Behindertentestament: Betreuerin ist Nacherbin und Testamentsvollstrecker

  • Hallo,

    ich hab eine schwierige Betreuungsakte vor mir:

    Betroffene ist nicht befreite Vorerbin, die Betreuerin (auch Vermögenssorge) und Schwester der Betroffenen ist Mit-Nacherbin und gleichzeitig Testamentsvollstreckerin. Verstorben ist der Vater beider und die Erbauseinandersetzung sowie ein Grundstücksverkauf stehen an.

    Als Testamentsvollstreckerin kann die Schwester/Betreuerin wirksam die Erbauseinandersetzung und den Grundstücksverkauf bewirken.

    Eine betreuungsgerichtliche Genehmigung kommt damit nicht in Betracht. Der Testamentsvollstrecker unterliegt nicht der Aufsicht des Betreuungsgerichts.
    Dies ist wahrscheinlich bei der Erstellung des notariellen Testaments auch so gewollt.

    Der Gedanke ist mir irgendwie unbehaglich, denn die Rechte der Betroffenen unterliegen damit keiner Überprüfung. Ich frag mich, ob ich nicht eine Ergänzungsbetreuung brauche....

    Bin für Anregungen dankbar.

  • Wenn überhaupt Ergänzungsbetreuung dann für die Wahrnehmung der Rechte der Betreuten gegenüber dem Testamentsvollstrecker.

    Aber in der Tat ist die Kombination aus
    (1) Einsetzung zum Vorerben mit
    (2) Testamentsvollstreckung auch über die Erträge und für die Nacherben (§ 2222 BGB), sowie
    (3) ausführlichen Verwaltungsanweisungen an den TV,
    ein sehr mächtiges Instrument. Nicht nur "gegen" Betreute, sondern auch gegen voll geschäftsfähige und nicht betreuungsbedürftige, aber dafür mißratene, Abkömmlinge.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Soll die die Nicht TV-Schwester die Betreuerin machen, dann braucht's keinen Ergänzungsbetreuer zur Geltendmachung/Ausübung der Rechte des Erben ggü. dem TV.
    Dann reicht ein Ergänzungsbetreuer für die Auseinandersetzung, falls das nicht auch Sache des TV ist.

    Die Geschwister sind wohl alle Miterben und hinsichtlich des Anteils der Behinderten die üblichen Einschränkungen.

    Ansonsten wie Vorposter.

  • tom ist zuzustimmen.

    Allgemein: Deshalb halte ich es auch für die Aufgabe des Betreuungsgerichts zu prüfen, ob in derartigen Fällen nicht besser ausgeschlagen und der Pflichtteil verlangt wird. Erträgnisse sind heutzutage gleich 0, der Betreute erhält als überhaupt nichts, es profitieren nur die "lieben" Geschwister. Vom Pflichtteil könnte er (je nach Höhe) eine Weile ohne Sozialhilfe etc. leben und sich was gönnen, das ist meistens viel vorteilhafter. Anders war das zu Zeiten, als man die Betreuten von den Erträgnissen wirklich Wünsche erfüllen konnte.
    Damit ich als Betreuungsgericht die Fäden in der Hand habe, sorge ich in geeigneten Fällen dafür, dass beim Aufgabenkreis Vermögenssorge Erb- und Pflichtteilsrechte nach den Eltern ausdrücklich ausgenommen sind. Der Betreute ist dann nicht vertreten und man kann bis zur Aufgabenkreiserweiterung schon mal prüfen, was für ihn am Besten ist.

  • Ich würde sagen, das ist nicht die Aufgabe des Betreuungsgerichtes sondern die eines zu bestellende Ergänzungsbetreuers mit dem Aufgabenkreis: "Entscheidung über die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft nach...."

    Hierzu muss ich aber auch sagen, dass ich in der letzten Zeit häufiger Behindertentestamente hatte, wo nicht nur die Erträge der Vorerbin zukommen sollten, sondern die Substanz der Erbschaft für bestimmte Zwecke verbraucht werden kann. In einem solchen Fall dürfte die Ausschlagung regelmäßig nachteilig sein.

  • Zum Schutz vor Eigengläubigern der Erbin gibt's ja noch die Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht... ist aber natürlich deutlich weniger ergiebig, allein schon wegen der Beschränkung was die tauglichen Nachbegünstigten angeht.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Zum Schutz vor Eigengläubigern der Erbin gibt's ja noch die Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht... ist aber natürlich deutlich weniger ergiebig, allein schon wegen der Beschränkung was die tauglichen Nachbegünstigten angeht.

    Behinderte haben sehr selten Eigengläubiger und wenn, dann haben auch die Angehörigen nur Schulden und machen kein Behindertentestament;)

  • Ich würde sagen, das ist nicht die Aufgabe des Betreuungsgerichtes sondern die eines zu bestellende Ergänzungsbetreuers mit dem Aufgabenkreis: "Entscheidung über die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft nach...."

    Hierzu muss ich aber auch sagen, dass ich in der letzten Zeit häufiger Behindertentestamente hatte, wo nicht nur die Erträge der Vorerbin zukommen sollten, sondern die Substanz der Erbschaft für bestimmte Zwecke verbraucht werden kann. In einem solchen Fall dürfte die Ausschlagung regelmäßig nachteilig sein.

    tom ist zuzustimmen.

    Allgemein: Deshalb halte ich es auch für die Aufgabe des Betreuungsgerichts zu prüfen, ob in derartigen Fällen nicht besser ausgeschlagen und der Pflichtteil verlangt wird. Erträgnisse sind heutzutage gleich 0, der Betreute erhält als überhaupt nichts, es profitieren nur die "lieben" Geschwister. Vom Pflichtteil könnte er (je nach Höhe) eine Weile ohne Sozialhilfe etc. leben und sich was gönnen, das ist meistens viel vorteilhafter. Anders war das zu Zeiten, als man die Betreuten von den Erträgnissen wirklich Wünsche erfüllen konnte.
    Damit ich als Betreuungsgericht die Fäden in der Hand habe, sorge ich in geeigneten Fällen dafür, dass beim Aufgabenkreis Vermögenssorge Erb- und Pflichtteilsrechte nach den Eltern ausdrücklich ausgenommen sind. Der Betreute ist dann nicht vertreten und man kann bis zur Aufgabenkreiserweiterung schon mal prüfen, was für ihn am Besten ist.

    Ich halte die Einschränkung des Aufgabenkreises in Kenntnis des Unvermögens des Betroffenen für grenzwertig. Nimmst du in jedem Betreuungsverfahren diese Einschränkung des Aufgabenkreises vor? Oder nur bei Behinderten mit vermögenden Eltern?

    Im übrigen entscheidet nach Betreuungsrecht der Betreuer, ob ausgeschlagen wird oder nicht und nicht das Betreuungsgericht. DasBetewuungsgericht hat nur die Aufgabe, die evtl. Ausschlagung zu genehmigen. Den Beteuer zur Ausschlagung zu drängen gehört sicher nicht zu den Aufgaben des Beteeuungsgerichts.

  • Indi: Du kannst sicher sein, dass ich weiß, was Aufgabe des Betreuers und des Betreuungsgerichts ist. Ich schrieb ausdrücken, dass ich das in geeigneten Fällen mache. Und anlässlich der Vorermittlungen bekomme ich schon ziemlich gut mit, wo ich den Aufgabenkreis entsprechend formulieren muss. Kann sein, dass das mit Wegfall des Grundbuchamts nicht mehr so einfach wird, aber das wird sich weisen.
    Zu meinem Motiv: Ich finde, Behinderte haben auch Anspruch, am Nachlass der Eltern teilzuhaben. Wenn, wie üblich, TV und Nacherben Vorteile haben, wenn sie am Behinderten sparen, dann ist das eine Interessenkollision und die geht (meistens) zum Nachteil des Behinderten aus.

  • Zu meinem Motiv: Ich finde, Behinderte haben auch Anspruch, am Nachlass der Eltern teilzuhaben.


    Ohne Behindertentestatment haben sie das de facto ja auch nicht: Die Sozialleistungen werden gekürzt (und wenn bisher als Darlehen gewährt wurde wird das bedient), und nach mehr oder weniger kurzer Zeit sind wir wieder auf Sozialhilfeniveau. Ein vernünftig gemachtes Behindertentestament, gar noch mit Immobilien im Nachlass, die auch heutzutage Erträge erwirtschaften, vermeidet das und bringt dem Behinderten auf Dauer zusätzliches Geld.

    P.S. ...zu Lasten der Allgemeinheit natürlich. Aber das halten BGH und BVerfG ja für eine zulässige Gestaltung.:gruebel:

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Das hab ich früher auch so gesehen. Zwischenzeitlich konnte ich bei Pflichteilsverlangen schon öfter erleben, dass Behinderten große Wünsche erfüllt werden konnten, die sonst nicht möglich gewesen wären. Das war wirklich im Interesse der Betreuten.

  • Das hab ich früher auch so gesehen. Zwischenzeitlich konnte ich bei Pflichteilsverlangen schon öfter erleben, dass Behinderten große Wünsche erfüllt werden konnten, die sonst nicht möglich gewesen wären. Das war wirklich im Interesse der Betreuten.


    Im Interesse der Betreuten war es schon immer (wäre ja sonst zweckfrei). Und mittlerweile bin ich auch eher der Meinung, dass die Allgemeinheit so viel Geld zum Fenster hinausschmeißt, dass es auf das Geld, was Behinderten als Sozialleistung bekommen, ehrlich gesagt nicht mehr ankommt.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Wie Ausgangsfall: klassisches Behindertentestament, Betreuter wird (1. Sterbefall nach dem Vater) Miterbe, Nacherbfolge und TV ist angeordnet. Die Mutter ist weitere Miterbin, Nacherbin und TV. Aber: die Eltern sind als Eigentümer in Gütergemeinschaft eingetragen. Die Erbfolge beruht auf einem notariellen Erbvertrag von 2009, in welchem lediglich die erbvertraglichen Regelungen des Ehe- und Erbvertrages von 1974 aufgehoben wurden (Fortsetzung der GG mit den Abkömmlingen ist im Ehevertrag ausgeschlossen), ansonsten keinerlei Hinweis wegen einer Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft. Meine Frage: muss das Betreuungsgericht jetzt auf eine Auseinandersetzung der beendeten Gütergemeinschaft hinwirken (dann Verhinderungsbetreuer) oder besteht kein zwingender Handlungsbedarf (d.h. es liegt bei der Witwe, ob sie die Auseinandersetzung betreiben will oder nicht)?

  • Wie Ausgangsfall: klassisches Behindertentestament, Betreuter wird (1. Sterbefall nach dem Vater) Miterbe, Nacherbfolge und TV ist angeordnet. Die Mutter ist weitere Miterbin, Nacherbin und TV. Aber: die Eltern sind als Eigentümer in Gütergemeinschaft eingetragen. Die Erbfolge beruht auf einem notariellen Erbvertrag von 2009, in welchem lediglich die erbvertraglichen Regelungen des Ehe- und Erbvertrages von 1974 aufgehoben wurden (Fortsetzung der GG mit den Abkömmlingen ist im Ehevertrag ausgeschlossen), ansonsten keinerlei Hinweis wegen einer Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft. Meine Frage: muss das Betreuungsgericht jetzt auf eine Auseinandersetzung der beendeten Gütergemeinschaft hinwirken (dann Verhinderungsbetreuer) oder besteht kein zwingender Handlungsbedarf (d.h. es liegt bei der Witwe, ob sie die Auseinandersetzung betreiben will oder nicht)?

    Die Gütergemeinschaft ist beendet, aber noch nicht auseinandergesetzt. Dürfte häufiger vorkommen.

    Zur Auseinandersetzung ist ein Ergänzungsbetreuer erforderlich. Aber schon vorher? Aufgabenkreis: „Betreuer zur Wahrung der Rechte des Betroffenen im Rahmen der beendeten, aber noch nicht auseinandergesetzten Gütergemeinschaft“. Hab ich ehrlich noch nie entschieden und auch noch nie gesehen.

  • Ich hänge mich mal hier ran. Habe ein nicht (ganz) klassisches Behindertentestament. Der behinderte Sohn ist einziges Kind der Eheleute. Nunmehr ist der 1. Erbfall eingetreten, der Vater ist (Voll)Erbe zu 4/5 geworden und der Sohn Vorerbe zu 1/5. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand. Damit ist der Sohn zu einem dem Pflichtteil (1/4) unterschreitenden Anteil zum Erbe eingesetzt worden. Könnte da jetzt der Sozialhilfeträger auf Ausschlagung drängen, damit der Sohn zumindest den Pflichtteil erhält? Der Erbfall ist noch nicht lange her, habe morgen eine Besprechung mit dem Vater (Betreuer, Miterbe, Nacherbe und TV) und werde danach die Sache dem Richter vorlegen. Der Vater hat bislang dem NLG gegenüber auch noch keine Annahme/Ablehnung des Amts als TV erklärt.

    Einmal editiert, zuletzt von er.Klärwerk (12. März 2018 um 13:48) aus folgendem Grund: Schreibfehler

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!