Bericht in ZDF-WISO zur Zuschlagsversagung

  • Die Begründung des Beschlusses liest sich doch wie eine Blaupause für den Schadenersatzprozess gegen das Land Brandenburg.

    Sicherlich ein Extremfall, aber die Begründung des Gerichts erscheint mir nachvollziehbar.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Bitter, aber ich verstehe das im Beitrag angesprochene Prozedere der "Anhörung der Familie" vor dem Landgericht nicht :gruebel:. Fakt ist, es wurde doch entschieden. Vllt. sollte man hier beispielhaft mal den weiteren Werdegang zur Zurückführung in den ursprünglichen Zustand skizzieren, fernab der moralischen Bedrückungen. Denn die Zwangsversteigerung selbst dürfte dadurch ja nicht erledigt sein...

  • Sicherlich ein Extremfall, aber die Begründung des Gerichts erscheint mir nachvollziehbar.

    Mir nicht. Nennt mich kleinlich, aber seit wann ist die Terminsbestimmung "ein Beschluss, aufgrund dessen die Versteigerung erfolgen kann"? Wenn die Zustellung tatsächlich unwirksam war, dann mangelt es doch an der der TB. (Zugegeben, der Unterschied ist nicht wirklich relevant.) "Durch ein einfaches Schreiben hätte der Schuldner über das in sein Grundstück laufende Zwangsversteigerungsverfahren in Kenntnis gesetzt werden können." Aha! Und das langt? Wurde der Anordnungsbeschluss nicht zugestellt?
    Nachforschungen durch das Gericht nach dem Aufenthalt in den USA finde ich auch spannend. Auch lustig: eine PO-Box-Adresse als letzter bekannter Aufenthaltsort... :gruebel:
    Weil das alles nicht reicht, nimmt man auch noch die fehlende Zustellung des Beschlusses über die Erlösverteilung als Anhaltspunkt für die Unwirksamkeit des Zuschlags.

    Mag man die Zuschlagsversagung für zutreffend halten, die Begründung gefällt mir nicht. :confused:

  • Ich verweise auf die Besprechung zu LG Potsdam von Manfred Steffen:

    "Der Wegfall des rechtskräftigen Zuschlags wegen unzulässiger Bestellung eines Zustellungsvertreters"

    in ZfIR 2014, 785,

    beruhend auf seinem Vortrag beim ZVG-Treff in Heilbronn im September 2014.

    Der zugrunde liegende Sachverhalt war wohl der:

    •Verfahren wird beantragt von Kommunaler Vollstreckungsbehörde
    •AOB wird dem Schuldner öffentlich zugestellt
    •19.01.2009 Bestellung ZU-Vertreter für den Schuldner, an diesen erfolgen alle Zustellungen im Verfahren
    •21.04.2010 Zuschlag
    •24.06.2010 Verteilungstermin
    •danach Eintragung der Ersteherin im Grundbuch, Eintragung von Finanzierungsgrundpfandrechten, Ersteherin baut ein Haus auf dem Grundstück
    •19.11.2012 (sic!) Zuschlagsbeschwerde durch den Schuldner, gestützt auf § 83 Nr.1 i.V.m. § 43 Abs. 2 ZVG: An ihn seien keine Zustellungen erfolgt.


    11.03.2014 – Landgericht Potsdam hebt Zuschlag auf und versagt Zuschlag auf das Gebot der Ersteherin

    Die Entscheidung LG Potsdam 1 T 103/13 ist ausgesprochen bitter für den Ersteher.

    Und was war der Quell allen Übels? Die einen sagen: Die Kommune als Betreibender hatte nicht anständig recherchiert.
    Andere sagen: Das Gericht war so naiv, gegen jede Erfahrung :teufel: der Kommunalen Vollstreckungsbehörde zu glauben.
    Ich sage: Wieso hat das Gericht den Einheitswertbescheid vom Finanzamt angefordert (auf dem dann die Anschrift des Schuldners zu sehen war - nur dass darauf absolut niemand geachtet hat, weil das ja nicht Zweck des Einheitswertbescheides ist)?!

    Geradezu schofelig scheint mir dann die Auffassung des LG, hier hafte auch der Zustellungsvertreter, weil er die Gerichtsakte nicht nach einer Adresse durchwühlt hat.
    Diese Meinung dürfte sich nicht mehr halten lassen, wenn ich die Kriterien der jüngst ergangenen BGH-Entscheidung heranziehe, ob der Zwangsverwalter nachzuprüfen verpflichtet ist, ob das Gericht eine uneingeschränkte Zwangsverwaltung trotz eingetragenen Nießbrauchs- oder Wohnungsrechts anordnen durfte (Urteil vom 15.10.2015, IX ZR 44/15). Es ist doch wohl nicht seine Aufgabe, die Hausaufgaben des Gerichts zu erledigen.

  • Was für ein Ermittlungsaufwand! Man fertigt ein Schreiben an den Schuldner (zB die Wertanhörung oder Frage nach aktueller zustellungsfähiger Anschrift) und schickt dies FORMLOS ab. Kommt es zurück, steht drauf warum. Kommt es nicht zurück, war die Anschrift wohl korrekt (zumindest hat man keine Anhaltspunkte für das Gegenteil). Und da die USA außerhalb Europa/EU liegt, müssen wir uns nicht um den EuGH kümmern.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Was für ein Ermittlungsaufwand! Man fertigt ein Schreiben an den Schuldner (zB die Wertanhörung oder Frage nach aktueller zustellungsfähiger Anschrift) und schickt dies FORMLOS ab. Kommt es zurück, steht drauf warum. Kommt es nicht zurück, war die Anschrift wohl korrekt (zumindest hat man keine Anhaltspunkte für das Gegenteil). Und da die USA außerhalb Europa/EU liegt, müssen wir uns nicht um den EuGH kümmern.

    Der Sachverhalt war doch aber ein anderer:

    Der Gläubiger teilt beim Antrag auf Zwangsversteigerung mit, dass der Schuldner unbekannten Aufenthalts sei und er seinen Grundsteuerbescheid (?) habe öffentlich zustellen müssen.
    Der Schuldner hat also vom gesamten Verfahren nichts mitbekommen, weil der AOB öffentlich zugestellt wurde und sodann alsbald ein ZU-Vertreter bestellt wurde.
    Die - zutreffende - Anschrift des Schuldners war dem Einheitswertbescheid zu entnehmen, den das Gericht aus alter Gewohnheit angefordert hat (seit wie langer Zeit berechnen wir die Anordnungsgebühr nicht mehr nach dem Einheitswert???)

  • Das war eine Antwort zu jörg "Nachforschungen durch das Gericht". (Du hast dich dazwischengemogelt :))

    Der Sachverhalt war doch aber so. Es war eine Adresse bekannt. Warum der Bescheid angefordert wurde spielt keine Rolle, genauso, dass die Adresse übersehen wurde. Die Folge ist aber, dass der Zuschlag aufgehoben wurde, mE auch zu recht. Und wenn ich dann irgendwann feststelle, dass die vorherigen Zustellungen Murks waren, hole ich sie eben nach, erforderlichenfalls ab Anordnung. UU muss sogar der Titel neu zugestellt werden, dafür gibt es dann den § 28. Das ist zwar Arbeit und eine Verfahrensverzögerung. Aber alles nichts gegen einen Zuschlag, der "nach Rechtskraft" und gefühlten Ewigkeiten aufgehoben wird.

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Kann mal jmd. von den "ZVG-Geprüften" kurz den weiteren Werdegang nur unter Nennung der §§ skizzieren, wie man nunmehr wohl vorzugehen hat? Schließlich "lebt" ja die Zwangsversteigerung doch wieder auf? :gruebel:

    Spaßvogel. Ich fürchte, das kann man nicht "mal kurz".

    Einige der offenen Eckpunkte sind diese:

    1. Der Beschluss, mit dem der Zuschlagsbeschluss aufgehoben und der Zuschlag versagt wurde, wirkt wie eine Verfahrenseinstellung, §§ 83, 86 ZVG. Dem Gläubiger blieben 6 Monate für einen Fortsetzungsantrag.

    2a) Der Ersteher ist mit einem Ersuchen nach § 130 ZVG ins Grundbuch eingetragen worden. Wie kommt er da wieder raus? Jedenfalls nicht durch Unrichtigkeitsnachweis seitens des Schuldners, sagt (für den hiesigen Fall) OLG Brandenburg, 09.09.2014 - 5 W 142/14. Demnach bedürfte es eines Berichtigungsersuchens durch das Versteigerungsgericht.
    b) Besondere Probleme dürften sich dabei durch die Belastung des Grundstücks mit einem Grundpfandrecht ergeben. Dieses dürfte die Bank gutgläubig erworben haben, das Recht wird also auch auf Ersuchen des Zwangsversteigerungsgerichts nicht mehr gelöscht werden können.

    3. Ansprüche zwischen Ersteher und Schuldner im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, §§ 987 ff. BGB, sind zivilgerichtlich zu klären.

    4. Schadensersatzansprüche des Erstehers gegen den ZU-Vertreter und gegen das Land Brandenburg sind verwaltungsgerichtlich zu klären.

  • Und wie ist das mit den Zahlungen aus ausgeführtem Teilungsplan ?


    Die muss der Ersteher im Klagewege von jenen zurückfordern, denen ein Betrag zugeteilt wurde.
    Vgl. Stöber, § 96 ZVG Rz. 3.7.

    Dort ist auch darauf hingewiesen, dass abquittierte Titel zu berichtigen, unbrauchbar gemachte Briefe wiederherzustellen seien.


  • 4. Schadensersatzansprüche des Erstehers gegen den ZU-Vertreter und gegen das Land Brandenburg sind verwaltungsgerichtlich zu klären.

    Ich denke, das gehört eher vor die ordentliche Gerichtsbarkeit, Art. 34 S. 2 GG, § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO.

    Da fehlt es mir zum Glück an Erfahrung. Danke für den Hinweis!

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