Die Rolle des Rechtspflegers auf längere Sicht?

  • Hier wird immer nur über das Hier und Jetzt und über Stellenbewertung gesprochen, aber was wird denn auf längere Sicht, ich sage mal: 10-15 Jahre, die Rolle des Rechtspflegers sein?

    Mit der PKH-/VKH-Vorprüfung ist bereits ein Schritt zur Assistenztätigkeit für Richter getan. Kommt da noch mehr? Was wird mit den diversen Registern passieren?

    Eine weitere Aufwertung wird es wohl eher nicht geben, nachdem der letzte Versuch (Übertragung Verbraucherinso) grandios misslungen ist. Es haben ja ein paar Aufsätze und Zuschriften anderer Verbände an das BMJ genügt, um das zu Fall zu bringen.

  • Andererseits wurde vor nicht allzu langer Zeit in einigen Ländern die Erteilung von Erbscheinen nach gewillkürter Erbfolge auf den Rechtspfleger übertragen, und das Monopol der Notare zur Beurkundung von Erbscheinsanträgen ist in einigen Ländern vom Tisch.

    Abgesehen davon fürchte ich manchmal, der Rechtspfleger ist in zehn Jahren ein Wesen, das sich nicht mehr traut, in der Nase zu bohren, ohne vorher jemanden dazu anzuhören.

  • Hier wird immer nur über das Hier und Jetzt und über Stellenbewertung gesprochen, aber was wird denn auf längere Sicht, ich sage mal: 10-15 Jahre, die Rolle des Rechtspflegers sein?

    Mit der PKH-/VKH-Vorprüfung ist bereits ein Schritt zur Assistenztätigkeit für Richter getan. Kommt da noch mehr? Was wird mit den diversen Registern passieren?

    Eine weitere Aufwertung wird es wohl eher nicht geben, nachdem der letzte Versuch (Übertragung Verbraucherinso) grandios misslungen ist. Es haben ja ein paar Aufsätze und Zuschriften anderer Verbände an das BMJ genügt, um das zu Fall zu bringen.


    Die Thread-Eröffnung verblüfft mich, zugegeben. Hast du doch gerade heute morgen die Anprangerung der Diffarmierung der Rechtspfleger und Richter durch einen BGH-Richter als "absurd" bezeichnet.

    Egal.

    Der Beruf des Rechtspflegers steht m.E. vor tiefgreifenden Veränderungen. Mit dem Einzug der elektronischen Akte wird er zu einer Mischung aus Geschäftsstelle und Richterassistent degradiert werden (ohne das ich hiermit die Arbeit des einen oder anderen herabwürdigen möchte.) Die Stellung als sachlich unabhängiges Organ der Rechtspflege wird durch Outsourcing immer mehr abnehmen. Längerfristig wird der Rechtspfleger ein Auslaufmodel sein.

    Ich bin übrigens kein Defätist, auch wenn dies so klingen sollte.

  • Abgesehen davon fürchte ich manchmal, der Rechtspfleger ist in zehn Jahren ein Wesen, das sich nicht mehr traut, in der Nase zu bohren, ohne vorher jemanden dazu anzuhören.


    Das Problem ist in meinen Augen nicht, ob ich Verfahrensbeteiligte fairerweise anhöre, bevor ich entscheide, sondern ob ich mich zu entscheiden traue.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Abgesehen davon fürchte ich manchmal, der Rechtspfleger ist in zehn Jahren ein Wesen, das sich nicht mehr traut, in der Nase zu bohren, ohne vorher jemanden dazu anzuhören.


    Das Problem ist in meinen Augen nicht, ob ich Verfahrensbeteiligte fairerweise anhöre, bevor ich entscheide, sondern ob ich mich zu entscheiden traue.

    :daumenrau

  • Im übrigen ist festzustellen, dass grade ForumSTAR keine echte Hilfe für Entscheider (v.a. nicht für solche die auch mal eine eigene Entscheidung treffen und dann begründen müssen) ist, sondern lediglich Geschäftsstellen einspart.

  • Im übrigen ist festzustellen, dass grade ForumSTAR keine echte Hilfe für Entscheider (v.a. nicht für solche die auch mal eine eigene Entscheidung treffen und dann begründen müssen) ist, sondern lediglich Geschäftsstellen einspart.

    "Keine echte Hilfe" ist ja wohl der Euphemismus des Jahres. :mad: Dazu gäbe es viel zu sagen, aber nicht an dieser Stelle.

    Den mittleren Dienst, wie wir ihn heute kennen, wird es meiner Erwartung nach in 10 bis 15 Jahren so nicht mehr geben. Es stellt sich die berechtigte Frage, ob dies zu einem Downgrading des Rechtspflegers führen wird, oder ob es nicht an der Zeit wäre, die Aufgaben zwischen Richter, Rechtspfleger und mittlerem Dienst neu und sinnvoller als bisher aufzuteilen.

    Die PKH-Bewilligungs-Vorprüfung durch den Rechtspfleger ist dabei ein Schritt in die völlig falsche Richtung, das Bereichsrechtspflegermodell des Landes BaWü gleichfalls. Ärgerlicherweise kann ich den Schwarzen Peter aber nicht allein der Politik zuschieben. Allzu oft sind es wir Rechtspfleger selbst, die unserem Ruf als geistig unflexible Abarbeiter von Checklisten Vorschub leisten. Meinem Selbstverständnis als Entscheider bei Gericht (bzw. StA) entspricht dies jedenfalls nicht.

  • Ärgerlicherweise kann ich den Schwarzen Peter aber nicht allein der Politik zuschieben. Allzu oft sind es wir Rechtspfleger selbst, die unserem Ruf als geistig unflexible Abarbeiter von Checklisten Vorschub leisten. Meinem Selbstverständnis als Entscheider bei Gericht (bzw. StA) entspricht dies jedenfalls nicht.


    :daumenrau

    Genau dies ist aber das Modell, das zumindest in NRW an der FH gelehrt wird. Schemata zu alles und jedem Sachverhalt, die penibel einzuhalten und abzuarbeiten sind. Das geht bis zu festen Formulierungen, die in Gutachten enthalten sein müssen (sonst Punktabzug).

  • Ich glaub, das ist nicht der springende Punkt. Systematisches Vorgehen ist an sich nützlich, um keinen wichtigen Punkt zu übersehen. Da wir an den FHs das Handwerkszeug erwerben (sollen), ist es richtig, wenn uns dort systematisches Arbeiten gelehrt wird. Das ist aber nur Basis unseres Tuns, nicht Kern unseres Wirkens.

    Ein Beispiel: Wenn nach § 1793 Abs. 2 BGB "in der Regel einmal im Monat" der Vormund zu Besuchen im gewöhnlichen Umfeld des Mündels verpflichtet ist, gibt es Kollegen, die es rügen, dass aus dem Bericht ersichtlich ist, der Vormund sei nur sieben Mal dagewesen. Richtig ist der Ansatzpunkt, dass dies ein Kriterium ist, auf das der Rechtspfleger im Jahresbericht des Vormunds zu schauen hat. Auf den zweiten Blick steht dort aber "in der Regel". Aus dem Jahresbericht des Vormunds kann und wird sich (hoffentlich) ergeben, aus welchem Grund er mit seinen Besuchen zurückhaltend war (reichen die Ausführungen hierfür nicht aus, hat der Rechtspfleger genau dies abzufragen). Zu monieren sind nur solche Gründe, die nicht in der Person des Mündels begründet sind.
    Anders gesagt, die Rechtsaufsicht des Gerichts über den Vormund genügt nicht, wenn sie stur schematisch durchgeführt wird, statt die (gerade in Fragen, die die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen betreffen) facettenreichen Umstände des Einzelfalles abzuwägen.

  • Ich glaub, das ist nicht der springende Punkt. Systematisches Vorgehen ist an sich nützlich, um keinen wichtigen Punkt zu übersehen. Da wir an den FHs das Handwerkszeug erwerben (sollen), ist es richtig, wenn uns dort systematisches Arbeiten gelehrt wird. Das ist aber nur Basis unseres Tuns, nicht Kern unseres Wirkens.

    Ein Beispiel: Wenn nach § 1793 Abs. 2 BGB "in der Regel einmal im Monat" der Vormund zu Besuchen im gewöhnlichen Umfeld des Mündels verpflichtet ist, gibt es Kollegen, die es rügen, dass aus dem Bericht ersichtlich ist, der Vormund sei nur sieben Mal dagewesen. Richtig ist der Ansatzpunkt, dass dies ein Kriterium ist, auf das der Rechtspfleger im Jahresbericht des Vormunds zu schauen hat. Auf den zweiten Blick steht dort aber "in der Regel". Aus dem Jahresbericht des Vormunds kann und wird sich (hoffentlich) ergeben, aus welchem Grund er mit seinen Besuchen zurückhaltend war (reichen die Ausführungen hierfür nicht aus, hat der Rechtspfleger genau dies abzufragen). Zu monieren sind nur solche Gründe, die nicht in der Person des Mündels begründet sind.
    Anders gesagt, die Rechtsaufsicht des Gerichts über den Vormund genügt nicht, wenn sie stur schematisch durchgeführt wird, statt die (gerade in Fragen, die die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen betreffen) facettenreichen Umstände des Einzelfalles abzuwägen.


    Schlechtes Beispiel. Wer so etwas rügt, hat den Absatz 1a nicht gelesen, das hat nicht mit schematischen Denken zu tun. Ich wollte damit auch nur sagen, dass gerade das (fachwissenschaftliche) Studium eigentlich zum juristischen Denken bzw. einer juristischen Arbeitsweise und nicht zur Abarbeitung von Schemata dienen sollte. Genau dieser Fehler wird aber, zumindest in NRW, gemacht.

  • Das Beispiel finde ich nicht soooo schlecht, weil es leider in der Praxis ein "Dauerbrenner" ist.

    In der Tat, wissenschaftliches Arbeiten verträgt sich nicht mit einem Anklammern an Schemata. Aber das haben selbst Jurastudenten nicht immer drauf, auch dort gibt es Extreme nach beiden Seiten (kreativer Chaot vs. Krampfsystematiker). Gleichwohl ist das richterliche Selbstverständnis ein anderes als das, was in unserem Berufsstand des öfteren anzutreffen ist. Manchmal scheint mir, das Ausweichen vor jeder Abwägung erwächst aus einer Scheu vor Verantwortung, gemischt mit einer gewissen Bequemlichkeit.

  • ..Den mittleren Dienst, wie wir ihn heute kennen, wird es meiner Erwartung nach in 10 bis 15 Jahren so nicht mehr geben. Es stellt sich die berechtigte Frage, ob dies zu einem Downgrading des Rechtspflegers führen wird, oder ob es nicht an der Zeit wäre, die Aufgaben zwischen Richter, Rechtspfleger und mittlerem Dienst neu und sinnvoller als bisher aufzuteilen.
    ...

    Wie sieht er (der m.D.) und die bessere Aufteilung nach deiner Meinung aus? Nach meiner Beobachtung lief es bisher immer allein drauf hinaus, dass billigere Beamte Aufgaben von teueren übernahmen, wenn
    man es denen noch irgendwie zutraut. Ich glaube nicht, dass den Dienstherrn der Ruf (der mir so nicht bekannt ist) auch nur ansatzweise interessiert. Man drückt m.D u. g.D alles mgl. auf, einfach weil sie es können.

    Deine Kritik an manchen Rpfl. ist wie die Unterhaltung zweier Autofahrer über die anderen schlechten Fahrer. Jeder redet mit. Keiner fühlt sich angesprochen.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • ...
    "Keine echte Hilfe" ist ja wohl der Euphemismus des Jahres. :mad: Dazu gäbe es viel zu sagen, aber nicht an dieser Stelle.
    ...

    Na, ja. Die könnten Dir auch die Triumph-Adler ind Büro stellen und Dich Deine Beschlüsse samt RMB selber tippen lassen.

    Insoweit kann man sich mit ForumSTAR schon auch behelfen (copy&paste und selber Beschlussvorlagen basteln).
    Bei wachsendem Arbeitsanfall, wird allerdings nur noch eine Standardsachbehandlung möglich sein, das ist dann auch so gewollt.


    Es geht m.E. weniger darum einen billigeren Beamten zu beauftragen, sondern darum einen Beamten, der sich dagegen nicht wehren kann ;)
    Es geht darum die gesamte Sachbearbeitung vom Anlegen des Falles in der EDV bis zur Produktion des Schreibwerkes in eine Hand zu legen, die reine Entscheidung wird dabei zum Nebenprodukt (!!).
    Das muss man aber mit dem Rechtspfleger machen, weil der a) sich lediglich auf § 9 RpflG zurückziehen kann/darf/soll/muss (und eben nicht auf die persönliche Unabhängigkeit) und b) trotzdem eine Entscheiderqualifikation hat.
    Nur so kann man die Sachbearbeiter sehenden Auges in den Abgrund treiben und sie gleichzeitig für den Absturz auch noch selber verantwortlich machen :teufel:

  • Leviathan kann ich nur beipflichten, besonders bei der Bearbeitung von Grundbuchsachen mit Solum Star hat sich die Tätigkeit zum bloßen "Freigeben" der Eintragung degradiert. Wer fällt demnächst weg: der Grundbuchführer, der einträgt und dabei auch die Urkunde prüft, oder der Rechtspfleger, der freigibt? Die Bausteine haben völlig zur schematischen Arbeitsweise gefühlt und das gemeinsame "Lesen" der Eintragung, was den Grundbuchsachen Bedeutung und Würde gab, ist wohl nicht mehr zeitgemäß...

  • Leviathan kann ich nur beipflichten, besonders bei der Bearbeitung von Grundbuchsachen mit Solum Star hat sich die Tätigkeit zum bloßen "Freigeben" der Eintragung degradiert. Wer fällt demnächst weg: der Grundbuchführer, der einträgt und dabei auch die Urkunde prüft, oder der Rechtspfleger, der freigibt? Die Bausteine haben völlig zur schematischen Arbeitsweise gefühlt und das gemeinsame "Lesen" der Eintragung, was den Grundbuchsachen Bedeutung und Würde gab, ist wohl nicht mehr zeitgemäß...

    Vom bloßen Freigeben kann wohl kaum die Rede sein. Aber ich biete dir gerne meine Grundbuchsachen an, um sie bloß mal eben freizugeben. Trotz SolumStar wird ordnungsgemäß geprüft, diese Tätigkeit ist durch die schnellere und einfache Eintragung ja nicht weggefallen.

  • Wenn einen SolumStar zum bloßen Feigeber degradiert, dann spricht das etweder für die Qualität des Programms oder aber für die Qualität des wie hieß das "Grundbuchführers" (weckt lustige Assoziationen diese Wort *ggg*).

    Ich fühle mich da ja eher als Bausteintextanfallanpasser :gruebel:

  • Zitat

    In der Tat, wissenschaftliches Arbeiten verträgt sich nicht mit einem Anklammern an Schemata. Aber das haben selbst Jurastudenten nicht immer drauf, auch dort gibt es Extreme nach beiden Seiten (kreativer Chaot vs. Krampfsystematiker). Gleichwohl ist das richterliche Selbstverständnis ein anderes als das, was in unserem Berufsstand des öfteren anzutreffen ist. Manchmal scheint mir, das Ausweichen vor jeder Abwägung erwächst aus einer Scheu vor Verantwortung, gemischt mit einer gewissen Bequemlichkeit.

    Die Schemata werden in der Regel aber durch das Gesetz selbst vorgegeben. Wenn ich einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB prüfen muss, dann muss ich nun einmal die Tatbestandsvoraussetzungen (Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Exkulpation des Verschuldens und Schaden nebst Kausalität) durchprüfen und die problematischen Stellen unter Beachtung der Gesetzessystematik und der zulässigen Auslegungsmethoden lösen.

    Einige Klausuren von "kreativen Chaoten" durfte ich mir übrigens schon anschauen - diese fallen regelmäßig nicht besonders gut aus. ;)

    Gruß
    DD

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Zum Thema "Rechtspfleger und entscheiden":

    Ich habe das Gefühl, vielen Rechtspflegern fehlt (zumindest manchmal) der Mut zur Entscheidung.

    Wie oft lese ich im Forum, wenn es um Kostenentscheidungen geht (die manchmal auch etwas Mut erfordern): "da frag' ich lieber vorher den Revisor".

    Kein Richter würde vor einer Kostenentscheidung den Revisor fragen.

    Und das ist m.E. der Unterschied zwischen Richter und Rechtspfleger. Richter sind Entscheidet, Rechtspfleger ...

    Sorry.

  • Was Kostenentscheidungen betrifft,so hast du die entsprechenden Beiträge der Kollegen entweder nicht richtig gelesen oder falsch verstanden.
    Wem die Kosten aufzuerlegen sind ,ist meist nicht das Problem sondern ,welche Kosten und in welcher Höhe sie entstanden sind.
    Und dass die Richter die Bezirksrevisoren nicht beteiligen liegt daran ,dass sie mit dieser Problematik gar nicht befasst sind.

    Also mal schön den Ball flach halten !

  • B.Mann hat Recht...aber mit etwas Selbstkritik muss man sicher dennoch sagen, dass (m.E.) gerade die jüngere Generation der Rechtspfleger/innen sich mit der Durchringung zu Entscheidungen schon schwer tut und manchmal gerade aufgrund der Verhaftetheit zur Abarbeitung von Prüfungsschematas, etwas zur "Erbsenzählerei" neigt....bzw. sobald der Sachverhalt vom Schema abweicht, schnell unsicher wird, weil das Schema eben nicht mehr passt.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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