Lamberz: Verweisungsgründe des Amtsgerichts Schöneberg nach § 343 Abs. 2 FamFG

  • Lambertz hat sich im RPfleger 2015, S. 187 ff. zum Thema "Verweisungsgründe des Amtsgerichts Schöneberg nach § 343 Abs. 2 FamFG" geäußert und ausgeführt, wie die Verweisungsbeschlüsse des AG Schöneberg auf ihre "Willkür" zu prüfen und die "willkürlich abgegebenen Verfahren" wieder zurückzugeben sind.

    Wie verhält sich die nachlassgerichtliche Praxis zu diesem Problem, das wohl fast jedes Nachlassgericht mit dem Amtsgericht Schöneberg hat?

    Werden die Verfahren, die offensichtlich fast immer "willkürlich" -d.h. mit standardisierten, im einzelnen nicht begründeten Abgabegründen- abgegeben werden, zurückgegeben?

  • Ich hatte schon bisher kein Problem, ein Verfahren an das AG Schöneberg zurückzugeben, wenn ich offensichtlich überhaupt nichts mit der Sache zu tun hatte. Da meine Gründe stichhaltig waren, wurde zeitnah von Schöneberg der Verweisungsbeschluss aufgehoben (und ein neuer, an das von mir vorgeschlagene Gericht;)) erlassen.

  • Das Übel ist nicht die Zuständigkeit des AG Schöneberg an sich, sondern dass sich Schöneberg entgegen den gesetzlichen Vorgaben schon immer lediglich als "Durchlaufstation" für die bei ihm eingehenden Verfahren verstanden hat. Und dieses Übel benennt Lamberz durchaus zutreffend.

  • Bzw. man annehmen muss, dass dort wohl leseunkundige Sachbearbeiter sitzen, deren einzige Eignung darin besteht, die Post mit Verweisungsbeschluss an den Absender zurück zu senden.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ich hatte bisher nur einen einzigen Fall dieser Art, und da war es gerade umgekehrt:

    Jeder Erstsemester, ja, jeder Laie, dem man die Vorschriften gezeigt hätte, wäre zum Ergebnis gekommen, dass Schöneberg NICHT zuständig ist, sondern das von mir angerufene Nachlassgericht in X. Das Nachlassgericht in X wollte den Fall aber nciht und schickte ihn nach Berlin. Von da kam er mit Recht wieder zurück.

  • Das ist aber ein anderer Fall.

    Im vorliegenden Thread geht es um die Sachverhalte, bei welchen das AG Schöneberg originär zuständig ist und es sich der eigenen Zuständigkeiten durch Willkürverweisung wieder entledigt.

  • Das Übel liegt aber wohl tiefer. Dem Vernehmen nach ist das AG Schöneberg gar nicht ausreichend ausgestattet, um die Fälle selbst zu bearbeiten.

    Kein ausreichender Rechtfertigungsgrund für das AG Schöneberg. Vielmehr ein Grund für die Berliner Justiz, das AG Schöneberg besser auszustatten.

  • Das Übel liegt aber wohl tiefer. Dem Vernehmen nach ist das AG Schöneberg gar nicht ausreichend ausgestattet, um die Fälle selbst zu bearbeiten.

    Kein ausreichender Rechtfertigungsgrund für das AG Schöneberg. Vielmehr ein Grund für die Berliner Justiz, das AG Schöneberg besser auszustatten.

    Ich denke, da wird man lange warten können. Der BGH hat, meiner Erinnerung nach in einem Richterdienstverfahren, schon vor Jahren angemerkt, dass er Zweifel daran habe, ob Berlin den Justizgewährleistungsanspruch des GG noch erfüllt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Nachtrag:
    Nein, das ist keine Kritik an den Bediensteten der Berliner Justiz, die unter schwierigen Bedingungen versuchen, ihre Arbeit gut zu erledigen.

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasH (2. April 2015 um 16:06) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Die hier zuständige Richterin (Erbscheinsverfahren) und ich (Eröffnungsverfahren) haben vor kurzem zwei Entscheidungen des Kammergerichts provoziert, in denen das Kammergericht für das AG Schöneberg deutliche Worte gefunden hat.

    Kammergericht, Beschluss vom 05.01.2016, 1 AR 34/15 (= Eröffnungsverfahren):

    "Örtlich zuständig ist das AG Schöneberg.

    [...]

    Das Amtsgericht Schöneberg ist gem. § 343 Abs. 2 S. 1 FamFG a.F. örtlich zuständig, weil der Erblasser Deutscher ist und zur Zeit des Erbfalls im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatte.


    [...]

    Das Amtsgericht XY (Anm. "mein" Gericht) ist nicht durch bindende Wirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Schöneberg vom 31.08.2015 (§ 3 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG a.F.) zuständig geworden. Die Bindungswirkung tritt nicht ein, wenn es dem Verweisungsbeschluss an jeder rechtlichen Grundlage fehlt, so dass er objektiv willkürlich erscheint (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 175; BGH, NJW 2006, 847, 848; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 343 Rn. 67). So liegt der Fall hier.

    Es ist schon nicht ersichtlich, für welchen Verfahrensabschnitt der Verweisungsbeschluss gelten soll. Hinsichtlich der Testamentseröffnung (§ 348 Abs. 1 und 2 FamFG) ist eine Verweisung ausgeschlossen, denn das Amtsgericht Schöneberg ist in jedem Fall für die Eröffnung des bei ihm abgeliefterten Testaments vom [...] zuständig. Das ergibt sich aus § 344 Abs. 6 FamFG, der vermeiden soll, dass die Originalverfügung auf dem Weg zum Nachlassgericht uneröffnet verloren geht und dadurch der Wille des Erblassers nicht mehr zuverlässig festgestellt werden kann. § 344 Abs. 6 FamFG setzt keine besondere amtliche Verwahrung (§ 344 Abs. 1 bis 3 FamFG) voraus; es genügt, dass die Verfügung von Todes wegen - wie hier - in dem amtlichen Gewahrsam des Gerichts gelangt ist (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 344 Rn. 35 m.w.N.). Die allgemeine Verweisungsmöglichkeit des § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG a.F. gilt für diese besondere Eröffnungszuständigkeit nicht. Es ist nicht erkennbar, ob ihr das Amtsgericht Schöneberg bereits vollständig nachgekommen ist. In den vorliegenden Akten befindet sich neben einer beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls vom [...] lediglich eine Übersetzung des Testaments mit Eröffungsvermerk in Kopie (Hülle), nicht aber das portugiesische Original.

    Soweit der Beschluss vom 31.08.2015 die anschließenden Maßnahmen betrifft, [...] ist eine Verweisung durch das Amtsgericht Schöneberg gem. § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG a.F. i.V.m. § 350 FamFG in entsprechender Anwendung zwar möglich. Abgesehen davon, dass es das Testament vom [...] zu keinem Zeitpunkt übersandt hat [...], liegt die Verweisung aber auch insoweit nicht im gesetztlichen Rahmen. Das Amtsgericht Schöneberg verweist Nachlassverfahren regelmäßig ohne einzelfallbezogene Zweckmäßigkeitsprüfung an ein anderes Gericht, in dessen Bezirk sich ein Nachlassgegenstand befindet. Diese Praxis steht in offensichtlichem Widerspruch zur Zuständigkeitsverteilung des Gesetzes, die für deutsche Erblasser - anders als in § 343 Abs. 3 FamFG a.F. - nicht an den Nachlass anknüpft. Nach der Auslegung des Amtsgerichts Schöneberg bliebe es nur dann bei seinr Sonderzuständigkeit, wenn sich keine Nachlassgegestände im Inland befinden.

    Ein wichtiger Grund i. S. v. § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG a.F. besteht zur Zeit nicht. Das bei der Volksbank [...] geführte Konto des Erblassers ist für das Verfahren über die Verfügung von Todes wegen unerheblich."


    Kammergericht, Beschluss 08.03.2016, 1 AR 5/16 (= Erbscheinsverfahren):

    "Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Schöneberg.

    [...]

    Keinen rechtlichen Bedenken und damit auch keinem Willküranschein unterliegt der Ansatz des Amtsgerichts Schönebergs, dass die Belegenheit von Nachlassgegenständen im Bezirk eines anderen Gerichts einen wichtigen Grund für eine Verweisung darstellen kann. Dies entspricht der Rechtsprechug des Senats und jedenfalls dem aktuellen, in der Begründung zu § 34 Abs. 3 S. 4 IntErbRVG und § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG n. F. zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 18/4201 S. 50, 82). Ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt, d. h. ob und warum es zweckmäßig ist, das Nachlassverfahren vor dem anderen Gericht führen zu lassen, ist jedoch im Einzelfall von dem verweisenden Gericht zu ermitteln (Senat. Beschlüsse 13.08.2015, - 1 AR 18/15 und vom 15.10.2013 - 1 AR 18/13.). Andernfalls, d. h. bei einer Auslegung des Gesetzes dahin, dass es ohne einzellfallbezogene Zweckmäßigkeitsprüfung allein die Belegenheit eins Nachlassgegenstandes stets zu einer Verweisug führt, bliebe es nur dann bei der Sonderzuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg, wenn sich keine Nachlassgegenstände im Inland befinden. Dies stände im offensichtlichem Widerspruch zur Zuständigkeitsregelung des Gesetzes die in § 343 FamFG a.F. für deutsche Erblassers nicht an die Belegenheit des Nachlasses anknüpfte und in der seit 08.09.2015 geltenden Fassung des § 343 FamFG im Übrigen auch für ausländische Erblassers nicht mehr die primäre Zuständigkeit jedes Gerichtss begründet, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden.

    Der Senat hat in der Vergangenheit anhand der Häufung von Entscheidungen, die stets dieselbe formelhafte Begründung wie im vorliegenden Fall enthalten, festgestellt, dass offensichtlich eine solche dem Gesetz widersprechende Praxis besteht. Da der Verweisungsbeschluss vom 27.08.2015 und der sonstige Inhalt der Akten keinerlei Hinweise darauf enthalten, dass vor der Verweisung deren objektive Zweckmäßigkeit für das Verfahren geprüft worden ist, sondern im Gegenteil die Verweisung bereits ohne Kenntnis von der Art der erfragten Nachlassgegenstände angekündigt wurde, muss davon ausgegangen werden, dass auch dieser Verweisungsbeschluss auf der genannten Praxis gründet und deshalb in § 343 FamFG keine rechtiche Grundlage findet.

    Ein wichtiger Grund im Sinne von § 343 FamFG liegt zur Zeit nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, warum das Nachlassverfahren vor dem Amtsgericht [...] schneller oder einfacher als vor dem Amtsgericht Schöneberg geführt werden könnte. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten, dass das in [...] geführte Konto für die vorzunehmenden Ermittlungen zu treffenden Feststellungen, ob die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen feststehen (§ 2359 BGB, § 352 Abs. 1 S. 1 FamFG), von irgendeiner Bedeutung sein könnte."


    Anmerkung: fett durch Ernst P.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    2 Mal editiert, zuletzt von Ernst P. (29. April 2016 um 14:46)

  • Ich kann daher jedem nur empfehlen, nicht einfach die Vorgänge vom AG Schöneberg zu übernehmen, sondern sich ggf. für unzuständig zu erkären und die Akte zur Klärung der Zuständigkeit dem Kammergericht oder, je nach Verfahrensablauf, dem eigenen Obergericht zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorzulegen. Man kann ja jetzt dabei zwei Beschlüsse des Kammergerichts zitieren (s. o.). :D

    Die Richterin und ich hatten zur Untermauerung unserer Argumente in unseren Unzuständigkeitsbeschlüssen u. a. auf


    a) Lamberz, Rpfleger 2015, 187 f.
    b) Keidel, FamFG, 18. A., § 343 Rn. 66
    c) OLG Köln, Beschl. 27.06.2014, FamRZ 2015, 280 f. und in Juris

    abgestellt.


    Ferner kann ich berichten, dass Herr Lamberz (entgegen der Überschrift ohne "t" -Überschrift berichtigt Mel, Mod.-) sehr erfeut war, von den Entscheidungen des Kammergerichts zu hören :)

    Bei Bedarf kann ich per PN auch meinen Vorlagebeschluss übersenden.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    2 Mal editiert, zuletzt von Ernst P. (29. April 2016 um 14:48)

  • Aus dem Rechtsprechungsthread:

  • Wenn das so weitergeht, kann man wohl nicht ausschließen, dass in absehbarer Zeit irgend jemand das AG Schöneberg (bzw. den betreffenden Entscheidungsträger) mit einer Strafanzeige wegen Rechtsbeugung überzieht.

    Die aber natürlich mangels (erstrebter) Begünstigung/Benachteiligung einer Partei ins Leere ginge...

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



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