Errungenschaftsgemeinschaft nach ukrainischem Recht

  • Ich soll eine Auflassungsvormerkung für ein Ehepaar in "Errungenschaftsgemeinschaft nach ukrainischem Recht" und sodann auf Grund Belastungsvollmacht eine Grundschuld eintragen.
    Der Notar hat in seiner Urkunde aufgenommen, dass er das geltende Güterrecht geprüft hat und zu diesem Ergebnis gekommen ist.

    Aus der Urkunde ergibt sich, dass der Ehemann Ukrainer ist und die Ehefrau deutsche Staatsbürgerin. Beide sind in der Ukraine geboren und haben dort geheiratet, wohnen inzwischen aber in Deutschland. Mehr dazu gibt die Urkunde nicht her.
    Ich habe mich heute durch ziemlich viele Kommentar gewühlt, werde aber irgendwie immer unsicherer...
    Würdet ihr jetzt noch weiter prüfen und ggf. mittels Zwischenverfügung um Angabe bitten, wo die Käufer zum Zeitpunkt der Eheschließung ansässig waren, oder geht dies über die Prüfungskompetenz des Grundbuchamtes hinaus und das angegebene ausländische Gemeinschaftsverhältnis ist gemäß § 47 GBO einzutragen?

    Bis vor einiger Zeit hieß es ja in Literatur und Rechtsprechung immer, dass das GBA nur einschreiten darf, wenn es sichere Kenntnis davon hat, dass das GB anderenfalls unrichtig würde. Wenn ich allerdings die vielen obergerichtlichen Entscheidungen der letzten Monate lesen, habe ich den Eindruck, dass dieser damalige "Grundsatz" etwas gekippt wurde und wir mehr zu prüfen haben.

  • Wie sich aus dem Gutachten des DNotI vom 31.12.2006, Änderung am 23.10.2008, Abrufnummer: 14255, ergibt, können gemäß Art. 61 Abs. 1 ukr. IPRG die Ehegatten zur Regelung der vermögensrechtlichen Folgen ihrer Eheschließung das Recht des Personalstatuts eines von ihnen sowie das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines von ihnen bzw. in Bezug auf unbewegliches Vermögen das Recht des Lageortes wählen. Möglicherweise wurde also eine Rechtswahl zugunsten des ukrainischen Rechts getroffen. Insofern würde ich einfach einmal beim Notar telefonische Rücksprache halten.

    Sollte es allerdings keine Rechtswahl geben, dann käme auch bei Anwendung des ukrainischen Rechts aufgrund Rückverweisung deutsches Ehegüterrecht zur Anwendung. Wie hier ausgeführt:

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…9653#post769653

    ist das ukrainische Güterrechtsstatut wandelbar, d. h. es kommt aufgrund Rückverweisung in Art. 61 Absatz 2 des ukrainischen Gesetzes über das internationale Privatrecht vom 23.06.2005 das Güterrecht des letzten gemeinsamen Wohnsitzes zur Anwendung.

    Zu diesem Ergebnis kommt auch das vorgenannte Gutachten, indem es ausführt: „Erfolgt keine Rechtswahl, so gilt gem. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB, sobald beide Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet haben, ohnehin deutsches Recht. Das Ehewirkungsstatut ist zwar wandelbar; allerdings gilt das deutsche Recht über Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 Fall 2 EGBGB selbst dann noch, wenn einer der Eheleute aus Deutschland wegziehen sollte, sofern nur der andere noch weiterhin in Deutschland lebt. b) Ukrainisches Recht Aus ukrainischer Sicht gilt gem. Art. 60 Abs. 1 ukr. IPRG primär das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten, mangels eines solchen das Recht des Staates des letzten gemeinsamen Wohnsitzes, sofern einer der Ehegatten seinen Wohnsitz beibehalten hat, und mangels eines solchen das Recht der engsten Verbindung. Hier handelt es sich wiederum um eine Einzelfallabwägung, wobei uns keine näheren Informationen dazu vorliegen, welche Umstände in die Abwägung aus ukrainischer Sicht einzubeziehen sind. Wiederum wird wohl gelten, dass deutsches Recht Anwendung findet, sofern nicht aufgrund Herkunft des Ehemannes und der besonderen Situation beim Kennenlernen und der bisherigen Beziehung der Ehegatten ein besonderer Bezug zur Ukraine vorhanden ist. Ferner ist auch aus ukrainischer Sicht eine Rechtswahlmöglichkeit gegeben, wenn die Ehegatten kein gemeinsames Personalstatut haben und keinen gemeinsamen Wohnsitz (oder auch keiner von ihnen Staatsangehöriger des Staates des gemeinsamen Wohnsitzes ist)….“


    Und der letzte gemeinsame Wohnsitz ist in Deutschland. Also käme deutsches Recht zur Anwendung (s. Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Auflage 2015, RN 7736).

    Zeiser führt dazu im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand 01.06.2016, Sonderbereich Internationale Bezüge, RN 6: „Verweist eine ausländische Rechtsordnung auf deutsches Recht zurück, so wird diese Rückverweisung (renvoi) von der deutschen Rechtsordnung gem Art 4 Abs 1 S 2 EGBGB angenommen mit der Folge, dass dann deutsches Recht anzuwenden ist (BeckOK Bamberger/Roth/Lorenz EGBGB Art 4 Rn 14; Palandt/Heldrich EGBGB Art 4 Rn 3).“

    Und nach deutschem Recht gibt es bei fehlender Rechtswahl nun mal keine Errungenschaftsgemeinschaft ukrainischen Rechts. Das wäre dann mE unter Geltung des Legalitätsprinzips zu beanstanden (s. dazu Holzer im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand 01.06.2016, § 1 RNern 112, 113 mwN).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Ich danke dir vielmals!
    Ich hatte in der SuFu immer unter "Ukraine" und nicht unter "ukrainischem" Güterrecht gesucht und daher den Thread nicht gefunden...
    Wieder was dazugelernt: Sowohl in rechtlicher als auch in PC-Nutzungshinsicht:)

  • Es kann noch auf die Entscheidung des OLG Celle zur russischen Föderation hingewiesen werden. Sie datiert entweder vom 31.03.2014 (lt. BeckRS 2014, 08196, OLG Report Nord 18/2014 Anm. 3 und MittBayNot 5/2014, 470) oder vom 3.4.2014 (lt. NJW-RR 2014, 1283, FamRZ 2015, 160 und MDR 2014, 986) und trägt das Az.: 15 UF 186/13, s.:
    http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal…true#focuspoint

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  • Ich soll jetzt eine AV für ukrainische Eheleute (geboren in den 1980ern) zu je 1/2 eintragen; eine Rechtswahl wurde im KV nicht getroffen.

    Ich habe im Bergmann/Ferid nachgelesen und wenn ich es richtig verstanden habe, ist ein Erwerb zu je 1/2 nicht möglich, sofern die Eheleute keinen Ehevertrag (Art 59 ukrain. IPRG, Art. 92 ff FamGB) geschlossen haben, weil gesetzlicher Güterstand der Ukraine die Errungenschaftsgemeinschaft ist.

    Liege ich richtig?

  • Sorry. In Deinem Fall haben ja beide Erwerber die ukrainische Staatsangehörigkeit. Da aus ukrainischer Sicht nach Art. 60 Abs. 1 ukr. IPRG primär das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten maßgebend ist und nur mangels eines solchen das Recht des Staates des letzten gemeinsamen Wohnsitzes gilt, sofern einer der Ehegatten seinen Wohnsitz beibehalten hat, und mangels eines solchen das Recht der engsten Verbindung, kommt in Deinem Fall also ukrainisches Recht zur Anwendung. Auf die Wandelbarkeit (nach dem Recht des letzten gemeinsamen Wohnsitzes), von der im Gutachten des DNotI vom 31.12.2006, Änderung am 23.10.2008, Abrufnummer: 14255,
    http://www.dnoti.de/gutachten/inde…6a8?mode=detail
    die Rede ist, kommt es dann nicht an.

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  • Hallo,

    ich schließe mich hier mal an mit meiner Frage: Vorliegend soll Grundbesitz von einem Ukrainer zu Alleineigentum erworben werden. Dieser hat laut Angaben des Notars in der Ukraine geheiratet. Zum Zeitpunkt der Eheschließung waren beide Ehegatten ukrainische Staatsangehörige und hatten dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Es wurde kein Ehevertrag geschlossen und keine Rechtswahl getroffen. Der Ehemann (Erwerber) hat inzwischen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, die Frau weiterhin in der Ukraine.

    Ich bin der Meinung, dass in dieser Konstellation beide Ehegatten im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft leben und der Alleinerwerb durch den Ehemann nicht möglich ist?? Liege ich damit richtig?
    Was müsste ich anfordern, um den Alleinerwerb vollziehen zu können?
    Danke schonmal für eure Hilfe!

  • Da es eine gesetzliche Vermutung dafür gibt, dass jeder Gegenstand, der während der Ehezeit erworben wurde, zum Gesamtvermögen gehört (Art. 60 Abs. 2 ukr. FamGB; s. Rieck, in Debryckyi/Yunko, Ausländisches Familienrecht, Ukraine, Werkstand: 18. EL Mai 2019, RN 10), scheint es mir auch nicht möglich zu sein, den Ehemann als Alleineigentümer einzutragen.

    Der Umstand, dass der Ehemann inzwischen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, die Ehefrau jedoch weiterhin in der Ukraine, könnte allerdings darauf hindeuten, dass eine Trennung von Tisch und Bett vorliegt.

    Wird auf Antrag die Trennung von Tisch und Bett (Art. 120 ukr. FamGB) gerichtlich festgestellt, gehört das ab diesem Zeitpunkt erworbene Vermögen zum Individualgut. Auch können Vermögensgegenstände, die in der Trennungszeit von den Eheleuten erworben wurden, durch Gerichtsbeschluss dem Individualgut des jeweiligen Erwerbers zugewiesen werden (Art. 57 Abs. 6 FamGB) und gehören dann nicht zum Gesamtgut (Rieck,aaO).

    Und Individualgut ist das Vermögen, das jedem der Eheleute als persönliches, privates Eigentum gehört (Art. 57 FamGB).
    Falls Du also nicht von der gesetzlichen Vermutung ausgehen möchtest, müsstest Du noch nachfragen, ob eine Trennung von Tisch und Bett vorliegt, die gerichtlich festgestellt wurde. Die zweite Alternative (Erwerb während der Trennungszeit) kann derzeit noch ncht vorliegen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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