Anhörung Nacherben Löschung NEV

  • Der Einwand mit der einstweiligen Verfügung stimmt nur teilweise, denn im Wege der einstweiligen Verfügung darf kein Endzustand herbeigeführt werden, sondern nur eine vorläufige Maßnahme, die wieder reparabel ist. Bei der Löschung des Nacherbenvermerks fehlt es hieran, und welches Hauptsacheverfahren folgte da denn?

    Außerdem werden die Erben (und zwar sowohl der Vorerbe als auch die Nacherben) natürlich auch im Hinblick auf die Frage nach der Entgeltlichkeit der Verfügung eines Vorerben-TV angehört. Es hilft also nichts, den Vorerben mit TV zu beschweren, zumal der TV nach hM gleichfalls der Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB (bei befreiter Vorerbschaft: nur nach Abs. 2 der Norm) unterliegt, und es hilft nicht einmal eine Nacherben-TV nach § 2222 BGB etwas, weil dessen Zustimmung zu einer unentgeltlichen Verfügung als solche wiederum eine unentgeltliche Verfügung sein kann und die Nacherben daher gleichwohl anzuhören sind.

    Der Knackpunkt ist vielmehr, dass die Erblasser oft unbekannte Nacherben einsetzen, obwohl das in vielen Fällen gar nicht nötig wäre. Denn anstatt für die Persönlichkeit der Nacherben auf den Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls abzustellen, kann man insoweit auch auf den Eintritt des Vorerbfalls abstellen und im Übrigen mit Ersatznacherbenregelungen arbeiten. Und siehe da: Auf einmal sind die Nacherben nicht mehr unbekannt, sondern bekannt.

    Beispiel:

    Man kann verfügen, dass A der Vorerbe und die im Zeitpunkt seines Ablebens (= Eintritt des Nacherbfalls) vorhandenen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge Nacherben sein sollen. = Unbekannte Nacherben.

    Man kann aber auch die bereits vorhandenen Abkömmlinge namentlich und in persona zu Nacherben einsetzen und dann mit Ersatznacherbenregelungen zugunsten der jeweiligen Abkömmlinge der Nacherben arbeiten. = Bekannte Nacherben. Allerdings funktioniert das nur, wenn nach dem Erbfall keine weiteren Abkömmlinge mehr hinzukommen können (was bei der Testierung zugunsten von gemeinschaftlichen Kindern stets der Fall ist) oder diese bewusst nicht bedacht werden sollen.

    Aber auch wenn noch Abkömmlinge hinzukommen können und diese ebenfalls Nacherben sein sollen, kann man beim Vorhandensein von mindestens zwei Nacherben auch mit einer Verschaffungsvermächtnislösung arbeiten, die darin besteht, dass hinzukommende Abkömmlinge nicht Nacherben sein sollen, sondern dass ihnen die Nacherben verschaffungsvermächtnisweise jeweils eine Quote ihres Erbteils in der Weise übertragen, dass im Ergebnis alle Abkömmlinge zu gleichen Anteilen partizipieren. Funktioniert allerdings bei einem vorläufig alleinigen Nacherben nicht, hier muss man dann mit Vermächtnissen bezüglich Miteigentumsanteilen an den einzelnen Nachlassgegenständen arbeiten.

    Es geht also Einiges, aber man muss sich dieser Möglichkeiten aber dann eben auch bedienen. Aber wenn man unbedingt eine Nacherbfolge möchte, kann man nicht den Zweck wollen und die Mittel verschmähen. Dann gibt es eben die besagten Schwierigkeiten.

  • Der erstgenannte Fall hat mit unbekannten Nacherben an sich nichts zu tun, weil die Nacherben - es sind ja die gemeinschafltichen Abkömmlinge berufen und ein Ehegatte ist bereits tot - nicht unbekannt, sondern bekannt sind. Und die dargestellten Schwierigkeiten bestehen nur, weil die Nacherben im notariellen Testament nicht namentlich benannt, sondern lediglich abstrakt bezeichnet wurden. Und wenn der Ehemann der überlebende Eheteil ist, steht ohnehin fest, dass keine weiteren gemeinschaftlichen Kinder mehr hinzukommen können, und wenn es die Ehefrau ist, kann sie an Eides Statt versichern, dass kein Kind "unterwegs" ist (sofern das aus Altersgründen nicht ohnehin ausgeschlossen ist). Wenn man das Testament dann so auslegt, dass nicht die Abkömmlinge im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls, sondern die Abkömmlinge im Zeitpunkt des Vorerbfalls die Nacherben sind (mit Ersatznacherbenregelung für deren jeweilige Abkömmlinge und - falls nicht vorhanden - mit weiterer Ersatznacherbenregelung zugunsten des anderen Nacherben), dann sind die Nacherben nicht unbekannt, sondern bekannt, und sie können auch namentlich (sic!) im Vorerbenerbschein aufgeführt werden, wodurch sich Dein Anhörungsproblem in Luft auflöst.

    Haben wir aber demgegenüber tatsächlich unbekannte Nacherben, weil für die Bestimmung der Persönlichkeit der Nacherben auf den Eintritt des Nacherbfalls abgestellt wurde, dann haben die "derzeitigen" Nacherben ohnehin nichts mitzureden, weil die Nacherben dann insgesamt unbekannt sind und daher auch nur insgesamt durch einen nach § 1913 BGB zu bestellenden Pfleger repräsentiert werden können, so dass Dein Anhörungsproblem auch in diesem Fall gelöst ist. Ob man die "Derzeitigen" dann vorsorglich auch noch zustimmen lässt, ist Geschmacksfrage. Rechtlich notwendig ist dies nicht, den zustimmungsberechtigt ist alleine der Pfleger.

    Noch zur Lektüre: BGH Rpfleger 2014, 360 = FamRZ 2014, 832 = FGPrax 2014, 98 (zur Frage, ob bekannt oder unbekannt).

  • Danke vielmals Cromwell, so langsam steige ich hinter das Konstrukt, wann unbekannt und wann nicht. Aber ich gehöre auch zu den Rechtspflegern, die gerne etwas dazu lernen und sich nicht auf ihrem Wissen/Nichtwissen ausruhen und ich bin ehrlich und habe mir damals keine allzu großen Gedanken gemacht, weil ich an die Problematik nicht gedacht habe.

    Noch mal zum Fall: Die Vorerbin die eidesstattliche Versicherung abgeben zu lassen, ist natürlich möglich aber die Notarkosten müsste sie ja dann in dem Falle tragen, obwohl ich das ja nur brauche, um den Nacherben anhören zu können.
    Aber ich gehe jetzt mal vom "Normalfall" aus und die hiesigen Notare versuchen die alle Nacherben schon immer am Vertrag mitwirken zu lassen und dann haben wir das Problem ja nicht.

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

  • Der Einwand mit der einstweiligen Verfügung stimmt nur teilweise, denn im Wege der einstweiligen Verfügung darf kein Endzustand herbeigeführt werden, sondern nur eine vorläufige Maßnahme, die wieder reparabel ist. Bei der Löschung des Nacherbenvermerks fehlt es hieran, und welches Hauptsacheverfahren folgte da denn?

    Ganz einfach dasjenige, mit welchen der Nacherbe den Vorerben auf Schadensersatz verklagt. Und er muss (und das ist eben der Punkt) darlegen und beweisen, dass der Vorerbe doch unentgeltlich verfügt habe (trotz des Erfahrungssatzes und trotz des Fehlens jeglicher Anhaltspunkte). Als hätte der Vorerbe kein Grundrecht auf ein zügiges Verfahren aus Art. 19 Abs. 4 GG. Hier muss praktische Konkordanz hergestellt werden und nicht wie bisher die (vermeintlichen) Nacherbenrechte zu 100 Prozent gegenüber den Vorerbenrechten aus 19 IV zu 0 Prozent durchgesetzt werden. Aber wir drehen uns im Kreis.

  • Der Einwand mit der einstweiligen Verfügung stimmt nur teilweise, denn im Wege der einstweiligen Verfügung darf kein Endzustand herbeigeführt werden, sondern nur eine vorläufige Maßnahme, die wieder reparabel ist. Bei der Löschung des Nacherbenvermerks fehlt es hieran, und welches Hauptsacheverfahren folgte da denn?

    Außerdem werden die Erben (und zwar sowohl der Vorerbe als auch die Nacherben) natürlich auch im Hinblick auf die Frage nach der Entgeltlichkeit der Verfügung eines Vorerben-TV angehört. Es hilft also nichts, den Vorerben mit TV zu beschweren, zumal der TV nach hM gleichfalls der Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB (bei befreiter Vorerbschaft: nur nach Abs. 2 der Norm) unterliegt, und es hilft nicht einmal eine Nacherben-TV nach § 2222 BGB etwas, weil dessen Zustimmung zu einer unentgeltlichen Verfügung als solche wiederum eine unentgeltliche Verfügung sein kann und die Nacherben daher gleichwohl anzuhören sind.

    Belege hierfür? Volmer MittBayNot 2015, 535, 536 und Hartmann DNotZ 2017, 28 sehen dies anders, mE zu Recht. Der Testamentsvollstrecker nimmt bei entsprechender Anordnung die Rechte der Nacherben in jeder Hinsicht wahr. Die Möglichkeit einer unentgeltlichen Verfügung durch den Testamentsvollstrecker führt auch in anderen Fällen (also ohne Vor- und Nacherbschaft) dass die (von der Verfügung ausgeschlossenen) Erben angehört werden müssten.

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