nun nicht alles abnehmen.

  • Deine Frage läßt sich aufgrund des Sachverhalts kaum richtig beantworten. Denn es kommt darauf an, ob das Mahnverfahren bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig war. Grundsätzlich ist es nicht unüblich, dass Forderungen, welche vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (§ 38 InsO) und damit zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssen, (aus Unwissenheit) gegenüber dem Insolvenzschuldner geltend gemacht werden. In diesem Fall ist die Titulierung zwar schon unzulässig (es ergeht ein Prozessurteil), aber alle Prozesshandlungen gegenüber dem Insolvenzschuldner wirksam. Legt er kein Rechtsmittel ein, wird der Titel bestandskräftig und kann m.E. nach Verfahrensende auch vollstreckt werden. Es ist also kein Raum, die Zustellung für unwirksam zu erklären. Keine Ahnung, wer Dich auf den Trichter gebracht hat. Die Ansicht ist nämlich auch dann nicht richtig, wenn das Mahnverfahren bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig war. Dann gilt § 240 ZPO und es dürfen keinerlei Verfahrenshandlungen mehr vorgenommen werden. Allerdings sind diese, auch wenn sie "falsch" erfolgen, nur insoweit unwirksam, als sie durch den Insolvenzverwalter mit den zulässigen Rechtsmitteln angegriffen werden.

    Vielen Dank für die schöne Aufstellung!

    Als ich noch am Mahngericht war, wurde auch die "Zustellnachricht widerrufen", was aber zum Einen keine gesetzliche Grundlage findet, zum Anderen aber auch keine Auswirkungen haben darf.

    Wie du selbst feststellst, schokominza, wurde die Zustellung durch die Post vorgenommen und mittels ZU beurkundet. Eine Zustellung ist also tatsächlich erfolgt und wurde - richtigerweise - auf dem VB vermerkt.
    Dass der Schuldner als Zustellempfänger möglicherweise nicht der richtige Adressat gewesen sein könnte, müsste dieser selbst oder der Insolvenzverwalter mit den prozessual zulässigen Mitteln (sprich: Einspruch) rügen. Für ein Handeln des Mahngerichts von Amts wegen, insbesondere die Einziehung einer Ausfertigung, sehe ich da ebenfalls keinen Raum.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Deine Frage läßt sich aufgrund des Sachverhalts kaum richtig beantworten. Denn es kommt darauf an, ob das Mahnverfahren bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig war.


    Das lässt sich dem Sachverhalt (Beitrag 1) durchaus entnehmen:

    "MB beantragt und erlassen im Februar. Das Verfahren lief komplett durch. Nach VB-Erlass und Zustellung meldet sich Insolvenzverwalter und teilt mit, dass seit Dezember Insolvenz eröffnet ist."


    Mit Dezember kann eigentlich nur der entsprechende Monat des Vorjahres der MB-Beantragung gemeint sein.

  • Vielen Dank schon mal für die vielen Antworten, insbesondere an Gegs.

    Es ist im Übrigen auch genau so wie Frog sagte: Das Verfahren war noch nicht anhängig. Es ist Dezember 2013 gemeint und der MB wurde im Februar 2014 beantragt, erlassen und dem Schuldner zugestellt. § 240 ZPO gilt daher nicht, da sind sich der Anwalt und ich sogar einig.

    Wie gesagt - das wird hier schon immer so gemacht (anscheinend an anderen Mahngerichten ja auch) und ich habe das so gelernt. Aufgrund der Einwendungen des Rechtsanwalts komme ich nun dazu, mir doch näher Gedanken dazu zu machen.

    Dass die Prozesshandlungen gegenüber dem Insolvenzschuldner wirksam sind, also auch die Zustellung: Wo steht das? Wenn ich meine Kollegen von einer neuen Rechtsauffassung überzeugen will, brauch ich dafür Belege und ich finde nicht wirklich etwas dazu.

    Auch hier schon mal Danke.

  • Ich würde es mit BGH IX ZB 232/08 (Rz. 7 nach juris) vom 11.12.2008 probieren. Demnach ist die Zustellung einer Klage selbst dann wirksam, wenn vor Klageerhebung das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Klage ist (nur) unzulässig, aber an der Wirksamkeit der Zustellung ändert das nichts.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Besser spät als nie, aber nochmal vielen Dank für die Antworten. Hatte ein krankes Kind zu Hause und daher keine Zeit für Internet.

    Werde jetzt mit der Entscheidung des BGH in der nächsten gemeinsamen Gesprächsrunde mal mit allen anderen sprechen. Dann müssen wir mal sehen, wie wir demnächst mit solchen Sachverhalten umgehen.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!