Praktische Frage: Wie ist mit Kontoführungsgebühren bei Anderkonten umzugehen?

  • Guten Abend und vielen Dank für die Aufnahme ins Forum.
    Ich bin als Insolvenzverwalter tätig und hoffe, dass das von den Nutzern nicht als störend empfunden wird. Fachlicher Austausch, der beide Seiten des Geschehens beleuchtet, ist aus meiner Sicht immer wichtig und hilfreich.
    Nun zu meiner Frage:
    Bislang habe ich meine Anderkonten gebührenfrei führen können. Nach Eintritt in die Niedrigzinsphase wurden zunächst die Guthabenzinsen gesenkt, dann gänzlich gestrichen, jedoch die Kontoführung weiterhin gebührenfrei ermöglicht.
    Jetzt teilt die Bank mit, dass sie aufgrund des dauernd niedrigen Zinsniveaus keinerlei Erträge mehr aus der Anlegung
    der Einlagen mehr erzielt und im Gegenteil Strafzinsen zahlen muss. Aus diesem Grund wolle man die Anderkonten gebührenpflichtig stellen und hat pro Konto pro Monat 5,00 EUR berechnen.
    In Verfahren mit entsprechender Masse grundsätzlich auch kein Problem. Bei der Vielzahl der Konten in Klein- u.
    Verbraucherinsolvenzverfahren verwalte ich jedoch ein Konto pro Verfahren für 6 Jahre, auf welchem u.U. gar kein Saldo vorhanden ist oder nur in geringem Umfang. Der Schuldner als Familienvater mit 2 Kindern führt z.B. allenfalls geringfügige pfändbare Beträge ab, Einkommensteuererstattungen u. manchmal Weihnachtsgeld führen hin und wieder zu Geldeingängen, so dass ich grundsätzlich ein Konto für jedes Verfahren für notwendig halte.
    Wie sind die Erfahrungen? Ist ein Wechsel des Institutes angezeigt, auch wenn evtl. bei anderen Instituten ähnliche Entwicklungen zu erwarten sind.
    Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten.

  • Solange es bei anderen Banken kostenfreie Kontoführung gibt, sollte ein Wechsel unbedingt erfolgen. Zumal es immer noch Banken gibt, die (wenn auch minimal) Guthabenverzinsung anbieten.

    Wenn es keine schlechten Menschen gäbe, gäbe es keine guten Juristen.

    Charles Dickens (1812-70), engl. Schriftsteller

  • Ich habe unweigerlich an das Urteil vom BGH IX ZR 162/13 (zur Vermögenserhaltungspflicht des Inso-Verwalters und der zinsgünstigen Anlage) gedacht und vermute auch mal, dass es besser wäre, in diesem Fall einen Wechsel zu vollziehen.
    Aber wir hier haben noch keine derartigen Erfahrungen gemacht bzw. wurden noch nicht von den Inso-Verwaltern darauf angesprochen. Da dieser Markt ja auch ordentlich umkämpft ist, vermute ich mal, dass es immer Banken geben wird, die das gebührenfrei betreiben.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Die Führung eines Anderkontos , also eines Girokontos halte ich nicht für eine Kapitalanlage , sondern vielmehr für die Inanspruchnahme einer Dienstleistung, die durchaus auch vergütet werden kann. Selbstverständlich sind dabei vom Verwalter auch die Grundsätze wirtschaftlichen Handelns zu berücksichtigen; eine Aufforderung des Insolvenzgerichts an den Verwalter, seine Anderkonten ausschließlich bei Instituten zu führen, die die Führung der Anderkonten kostenlos vornehmen , halte ich allerdings für nicht mehr von der Aufsichtspflicht gedeckt, zumindest solange nicht, als sich die Gebühren im marktüblichen Bereich halten. Kostenlos heißt nicht zwangsläufig wirtschaftlich.

  • Die Führung eines Anderkontos , also eines Girokontos halte ich nicht für eine Kapitalanlage , sondern vielmehr für die Inanspruchnahme einer Dienstleistung, die durchaus auch vergütet werden kann. Selbstverständlich sind dabei vom Verwalter auch die Grundsätze wirtschaftlichen Handelns zu berücksichtigen; eine Aufforderung des Insolvenzgerichts an den Verwalter, seine Anderkonten ausschließlich bei Instituten zu führen, die die Führung der Anderkonten kostenlos vornehmen , halte ich allerdings für nicht mehr von der Aufsichtspflicht gedeckt, zumindest solange nicht, als sich die Gebühren im marktüblichen Bereich halten. Kostenlos heißt nicht zwangsläufig wirtschaftlich.

    Formal mag das so sein, aber ob der Threadstarter mit dieser Argumentation bei jedem Insolvenzgericht durchdringt ;)...

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  • Das Thema wird sich mit Sicherheit in den kommenden Jahren stellen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass die Banken ohne Zinserträge langfristig auf Gebühren verzichten werden.

    Und da es ohne Treuhandkonto nun mal gar kein Insolvenzverfahren geben kann, ist es m.E. auch kein Problem, diese Kosten zu argumentieren. Ich könnte mir sogar gut vorstellen, diese Kosten als Auslagen anzusehen, die man ggf. per Einzelnachweis gem. § 8 InsVV abrechnen müsste.

  • Ich könnte mir sogar gut vorstellen, diese Kosten als Auslagen anzusehen, die man ggf. per Einzelnachweis gem. § 8 InsVV abrechnen müsste.


    Dies wirst Du unter Garantie nicht machen, weil die Geltendmachung pauschaler Auslagen im Ergebnis mehr bringt, als Auslagen per Einzelnachweis und nicht gemischt werden kann.

    Die Führung eines Anderkontos , also eines Girokontos halte ich nicht für eine Kapitalanlage , sondern vielmehr für die Inanspruchnahme einer Dienstleistung, die durchaus auch vergütet werden kann. Selbstverständlich sind dabei vom Verwalter auch die Grundsätze wirtschaftlichen Handelns zu berücksichtigen; eine Aufforderung des Insolvenzgerichts an den Verwalter, seine Anderkonten ausschließlich bei Instituten zu führen, die die Führung der Anderkonten kostenlos vornehmen , halte ich allerdings für nicht mehr von der Aufsichtspflicht gedeckt, zumindest solange nicht, als sich die Gebühren im marktüblichen Bereich halten. Kostenlos heißt nicht zwangsläufig wirtschaftlich.

    Die Grenzen sind da fliessend. Das fängt doch schon damit an, dass man ja durchaus jeden Tag die Kontoauszüge durch einen Auszubildenden abholen lassen kann, statt sich diese mit der Post zuzuschicken, Onlineauszüge mal ausgeblendet.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich könnte mir sogar gut vorstellen, diese Kosten als Auslagen anzusehen, die man ggf. per Einzelnachweis gem. § 8 InsVV abrechnen müsste.


    Dies wirst Du unter Garantie nicht machen, weil die Geltendmachung pauschaler Auslagen im Ergebnis mehr bringt, als Auslagen per Einzelnachweis und nicht gemischt werden kann.

    Schon klar, ich meine ja auch nur die Fälle, in denen Kontogebühren so hoch sein sollten, dass sie die Pauschalen übersteigen, in der Ausgangsfrage war von 5 € / Monat / Konto die Rede.

  • Ich habe unweigerlich an das Urteil vom BGH IX ZR 162/13 (zur Vermögenserhaltungspflicht des Inso-Verwalters und der zinsgünstigen Anlage) gedacht und vermute auch mal, dass es besser wäre, in diesem Fall einen Wechsel zu vollziehen.
    Aber wir hier haben noch keine derartigen Erfahrungen gemacht bzw. wurden noch nicht von den Inso-Verwaltern darauf angesprochen. Da dieser Markt ja auch ordentlich umkämpft ist, vermute ich mal, dass es immer Banken geben wird, die das gebührenfrei betreiben.

    Bei der Pflicht zur zinsgünstigen Anlage muss ich immer an den Gläubiger denken, der so um 2008 herum von uns verlangte, die Masse doch bitte bei dieser tollen irischen Bank, bei der es 8% p.a. gab, anzulegen :teufel:

  • Ich halte 5,-- € pro Monat für ganz schön geschmalzen. Bei unseren Banken werden die Konten derzeit noch gebührenfei geführt.

  • Wenn es sich um ein klassisches Anderkonto handelt, müssten es streng betrachtet Auslagen sein (so kleinlich wäre ich jedoch in der Prüfung nicht).
    Gestaltet man das Konto als Sonderkonto i.S. einer Ermächtigungstreuhand, dann wären Kontoführungsgebühren automatisch Masseverbindlichkeiten.

  • Zunächst vielen Dank für die zahlreichen Antworten.

    Ich befürchte auch, dass selbst bei einem Wechsel zu einer Bank, die ggf. momentan noch die Konten gebührenfrei führt, auf Sicht gesehen mit ebensolchen Entwicklungen zu rechnen ist.
    Den Aufwand, der auf Seiten des Gerichts und auf meiner Seite mit einem Wechsel in allen Verfahren durch die Anzeige und Dokumentation der Auflösung und Neuanlage etc. verbunden
    wäre, möchte ich gerne allen ersparen.

    Der Hinweis, dass die in Anspruch zu nehmende Dienstleistung grundsätzlich vergütet werden kann und als Masseverbindlichkeit zu betrachten ist, mag ich grundsätzlich unterschreiben. Aber gerade
    in Verfahren mit geringen Guthaben stellt sich unter dem Grundsatz der Masseerhaltung die Frage, ob es Alternativen gibt. Wenn ich das Konto mit derzeit 50,- EUR aus der Auflösung eines
    Genossenschaftsguthabens laufen lasse, ist das Guthaben in 10 Monaten erschöpft. Da wäre es ja günstiger, das Konto aufzulösen und den Betrag in den Kanzleisafe zu legen, was bei
    Fremdgeld natürlich undenkbar ist. Evtl. wäre die regelmäßige Abführung an die Gerichtskasse zur Deckung der Verfahrenskosten möglich.

    Wenn andere Verwalter noch nicht von ähnlichen Problemen berichten, frage ich mich nur, wie die dortigen Banken kalkulieren oder ob der Verwalter "gezwungen" wird, anderweitige persönliche
    Kompensationsgeschäfte mit den Instituten zu tätigen. Zu verschenken haben die Banken in keinem Fall etwas.

  • Die Option 'Kanzleisafe' scheidet nicht zwangsläufig aus. Schließlich würde die Masse dadurch nicht nur bessergestellt, sondern überhaupt erst vor einer Aufzehr der Massegelder bewahrt werden. Welche Gläubigerversammlung bzw. Insolvenzgericht sollte sich davor verschließen?
    Die Verantwortung für die Gelder bleibt beim Verwalter. Greift jemand in den Safe oder nimmt ihn gleich ganz mit, muss der Verwalter das mit seiner Versicherung regeln. Bei entsprechender Organisation und Information der Betriligten würde ich darin kein Problem sehen. Es gibt in der Betriebsfortführung auch meist Barkassen.

  • Die Option 'Kanzleisafe' scheidet nicht zwangsläufig aus. Schließlich würde die Masse dadurch nicht nur bessergestellt, sondern überhaupt erst vor einer Aufzehr der Massegelder bewahrt werden. Welche Gläubigerversammlung bzw. Insolvenzgericht sollte sich davor verschließen?
    Die Verantwortung für die Gelder bleibt beim Verwalter. Greift jemand in den Safe oder nimmt ihn gleich ganz mit, muss der Verwalter das mit seiner Versicherung regeln. Bei entsprechender Organisation und Information der Betriligten würde ich darin kein Problem sehen. Es gibt in der Betriebsfortführung auch meist Barkassen.

    Dies ist natürlich eine Idee, allerdings scheitert dies meist schon daran, dass der Arbeitgeber den monatlich pfändbaren Betrag in Höhe von 4,28 EUR unbar auszahlt. Der Einkommensteuererstattungsanspruch dito. Jetzt könnte man ja darüber nachdenken, dass man solche Minibeträge über das Kanzleikonto zieht (Bankkosten pro Buchung !?), aber dass soll ja gerade nicht passieren, dass Gelder mit einander vermischt werden.

    Man wird wohl in den saueren Apfel beißen und entweder die Kosten zahlen oder aber die Bank wechseln.

    Ich prognostiziere jedoch, dass wenn das Bargeld jetzt bald abgeschafft wird, dass, mangels Alternative, jede Bank erst einmal die Kontogebühren kräftig anheben wird...

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich prognostiziere jedoch, dass wenn das Bargeld jetzt bald abgeschafft wird, dass, mangels Alternative, jede Bank erst einmal die Kontogebühren kräftig anheben wird...


    ... und die Strafzinsen steigen werden. Böse Zungen behaupten ja, dass die Kriminalitätsbekämpfung als Abschaffungsgrund für den 500 EUR Schein nur vorgeschoben ist und es in Wahrheit darum geht, die Alternativkosten (für Tresore) auf das 2,5-fache nach oben zu drücken. Aber das ist ein anderes Thema, bei dem ich schnell unsachlich werde ...

    Würde man unvermeidbar unbar eingehende Zahlungen unmittelbar nach Erhalt auf einem Sammelkonto der Kanzlei dort abheben und in den jeweiligen Sparstrumpf stecken, ginge das auch. Das macht natürlich Arbeit.

    Ich bin mal auf die Meinungen gespannt, wenn die ersten Verfahren durch Konzoführungsgebühren und Strafzinsen massearm werden.

  • Nach Prüfung des Wortlauts von Grundsatz 43, dürfte das sogar konform sein, wenn der Verwalter Gelder abhebt und in den jeweiligen Sparstrumpf steckt, SOBALD diese eingehen. Das Sammelkonto wäre dann kein echtes Sammelkonto i.S.v. vermischten Verfahren, da alles gleich verteilt wird.

  • @ M.Kohlmeier: erstmal willkommen, bin davon überzeugt, dass fachlicher Ausstauch auch zwischen den Berufsgruppen der sachgerechten Umsetzung des Insolvenzrechts nur dienlich sein kann. Daher ist dieser auch zu pflegen :D


    Zur Sache:
    Sammelanderkonten: der Horror jeder Buchhaltung und Rechnungslegungsprüfung ! (aber sollte diskutiert werden....)
    Die Überführung von Anderkontenbeständen in Barkassen: rechtlich zulässig (bis zu gewissen Summen), bringt aber im Ergebnis ja nix in der hier in Rede stehenden Fallkonstellationen

    Bei 0,-- EUR Fällen Anderkonten anlegen, muss nicht sein; sollten sich dennoch Massezuflüsse ergeben, ist es eine Frage des Umgangs damit - hängt von der Höhe ab - (Thema: Sammelanderkonto)

    Voraussehbarer Kleinkram bei Eröffnugn: Zahlung zum Konto der GK.

    Stellt sich bei Winzabzweigbeträgen aus laufendem Einkommen dar, dass die Gebühren für die Kontoführung letztlich den Einzug nicht mehr wirtschaftlich erscheinen lassen, dann halt zum Konto der GK. Hier stellt sich nur das Prob der Überwachung; da bleibt dann der Schuldner gegenüber dem Verwalter "rechnungslegungspflichtig".
    M.E. kann für Extremfälle eine recht simple Verfahrensweise aus dem Rechtsgedanken des § 203 ABs.3 S. 1 InsO herleiten.
    Ich stelle zur Diskussion :D

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

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