internationale Zuständigkeit Erbschein- Vorlagebeschluss Kammergericht Berlin 10.01.2

  • Das Problem ist schlicht, dass die Testamentseröffnung ein überall massenhaft stattfindendes Verfahren ist und in Folge der zwingenden Verwahrung im Errichtungsmitgliedsstaat (Du sagtest ja selbst, dass die Verwahrung nicht von der EuErbVO erfasst sei) ein praktisches Problem strukturell auftritt: Die verwahrten Testamente müssen "verschifft" werden.
    Es ist dilettantisch und erbärmlich, dass man das nicht erkannt hat (wenn denn tatsächlich Art. 4 die Eröffnung erfassen soll).

    Du räumtest andererseits aber auch ein, dass die Verwahrung noch nicht von der EuErbVO erfasst sei. Warum denn nicht? Warum ist das keine "rule on the succession on the whole/Entscheidung in Erbsachen"? In Deutschland ist es das, siehe § 342 FamFG. Jetzt kommst Du wieder mit autonomer Auslegung. Aber definiere doch einmal abstrakt und mit juristische Argumenten: "Entscheidung in Erbsachen" (unter Berücksichtigung der ausländischen Sprachfassungen). Autonome Auslegung muss doch, wenn sie nicht völlig willkürlich sein soll, irgendwelche Kriterien zur Konkretisierung haben. Und meines Erachtens spricht "funktional" dann auch vieles dafür, schon die Testamentsverwahrung nach der EuErbVO zu erfassen.

    Es wäre dann wenigstens eine kohärente Lösung, auch die Eröffnung, also alles gemäß § 342 FamFG, von den 4 ff als erfasst anzusehen. Das wird in der Literatur hier auch vertreten. Dort stellen sich aber dieselben Regelungen bzgl. Normenlücken (wohin soll ich als Notar schicken)?

    Bzgl. all dieser Fragen wäre eine Regelung geboten gewesen.

    Es ist gut zu wissen, dass bei Verstößen gegen die internationale Zuständigkeit der EUErbVO die Wirksamkeit nicht beeinträchtigt ist.

    Demokratische Legitimation sehe ich wie folgt: Der verabschiedete Text ist bindend. Die Anwendung der Europäischen Beweisverordnung oder sonstiges, was ersichtlich nicht direkt passt, durch "funktionale Auslegung" ist Rechtssetzung in anderem Gewand. Es geht nicht um den Willen des deutschen Gesetzgebers; es geht darum, dass die Verordnung mangels aussagekräftigen Texts bestimmte Fragen nicht geregelt hat, obwohl sie sie hätte regeln müssen. Die richtige Antwort könnte auch diejenige sein, dass dann eben eine restriktive Auslegung der Verordnung geboten ist in den Bereichen, in denen sie ohne ergänzende, widersprüchliche Regelungen nicht funktioniert.

    Selbst wenn Deutschland Deinen weiten Ansatz im IntErbRVG umgesetzt hätte: Wie sollen wir einfach Testamente ins Ausland schicken, wenn die Nachbarn ggf. auch nicht darauf vorbereitet sind? Im schlimmsten Fall gehen die Testamente dann verloren.
    Dein Ansatz BeweisVO hast Du Dir ja aus den Fingern gesaugt; passt irgendwie, weil halbwegs plausibel. Was, wenn es andere passende Systeme gibt? In der Zwischenzeit werden Testamente auf LKW durch die Gegend gefahren.

    Man kann also sagen argumentativ:
    Art. 4 ist "funktional" weit auszulegen (Du müsstest dann aber wahrscheinlich Deinen Ansatz hinterfragen schon bgzl. Verwahrung)
    Oder:
    Art. 4 ist bzgl. Eröffnung einschränkend auszulegen (Grund: Hätte der Gesetzgeber es gewollt, hätte er die zwingend notwendigen Regelungsbereiche geregelt).

    Ich weiß, dass der EuGH die erste Position wohl vertreten wird. Das ist mE aber ein problematischer Ansatz, weil der EuGH damit Ersatzgesetzgeberfunktion einnimmt.

    Ein restriktiver Ansatz würde die Mitgliedstaaten zwingen, eine passende Regelung zu erarbeiten und das nächste Mal im Gesetzgebungsverfahren mehr Sorgfalt walten zu lassen.

    Oberle sagt hierzu mE nichts.

  • Wie ich eine Testamentsbeurkundung vornehme, was mit der Urkunde vor und selbst nach dem Erbfall passiert, ist alles Beurkundungs- bzw. Notarrecht. Die Testamentseröffnung nach dem Erbfall ist dagegen ein klarer Bestandteil des Nachlassverfahrens , das in Art. 4 ff. ErbRVO geregelt ist. Die Testamentseröffnung kann sehr weitreichende Folgen haben und kann daher nicht losgelöst vom Ablauf des Nachlassverfahrens in dem zuständigen Mitgliedstaat vorgenommen werden.

    Wenn es immer noch Zweifel zur Testamentseröffnung nach Oberle gibt, dann müssten wir durch eine entsprechende Vorlage dafür sorgen, dass der EuGH auch in dieser Frage Klarheit schafft. Das Ergebnis kann ich Dir schon jetzt sagen. Die 2 Jahre können wir aber dafür verwenden, wenn es sein muss…

  • Ok, gehen wir das Problem lösungsorientiert an:

    Folgender Fall: Ich verwahre einen Erbvertrag (§ 34 Abs. 1 S. 4 BeurkG - gerichtliche Verwahrung wird ausgeschlossen). Der Erblasser stirbt. Nun wird mir mitgeteilt, dass er im Ausland seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
    Wie verhalte ich mich? Ist schon meine Pflicht zur Ablieferung ein "Verfahren in Nachlasssachen"? Nach Deinem Abgrenzungskriterium ist doch der Tod eingetreten, also ist es Nachlassverfahren iSv Art. 4. Darf ich noch an das hier zuständige Gericht schicken, welches dann ggf. die Ablieferung ins Ausland vornehmen müsste? Wie soll es das nach Deiner Einschätzung tun? Darf der nationale Gesetzgeber wenigstens regeln, dass die Übermittlung ins Ausland nur durch Gerichte erfolgen muss und nur/erst Gerichte dem zuständigen ausländischen Gericht die Verfahrenseinleitung gemäß Art. 4 eröffnen müssen?

    Wenn dann der Längstlebende stirbt und den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat: Wie kommt das deutsche Gericht dann wieder an den Erbvertrag, der ja noch einmal eröffnet werden muss?

    Was schlägst Du (etwas konkreter als mit einem allgemeinen Verweis auf die BeweisVO) vor?

  • Eine vergleichbare Pflicht zur Ablieferung bzw. Eröffnung (wofür der Notar in Polen parallel zum Nachlassgericht zustaendig ist, was jedoch in der Regel die Mitwirkung aller Beteiligten voraussetzt) trifft auch mich als Notar. Ich kann daher überlegen, was ich als poln. Notar in einem vergleichbaren Fall tun würde, falls es sich um ein von mir beurkundetes Testament wäre.


    1. Hätte mir eine Privatperson eine Sterbeurkunde des Testators vorgelegt und mir gleichzeitig mitgeteilt, dass der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in einem anderen Mitgliedstaat liegt, würde ich keine Testamentseröffnung vornehmen. Einem deutschen Nachlassgericht, falls Deutschland zuständig wäre, würde ich eine Ausfertigung des Testaments zur Eröffnung übersenden. Als Notar kann ich eine Ausfertigung des Testaments notarrechtlich an das Nachlassgericht zwecks Eröffnung problemlos übersenden. Da es in Polen kein Nachlassgericht gibt, müsste ich nach Deutschland übersenden. Geht die Ausfertigung verloren, kann ich jederzeit eine neue Ausfertigung ausstellen.

    Die Verwahrung von handschriftlichen Testamenten ist in Polen möglich, wird aber nicht praktiziert. Im Fall solch eines Testaments würde ich mir überlegen müssen, ob ich das Original von Amts wegen übersende, auf jeden Fall würde ich den Inhalt durch eine Ausfertigung sichern.
    Deutsch-polnische Fälle sind aber hier unproblematisch, weil beide Rechtssysteme die Testamentseröffnung von Amts wegen vorsehen. Wäre ein Mitgliedstaat zuständig, dessen Gerichte nicht wussten, wieso und wozu ich das Testament übersende (z.B. weil das Nachlassverfahren kontradiktorischer aufgebaut ist und der Testamentserbe dafür sorgen muss, dass das Testament im Nachlassverfahren berücksichtigt wird), würde ich es wahrscheinlich nichts von Amts wegen übersenden, sondern auf die eventuelle Aufforderung im Nachlassverfahren warten. Man könnte dann vielleicht noch, um die Beteiligte auf das Testament aufmerksam zu machen, wenn man entsprechend kreativ wäre, den bekannten Beteiligten die Vornahme der notariellen Handlung (Eröffnung des Testaments) wegen fehlender internationalen Zuständigkeit in einem Protokoll der Ablehnung mitteilen.


    2. Wenn ein nach Art. 4 ErbRVO zuständiges Gericht im EU-Ausland von mir eine Ausfertigung zur Eröffnung verlangt, würde ich diese unproblematisch übersenden. Bei einem Organ, bei dem Bedenken wegen der notariellen Schweigepflicht entstehen, das gleichzeitig nachlassgerichtliche Funktionen in dem zuständigen Staat wahrnimmt (Finanzamt, Standesamt usw.), würde ich solch eine Stelle bitten, über die Beweisaufnahmeverordnung vorzugehen und gleichzeitig auf die Möglichkeit verweisen, dass ich eine Ausfertigung dem Testamentserben erteilen kann.

    Erbverträge sind dem polnischen Erbrecht unbekannt. Was vorkommt sind Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge, welche seit der ErbRVO in der Regel eine Rechtswahlklausel enthalten und oft zweiseitig sind. Wegen der Rechtswahlklausel handelt es sich um eine Verfugung, die man nach dem Erbfall eigentlich auch eröffnen müsste. Ein polnischer Notar würde eine Ausfertigung bzw. Auszug solch eines Vertrages im besprochenen Kontext wie ein Testaments behandeln. Beim zweiten Erbfall würde man eine neue Ausfertigung im Rahmen des zweiten Nachlassverfahrens ausstellen. Das Original verbleibt immer in der Urkundenrolle des Notars.

  • Wenn es immer noch Zweifel zur Testamentseröffnung nach Oberle gibt, dann müssten wir durch eine entsprechende Vorlage dafür sorgen, dass der EuGH auch in dieser Frage Klarheit schafft.

    Diese Aussage kommentiere ich jetzt mal lieber nicht. Sie lässt allerdings tief blicken.

    Bei der Frage nach der internationalen Zuständigkeit zur Testamentseröffnung wird - natürlich - über die eigentlich bedeutsamen Fragen überhaupt nicht diskutiert. Hat man schon einmal daran gedacht, dass die Ausschlagungsfrist (bei einer Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts) erst mit Eröffnung und Bekanntgabe der letztwilligen Verfügung beginnt? Wenn die deutschen Verwahrgerichte nicht mehr eröffnen dürfen, läuft die Frist also nicht an, sondern erst, wenn das international zuständige ausländische Gericht (bzw. die sonstige Behörde) die Eröffnung vornimmt und die Verfügung sodann bekannt gibt. Auf diese Weise kann es - insbesondere bei Aufenthalt des Erben im Inland - zu einer erheblichen zeitlichen Verzögerung beim Fristbeginn (und demzufolge auch beim Fristablauf) kommen, so dass in dieser Zeit auch eine objektive Ungewissheit über die eingetretene Erbfolge besteht. Und was ist, wenn ein anwendbares ausländisches Recht keine Eröffnung kennt? Läuft dann die Ausschlagungsfrist überhaupt nicht an oder ist dann an ein anderweites Handeln der betreffenden ausländischen Behörde anzuknüpfen?

    Aber wie schon gesagt: Wenn es insoweit Zweifel gibt, müssen "wir" das eben durch eine erneute Vorlage an den EuGH klären ...

  • Geht die Ausfertigung verloren, kann ich jederzeit eine neue Ausfertigung ausstellen.

    Das macht die Sache aus polnischer Sicht ja auch sehr einfach.
    Als deutsches Nachlassgericht hätte ich aber einen verschlossenen und versiegelten Umschlag mit einem mir unbekannten Inhalt, den ich versenden sollte/müsste. Im Falle des Verlustes wäre der Erblasserwille unwiederbringlich ausgelöscht. Das kann nicht die Lösung sein.
    Und dass ich als Nachlassgericht Ausfertigungen von notariellen oder eigenhändigen Testamenten erstellen darf, kann ich mir gar nicht vorstellen.

  • Geht die Ausfertigung verloren, kann ich jederzeit eine neue Ausfertigung ausstellen.

    Das macht die Sache aus polnischer Sicht ja auch sehr einfach.
    Als deutsches Nachlassgericht hätte ich aber einen verschlossenen und versiegelten Umschlag mit einem mir unbekannten Inhalt, den ich versenden sollte/müsste. Im Falle des Verlustes wäre der Erblasserwille unwiederbringlich ausgelöscht. Das kann nicht die Lösung sein.
    Und dass ich als Nachlassgericht Ausfertigungen von notariellen oder eigenhändigen Testamenten erstellen darf, kann ich mir gar nicht vorstellen.

    Was aber, wenn dies die EuErbVO vorsieht und der deutsche Gesetzgeber es verpennt hat, etwas anderes zu regeln?

    Ich befürchte, dass wir auch für die Testamentseröffnung nicht mehr zuständig sind und uns den Vorgaben der EuErbVO fügen müssen.

    Lerzteendlich wird uns uns der EuGH dazu zwingen.

  • Cromwell: vor der Oberle-Entscheidung hast Du hier im Forum die Auffassung vertreten, dass eine Vorlage zur internationalen Zuständigkeit in einer Testamentseröffnungssache überhaupt nicht notwendig ist, weil die Rechtslage völlig klar ist. Es freut mich, dass Du mittelweile die Sache anders siehst. Das Ergebnis solch eines Vorlageverfahrens ist, wie schon geschrieben, von Anfang an klar. Die Vorlageverfahren sind aber eben u.a. dafür da, die Rechtsunsicherheit – sei es eine wirkliche, sei es eine, welche nur dadurch entsteht, dass man in einem Mitgliedstaat die Rechtslage einfach nicht zur Kenntnis nehmen will – aus der Welt zu schaffen.
    Ich habe es hier im Forum schon geschrieben: durch meine polnische Kommentierung und die zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen für Richter und Notare in den letzten Jahren kriege ich EuErbRVO- Fälle tonnenweise geliefert bzw. werde ich jeden Tag in Fällen aus ganz Polen angerufen und um Meinung gebeten. Es wäre längerfristig wirklich kein Problem, einen passenden Fall zu finden und dem damit befassten Gericht eine EuGH-Vorlage zu empfehlen. Persönlich würde ich mich aber freuen, wenn diejenigen die in dieser Sache Zweifel schöpfen, diesmal das richtige tun würden und die Sache selbst in die Hand nehmen würden. Zur Abwechslung könnte man dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnen…

    Andere in Europa machen es zweifelsohne anders. Wenn ein anderes Mitgliedstaat für das Nachlassverfahren zuständig ist bzw. ein anderes Recht zur Anwendung kommt, ist es durchaus möglich, dass die Frist nicht läuft bzw. dass das Erbstatut eine Erbannahme- bzw. -ausschlagung überhaupt nicht kennt. Und??? Das Sagen haben eben das zuständige Mitgliedstaat und das anwendbare Recht.

    Mata: in der Tat habe ich persönlich das Problem mit geschlossenen Umschlägen nicht. Die Hinterlegung eines handschriftlichen Testaments, theoretisch möglich, kommt in der Notarpraxis in Polen nicht vor (die Leute beurkunden einfach ihre Testamente, weil die Notargebühren dafür symbolisch sind). Hätte ich ein handschriftliches Testament, das bei mir hinterlegt worden ist, würde ich den Inhalt kopieren eher ich es irgendwo – sei es im Inland, sei es im Ausland – versende. Wenn man den Inhalt der Verfügung lediglich für das Nachlassverfahren in dem zuständigen Staat sichert, entstehen meiner Meinung nach keine Probleme. Problematisch ist lediglich die Eröffnung, wenn die int. Zuständigkeit nicht gegeben ist.

    Einmal editiert, zuletzt von silesianman (17. Juli 2018 um 20:29)

  • Ich hatte mich bei der Problematik der Ausschlagungsfrist ausdrücklich auf die Fallgestaltungen der Anwendbarkeit des deutschen Erbstatuts (infolge Rechtswahl) bezogen. Es ist also völlig gleichgültig, welche Regeln das Erbstatut des (international zuständigen) Staates des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zur Erbausschlagung enthält. Dementsprechend hatte ich des Weiteren ausdrücklich gefragt, wie es sich im Fall der Anwendbarkeit des deutschen Erbstatuts mit der Ausschlagungsfrist verhält, falls der Aufenthaltsstaat keine Testamentseröffnung kennt. Ich hatte demnach nicht davon gesprochen, dass dieser Staat keine Erbausschlagung kennt, was bei Maßgeblichkeit des deutschen Erbstatuts auch völlig irrelevant ist.

  • Matas Bedenken sind sehr nachvollziehbar.

    Hätte ich ein handschriftliches Testament, das bei mir hinterlegt worden ist, würde ich den Inhalt kopieren eher ich es irgendwo – sei es im Inland, sei es im Ausland – versende.

    Um es zu kopieren, musst Du aber das Siegel brechen und den Umschlag aufmachen. Darf man das, wenn man nicht zuständig ist?

  • Cromwell: in einer Testamentseröffnungssache wird man in der Regel schwer beurteilen können, ob das deutsche Recht tatsächlich als Erbstatut zur Anwendung kommt. Dafür ist das Erbscheinsverfahren da. Lass uns aber annehmen, dass deutsches Recht tatsächlich anwendbar ist und der letzte gewöhnliche Aufenthalt in einem anderen MS liegt. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts alleine ändert nichts an der Zuständigkeit des MS des letzten gewöhnlichen Aufenthalts aus Art. 4 ErbRVO. Die zusätzlichen Bedingungen sind in Art. 7 ErbRVO geregelt. Solange sie nicht erfüllt sind, kann man in Deutschland nur eine Erklärung nach Art. 13 ErbRVO entgegennehmen bzw. die Nachlasssicherung nach Art. 19 ErbRVO betreiben. Alles andere ist dem zuständigen MS vorbehalten. Alles heißt alles.
    Die Probleme der Notwendigkeit der Anpassung des eigenen Verfahrensrechts an das anwendbare ausländische Erbrecht, welche in vielen anderen Konstellationen ebenfalls auftauchen, sind Probleme des zuständigen Mitgliedstaates. Sie sind dort zu lösen, wenn und soweit sie entstehen. Wenn der zuständige MS dies nicht kann bzw. die Anpassung des eigenen Verfahrensrechts nicht für sinnvoll hält, kommt noch Art. 6 lit. a ErbRVO als Ausweg in Betracht.

    Carlson: man darf m.A. nach nichts vornehmen, was in die Befugnisse des nach Art. 4 ErbRVO zuständigen MS eingreift. Dies tut die Testamentseröffnung durchaus. Tatsächliche Handlungen, wie die Vorbereitung der Verfugung zur Ablieferung an die zuständige Stelle im EU-Ausland ggf. mit Sicherung des Inhalts der Verfügung in Zusammenhang damit sind meiner Ansicht nach nicht problematisch.

  • In dem von mir hintefragten Kontext geht es nicht um die Angleichung von Verfahrensrecht, sondern um das materielle Ausschlagungsrecht des anwendbaren BGB-Erbstatuts. Und wenn das (Verfahrens-(Recht des international zuständigen Mitgliedsstaates keine Testamentseröffnung kennt, kann die Ausschlagungsfrist auch nicht in Gang gesetzt werden. Das ist natürlich ein völlig unhaltbarer Zustand.

  • Solange der EuGH nicht zur Testamentseröffnung entschieden hat, gelten weiter die Regeln des nationalen Rechts. Auch im Schrifttum ist es selbst bei denjenigen, die das Erbscheinsverfahren als von Art. 4 erfasst ansehen, heftig umstritten, ob die Testamentseröffnung auch erfasst sei. Silesianman will uns hier als selbstverständlich verkaufen, dass man vom Erbscheinsverfahren auf Testamentseröffnung schließen müsse. Das ist es aber nicht. Es kann sein, dass der EuGH dem folgt; sicher absehbar ist dies mitnichten, zumal ich und andere ja schon erhebliche Gegenargumente gebracht haben.

    Ich würde also weiter verfahren wie bisher. Es ist unzweifelhaft wirksam, wenn deutsche Gerichte eröffnen, selbst wenn die internationale Zuständigkeit möglicherweise nicht gegeben sein mag. Also weiter Mut zur Entscheidung!

  • Solange der EuGH nicht zur Testamentseröffnung entschieden hat, gelten weiter die Regeln des nationalen Rechts.

    Das möchte ich bestreiten. Die Rechtslage hängt nicht von der Entscheidung des EuGH ab.
    Der EuGH würde lediglich feststellen, wie die Rechtslage seit Inkrafttreten der EuErbVO bereits war und nicht dafür sorgen, dass diese erst eintritt. Insoweit würde er ggf. feststellen, dass die Eröffnungen durch deutsche Gerichte in Unzuständigkeit erfolgten

    Ich teile im Übrigen die Auffassung von silesianman nachdem ich die Entscheidung des EuGH zur Sache Oberle gelesen habe. Infolgedessen werde ich keine Testamentseröffnungen vornehmen, wenn meine internationale Zuständigkeit nicht feststeht.

    Zu Cromwell möchte ich anmerken, dass die Ausschlagungsfristnach dem Wortlaut des §1945 II BGB mit Bekanntgabe der V.v.T.w. beginnt.
    Ob eine Eröffnung stattgefunden hat ist nicht maßgeblich. Ich würde mal bezweifeln, dass eine Rechtsordnung eines Mitgliedsstaates nicht vorsieht, dass die V.v.T.w. bekannt zu geben ist (in welcher Form auch immer).

  • Ja, natürlich. Die Rechtslage ist "objektiv" so, wie sie ist, unabhängig von einer Entscheidung des EuGH.
    Das deutsche Recht enthält allerdings einen Rechtsanwendungsbefehl, der zu befolgen ist, sofern nicht Unionsrecht entgegen steht. Wer überzeugt ist, dass dies der Fall sei, muss aber das Vorabentscheidungsverfahren eingehen - ebenso wie deutsche Gerichte, die ein Gesetz für verfassungswidrig halten, auch ein Normenkontrollverfahren einleiten müssen.

    Wer aber kein Vorabentscheidungsverfahren einleitet, muss mE das deutsche REcht weiter anwenden.

  • Ja, natürlich. Die Rechtslage ist "objektiv" so, wie sie ist, unabhängig von einer Entscheidung des EuGH.
    Das deutsche Recht enthält allerdings einen Rechtsanwendungsbefehl, der zu befolgen ist, sofern nicht Unionsrecht entgegen steht. Wer überzeugt ist, dass dies der Fall sei, muss aber das Vorabentscheidungsverfahren eingehen - ebenso wie deutsche Gerichte, die ein Gesetz für verfassungswidrig halten, auch ein Normenkontrollverfahren einleiten müssen.

    Wer aber kein Vorabentscheidungsverfahren einleitet, muss mE das deutsche REcht weiter anwenden.

    So funktioniert der Vorrang des Unionsrecht nicht. Es gibt, anders als im Verfassungsrecht, keine Vermutung der Verfassungsmäßigkeit. Es ist die Befugnis und die Pflicht eines jedes Gerichts, das Unionsrecht auszulegen (dabei KANN man auf das Vorlageverfahren zurückgreifen) und es anzuwenden. Wenn nationale Gesetzgebung damit kollidiert, wird sie als Unwirksam außer Acht gelassen. Dies hat übrigens meines Wissens nach das Amtsgericht Schönberg in Erbscheinsverfahren vor der Oberle-Entscheidung konsequent gemacht und die deutsche int. Zuständigkeit beim gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat verneint - auch in der Rs. Oberle selbst.

  • Bei mir ging heute ein -berichtigter- Erbscheinsantrag/eidesstattliche Versicherung -beurkundet durch einen Notar- mit folgendem Sachverhalt ein:

    Erblasser hatte letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Kroatien (in bisherigem Erbscheinsantrag in der Bundesrepublik Deutschland/evtl. auch in Bosnien-Herzegowina -Urlaub-).
    Der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers war in meinem Bezirk.

    Es wird beantragt die Erteilung eines Erbscheins auf der Basis kroatischen Erbrechts (4 Kinder zu gleichen Teilen).

    Es soll ein Erbschein erteilt werden, der gegenständlich auf das in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Vermögens beschränkt ist. Es wird dazu erklärt, dass im Ausland kein Nachlass vorhanden ist.

    So: und jetzt bin ich doch für das Erbscheinserteilungsverfahren gar nicht mehr zuständig. Über die EuErbVo -die m.E. auch für Kroatien gilt- liegt doch die ausschließliche Zuständigkeit für das Erbscheinserteilungsverfahren in Kroatien. Entweder der Erbe beantragt in Kroatien einen Erbnachweis in der Hoffnung, dass ihn auch unsere deutsche Bank anerkennt oder gleich ein ENZ.

    Aber für einen deutschen Erbschein ist nach der Berichtigung des Erbscheinsantrags/der eidesstattlichen Versicherung auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Kroatien doch kein Platz mehr.

    Hat sich der Erbe/der Notar ein Eigentor geschossen? Denn m.E. muss der Notar jetzt einen Antrag auf Erteilung eines ENZ zu Erteilung in Kroatien aufnehmen.

    Und was mach ich jetzt?
    Erbscheinsantrag gleich zurückweisen (0,5 Gebühr)?
    Erbscheinsverfahren nach Kroatien verweisen?
    Aufklärungsverfügung an Antragsteller/Notar erlassen mit dem Ziel der Rücknahme des Erbscheinsantrags (0,3 Gebühr)?

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