Bericht in ZDF-WISO zur Zuschlagsversagung

  • Das "Übel" an der Sache ist der Gesetzgeber selbst, der es zulässt, dass ein Vertreter ohne jegliche Vertretungsmacht - mit Ausnahme des Empfangs von Zustellungen - bestellt werden kann und dem Schuldner ein Grundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nimmt.

    Würde ein Verfahrens-, Abwesenheitspfleger - oder wie man es immer nennen mag mit umfassender Vertretretungsmacht für den Schuldner bestellt, gäbe des das Problem mit der "späten" Beschwerde nicht.

  • Das "Übel" an der Sache ist der Gesetzgeber selbst, der es zulässt, dass ein Vertreter ohne jegliche Vertretungsmacht - mit Ausnahme des Empfangs von Zustellungen - bestellt werden kann und dem Schuldner ein Grundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nimmt.

    Würde ein Verfahrens-, Abwesenheitspfleger - oder wie man es immer nennen mag mit umfassender Vertretretungsmacht für den Schuldner bestellt, gäbe des das Problem mit der "späten" Beschwerde nicht.

    :daumenrau Genau so ist es.

    Edit: Nur hilft auch das nicht, wenn dann der BGH in seiner unsäglichen Weisheit dem Vertretenen im Wege der Wiedereinsetzung die Möglichkeit gibt, die gegenüber dem Vertreter eingetretenen Rechtsfolgen zu beseitigen. So wie BGH vom 23.09.2009, Az.: V ZB 60/09.

  • ... aber den sinnfreien Einheitswert-Zettel guckt man sich eigentlich wirklich nicht mal ansatzweise an. Von einer an dieser Stelle auftauchenden Andresse kann man daher ja schlecht Kenntnis nehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von zsesar (10. Februar 2016 um 20:44)

  • aber das Verfahren war doch nicht ohne Schuldner. Ohne größeren Aufwand hätte die Anschrift erlangt werden können. Da ist doch die LG-Entscheidung durchaus nachvollziehbar. :cool:

  • ... aber den sinnfreien Einheitswert-Zettel guckt man sich eigentlich wirklich nicht mal ansatzweise an. Von einer an dieser Stelle auftauchenden Andresse kann man daher ja schlecht Kenntnis nehmen.

    Jetzt wohl schon, oder?
    Und wenn man ernsthaft eine Adresse sucht und der Bescheid in der Akte ist (in Hessen ist der (zum Glück?) nicht in der Akte sondern in einer Sammelakte aufzubewahren, soweit er von uns wegen der Kosten angefordert wurde), prüft man den halt auch. Ich frage auch schon mal bei der Stadt nach, wo die den Grundsteuerbescheid hinschicken und wann das letzte mal gezahlt wurde. Und wer schaut in der Grundakte nach einer Vollmacht, § 5? Wurde ich auch schon fündig.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Es mag sein, dass die Adresse auf diesem Bescheid war und das Gericht wohl Fehler gemacht hat. aber ich denke, dass die Anfechtbarkeit irgendwann mal ausgeschlossen sein muss. Dann soll der Schuldner einen SAE-Anspruch gegen das Land haben, ja; aber Grundstück zurück ist nicht. Wir fordern den Einheitswertbescheid nur noch für die Kostenberechnung an, wenn wir keinen VW haben.

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  • aber das Verfahren war doch nicht ohne Schuldner. Ohne größeren Aufwand hätte die Anschrift erlangt werden können. Da ist doch die LG-Entscheidung durchaus nachvollziehbar. :cool:

    Aus der Optik des LG sei der Schuldner über die aus der Einheitswertbescheinigung ersichtliche Adresse unzweifelhaft erreichbar gewesen. Woher kommt diese Gewissheit?
    Auf der verlinkten Seite heißt es, dass das wohl die Adresse seines Vaters gewesen sei.

    Ein wenig pikant finde ich auch, dass die Ersteherin dort angibt, das LG habe den Beschluss selbst nicht an ihre aktuelle Adresse geschickt...

  • Wenn das nur die Adresse des Vaters gewesen sein soll, hätte man bei dem natürlich auch nicht nachfragen können, ob er eine Adresse seines Sohnes hat. Ev ging es ja auch um eine ganz andere Adresse.

    Fehler passieren. Und Murphy hat festgelegt, dass die immer da passieren, wo es besonders ungünstig ist.

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Wenn das nur die Adresse des Vaters gewesen sein soll, hätte man bei dem natürlich auch nicht nachfragen können, ob er eine Adresse seines Sohnes hat. Ev ging es ja auch um eine ganz andere Adresse.

    Fehler passieren. Und Murphy hat festgelegt, dass die immer da passieren, wo es besonders ungünstig ist.

    Natürlich hätte man nachfragen können, aber es war nun gerade keine inländische Adresse, bei der dies völlig trivial gewesen wäre. Eben weil Fehler passieren und ganz sicher niemand hier (wage ich zumindest zu behaupten) ausschließen kann, dass er nicht auch einmal in eine solche Falle tappt, tue ich mich schwer mit Aussagen wie: "Glasklar, der Kollege hat Mist gebaut! Das LG hat zweifellos den Zuschlag zu recht versagt." Ich möchte jedenfalls nicht in seiner Haut stecken...

  • ... aber ich denke, dass die Anfechtbarkeit irgendwann mal ausgeschlossen sein muss ...

    Danke, dass Du diesen Aspekt noch einmal ausdrücklich ansprichst. Darüber bin ich zuerst auch gestolpert und hielt die Entscheidung des LG für nicht vertretbar.

    Indes ist es dogmatisch sauber hergeleitet, in der Entscheidung heißt es:

    "Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann nach § 569 Abs. 1 Satz 3 ZPO die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klage geltenden Notfristen erhoben werden. Nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach den Vorschriften der Gesetze vertreten war. Dies trifft auf den vorliegenden Fall, wie noch auszuführen sein wird, zu. Damit war die außerordentliche Beschwerde vor Ablauf der Notfrist von einem Monat ab Zustellung des Zuschlagsbeschlusses einzulegen (vgl. § 586 Abs. 1 und 3 ZPO). Diese Frist ist durch den am 19. November 2012 eingereichten Schriftsatz eingehalten worden, nachdem der Zuschlagsbeschluss vom 21. April 2010 dem Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners erst am 16. November 2012 per Telefax übermittelt worden ist."

    Zur Frist für die Einlegung einer Nichtigkeitsklage (und damit auch für eine außerordentliche Beschwerde nach § 569 Abs. 1 Satz 3 ZPO) sagt § 586 Abs. 2 ZPO:

    " Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft."

    Das "... irgendwann man ausgeschlossen sein ..." tritt also nach der Wertung des Gesetzgebers hier nach erst 5 Jahren ein.

  • Wenn das nur die Adresse des Vaters gewesen sein soll, hätte man bei dem natürlich auch nicht nachfragen können, ob er eine Adresse seines Sohnes hat. Ev ging es ja auch um eine ganz andere Adresse.

    Fehler passieren. Und Murphy hat festgelegt, dass die immer da passieren, wo es besonders ungünstig ist.

    Natürlich hätte man nachfragen können, aber es war nun gerade keine inländische Adresse, bei der dies völlig trivial gewesen wäre. Eben weil Fehler passieren und ganz sicher niemand hier (wage ich zumindest zu behaupten) ausschließen kann, dass er nicht auch einmal in eine solche Falle tappt, tue ich mich schwer mit Aussagen wie: "Glasklar, der Kollege hat Mist gebaut! Das LG hat zweifellos den Zuschlag zu recht versagt." Ich möchte jedenfalls nicht in seiner Haut stecken...

    Ich wusste nicht, dass Briefe ins Ausland so kompliziert sein können (:ironie:).

    Mist ist eben, anders als auf dem Haufen, auch mal glasklar, auch mein eigener. Ich verurteile niemanden für Fehler. Die werden gemacht. Aber die Informationen lagen vor und wurden übersehen, passiert eben. Nichts weiter.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Was mich an der Entscheidung des LG Potsdam stört, sind Aussagen wie diese hier:

    "Über diese Adresse war der Schuldner unstreitig erreichbar."

    Wie hat das LG denn diese "unstreitige Erreichbarkeit" festgestellt und - vor allen Dingen - wer hätte die Erreichbarkeit des Schuldners im Rahmen dieses Zuschlagsbeschwerdeverfahrens überhaupt bestreiten sollen?

    Das Zuschlagsbeschwerdeverfahren ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet.
    Anders als im normalen Zivilprozess stehen sich also grundsätzlich nicht zwei (oder mehr) Parteien gegenüber, die Tatsachenbehauptungen aufstellen, über deren Wahrheitsgehalt das Gericht dann befinden muss.
    Der Ersteher wird zwar am Verfahren beteiligt, muss sich aber noch nicht einmal von einem Anwalt vertreten lassen.
    Auch im vorliegenden Fall war die Ersteherin bis zur Zuschlagsaufhebungsentscheidung des LG Potsdam wohl nicht anwaltlich vertreten, ansonsten wäre der Beschluss nicht an die ehemalige Wohnadresse zugestellt worden.
    Ein Anwalt hätte die Gefahr erkannt und die Behauptungen des Schuldners bestritten.

    Das LG Potsdam hat nicht dafür gesorgt hat, dass zwischen den "Parteien" des Zuschlagsbeschwerdeverfahrens so etwas wie prozessuale Waffengleichheit herrscht.
    Dies hätte das LG Potsdam aber tun müssen, da das LG Potsdam selbst auf Grundsätze des Parteiprozesses (Feststellung der "Unstreitigkeit" von Tatsachen) zurückgegriffen hat, um seine Entscheidung zu begründen.
    Immerhin ging es hier um nichts weniger als die Enteignung der Ersteherin und damit um einen ganz massiven Grundrechtseingriff.

    M. E. hat das LG Potsdam gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen.


  • M. E. hat das LG Potsdam gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen.

    Ja, die Entscheidung ist paradox, da man der Ersteherin eines Rechtsmittels beraubt hat. Wäre nämlich das AG Luckenwalde zwischen Ende der Versteigerung und Zuschlagserteilung zu dem Schluss gekommen, dass der Schuldner nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist, hätte es den Zuschlag, ebenso wie das LG jetzt, versagt, aber mit der Folge, dass der Ersteherin das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zugestanden hätte.
    Jetzt mit viel weitreicherenden Folgen, den Zuschlag zu versagen, und der Ersteherin kein Rechtsmittel zuzugestehen ist m.E. mit rechtstaatlichen Prinzipien nicht zu vereinbaren. Hier hätte zumindest eine Kammerentscheidung mit Zulassung der Rechtsbeschwerde getroffen werden müssen.

  • Ich meine, dass man das auch gegenteilig zu LG Potsdam entscheiden hätte können (müssen ?).

    Wäre es nicht viel zutreffender / sinnvoller, dass das LG im Rahmen der anhängigen Gehörsrüge eine Kammerübertragung macht und den Zuschlagsaufhebungsbeschluss wieder aufhebt, die Rechtsbeschwerde zulässt und dann mag der Schuldner in diese gehen ?

    Oder ist das in dieser Form und Fallkonstellation mit dem § 6 ZVG
    und den ggf. "unwirksamen" Zustellungen bereits höchstrichterlich entschieden worden ?


    aber das Verfahren war doch nicht ohne Schuldner. Ohne größeren Aufwand hätte die Anschrift erlangt werden können. Da ist doch die LG-Entscheidung durchaus nachvollziehbar. :cool:

    Aus der Optik des LG sei der Schuldner über die aus der Einheitswertbescheinigung ersichtliche Adresse unzweifelhaft erreichbar gewesen. Woher kommt diese Gewissheit?
    Auf der verlinkten Seite heißt es, dass das wohl die Adresse seines Vaters gewesen sei.

    Ein wenig pikant finde ich auch, dass die Ersteherin dort angibt, das LG habe den Beschluss selbst nicht an ihre aktuelle Adresse geschickt...

    Sehr pikant, aber beteiligt wurden sie ja auch nicht, da kommt es darauf auch nicht an. Erstaunlich, dass man sie von der Entscheidung wenigstens zu informieren gedachte. Geht ja um nichts ... bizarr, das Ganze.

  • Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde der Ersteherin nicht angenommen, weil deren Rechtsanwalt es nicht geschafft hatte, die Begründung innerhalb der Monatsfrist nach Karlsruhe zu bringen und die Verfassungsbeschwerde daher verfristet ist. Sie Beitrag von 15. Meridian im Rechtssprechungsthread.

    D.h. jetzt darf sich also eine Rechtsanwalts-Haftpflichtversicherung mit dem Fall beschäftigen. Köstlich. Evtl. kriegt die Erstehen auf diesem Weg ihren Schaden ersetzt. [FONT=&amp]Honi soit qui mal y pense.[/FONT]

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

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