Faule Richter - dienstrechtliche Rüge - Eingriff in richterliche Unabhängigkeit

  • Nein, weiß ich nicht.

    Tja, ich denke, da steht die richterliche Unabhängigkeit drüber. Ob ich die immer so gut finde, weiß ich nicht. Es gibt auch bei Richtern "Schwarze Schafe", die es mit der Arbeit nicht so haben.

    Anderseits ist es wohl bei Justita so: Gründlichkeit und Sorgfalt zählen nix mehr, es gibt nur noch weghauen..

  • Soweit ich die Verfahren verfolgt habe, erledigt der betroffene Kollege zwischen ca. 40% und ca. 60% der Verfahren, die statistisch auf ihn entfallen. Dafür hat er einen (weit) überdurchschnittlich hohen Anteil von veröffentlichten Entscheidungen.

    Wenn ich mir überlege, welchen Zusatzaufwand das - ich nenne es jetzt mal bewusst so: - "pimpen" einer Entscheidung für eine Veröffentlichung hat, dann frage ich mich schon, ob der Kollege seine Prioritäten richtig setzt. Ziel der richterlichen Tätigkeit ist nicht, möglichst jede Entscheidung zu veröffentlichen bzw. veröffentlichungsfähig zu machen, zumal alleine die Korrespondenz für eine Veröffentlichung auch ein wenig Zeit bindet.
    Konsequenz einer so gestalteten Tätigkeit ist jedenfalls, dass ein so betriebenes Richterreferat systematisch absäuft und von Kollegen/innen, die weniger auf die Veröffentlichungsfähigkeit, sondern mehr auf die Erledigung an sich schauen, aufgearbeitet werden muss.

    Von daher bin ich sehr gespannt, wie dieser Verfahrenskomplex letztlich ausgehen wird, denn ein Spannungsproblem zur richterlichen Unabängigkeit besteht natürlich. Allerdings hat der BGH, Bundesrichterdienstgericht, schon mal auch den Output berücksichtigt: BGH, Urteil vom 03.12.2009, RiZ(R), wonach es darauf ankommt, ob das abverlangte Pensum allgemein, d.h. auch von anderen Richtern, noch bewältigt werden kann.

    Für zutreffend halte ich die Feststellung von Störtebecker, dass Gründlichkeit kein primär gefragter Zielwert in mancher Wahrnehmung ist, zumindest, wenn es um die Wahl Gründlichkeit oder Masse geht.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Soweit ich die Verfahren verfolgt habe, erledigt der betroffene Kollege zwischen ca. 40% und ca. 60% der Verfahren, die statistisch auf ihn entfallen. Dafür hat er einen (weit) überdurchschnittlich hohen Anteil von veröffentlichten Entscheidungen.

    Schon allein deswegen bin ich gespannt, wie sich die zweite Instanz entscheiden wird.

    Wobei ich froh bin, dass es Richter gibt, die sich mit der "anständigen" Begründung ihrer Entscheidungen und mit deren Veröffentlichung sehr viel Mühe geben. Im Übrigen fiel mir in diesem Zusammenhang ein Artikel ein, den ich neulich in der "Zeit" gelesen habe:

    http://www.zeit.de/2014/46/mitarbeiter-soziale-faehigkeiten

    Dort hieß es: "Mitarbeiter sind keine Milchkühe, deren Ertrag sich auf den Milliliter ermitteln lässt. Ihre Bedeutung für das soziale Gefüge kann wichtiger sein als ihre Einzelleistung."


  • ...
    Schon allein deswegen bin ich gespannt, wie sich die zweite Instanz entscheiden wird.

    Wobei ich froh bin, dass es Richter gibt, die sich mit der "anständigen" Begründung ihrer Entscheidungen und mit deren Veröffentlichung sehr viel Mühe geben. Im Übrigen fiel mir in diesem Zusammenhang ein Artikel ein, den ich neulich in der "Zeit" gelesen habe:

    http://www.zeit.de/2014/46/mitarbeiter-soziale-faehigkeiten

    Dort hieß es: "Mitarbeiter sind keine Milchkühe, deren Ertrag sich auf den Milliliter ermitteln lässt. Ihre Bedeutung für das soziale Gefüge kann wichtiger sein als ihre Einzelleistung."


    Das mit den Milchkühen und den Mitarbeitern ist sicher richtig. Z.B. ist der Mitarbeiter, der das Know-How-Rückgrat einer größeren Gruppe bildet, möglicherweise durch Rückfragen von Kollegen stärker belastet, davon geht jawohl auch der Zeit-Artikel aus.
    Auf der anderen Seite läuft ein Kollegialgericht (im Ausgangsfall geht es um einen Richter am OLG) nur dann einigermaßen "rund" wenn alle Beteiligten annähernd am gleichen Stand mit ihrem Referat sind.

    Und zur "anständigen" Begründung: Eine solche sollte am OLG halbwegs Standard sein, dafür hat man ja die wesentlich niedrigere Fallbelastung gegenüber den unteren Instanzen (Faustformel nach meiner Erfahrung hier etwa: Die Fallzahl eines Amtsrichters entspricht etwa der einer gesamten Kammer am Landgericht, die Fallzahl eines Landrichters entspricht etwa der eines gesamten OLG-Senats - natürlich auch deswegen, weil die durchschnittliche Akte dicker ist und mehr Lesearbeit erfordert).

    Aber es gibt Unterschiede in der "anständigen" Begründung, die meiner Erfahrung nach etwa wie folgt aussehen: Standardentscheidung < rechtsmittelfähige Entscheidung < Entscheidung zur Veröffentlichung, wobei die Menge der aufgewendeten Arbeitszeit etwa (nach meiner ganz persönlichen Erfahrung, die nicht repräsentativ ist) etwa 100% : 150% : 200% beträgt (bei gleicher Reihenfolge). Bei Kollegen mag die Relation günstiger sein, aber jedenfalls macht die veröffentlichungsfähige Fassung mehr Arbeit, weil der Nachweis der Meinungen aufwändiger ist.
    Und damit stellt sich dann die Frage, ob es sinnvoll ist, mehr zu veröffentlichen, wenn man mit seinen Fallzahlen nicht hinterherkommt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasH (16. Dezember 2014 um 22:12) aus folgendem Grund: ergänzt

  • Mich würde interessieren, ob die höhere Belastung der erstinstanzlichen Gerichte auch darauf beruht, dass diese noch "einige Sachen" durch Vergleiche und andere nicht streitige Erledigungen vom Tisch bekommen. Gerade die Materie, die regelmäßig am Amtsgericht vorkommt, bietet sich hierfür doch gerade zu an. Und das meine ich nicht negativ, weil Mandanten (so heute bei mir wieder vorgekommen) mit einem vernünftigen Vergleich in vielerlei Hinsicht durchaus sehr zufrieden sein können. Wenn man sich erst einmal bis zum Oberlandesgericht durchgekämpft hat, ist die Vergleichsbereitschaft nicht mehr so hoch. Oder hast Du da andere Erfahrungen gemacht?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Jetzt wird es natürlich ziemlich "Off-Topic":

    Ich möchte mal nur von höheren Fallzahlen sprechen, die Frage der "Belastung" ist umstritten (m.E. ist sie tatsächlich in erster Instanz höher, aber diese Meinung wird nicht von allen geteilt).

    Die höheren Fallzahlen haben unterschiedlichste Gründe:
    In erster Instanz erledigen sich eine ganze Anzahl von Fällen durch Versäumnisurteil oder Anerkenntnis o.ä., was in höheren Instanzen eher selten bis sehr selten ist. Die Akten sind natürlich in erster Instanz schon deswegen dünner, weil in zweiter Instanz ja die gesamte erste Instanz schon vorliegt (auf der anderen Seite hat dann auch schon mal jemand die Sache geordnet durchdacht und sortiert, nämlich der Erstrichter). Auch mit Vergleichen geht es in der ersten Instanz tendenziell besser als in höheren Instanzen.

    Man muss die Aufgabe des Instanzenzuges m.E. funktionell sehen: Die Aufgabe der ersten Instanz ist es, möglichst viele Verfahren mit vertretbarem Aufwand zu einem weitgehend vernünftigen Ende zu bringen und damit endgültig abzuschließen. Für die Feinheiten sind dann die höheren Instanzen zuständig, die dies aber nur dann leisten können, wenn ihnen nur ein kleiner Bruchteil der Verfahren, die zu Gericht kommen, weitergereicht wird.

    Am deutlichsten ist diese funktionale Trennung in Strafrecht: Das Amtsgericht erledigt rund 90% der Verfahren rechtskräftig! Für alle Späne, die dabei notwendig gehobelt werden, gibt es dann das Landgericht als Berufungsinstanz und als Kontrolle die Revision. Daher braucht es beim erstinstanzlichen Landgericht (Große Strafkammer) auch keine Berufungsinstanz, denn dort wird gleich statt mit dem Hobel mit der Feinfeile gearbeitet, also nur noch Kontrolle wieder durch die Revision. Wenn man dieses Prinzip mal gesehen hat, dann kann man dies ungefähr auf die (streitige, bei der freiwilligen fehlt mir die Erfahrung) Zivilgerichtsbarkeit übertragen.
    Aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz ein paar Zahlen dazu: Beim LG als erste Instanz kam es damals nur in knapp 50% der Fälle überhaupt zu einer sog. "harten" Erledigung (= Endurteil oder Vergleich), der Rest ging durch VU, AU, Rücknahmen etc. weg. Die "Vergleichsquote", d.h. der Anteil der Vergleiche von den "harten" Erledigungen war sehr Richter-individuell, zwischen 8% und 92% war alles vertreten. Von meinen Urteilen gingen ein Stück unter 50% in die zweite Instanz, die anderen wurden von den Parteien aus unterschiedlichsten Gründen "geschluckt" (angefangen vom Verlust des Vertrauens in die Justiz bis zum Abfinden mit einer halbwegs vernünftigen Begründung). Im Ergebnis habe ich irgendetwas zwischen ca. 15 und 20% meiner Eingänge an die zweite Instanz weitergereicht. Das waren natürlich öfters die vertrackten Fälle mit den streitlustigen Parteien als die einfachen mit den Vergleichswilligen (oder die, bei denen ich die richtige "Wellenlänge" nicht gefunden hatte).

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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