Geschäftsgebühr

  • Kann eine Geschäftsgebühr auch noch entstehen, wenn das streitige Verfahren inzwischen schon anhängig ist?
    In einem sozialgerichtlichen AS-Verfahren hat der RA Klage eingereicht. Es stellte sich im Verfahren heraus, dass im Verwaltungsverfahren (wo der RA nicht beteiligt war) eine erforderliche Anhörung des Klägers durch den Beklagten unterblieben war.
    Das Verfahren wurde ausgesetzt.
    Die fehlende Anhörung wurde nachgeholt - aber es wurde nicht der Kläger direkt angehört sondern sein Anwalt wurde angeschrieben und hat geantwortet.
    Dann wurde das gerichtliche Verfahren weiter geführt und beendet.
    (Der Sachverhalt wurde mir so vom Richter geschildert, ich kenne die Akte nicht.)
    Nun muss im Erinnerungsverfahren entschieden werden, ob der RA für die während der Aussetzung erfolgte Anhörung eine Gebühr nach Nr. 2400 VV-RVG verdient hat oder nicht. Rechtsprechung dazu ist irgendwie nicht zu finden.

  • Ohne irgendetwas recherchiert zu haben (und damit unter entsprechendem Vorbehalt eines besseren belehrt zu werden):
    Das gerichtliche Verfahren wurde doch ausgesetzt und es fand ein "Rücksprung" in Verwaltungsverfahren statt. Die Anhörung war also streng genommen außerhalb eines zu diesem Zeitpunkt gar nicht laufenden gerichtlichen Verfahrens. Und damit hätte ich keine Bedenken gegen die Entstehung der Gebühr.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Kenne mich verfahrensrechtlich hier auch nicht aus, aber der Entscheidung des BSG, Urteil vom 9.11.2010, B 4 AS 37/09 R lässt sich entnehmen, dass sich nach der h.M. zumindest die Nachholung der Anhörung gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X während des gerichtlichen Verfahrens in einem besonderen Verwaltungsverfahren vollziehen muss. Wenn das hier genauso ist, dann keine Bedenken gegen eine Geschäftsgebühr (im Falle der Einleitung des Anhörungsverfahrens nach dem 1.8.2013 dann die Nr. 2302).

  • Folgender Fall:
    KGE Beklagter zahlt außergerichtliche Kosten des Klägers.
    RA war bereits im Vorverfahren tätig.

    RA macht Verfahrensgebühr gegenüber der Landeskasse in Höhe von 300,- am 01.03.2017 geltend. UdG setzt am 05.03.2017 fest.
    Kostenansatz durch den KB im Wege des Übergangs nach § 59 RVG am 06.03.2018 gegen den Beklagten.
    Beklagter zahlt zunächst anstandslos. Am 06.03.2017 schickt der RA an den Beklagten seine Rechnung über die Geschäftsgebühr in Höhe von 300,- - zunächst passiert nichts.
    Am 21.08.2017 zahlt der Beklagte die Geschäftsgebühr in Höhe von 300,- an den RA und legt Erinnerung gegen den Kostenansatz ein mit der Begründung, es sei doch die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

    Unabhängig davon, dass der eingelegte Rechtsbehelf verwirkt sein könnte, hat m.E. der Kostenschuldner doch zu Unrecht auf die Geschäftsgebühr in voller Höhe geleistet, als ihm der Kostenansatz hinlängst bekannt war, mithin könne er sich doch nicht jetzt auf einmal auf § 15 Abs. 2 RVG stützen.

    Was meint ihr?

  • Bei der Geltendmachung der Verfahrensgebühr war die Geschäftsgebühr offenbar weder gezahlt, tituliert oder geltend gemacht. Eine Anrechnung hatte daher zunächst nicht zu erfolgen. Die Verfahrensgebühr wurde daher zu recht in voller Höhe ausgezahlt und im Wege des § 59 RVG gegen den Beklagten geltend gemacht. Der RA hat hier von seinem ihm zustehenden Wahlrecht gebrauch gemacht, welche Gebühr im Wege der Anrechnung vermindert wird.

    § 15a RVG und die damit weiter geregelte Anrechnung sollen verhindern, dass der RA mehr Gebühren bekommt als ihn zustehen. Er hätte gegen den Beklagten nur noch die geminderte Geschäftsgebühr geltend machen dürfen. Wenn der Beklagte dies nicht oder zu spät merkt, dürfte das nach meiner Ansicht nicht zu Lasten der Staatskasse gehen, da bei der Feststetzung auch alles rechtmäßig war. Die Erinnerung dürfte daher unbegründet sein. Sein Geld muss sich der Beklagte vom RA wieder holen, der zu Unrecht keine Anrechnung vorgenommen hat.

  • Gerade weil die Anrechnung nach § 15a RVG, Vorb. 3 Abs. 4 RVG bei Betragsrahmengebühren offenbar immer wieder Schwierigkeiten bereitet, einmal folgendes Fallbeispiel. Welche Lösung davon favorisiert ihr bzw. habt ihre andere Lösungsvorschläge?

    Kläger wurde PKH unter Beiordnung eines RA bewilligt. RA war bereits im Widerspruchsverfahren tätig. KGE lautet 50% der außergerichtlichen Kosten trägt der Beklagte.

    Geschäftsgebühr vv 2302 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    Verfahrensgebühr vv 3102 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    abzgl. Vorb. 3 Abs. 4 RVG, § 15a Abs. 1 RVG -150,-
    Gesamtanspruch des RA 450,-

    RA macht die Hälfte aus vv 2302 RVG gegenüber dem Beklagten geltend. Der Beklagte zahlt hierauf 150,- EUR.

    RA macht nunmehr Verfahrensgebühr gegenüber der Landeskasse nach § 55 RVG geltend:

    Lösung 1 "Anrechnung bis zur Hälfte der entstandenen Gebühr"

    Verfahrensgebühr vv 3102 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    abzgl. Vorb. 3 Abs. 4 RVG, § 15a Abs. 1 RVG -150,-
    (Anrechnung Zahlung Beklagte 150,- bis max. 150,-)
    Anspruch des RA aus Landeskasse auf vv 3102 RVG 150,-

    Lösung 2 "Anrechnung der Hälfte der gezahlten Gebühr"

    Verfahrensgebühr vv 3102 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    abzgl. Vorb. 3 Abs. 4 RVG, § 15a Abs. 1 RVG
    (Hälfte der gezahlten 150,-) -75,-
    Anspruch RA aus Landeskasse auf vv 3102 RVG 225,-

    Lösung 3 "§ 15a Abs. 1 RVG - Wahlrecht des RA, keine Anrechnung bis zum Erreichen der Schwellengebühr"

    Geschäftsgebühr vv 2302 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    Verfahrensgebühr vv 3102 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    abzgl. Vorb. 3 Abs. 4 RVG, § 15a Abs. 1 RVG -150,-
    Gesamtanspruch des RA 450,-
    abzgl. Zahlung Beklagte auf vv 2302 RVG -150,-
    (Anrechnung auf 3102 RVG um 0,- "Schwellenwert" nicht erreicht)
    Anspruch aus der Landeskasse auf vv 3102 RVG 300,-

    Würde der Beklagte 3/4 der außergerichtlichen Kosten zu tragen haben und zahlt auf die Geschäftsgebühr 225,- EUR:

    Lösung 1 "Anrechnung bis zur Hälfte der entstandenen Gebühr"

    Verfahrensgebühr vv 3102 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    abzgl. Vorb. 3 Abs. 4 RVG, § 15a Abs. 1 RVG -150,-
    (Zahlung Beklagte 225,- bis Hälfte der entstandenen Gebühr, 150,- voll anrechenbar)
    Gesamtanspruch des RA auf vv 3102 RVG 150,-

    Lösung 2 "Anrechnung der Hälfte der gezahlten Gebühr"

    Verfahrensgebühr vv 3102 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    abzgl. Vorb. 3 Abs. 4 RVG, § 15a Abs. 1 RVG
    Hälfte von den gezahlten 225,- EUR -112,50
    Gesamtanspruch des RA auf vv 3102 RVG 187,50

    Lösung 3 "§ 15a Abs. 1 RVG - Wahlrecht des RA, keine Anrechnung bis zum Erreichen der Schwellengebühr"

    Geschäftsgebühr vv 2302 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    Verfahrensgebühr vv 3102 RVG (Mittelgebühr) 300,-
    abzgl. Vorb. 3 Abs. 4 RVG, § 15a Abs. 1 RVG -150,-
    Gesamtanspruch des RA 450,-
    abzgl. Zahlung Beklagte auf vv 2302 RVG -225,-
    (Anrechnung auf 3102 RVG nach Erreichen des Schwellenwerts -75,-)
    Anspruch aus der Landeskasse auf vv 3102 RVG 225,-

  • Also ich habe es immer so gesehen, dass man die Hälfte der Geschäftsgebühr anrechnet und dann am Ende die Gesamtsumme quotelt. Unser LSG sieht dies aber seit dem 01.11.2018 nun anders und sagt, dass nur die Hälfte der gezahlten Geschäftsgebühr angerechnet werden darf.

  • Wir rechnen auch die Hälfte der ausgezahlten Vergütung an (Lösung 2). Unser LSG sieht das auch so.

    Man muss das Unmögliche so lange anschauen, bis es eine leichte Angelegenheit wird.
    Das Wunder ist eine Frage des Trainings!
    (Albert Einstein)

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