Formblattzwang bei Antrag auf ENZ?

  • Und immer noch nichts. Die Sachlage ist wie folgt:

    Es ist mE unvertretbar, angesichts des klaren Wortlauts der ErbrechtsVO anzunehmen, es bestehe ein Formblattzwang. Die DurchführungsVO ist niederrangiges Recht.

    In Folge von Arbeit auf Kreisklassenniveau bei der Kommission hat die DurchführungsVO aber einen miserablen Wortlaut, der das OLG Köln hier zur Vorlage bewogen hat.

    Jetzt verlangen zwischenzeitlich alle Nachlassgerichte hier die Verwendung des Formblattes, weil es ja "umstritten" sei. Das ist für alle Beteiligten nutzloser Aufwand in Folge der Sperrigkeit des Formulars.

    Der EuGH kann eine solch einfache Frage innerhalb fast eines Jahres nicht entscheiden. Nein, nicht einmal die Schlussanträge liegen vor.

    Was soll man dazu sagen?

  • EuGH - Urteil vom 17.01.2019 C-102/18

    Art. 65 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses und Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung Nr. 650/2012 sind dahin auszulegen, dass für den Antrag auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses im Sinne der erstgenannten Bestimmung die Verwendung des Formblatts IV in Anhang 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 fakultativ ist.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Na super...

    würde dann im Endeffekt heißen, dass ich mir aus einem mehrseitigen Fließtext mühsam die Informationen herausfummeln muss, die ich brauche, damit ich das verbindliche Formblatt des ENZ ausfüllen kann... :confused:

    Ich werde weiterhin die Antragsteller von der effektiveren Beantragung durch Nutzung der umfassenden Antragsvordrucks überzeugen...

  • Na super...

    würde dann im Endeffekt heißen, dass ich mir aus einem mehrseitigen Fließtext mühsam die Informationen herausfummeln muss, die ich brauche, damit ich das verbindliche Formblatt des ENZ ausfüllen kann... :confused:

    Ich werde weiterhin die Antragsteller von der effektiveren Beantragung durch Nutzung der umfassenden Antragsvordrucks überzeugen...

    aus Duden.de :
    fakultativ = dem eigenen Ermessen überlassen; nach eigener Wahl; nicht unbedingt verbindlich:)

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Ich werde weiterhin die Antragsteller von der effektiveren Beantragung durch Nutzung der umfassenden Antragsvordrucks überzeugen...


    Also absichtliches Verschleppen von Anträgen, die das Formblatt nicht verwenden?
    Dafür gibt's ein Wort. Rechtsbeugung.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich werde weiterhin die Antragsteller von der effektiveren Beantragung durch Nutzung der umfassenden Antragsvordrucks überzeugen...


    Also absichtliches Verschleppen von Anträgen, die das Formblatt nicht verwenden?
    Dafür gibt's ein Wort. Rechtsbeugung.

    Ich verwende dann die Angaben in meinem ENZ, die ich im formblattlosen Antrag finde.

    Wenn dann der Antragsteller im Ausland Probleme hat: nicht mein Problem.

    Problem des Antragstellers bzw. seines Notars.

  • Ich hatte dazu in Rpfleger 2018, 649, 654 ausgeführt:

    Dass es mittlerweile schon wegen eher profaner Rechtsfragen zu Vorlagen an den EuGH kommt, zeigt eine Vorlageentscheidung des OLG Köln,[54 bei welcher es um die Frage geht, ob für die Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses nach Art. 1 Abs. 4 EuErbVO-DVO ein Formblattzwang besteht ("ist das Formblatt ... zu verwenden"), obwohl die vorrangige Norm des Art. 65 Abs. 2 EuErbVO ausdrücklich die lediglich fakultative Verwendung des im DVO-Anhang 4 enthaltenen Formblatts IV vorsieht ("kann der Antragsteller das ... Formblatt verwenden"). Bei der Ansicht, dass Anträge auf Erteilung eines ENZ bis zur Entscheidung des EuGH nur unter Verwendung des besagten Formblatts gestellt und positiv verbeschieden werden könnten,[55] dürfte es sich allerdings um eine aus der weithin verbreiteten IT-Verfahrens- und Formulargläubigkeit resultierende Übertreibung handeln, die sich die Nachlassgerichte - wie schon bisher - nicht zu eigen machen sollten. Die Nachlassgerichte haben angesichts der mit der Anwendung der EuErbVO verbundenen vielfältigen Unsicherheiten schon genug damit zu tun, möglichst inhaltlich richtige Europäische Nachlasszeugnisse zu erteilen. Unter diesem pragmatischen Blickwinkel ist es völlig ohne Belang, ob der Antrag auf Erteilung solcher Zeugnisse unter Verwendung eines Formblatts oder mittels freier Formulierung gestellt wird.


    [54] OLG Köln Rpfleger 2018, 333 m. Anm. Weber = FamRZ 2018, 960 = ZEV 2018, 340 m. Anm. Dörner (EuGH-Rechtssache Brisch, Az. C-102/18).
    [55] Weber Rpfleger 2018, 335, 336.

  • Und zu den "Experten" (beachte insbesondere die Fußnoten) in Rpfleger 2018, 649, 654/655 als Bestandsaufnahme und Ausblick:

    Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die erörterte Rechtsprechung des EuGH die bisherigen jeweiligen nationalen Rechtsstandpunkte aus deutscher Sicht geradezu pulverisiert. Im Lichte dieser Erkenntnis kann es durchaus als ein Ärgernis erscheinen, dass es von einem dem Berufsstand der Notare angehörenden vormaligen Mitglied des Europäischen Parlaments, das als "Berichterstatter der Erbrechtsverordnung deren Entstehungsgeschichte maßgeblich geprägt und begleitet hat",[60] im Wesentlichen so darstellt wurde, als sei man sich in Fragen der internationalen Zuständigkeit und in Bezug auf das Vindikationslegat völlig einig gewesen und dass es daher nicht zweifelhaft sein könne, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte weiterhin fortbestehe[61] und der Vollzug eines im Hinblick auf Grundbesitz angeordneten Vindikationslegats im Inland eine Auflassung erfordere.[62] Misst man diese Aussagen[63] an den letztlich eingetretenen Ergebnissen, so kommt man nicht nur nicht umhin, die bisherige Entwicklung aus deutscher Sicht als absolut desaströs zu bezeichnen, sondern es muss mit einem kritischen Blick auf die deutsche Verhandlungsführung auch ernsthaft die Frage aufgeworfen werden, ob sich Deutschland unter diesen Prämissen nicht besser gegen eine Teilnahme an der EuErbVO hätte entscheiden sollen. Aber es hilft nichts: Das Kind ist ungeachtet erfolgter "Expertenbegleitung" in den Brunnen gefallen und nun muss man eben mit den Ergebnissen leben. Zu diesen Ergebnissen gehört leider auch, dass man sich angesichts nicht zu Unrecht kritisierter dürftiger Entscheidungsbegründungen des EuGH, die sich mitunter kaum mit der Rechtsprechung und dem Schrifttum der jeweils betroffenen Mitgliedstaaten auseinandersetzen,[64] wohl von der im Hinblick auf höchstrichterliche Rechtsfindungen bislang selbstverständlichen Vorstellung verabschieden muss, jedenfalls grundsätzlich mit qualitativ hochwertigen Entscheidungen verwöhnt zu werden.

    Wagt man einen Blick in die Zukunft, so ziehen bereits die nächsten Unbilden am rechtlichen Horizont herauf. Denn wenn bei letztem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in einem anderen Mitgliedstaat nun auch noch die internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte zur Eröffnung von bei den Nachlassgerichten verwahrten notariellen oder privatschriftlichen letztwilligen Verfügungen verneint werden sollte,[65] steht zu befürchten, dass solche Originaltestamente auf dem Übersendungswege ins Ausland (bei privatschriftlichen Testamenten: unwiederbringlich) verloren gehen können, weil dann unter Umständen auch keine Befugnis der deutschen Nachlassgerichte mehr besteht, die amtlichen Verwahrungsumschläge zu öffnen und zur Vermeidung eines solchen Urkundenverlustes noch vor der Übersendung an das zuständige ausländische Gericht beglaubigte Kopien der betreffenden letztwilligen Verfügungen anzufertigen. Diese Befürchtungen sind auch keineswegs von der Hand zu weisen, weil die bisherigen Erfahrungen leider gezeigt haben, dass die bedeutsame praktische Sicht der Dinge bei den theoretischen Erwägungen im Hinblick auf diese oder jene vorgeblich zutreffende Lösung völlig in den Hintergrund tritt. Man wird der weiteren Entwicklung in Angelegenheiten der EuErbVO daher durchaus skeptisch entgegensehen müssen.


    [60] Vgl. die diesbezügliche Tätigkeitsbeschreibung in ZErb 2014, 188, Fn. 1.
    [61] Lechner ZErb 2014, 188, 191/192: ..."sowohl bei der Kommission als auch im Parlament und auch im Rat unumstritten" ... "größtmögliche Freiheit" der Bürger, "welches Verfahren sie wählen wollen" ... die Bürger können sich die Verfahren "aussuchen, die ihnen am einfachsten und schnellsten zugänglich sind", so dass unter den Voraussetzungen des § 105 FamFG "der Zugang zum deutschen Nachlassverfahren jederzeit eröffnet" ist; Lechner, Eingehende Analyse der EuErbVO für den JURI-Ausschuss, Brüssel 2015, S. 17/29: "Aus grundsätzlichen Erwägungen und ausdrücklich in Art. 62 Abs. 3 und Erw. (29), (36) EUErbVO sollen die nationalen Verfahren der Erbnachweise unbeschadet bleiben." ... "Die Bürger sollen nach dem Willen der EuErbVO in Nachlasssachen den Weg frei wählen können, der ihnen am geeignesten erscheint."
    [62] Lechner ZErb 2014, 188, 193/194: Die Notwendigkeit einer Auflassung ergebe sich sowohl "eindeutig" aus dem Veordnungstext als solchem als auch "klar" aus der "Wertung des europäischen Gesetzgebers"; Lechner, Analyse (Fn. 61), S. 15: "Der abschließende Vollzug bedarf eines zusätzlichen der Rechtssicherheit und dem Schutz der Register und des Verkehrs dienenen Aktes."
    [63] Aus heutiger Sicht kann man diese Aussagen nur als auf eklatanten Fehleinschätzungen beruhende und sowohl den Bürgern als auch der Fachwelt vorgegaukelte rechtliche Luftschlösser interpretieren, deren Zerplatzen nicht nur dem deutschen materiellen Erbrecht, sondern auch den hiesigen nationalen Zuständigkeits- und Verfahrensabläufen und den berechtigten Interessen der Bürger schweren Schaden zugefügt hat.
    [64] Vgl. nur Wachter ZErb 2017, 358, 360; Litzenburger FD-ErbR 2017, 396271; Dressler Rpfleger 2018, 413, 415; a. A. Fornasier FamRZ 2018, 1265.
    [65] Zu dieser Möglichkeit vgl. Lamberz Rpfleger 2018, 553, 554, dem aber ohne eine vorgängige Änderung der Norm des § 35 GBO nicht in der Annahme zuzustimmen ist, die deutschen Grundbuchämter müssten eine nicht durch ein Europäisches Nachlasszeugnis belegte Erbfolge nunmehr auch aufgrund der nationalen Erbnachweise anderer Mitgliedstaaten eintragen.

  • In dem besagten Aufsatz (Rpfleger 2018, 649) habe ich auch ausführlich zu anderen mit der EuErbVO zusammenhängenden Fragen Stellung genommen:

    - § 1371 BGB (S. 650)
    - Internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte (S. 650/651)
    - Vindikationslegat (besonders ausführlich unter kritischer Betrachtung aller bisherigen Lösungsansätze: S. 651-653)
    - Erbausschlagungen (S. 653/654)
    - Inhalt und Nichtinhalt des ENZ (S. 654)

  • Ich werde weiterhin die Antragsteller von der effektiveren Beantragung durch Nutzung der umfassenden Antragsvordrucks überzeugen...


    Also absichtliches Verschleppen von Anträgen, die das Formblatt nicht verwenden?
    Dafür gibt's ein Wort. Rechtsbeugung.

    Geht´s noch?
    Hab ich gesagt, dass ich etwas verschleppe? Nein!
    Achte mal auf deinen Ton!

    Ich hatte bisher noch nicht einen Antrag auf ENZ, welcher vollständig war. Es gab immer etwas dass fehlte aber für das vollständige ENZ notwendig war.
    Wenn in einem normalen Fließtext nun das ENZ beantragt wird, dann ist die Tendenz, dass einzelne im ENZ selbst verbindlich von mir einzutragende Fakten fehlen, hoch. Das Antragsformular enthält alle notwendigen Angaben. Ich weiß nicht, was daran so schlimm ist. Selbstverständlich wird aber kein Antrag zurückgewiesen oder nicht bearbeitet, wenn nicht das Formular genutzt wird.
    Ich glaube das sollte selbstverständlich sein. Da muss man nicht gleich mit der Rechtsbeugungskeule schwingen.

    Wenn mich also am Telefon jemand (z.B. auch Notare) fragt, wie er denn das ENZ beantragen soll, dann sage ich ihm selbstverständlich, dass es für die Bearbeitung am sinnvollsten ist, dass der Antragsteller die Formblätter zum möglichst vollständig ausfüllt.

  • Man kann Art. 65 Abs. 3 ohne Weiteres und nachprüfbar ohne Schrott-Formblatt erfüllen: Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses: Es werden folgende Angaben gemacht: Zu Art. 65 Abs. 3 a EUErbVO (Angaben zum Erblasser: Name (gegebenenfalls Geburtsname), Vorname(n), Geschlecht, Geburtsdatum und -ort, Personenstand, Staatsangehörigkeit, Identifikationsnummer (sofern vorhanden), Anschrift im Zeitpunkt seines Todes, Todesdatum und -ort): es folgen Angaben.. Zu Art. 65 Abs. 3 b EUErbVO (es folgen Angaben).. .... Dann die Versicherung an Eides statt gemäß § 36 II IntErbRVG. Allein die Liste nach 65 III ist maßgeblich, nicht die DurchführungsVO.

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