Amtshaftung bei Missachtung der obergerichtlichen Rechtsprechung?

  • Seit einiger Zeit gibt es bei uns Diskussionen über die Frage, ob der Rechtspfleger sich in die Gefahr einer Amtshaftung begibt, wenn er entgegen obergerichtlicher Entscheidungen entscheidet und dadurch ein Schaden entstehen kann. Beispielsweise vertreten nach wie vor einige Kollegen die Auffassung, dass im familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren ein Verfahrensergänzungspfleger zu bestellen sei, anderenfalls die Genehmigungen für unter 14-jährige Mündel im Hinblick auf § 41 Abs. 3 FamFG nicht rechtskräftig werden können. Der BGH sieht die bekanntlich anders. Was aber, wenn das Rechtsgeschäft aus Termingründen platzt und der Rechtspfleger zur Verantwortung gezogen wird, weil er das Verfahren unnötig verzögert hätte?

    Nach meiner Auffassung liegt in der bewussten Missachtung obergerichtlicher Rechtsprechung schon keine Pflichtverletzung. Nach Ansicht des BGH NJW 2007, 124 komme jedenfalls ein Verschulden des Rechtspflegers nur in Betracht, wenn "die seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Rechtsansicht objektiv nicht mehr vertretbar erscheint". Wenn also der Rechtspfleger fundiert begründet, sollte die Gefahr einer Amtshaftung auch bei Missachtung obergerichtlicher Rechtsprechung ausgeschlossen sein. Seht ihr das genauso?

    Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas (Ovid, röm. Dichter, 43 v.Chr. - 17 n.Chr.)

  • :meinung:

    Bereits am 18.03.2008 gab es im Forum den nachfolgenden Artikel vom Kollegen Ernst P.:

    Zitat

    Selbst wenn es sich bei der hier vertretenen Auffassung um eine Mindermeinung handeln sollte (dies ist bislang weder belegt, noch entspricht dies der Erfahrung des Gerichts), ist es hinzunehmen, dass das Gericht die Auffassung des Erinnerungsführers nicht teilt. Er ist auf den Rechtsmittelweg zu verweisen.

    „[Dies vermag] den Vorwurf der Willkür indes schon deshalb nicht zu begründen, weil dem deutschen Recht eine Präjudizienbildung grundsätzlich fremd ist, eine bloße Abweichung von einer höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Rechtsprechung kann daher nicht allein aus diesem Grund als willkürlich in diesem Sinne angesehen werden. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen“ (vgl. BGH, Beschl. 09.07.2002, X ARZ 110/02, FamRZ 2003, 88).
    Da die u.a. vom hiesigen Gericht vertretene Auffassung durchaus in der Rechtsprechung sowie in der Literatur vertreten wird (s.o.), liegt letzterer Umstand hier nicht vor.

    Die angegriffenen Beschlüsse verstoßen nicht deshalb gegen Art. 3 I GG, weil andere Gerichte bei gleich gelagerten Sachverhalten anders entscheiden. Die Rechtsprechung ist wegen der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) "konstitutionell uneinheitlich" (Dürig in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 I, Rn. 410). Von Verfassungs wegen ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn verschiedene Spruchkörper zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.
    (BVerfG, Beschl. v. 19.12.1988 - 1 BvR 1492/88)

    Bei Entscheidungen des Rechtspflegers ist mit Rücksicht auf dessen sachlichen Unabhängigkeit (§ 9 RPflG) ein Schuldvorwurf wegen einer der Amtsausübung zugrunde liegenden Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung nur zu erheben, wenn die Rechtsauffassung unvertretbar erscheint (BGH, Beschl. v. 05.10.2006, NJW 2007, 224 ff.; Beschl. v. 03.07.2003, NJW 2003, 3052 f.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.12.2004, OLGR Frankfurt 2005, 241 ff.)."

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