Muss er sich bewerben oder nicht?

  • Schuldner (S) ist selbständig, Verfahren ist eröffnet, Verwalter hat gem . § 35 Abs. 2 InsO freigegeben. Die Selbständigkeit wirft kaum etwas ab, die Einkünfte bleiben weit unter der Pfändungsfreigrenze des S.

    Muss der S Bewerbungsbemühungen nachweisen? Ich habe nur eine Enscheidung für da aufgehobene Verfahren gefunden BGH IX ZB 133/07, gibt es auch eine Entscheidung für das eröffnete Verfahren?

    Danke schön!

  • Hoch umstritten.

    Zunächst einmal gilt im eröffneten Verfahren über § 35 Abs. 2 S.2 InsO genau das gleiche wie im aufgehobenen Verfahren. Der Schuldner muss sich also nicht bewerben, muss aber ggfs. Zahlungen nach § 295 Abs. 2 InsO leisten. Allerdings hat der BGH noch nach altem Recht entschieden, dass hier im Gegensatz zur Restschuldbefreiungsphase keien Obliegenheit sondern eine Mitwirkungspflicht besteht. Er muss also nur zahlen, wenn er auch leistungsfähig ist. Ob diese Entscheidung nach neuem Recht noch direkt anwendbar ist ist unklar.

    Ob seit 01.07.2014 der 287b InsO eine parallele Erwerbsobliegenheit statuiert, die ggfs. zu einer Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit zwingt oder ob §35 Abs. 2 InsO den Fall der Selbstständigekit im eröffneten Verfahren abschließend regelt ist m.W. noch ungeklärt.

  • https://www.jurion.de/de/document/show/0:8044698/?q=&token=af556e6926e45a2a3ffaa882dc9cf97344b29e22&utm_source=%{utm_source}&utm_medium=email&utm_campaign=%{utm_campaign}

    = [FONT='Bliss','Segoe UI',Helvetica,Arial,sans-serif]Beschluss des BGH vom 01.03.2018, Az.: IX ZB 32/17[/FONT]
    ob diese Entscheidung in jedem einzelfall taugt..... fraglich....

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Diese Entscheidung ist für die hier behandelte Frage m.E. nahezu völlig wertlos weil sie sich erstens nur mit der Wohlverhaltensphase beschäftigt und zweitens die Rechtslage vor dem 01.07.2014 betrifft.

    Für die zwei hier entscheidenden Fragen: 1) Wie ist die Verweisung in § 35 Abs. 2 S.2 InsO zu behandeln und 2) welche Auswirkungen hat der neue § 287b InsO auf diese Beurteilung, kann es daher keine echten Leitlinien bieten.

    M.E. statuiert § 287b InsO eine eigenständige Erwerbspflicht die auch Selbstständige trifft. Aber ob der BGH das auch so sehen würde? Who knows. Deppe sieht das in InsbürO 2018, 132 genau entgegengesetzt (wenn auch ohne echte Begründung).

  • Die einen sagen so, die anderen so.

    Verfolgt man die Entscheidungen des BGH zur Versagung der RSB chronologisch, wird man feststellen, dass der Gegenwind für den Schuldner stärker geworden ist. Zwar trägt der Sachverhalt von IX ZB 32/17 nicht die Ausgangsfrage, unter dem o.g. Blickwinkel, wird man sich der Entscheidung nicht völlig verschließen können.Da unter der InsO a.F. gerade keine Erwerbsobliegenheit im eröffneten Verfahren bestanden, ergibt sich die Frage, wie sanktioniert man eine Verletzung des § 287b InsO?

    Die Darstellung von Deppe ist mir zu holzschnittartig, weil die Frage, ob den erfolglosen Selbstständigen, der im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung pfändbare Bezüge erwirtschaften könnte, ebenfalls eine Erwerbsobliegenheit treffen kann, überhaupt nicht beleuchtet.

    Verneint man dies, so liefe § 287b InsO für Selbstständige leer, während abhängig Beschäftigte über § 290 I Nr. 7 InsO sanktioniert werden könnten. Dann wären wir mal wieder bei BVR wie 2 BvR 1602/16.

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    Einmal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (6. April 2018 um 09:59)

  • BGH, Beschluss vom 13.06.2013 -IX ZB 38/10


    Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

  • BGH, Beschluss vom 13.06.2013 -IX ZB 38/10
    Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

    S.o.

    Zitat

    Allerdings hat der BGH noch nach altem Recht entschieden, dass hier im Gegensatz zur Restschuldbefreiungsphase keien Obliegenheit sondern eine Mitwirkungspflicht besteht. Er muss also nur zahlen, wenn er auch leistungsfähig ist. Ob diese Entscheidung nach neuem Recht noch direkt anwendbar ist ist unklar.

  • BGH, Beschluss vom 13.06.2013 -IX ZB 38/10Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

    Ist aber vor § 287b InsO. Und selbst hier sieht der BGH ja, dass den Schuldner im Rahmen seiner Erwerbsobliegenheiten im Rahmen der WVP die Bemühung treffen kann, sich um eine abhängige Beschäftigung zu bemühen, wenn es nicht so klappt, mit dem Geldverdienen, Rn. 12.Wir können das Thema ja gerne schieben und warten bis etwas von oben kommt. Vielleicht sollte man da mal eine Umfrage zum Ausgang dranhängen

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  • ja und die meisten meiner Probanden warten nahezu alle drauf, den Job von Crayen zu bekommen, mit ihrer so ganz dollen Qualifikation. Zumeist ungelernt, nicht aus deutschem Sprachkreis stammend, 4 - 5 Kinder, Vorstellungsgespräch beim Sozialamt erfolgreich..... äh, soll ich zur HV der Deutschen Bank fahren und Vorschläge für die Besetzung zum Aufsichtsrat machen oder dazu übergehen, 5 Bewerbungen pro Woche.......
    Leutz, das ist alles Unfung ! Der BGH geht davon aus, dass der, der sich eben anschickt, sich irgendwie selbständig durchzuwurschteln sucht, doch super chancen auf dem Arbeibsmarkt hat. Nur sind Richterkinder nicht grad unsere Klientel......

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
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    :daumenrau

  • ... also so in eine Schublade stecken kann ich mein Klientel nicht. Da sind definitiv alle Lebensumstände und Gehaltsklassen dabei.

    Ich habe jetzt z.Bsp. einen der hat einen Callcenterjob mit pfändbaren Bezügen aufgegeben um jetzt Abi nachzumachen und dann zu studieren. Menschlich verständlich, aber Erwerbsobliegenheit :gruebel:

  • Sicher nur eine Sichtweise, aber:

    Nimmt eine Schuldnerin nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife ein Studium auf, scheidet ein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO jedenfalls solange aus, wie das Studium im zeitlich üblichen Rahmen durchgeführt wird.

    AG Göttingen, Beschl. v. 19. 2. 2002 - 74 IK 175/00

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  • Hoch umstritten.

    Zunächst einmal gilt im eröffneten Verfahren über § 35 Abs. 2 S.2 InsO genau das gleiche wie im aufgehobenen Verfahren. Der Schuldner muss sich also nicht bewerben, muss aber ggfs. Zahlungen nach § 295 Abs. 2 InsO leisten. Allerdings hat der BGH noch nach altem Recht entschieden, dass hier im Gegensatz zur Restschuldbefreiungsphase keien Obliegenheit sondern eine Mitwirkungspflicht besteht. Er muss also nur zahlen, wenn er auch leistungsfähig ist. Ob diese Entscheidung nach neuem Recht noch direkt anwendbar ist ist unklar.

    Ob seit 01.07.2014 der 287b InsO eine parallele Erwerbsobliegenheit statuiert, die ggfs. zu einer Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit zwingt oder ob §35 Abs. 2 InsO den Fall der Selbstständigekit im eröffneten Verfahren abschließend regelt ist m.W. noch ungeklärt.

    Ist nicht durch die Änderung 2014 die Sache geklärt ?


    Vor 2014:
    35 verweist auf den gesamten 295 und daher das (alte) Problem, dass damals in Absatz 1 nur Verweis auf die "Laufzeit der Abtretungserklärung" usw.

    Nach 2014 (Juli natürlich...):
    35 verweist nur noch auf 295 Abs. 2 (kurzzeitig mal auf den nicht existenten Abs.3 ;) und regelt damit "...obliegt..." ganz klar eigenständig die Obliegenheit für den Selbständigen und zwar für den kompletten Verfahrensgang.

    Und unabhängig von Spitzfindigkeiten der Gesetzesformulierung macht´s ja auch nur so Sinn.

    Also meiner Meinung nach ganz klar: 295 Abs. 2 zählt und Nein, keine gesonderte Obliegenheit im Sinne des 295 Abs. 1 Satz 1 im eröffneten Verfahren des Selbständigen.


    (...also zählt 287b für den Selbständigen nicht, weil diese Sanktionsmöglichkeit für den Selbständigen über 35 und 295 Abs. 2 dann für das eröffnete Verfahren genauso gleich geklärt ist wie für den Nicht-Selbständigen über 287 b und 295 Abs. 1 Satz 1)

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