Gemeldet in Deutschland, Aufenthaltsort Türkei

  • Hallo,

    wir vollstrecken gegen einen Schuldner, der in Deutschland eine Wohn- und Meldeanschrift hat (Einwohnermeldeamtsauskunft liegt vor), aber sich hauptsächlich in der Türkei aufhält. Wir wollen die Rente pfänden. Der Rechtspfleger verweigert den Erlass des Pfüb, da er sagt, der gewöhnliche Aufenthaltsort wäre nicht in Deutschland. Wir wissen jedoch, dass der Schuldner, wenn Posteingänge bei seiner Schwester vorliegen, informiert wird.

    Ich bin jetzt sprachlos. Der Schuldner kassiert hier eine Rente und diese soll unpfändbar sein, weil der Pfüb nicht zugestellt werden kann? Der Rechtspfleger ist der Meinung, dass der Nachweis des Einwohnermeldeamtes nicht ausreicht.

    Habt Ihr einen Tipp für mich?

    Danke vorab

  • Die ausschließliche Zuständigkeit der Forderungsvollstreckung kennt 2 Gerichtsstände: § 13 ZPO und hilfsweise § 23 ZPO.

    Sofern man der Auffassung ist, die Meldeadresse begründet einen Wohnsitz, bittet man das Vollstreckungsgericht um Bescheidung des Antrags und versucht sein Glück in der Beschwerdeinstanz.
    Alternativ beantragt man die Verweisung an das Gericht nach § 23 ZPO.

  • Bin sehr erstaunt. In meinem Gericht würde niemand auf die Idee kommen, ohne Weiteres einen gemeldeten Wohnsitz als gewöhnlichen Aufenthalt anzuzweifeln und deshalb einen PfüB ablehnen- deshalb würde ich gerne wissen wie dies begründet wurde. Wie hat das Gericht denn den überwiegenden Aufenthalt festgestellt? Und dass so sicher, dass es für die Ablehnung eines PfÜB entgegen einer EMA ( die kein Nachweis, aber ein bedeutsamer Hinweis ist) reicht?

  • Wir haben uns hier selbst ein Ei geschossen.

    Der Schuldner lebt immer mal wieder in Deutschland und mal in der Türkei. Wir haben dem Gericht dies so mitgeteilt, weil wir versuchen wollten, den pfändungsfreien Betrag herunter zu bekommen. Im Nachhinein eine blöde Idee.

    Zusammengefasst geht der Rechtspfleger davon aus, dass es - trotz Meldeanschrift in Deutschland - in Deutschland keinen Wohnsitz gibt und man somit nach dem Aufenthaltsort gehen muss. Die Anmeldung in Deutschland stelle nur ein Indiz dar (BGH NJW-RR 1990, 506; BVerwGE 28, 193 (196); BayOblG NJW-RR 1989, 263, BeckOK BGB/Bamberger BGB § 7 Rn. 17).

    Der Rechtspfleger möchte darauf hinaus, dass wir unseren Antrag zurücknehmen und über das Bundesamt die weitere Vollstreckung betreiben.

    Was mich bei der Sache am meisten stört. Das Finanzamt vollstreckt ebenfalls gegen den Schuldner. Die stoßen sich nicht an dem Problem Aufenthaltsort/Wohnsitz.

    Dem Schuldner wird meines Erachtens hier ein Vollstreckungsschutz zuteil, der so nicht okay sein kann. Er bezieht in Deutschland ja immerhin eine Rente.

  • Die ausschließliche Zuständigkeit der Forderungsvollstreckung kennt 2 Gerichtsstände: § 13 ZPO und hilfsweise § 23 ZPO.

    Sofern man der Auffassung ist, die Meldeadresse begründet einen Wohnsitz, bittet man das Vollstreckungsgericht um Bescheidung des Antrags und versucht sein Glück in der Beschwerdeinstanz.
    Alternativ beantragt man die Verweisung an das Gericht nach § 23 ZPO.


    Zu ergänzen und ggf. hilfreich wäre noch der § 16 ZPO.

    Wenn euch kein konkreter Wohnsitz in der Türkei bekannt ist, wäre dieser aus meiner Sicht anwendbar.

    siehe auch: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22. Juni 1999 – 2 AR 27/99

  • Wobei der Schuldner ja nicht wohnsitzlos ist, sondern diesen (zumindest nach Auffassung des Vollstreckungsgerichts) in der Türkei hat.

    Wenn die Verweilzeit in Deutschland nahezu gleichwertig mit der Abwesenheit sind, könnte man einen Wohnsitz auch in Deutschland bejahen.
    Anderenfalls würde ich die Verweisung an das Gericht des § 23 ZPO beantragen.

    Ich muss zugeben, wenn mir der Gl. selber vorträgt (wenn auch mit einer anderen Motivation), der Schuldner halte sich überwiegend in der Türkei auf, hätte ich meine örtliche Zuständigkeit auch hinterfragt.

  • Wobei der Schuldner ja nicht wohnsitzlos ist, sondern diesen (zumindest nach Auffassung des Vollstreckungsgerichts) in der Türkei hat.

    ....


    Von einer konkreten zustellfähigen Anschrift in der Türkei habe ich dem Sachverhalt nichts entnehmen können.

    (Möglicherweise hält sich der Schuldner dort auch nur besuchsweise bei (verschiedenen) Verwandten/Bekannten auf.)

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