FamRZ 19/2014 Rechtspfleger = Verursacher von Katastrophen?!

  • Hallo zusammen

    In der FamRZ 19/2014 befindet sich ein Beitrag des Richter am BGH Dr. Claudio Nedden-Boeger zum Thema "Der Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Kontrollbetreuer".

    In diesem Beitrag heißt es unter anderem:

    "[...]Die prozedurale Ausgestaltung der Kontrollbetreuerbestellung beginnt bereits bei der Zuständigkeitsfrage mit einer frappierenden Fehleinschätzung des Gesetzgebers. Durch § 15 Abs. 1 Satz 2 RPflG ist nämlich bestimmt, dass die Bestellung des Kontrollbetreuers in die Rechtspflegerzuständigkeit fällt.
    [...]
    Der durch die Fehleinschätzung eingetretene Schaden hält sich bislang in Grenzen, weil die gesetzliche Zuständigkeitsregelung in der Praxis nicht durchgängig Beachtung findet, vielmehr häufig der Richter das Verfahren der Kontrollbetreuung an sich zieht - sei es aus Unkenntnis der Gesetzeslage, sei es aus Gespür, dass die Übertragung des Geschäfts auf den Rechtspfleger von den Motiven der Gesetzesbegründung nicht getragen und deshalb nicht richtig ist.[...]"

    Mir platzt angesichts derartiger Arroganz schlicht die Hutschnur. Nimmt ein Richter also ein auf mich übertragenes Geschäft wahr, verhindert er hierdurch einen Schaden?

    Wo ist nur der Rechtspflegerbund in solchen Fällen?!

  • Selbst als Richter wäre ich durchaus geneigt sauer zu werden.

    Dieser gute Mann attestiert einer großen Anzahl von Richterkollegen, dass sie schlicht zu dumm sind, sich mit Zuständigkeitsfragen zu beschäftigen und aus purer Unwissenheit heraus etwas wahrnehmen, dass sie nicht müssten (aber dann immerhin im Gegensatz zum noch dümmeren Rechtspfleger richtig machen).

  • Na dann überschüttet die Zeitschrift doch mit einem Shitstorm! Jeder eine Leserzuschrift, da hat die Redaktion so richtig Spaß! Kopiert den Text, packt ihn jedem greifbaren RPfl. und Richter auf den Schreibtisch mit Zettel dran: Bitte kurze Stellungnahme an das Fachblatt.

  • [...], sei es aus Gespür, dass die Übertragung des Geschäfts auf den Rechtspfleger von den Motiven der Gesetzesbegründung nicht getragen und deshalb nicht richtig ist.[...]"

    Verstehe diesen Einwand des Richters nicht. Hab mal nachgelesen (BT-Drucks. 11/4528, Beschlussempfehlung eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (BetreuungsG) vom 11.05.1989):


    (S. 96)
    "Nach alledem ist die Bestellung des Betreuers und die gleichzeitig erforderliche Bestimmung seines Aufgabenkreises grundsätzlich dem Richter vorzubehalten. Für die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 Abs. 3 BGB-E, der lediglich die Aufgabe hat, Rechte des Betreuten gegenüber einem Bevollmächtigten wahrzunehmen, soll allerdings der Rechtspfleger zuständig sein. Mit einer solchen Betreuerbestellung ist kein Rechtseingriff verbunden; auch spielt die persönliche Betreuung in diesen Fällen eine weitaus geringere Rolle als sonst (hierzu Begründung zu § 14 Nr. 4 RPflG-E)." (S. 96)

    und

    Begründung zu § 14 Nr. 4 RPflG-E (S. 163):

    "Der Entwurf hält an der sogenannten Einheitsentscheidung fest (hierzu Begründung zu § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB-E). Im Gegensatz zum 2. Diskussions-Teilentwurf behält er die Einheitsentscheidungen nicht ausschließlich dem Richter vor, sondern weist sie in bestimmtem Umfang dem Rechtspfleger zu. Der Rechtspfleger soll für die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 Abs. 3 BGB-E und die im Zusammenhang mit einer solchen Betreuung stehenden Maßnahmen, insbesondere die Aufhebung oder Verlängerung einer solchen Betreuung oder die Entlassung des Betreuers, zuständig sein. Betreuungen nach § 1896 Abs. 3 BGB-E waren in den Diskussions-Teilentwürfen noch nicht vorgesehen. Es geht hierbei um Betreuungen im Zusammenhang mit Altersvorsorge-Vollmachten oder anderen Vollmachten. Beim Vorliegen solcher Vollmachten kann nach § 1896 Abs. 3 BGB-E als Aufgabenkreis des Betreuers auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestimmt werden. Mit der Bestellung eines solchen Betreuers ist kein Eingriff in Rechte des Betreuten verbunden; der Betreute wird lediglich vor Mißbräuchen seines Bevollmächtigten, den er selbst nicht mehr kontrollieren kann, geschützt. Wegen des reinen Fürsorgecharakters können die Bestellung eines solchen Betreuers und die damit zusammenhängenden Maßnahmen dem Rechtspfleger übertragen werden. Hinzu kommt, daß bei einem Betreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB-E das Element der persönlichen Betreuung eine weitaus geringere Rolle spielt als sonst im Betreuungsrecht, da für den Betreuten in erster Linie der Bevollmächtigte und nicht der Betreuer handelt. Die Übertragung der Bestellung eines Betreuers nach § 1896 Abs. 3 BGB-E widerspricht daher nicht der Begründung des 2. Diskussions-Teilentwurfs (insbesondere S. 53), wonach die Betreuerbestellung schon wegen ihres starken personalen Bezugs stets dem Richter vorbehalten sein soll."

    Ich kann an dieser Begründung jetzt nichts so fürchterlich abwegiges erkennen...

  • Ich hoffe, Ihr steinigt mich jetzt nicht mit Schönefeldern, aber so richtig schlüssig finde ich als Laie die Begründung nicht. Sehe ich es richtig, dass der Richter einen Betreuer einsetzt und der Rechtspfleger dann jemanden, der den vom Richter eingesetzten Betreuer kontrolliert? Wäre doch konsequenter gewesen, wenn auch der Kontrollbetreuer von einem Richter bestellt wird...

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Ich hoffe, Ihr steinigt mich jetzt nicht mit Schönefeldern, aber so richtig schlüssig finde ich als Laie die Begründung nicht. Sehe ich es richtig, dass der Richter einen Betreuer einsetzt und der Rechtspfleger dann jemanden, der den vom Richter eingesetzten Betreuer kontrolliert? Wäre doch konsequenter gewesen, wenn auch der Kontrollbetreuer von einem Richter bestellt wird...

    Ach, wir verschönern Dich lieber mit Steinfeldern als umgekehrt. Aber beim Kontrollbetreuer geht es nicht darum, dass ein Betreuer einen Betreuer kontrolliert. Der Kontrollbetreuer kontrolliert den, der vom Betreuten bevollmächtigt ist (gewöhnlich mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet) und bei dem der Verdacht im Raume steht, dass er seine Vollmacht missbraucht.

  • Sehe ich es richtig, dass der Richter einen Betreuer einsetzt und der Rechtspfleger dann jemanden, der den vom Richter eingesetzten Betreuer kontrolliert?

    Das siehst Du falsch. Der Rechtspfleger setzt einen Kontrollbetreuer ein, der den Bevollmächtigten überwacht.

  • Ach, ich kann mich darüber jetzt ehrlich gesagt nicht so aufregen. :oops:

    Wahrscheinlich ist das die Rache des BGH für die ständige Schelte seiner "Rechtsprechung" in gewissen Bereichen hier im Forum. :eek:

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Wenn es Dich so "bewegt", schreib doch mal dem Rechtspflegerbund mit der Bitte, als Interessenvertreter sich über solch unqualifizierte Beiträge Gedanken zu machen. ;)


    Habe der FamRZ bereits geschrieben. Rechtspflegerbund ist der nächste

    Schon recht. Auch im BDR gibt es Leute, die die FamRZ lesen. Manche nutzen sogar das Forum. ;)

    Was schlägst Du vor? Einen Sternenmarsch, startend beim Gieseking Verlag in Bielefeld, über das unsägliche OLG Hamm mit seiner nicht haltbaren Auffassung darüber, wie sich ein kleines Rechtspflegerlein am kleinen Amtsgericht der Weisheit der Großen zu beugen habe, bis nach Karlsruhe zum Büro jenes offenbar allein die richterliche Sachkunde schätzenden Verfassers eines Artikels? Wie wäre es mit einem neuen "Aufschrei"? Oder einer Unterschriftenaktion?

    Ja, es ist enttäuschend und ärgerlich, wenn nicht einmal BGH-Richter wissen, was ein Rechtspfleger ist und ein Rechtspfleger kann. Einem Anwalt würde ich diese Unwissenheit leichter nachsehen.

    BGH-Richter Dr. Claudio Nedden-Boege hat für seine Meinungsäußerung einen Fachaufsatz gewählt. Wie wäre es, wenn ein Betreuungsrechtspfleger gleichfalls eine Abhandlung verfasst, in der er darstellt, wieso der Rechtspfleger genauso wie oder sogar besser als ein Richter geeignet ist, die Fälle zu erkennen, in denen ein Kontrollbetreuer einzusetzen ist?

    Überdies: In 4 Wochen findet in Erkner der (Bundes-)Betreuungsgerichtstag statt. Ich bin wirklich gespannt, wie viele Rechtspfleger dort präsent sein und sich auf Augenhöhe in die Diskussionen der verschiedenen mit dem Betreuungsverfahren befassten Berufsgruppen einbringen werden. Dort ist m.E. der richtige Ort, die Fachkunde des Rechtspflegers unter Beweis zu stellen.

  • Ein wenig OT, aber auf welchem Weg erfährt man denn in der Regel von diesem Betreuungsgerichtstag? Ich lese davon gerade das erste mal... :confused:

  • Die Stellungnahme des Richters ist auch ziemlich dürftig. Selbst wenn sich der Gesetzgeber, was er in diesem Fall nicht hat, in der Gesetzesbegründung häufig mal ein wenig verdreht ausdrückt, kommt hier sein Wille eben durch den Satz:

    "Satz 1 Nummer 1 bis 3 findet keine Anwendung, wenn die genannten Verrichtungen nur eine Betreuung nach § 1896 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs betreffen."

    deutlich zum Ausdruck. Es steht nun einmal wörtlich im Gesetz, dass in diesem Fall der Richtervorbehalt des § 15 I 1 Nr. 1 RPflG nicht greift. Und wenn Herr Dr. Claudio Nedden-Boege der Papst persönlich wäre, ist das Gesetz hier nun einmal eindeutig. Und wenn manche Richter diesen Bereich an sich ziehen, sollen sie es tun. Aber dann hat das nichts mit Intellegenz zu tun, sondern eher damit, dass sie scheinbar zu wenig Arbeit haben. Dann sollte man vielleicht mal überlegen, ob man diesen Richtern nicht ein anderes Ressort überträgt, damit sie ausgelastet sind.

  • Die Stellungnahme des Richters ist auch ziemlich dürftig. Selbst wenn sich der Gesetzgeber, was er in diesem Fall nicht hat, in der Gesetzesbegründung häufig mal ein wenig verdreht ausdrückt, kommt hier sein Wille eben durch den Satz: "Satz 1 Nummer 1 bis 3 findet keine Anwendung, wenn die genannten Verrichtungen nur eine Betreuung nach § 1896 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs betreffen." deutlich zum Ausdruck. Es steht nun einmal wörtlich im Gesetz, dass in diesem Fall der Richtervorbehalt des § 15 I 1 Nr. 1 RPflG nicht greift. Und wenn Herr Dr. Claudio Nedden-Boege der Papst persönlich wäre, ist das Gesetz hier nun einmal eindeutig. Und wenn manche Richter diesen Bereich an sich ziehen, sollen sie es tun. Aber dann hat das nichts mit Intellegenz zu tun, sondern eher damit, dass sie scheinbar zu wenig Arbeit haben. Dann sollte man vielleicht mal überlegen, ob man diesen Richtern nicht ein anderes Ressort überträgt, damit sie ausgelastet sind.


    Genau dies entspricht aber dem Selbstverständnis des Herrn Bundesrichter.

    Seiner Ansicht nach

    • begeht der Gesetzgeber einen Fehler, wenn er Angelegenheiten auf den Rechtspfleger überträgt,


    • sind Richter, sofern sie keine Bundesrichter sind natürlich, nicht in der Lage die funktionelle Zuständigkeit zu prüfen,


    • verursachen Rechtspfleger Schäden in der Rechtspflege, die nur dadurch abgewendet werden können, dass ein Richter die entsprechenden Angelegenheiten an sich zieht.



    Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen solchen überheblichen Stuss gelesen habe.

    Übrigens: Antwort des Giesking Verlages:

    "Vielen Dank für Ihre Zuschrift, die wir in der nächsten Redaktionskonferenz besprechen werden und die wir auch Dr. Nedden-Boeger zur Kenntnis geben werden."

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